Passauer Sensoriker entwickeln „Ernährungsbrille“

Pressemeldung der Universität Passau vom 04.07.2016

Wer isst, der muss meist auch kauen: Diesen Zusammenhang macht sich der Lehrstuhl für Sensorik der Universität Passau in seinem aktuellen Projekt zunutze. Eine spezielle Brille analysiert die Aktivität des Temporalis-Kaumuskels und eröffnet dadurch neue Möglichkeiten, das Ernährungsverhalten zuverlässig zu erkennen und zu verbessern. Erst kürzlich hat die Forschungsgruppe ihr Projekt auf der International Conference on Wearable and Implantable Body Sensor Networks (BSN’16) in San Francisco vorgestellt und dort die Auszeichnung für die beste wissenschaftliche Arbeit erhalten.

„Die Brille misst die Muskelaktivität über Elektromyographie. Die Elektroden sind in den Rahmen der Brille integriert“, erklärt Prof. Dr. Oliver Amft, der das Projekt leitet. „Die Elektroden sind speziell auf die Temporalismuskeln ausgerichtet, die dafür sorgen, dass unser Kiefer Kaubewegungen machen und Kraft zur Zerkleinerung von Nahrung aufbringen kann.“ Das sensorische Innenleben der Brille erfasst dabei nicht nur die Kaubewegung an sich, sondern mit weiteren Sensoren auch ihre genaue Ausprägung, Dauer und Häufigkeit in zahlreichen Parametern – so genau, dass aus jedem Bissen Rückschlüsse auf die Nahrung gezogen werden können. „Kekse sind knusprig, Gummibärchen hingegen weich und elastisch: Jede Speise stellt aufgrund ihrer Beschaffenheit spezielle Anforderungen an Muskelkraft und Kaubewegung. Genau hier setzen wir an“, so Oliver Amft. „Wir arbeiten an Algorithmen, die die empfangenen Sensordaten der Kaubewegung und die Kaubewegