Biophysiker enthüllen Proteinfaltungsdynamik

Pressemitteilung der TU München vom 19.01.2010

Echtzeitmessung von einzelnen Molekülen in einem biologischen Schlüsselprozess

Damit Eiweiße in unserem Körper ihren Dienst tun können, müssen sie sich zu einer genau definierten, dreidimensionalen Struktur zusammenfalten. Funktioniert diese Faltung nicht, kann dies schwere Erkrankungen zur Folge haben. Wie die Proteine in ihre dreidimensionale Form gelangen ist eine der wichtigsten Fragen der Biowissenschaften und der Medizin. Viele Details dieses Prozesses sind jedoch noch ungeklärt. Biophysiker der Technischen Universität München (TUM) haben nun eine Methode entwickelt, mit der sie die Proteinfaltung am Beispiel eines Reißverschluss-ähnlichen Eiweißes in bisher nie erreichtem Detailgrad beschreiben können. In der aktuellen Ausgabe der Proceedings of the National Academy of Sciences (USA) berichten sie über ihre Ergebnisse.

Fehlfunktionen in der Proteinfaltung spielen eine entscheidende Rolle bei vielen schweren Krankheiten, darunter Diabetes, Krebs, Mukoviszidose, Prionenerkrankungen und Alzheimer. Ein besseres Verständnis des Faltungsprozesses ist wichtig, um die Kette der Ereignisse von der DNA-Kodierung bis zur biologischen Funktion zu verstehen. Darauf aufbauend könnten dann gezielt wirksame Medikamente entwickelt werden. Viele vorangegangene Studien – einschließlich Experimenten der selben Arbeitsgruppe mit Rasterkraftmikroskopie – haben versucht, die Energieschwellen zu charakterisieren, die zwischen dem ungefaltetem und gefaltetem Zustand eines Proteins bestehen. Detaillierte Beobachtungen des sehr schnellen Übergangs von einem Zustand in den anderen waren aber bisher kaum möglich. Die aktuellen Ergebnisse öffnen nun die Tür zu höher auflösenden, direkten Messungen.

Das publizierte Experiment ist das neueste in einer langen Serie von biophysikalischen Experimenten mit einzelnen Molekülen die von Professor Matthias Rief und seinen Kollegen im Physik-Department der TUM durchgeführt wurden. Die Ko-Autoren Christof Gebhardt und Thomas Bornschlögl sind Mitarbeiter in Riefs Labor; Gebhardt ist außerdem Mitarbeiter im Exzellenzcluster Munich Center for Integrated Protein Science.

Als Modell für die Echtzeitstudie der Proteinfaltung wählten die TUM Wissenschaftler einen aus Hefe isolierten so genannten Leucin-Zipper. Er hat eine – für ein Protein – relativ einfache Struktur und einen Faltungsvorgang ähnlich dem eines Reißverschlusses. „Man stelle sich zwei parallele Ketten von Aminosäuren vor, unten zusammengeschlossen, oben offen,“ erläutert Matthias Rief. „Wie bei einem Reißverschluss lagern sich dann die beiden offenen Enden zusammen.“

Die Forscher erweiterten diese Struktur so dass sie unabhängige Messungen am oberen, unteren und mittleren Teil des Reißverschlusses machen konnten. Die freien Enden am oberen Teil hielten sie mit Griffen aus doppelsträngiger DNA fest. Die DNA-Griffe wiederum waren an kleine Perlen gebunden, die die Forscher direkt mit einer „optischen Pinzette“ manipulieren konnten. Dieses Werkzeug basiert auf der Fähigkeit eines Laserstrahls mit einem speziellen Profil, Objekte im Nanobereich festhalten zu können. Ein Ende des Proteinmoleküls wurde so fixiert. Das andere stand zwar unter Spannung, hatte aber so viel Bewegungsfreiheit, dass die Faltungsdynamik direkt und in Echtzeit gemessen werden konnte. Dieser Aufbau ermöglichte Messungen mit hoher Auflösung, in der Distanz sowie in der Zeit. „Wir können tausende von Zwischenstufen vermessen und erstmals nicht nur Anfangs- und Endzustand anschauen sondern auch die Berge dazwischen,“ fasst Rief die Ergebnisse zusammen.

Original-Publikation:
Full distance resolved folding energy landscape of one single protein molecule,
J. Christof M. Gebhart, Thomas Bornschlögl, and Matthias Rief,
PNAS Early Edition for the week of Jan. 18, 2010.

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Wunderwerke aus der Mikrowelt

Medieninformation der TU Berlin vom 04.01.2010 

Die Natur liefert den Bauplan für winzige Roboter, die im menschlichen Körper arbeiten könnten

„Die Natur hat ein paar Millionen Jahre Erfahrung. Es ist eine gute Idee, diese zu nutzen“, sagt Holger Stark. Der Professor für Theoretische Physik der Technischen Universität Berlin beschäftigt sich allerdings mit einem Bereich in der Natur, vor dem es anderen Menschen oft graut: mit Darmbakterien und Salmonellen. Er untersucht, wie sich diese mikroskopisch kleinen Lebewesen in ihrem wässrigen Milieu fortbewegen. Nach ihrem Vorbild könnten winzige Maschinen gebaut werden, die auch im menschlichen Körper arbeiten können.

„Ein Bakterium mit seinen spiralförmigen Fäden, die durch wenige Nanometer kleine Rotationsmotoren angetrieben werden, ist ein Wunderwerk der Natur. Seine Fortbewegungsmechanismen zu verstehen, hilft beim Bau mikroskopisch kleiner Roboter, die man unter anderem auf eine Reise durch die Blutgefäße eines Körpers schicken könnte“, malt er seine Zukunftsvisionen aus. Diese Mikromaschinen könnten gezielt Reparaturarbeiten in den Zellen und Gefäßen vornehmen oder Medikamente genau dorthin transportieren, wo sie gebraucht werden.

„Das Wissen darüber, wie sich diese Bakterien fortbewegen, wie die zähe flüssige Umgebung ihre Bewegung beeinflusst, eröffnet viele Möglichkeiten, auf die lebenden Bakterien selbst einzuwirken“, sagt Reinhard Vogel, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Projekt. Profitieren könnte beispielsweise die Hygiene im Krankenhaus. „Allein aufgrund ihrer Schwimmbewegung sammeln sich Bakterien an glatten Oberflächen. Das zu verhindern, könnte das Risiko der gefürchteten Infektionen durch Katheter und Prothesen reduzieren.“

Über die Fortbewegungsmechanismen dieser mikroskopisch kleinen Schwimmer wissen die Forscher bereits, dass sich in der Zellwand ihrer Zellkörper diese Rotationsmotoren befinden, die jeweils spiralförmige Filamente oder Geißeln antreiben. „Diese vereinigen sich zu einem rotierenden Bündel und erzeugen damit den Vortrieb“, erklärt Vogel. „Die Steuerung ist simpel: Der eine oder andere Faden schert aus dem Bündel aus, wenn sich die Drehrichtung seines Motors umdreht. Dadurch bringt es das ganze Bakterium ins Schlingern und provoziert schließlich eine Richtungsänderung.“

Ein ganzes Chemielabor auf einem einzigen Chip

In einem neuen Forschungsprojekt, das von der Volkswagenstiftung mit rund 500.000 Euro gefördert wird, untersuchen die Wissenschaftler mit Kollegen aus dem Forschungszentrum Jülich nicht nur die Physik dieser Mechanismen, sondern sie wollen ein elastisches Modell von einer solchen Bakteriengeißel und deren Vortrieb durch den Rotationsmotor konstruieren. Mit computergestützten Simulationen, die auch die zähe wässrige Umgebung berücksichtigen, wird dabei zum Beispiel der Einfluss der Drehgeschwindigkeit und der Steifigkeit der Bakteriengeißel auf das Fortkommen der Bakterien untersucht. Diese Einflüsse haben in der Natur eine immense Bedeutung. Ein Bakterium muss immer in Bewegung bleiben, um vorwärts zu gleiten. Stoppt es seine Bewegungen, bleibt es sofort stehen. Das klingt banaler, als es ist. Bei einem Ozeandampfer oder auch beim Menschen ist das nämlich ganz anders. Sie gleiten auch nach Maschinenstopp beziehungsweise nach Einstellung der Schwimmbewegung im Wasser noch weiter. „Das liegt an den unterschiedlichen Reynoldszahlen, die die Trägheit von Gegenständen in flüssigen Umgebungen beschreiben“, erklärt Diplomphysiker Reinhard Vogel, der über dieses Problem promovieren will. „Da Bakterien sehr kleine Reynoldszahlen haben, erscheint ihnen eine Flüssigkeit viel zäher, die Umgebungsreibung wirkt also viel stärker auf sie und stoppt sie sofort, wenn sie die Bewegung einstellen.“

„Unsere Erkenntnisse und weitere Arbeiten sind auch für das sogenannte ,Lab-on- a-chip‘ wichtig, einem Chemielabor das auf einem einzigen Mikrochip Platz findet“, erklärt Holger Stark. In dem „Chiplabor“ müssen kleinste Mengen von Flüssigkeiten transportiert und vermischt werden, um etwa eine DNS-Analyse durchzuführen. So leicht die Aufgabe mit Becherglas und Pipette durchzuführen ist, so schwierig stellt sie sich in der mikroskopischen Welt dar. Die rotierenden spiralförmigen Fäden können bei dieser Aufgabe helfen. Die Lösungen der Natur werden so zum Vorbild für die Hochtechnologie. (pp)

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Erstmals Daten aus lebenden Zellen

Presseinformation der LMU München vom 15.12.2009

Optisches Verfahren misst molekulare Reaktionszeiten

Die Moleküle in unseren Zellen bilden ein komplexes Netzwerk aus Wechselwirkungen, deren zeitliche Abläufe bislang nicht gemessen werden konnten. Biologen untersuchen stattdessen die Geschwindigkeit einzelner molekularer Reaktionen außerhalb der Zelle. Fraglich ist aber, wie aussagekräftig diese Analysen sind, weil die Moleküle der Zelle in meist höherer Konzentration vorliegen und alle Interaktionen gleichzeitig ablaufen. Ein Team um den LMU-Biophysiker Professor Dieter Braun untersuchte nun mit einem optischen Verfahren die Reaktionszeiten für die Kopplung zweier Stränge des Erbmoleküls DNA direkt in der Zelle. Und wurde überrascht: „Wir hatten erwartet, in der Zelle schnellere Reaktionen zu finden“, sagt Braun. „Die Kopplung lief aber abhängig von der Länge des DNA-Stranges manchmal sogar langsamer ab als außerhalb der Zelle.“ Mit Hilfe dieser Methode können nun auch Daten aus lebenden Zellen in Modelle einfließen, die komplexe Vorgänge in biologischen Zellen abbilden – und möglicherweise helfen, Krankheiten zu erforschen. (PNAS online, 14. November 2009)

Die Doppelhelix des Erbmoleküls DNA entsteht, wenn sich zwei Einzelstränge aneinanderlagern. In der Studie brachten das Forscherteam zwei zusammengehörende DNA-Stränge in eine Zelle ein und analysierte die Geschwindigkeit deren Hybridisierung, also deren Kopplung und Entkopplung. Zur Messung der Reaktionsgeschwindigkeit – die sogenannte Kinetik – induzierten sie mit einem infraroten Laser Temperaturschwingungen verschiedener Frequenzen in der Zelle und erfassten die Konzentration der Reaktionspartner, also der einzelnen bzw. gekoppelten DNA-Stränge. War die Frequenz langsamer als die Reaktionszeit, folgten die gemessenen Konzentrationen der Temperaturschwingung. War sie schneller, so zeigten die Konzentrationen gegenüber dem Temperaturverlauf eine zeitliche Phasenverschiebung

Die Reaktionszeit ergab sich aus der Auswertung der Zeitverzögerungen und dem Rückgang der Amplituden. Die Konzentrationen wurden dabei mit Hilfe von Fluoreszenzfarbstoffen gemessen, die untereinander Energie austauschen, wenn sie nahe genug beieinander sind (FRET). Die LMU-Forscher versetzten die beiden DNA-Stränge mit Fluoreszenzfarbstoffen, die nur dann Energie übertrugen, wenn beide Stränge gekoppelt waren. Die Farbstoffe wurden über eine Stroboskoplampe angeregt, und die Fluoreszenzstärke mit einer CCD Kamera aufgenommen. Damit konnten die Biophysiker die Konzentrationsänderungen in der Zelle mit einer räumlichen Auflösung von etwa 500 Nanometer direkt sichtbar machen.

Sie stellten fest, dass DNA-Stränge, die aus 16 Basen-Bausteinen bestehen, im Vergleich zu extern gemessenen Werten in der Zelle etwa siebenmal schneller reagierten, wogegen die Reaktionsgeschwindigkeiten von 12-basiger DNA fünfmal niedriger lagen als außerhalb der Zelle. Dieses Ergebnis widerspricht der bislang vorherrschenden Vermutung, dass molekulare Reaktionen in Zellen wegen der dort vorliegenden hohen Konzentrationen grundsätzlich schneller ablaufen sollten als im Labor. „Offensichtlich modulieren Zellen die Reaktionsgeschwindigkeiten auf hochselektive Art und Weise“ sagt Braun. „Die Messungen liefern wertvolle, in vivo gemessene kinetische Daten für die systematische Analyse des komplexen Systems Zelle“ ergänzt Ingmar Schön, der die anspruchsvollen Experimente durchgeführt hat. Die Forscher wollen nun eine größere Bandbreite molekularer Reaktionen in lebenden Zellen vermessen. (CR/suwe)

Publikation:
„Hybridization Kinetics is Different Inside Cells“
Ingmar Schoen, Hubert Krammer, Dieter Braun,
PNAS online,
14. November 2009

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Quantenteilchen auf der Schaukel

Pressemitteilung der Universität Bonn vom 09.12.2009

Bonner Physiker kontrollieren die Eigenschwingung von Atomen

Mit einzelnen Atomen zu arbeiten ist mitunter schlimmer als Flöhe hüten – sie lassen sich nur mit speziellen Techniken kontrollieren. Physiker der Universität Bonn haben nun eine neue Methode ersonnen, Atomen ihren Willen aufzuzwingen: Ihnen ist es gelungen, die Eigenschwingung der kleinen Teilchen (ihre so genannte Wellenfunktion) präzise zu steuern. Der Bonner Ansatz öffnet Forschern aus verschiedenen Bereichen der Physik neue Türen. Die Ergebnisse sind nun in den Physical Review Letters erschienen (doi: 10.1103/PhysRevLett.103.233001).

Atome haben eine Eigenschaft, die die Mitarbeiter viel beschäftigter Chefs nur zu gut kennen: Sie können sich theoretisch an vielen Orten gleichzeitig aufhalten, an jedem aber nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit. Mit welcher Wahrscheinlichkeit man sie wo findet, beschreibt ihre Wellenfunktion.

Es war bisher nur mit Einschränkungen möglich, die Wellenfunktion eines einzelnen Atoms zu kontrollieren. Den Forschern vom Bonner Institut für Angewandte Physik um Professor Dr. Dieter Meschede ist nun aber genau das gelungen. Sie arbeiteten dabei mit einzelnen Caesium-Atomen, die sie mit einer Art Pinzette aus Licht festhielten.

Man kann sich so ein Caesiumatom als ein Kind vorstellen, das auf einer Schaukel sitzt. Die Wellenfunktion beschreibt, wie sehr die Schaukel hin- und herschwingt. Um das Kind höher schwingen zu lassen, versetzt die Mama der Schaukel einfach einen Schubs. Je stärker dieser Schubs, desto größer die Auslenkung: Die Wellenfunktion der Schaukel ändert sich.

In der Welt der Atome ist das nicht so einfach. Das liegt an den Quanteneffekten, die in der Mikrowelt zum Tragen kommen und der atomaren Wellenfunktion nur festgelegte Profile erlauben. So muss der Schubs genau die passende Stärke haben, damit er etwas bewirkt. Ist er zu klein oder zu groß, ändert sich an der Schaukelschwingung gar nichts. Es gibt aber noch eine zweite Einschränkung: Die Wellenfunktionen vor und nach dem Schubs müssen eine gewisse Ähnlichkeit aufweisen – Physiker sprechen von „Überlappung“.

„Wir haben nun unser Atom mit Mikrowellenstrahlung angeregt, ihm also einen Schubs versetzt“, erklärt der Bonner Physiker Dr. Artur Widera. „Mikrowellen lassen sich sehr gut kontrollieren. Wir konnten die zugeführte Energiemenge daher extrem präzise einstellen.“

Normalerweise hätte der Schubs dieser Strahlung nicht ausgereicht, um die Bewegung des Caesiums zu verändern. Die Forscher haben nun aber gewissermaßen den Aufhängepunkt der Atomschaukel um wenige Millionstel Millimeter im Raum verschoben. „Dadurch konnten wir den Wellenfunktionsüberlapp genau so einstellen, dass der Mikrowellen-Schubs doch zu einer Änderung der Schaukelbewegung führte.“

„Wir können so erstmals die Wellenfunktion von Atomen mit hoher Präzision ändern“, sagt Wideras Kollege Leonid Förster. „Damit können wir in der Schaukelbewegung der Atome beispielsweise Informationen speichern. Außerdem ist es denkbar, die Bewegung mit dieser Methode komplett zu stoppen. So ließen sich Atome bis zu ihrem Grundzustand nahe am absoluten Nullpunkt kühlen.“ (Frank Luerweg)

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Scharfer Blick in biologische Zellen

Presseinformation der Universität Göttingen vom 08.12.2009

Bakterium mit Hilfe linsenloser Röntgen-Mikroskopie untersucht

(pug) Um die Dichte und das Volumen einzelner Bestandteile biologischer Zellen bestimmen zu können, müssen Wissenschaftler bislang üblicherweise die Proben zerstören. Größere Untereinheiten der Zelle, die aus vielen Biomolekülen bestehen, lassen sich auf diese Weise in ihrer intakten funktionellen Form meist überhaupt nicht analysieren. Wie die Architektur einer biologischen Zelle zerstörungsfrei untersucht werden kann, hat nun ein Forscherteam um Klaus Giewekemeyer und Prof. Dr. Tim Salditt vom Institut für Röntgenphysik der Universität Göttingen zusammen mit Kollegen der Technischen Universität München und der Schweizer Synchrotronstrahlungsquelle SLS gezeigt. In einer Studie berichten die Forscher über ein Experiment, bei dem sie Bakterien mit hoch intensivem Röntgenlicht beleuchtet und die Dichteverteilung aus den gestreuten Röntgenwellen ermittelt haben. Die verwendete Wellenlänge der Röntgenstrahlung ermöglicht dabei nicht nur die Vermessung von ausgedehnten Proben ohne nennenswerte Schwächung des Strahls, es lassen sich auch die lokalen Dichteunterschiede besonders gut und nahezu unabhängig von der chemischen Beschaffenheit ermitteln. Die Studie erscheint in dieser Woche in der Fachzeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America“.

Die Wissenschaftler haben das Bakterium Deinococcus radiodurans untersucht, einen weit verbreiteten Vertreter der Kokken-Bakterien mit erstaunlicher Anpassungsfähigkeit. Der Einzeller kann mehr als das Tausendfache der tödlichen Dosis an ionisierender Strahlung für jedes andere bekannte Lebewesen überleben. Wie das Bakterium die effiziente Reparatur von Strahlenschäden bewerkstelligt, hängt womöglich auch mit der speziellen Packung der Erbsubstanz in dem Bakterium zusammen. Unter Einsatz eines neu entwickelten Verfahrens der linsenlosen Mikroskopie mit Röntgenstrahlen ist es den Wissenschaftlern gelungen, die Erbsubstanz in der Zelle abzubilden. Im vergangenen Jahr hatte ein Forscherteam um Pierre Thibault und Franz Pfeiffer von der TU München an metallischen Nanostrukturen gezeigt, dass sich ohne einschränkende Annahmen die Probenstruktur am Computer aus den Streuintensitäten errechnen lässt. Die nun publizierte Arbeit beweist, dass dieser Ansatz auch auf biologische Proben mit viel geringerem Kontrast übertragbar ist.

Ähnlich wie in der klassischen Röntgenstrukturanalyse trifft bei dem hier angewandten Verfahren der Röntgenstrahl nach der Interaktion mit der Probe, in diesem Fall mehreren Bakterienzellen von wenigen Mikrometern Größe, ohne weitere optische Elemente auf die Röntgenkamera, deren Bilder im Computer in ein reelles Bild des Objektes umgerechnet werden. Auf diese Weise ist es möglich, Abbildungen unabhängig von Limitierungen durch optische Elemente zu erzielen, zu denen etwa begrenzte räumliche Auflösung und Abbildungsfehler zählen. Um das winzige Signal, das von Bestandteilen einer einzelnen biologischen Zelle ausgeht, überhaupt messen zu können, muss ein sehr starker Röntgenstrahl eingesetzt werden. Hierfür kommen Synchrotronstrahlungsquellen zum Einsatz, in denen geladene Teilchen auf nahezu Lichtgeschwindigkeit beschleunigt und in eine Kreisbahn gezwungen werden, aus der sie millionenfach intensivere Röntgenstrahlung als die einer Laborquelle aussenden.

Mit dem Verfahren können nun beliebige biologische Proben analysiert werden. „Gegenüber der Elektronenmikroskopie können wir mit den Röntgenstrahlen Proben zum Beispiel in einem Gewebe tiefer durchdringen. Die Methode bietet uns ein neues, hochauflösendes Fenster in die Zelle, das die Identifikation von Zellbestandteilen ohne chemische Vorbehandlung oder mechanische Zerteilung der Probe ermöglicht“, so Doktorand Klaus Giewekemeyer. In einem nächsten Schritt wollen die Forscher die Methode verfeinern, indem sie Zellen aus einer Vielzahl unterschiedlicher Richtungen durchleuchten. Die dreidimensionalen Aufnahmen liefern zum Beispiel Informationen, um die Volumendichte bestimmen zu können. „Darüber hinaus werden wir die Schärfe der Bilder verbessern, indem wir die Intensität der Röntgenstrahlen erhöhen. Dabei sind wir nicht mehr auf die aufwändige Herstellung immer leistungsfähigerer Linsen angewiesen“, so Prof. Salditt, der die Doktorarbeit an der Universität Göttingen betreut. In Zukunft könnten mit der Methode wichtige Details zur Packung der Erbsubstanz im Zellinneren ans Licht gebracht werden.

Originalveröffentlichung:
Klaus Giewekemeyer et al.: Quantitative biological imaging by ptychographic x-ray diffraction microscopy. Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America 2009, doi: 10.1073/pnas.0905846107

Externer Link: www.uni-goettingen.de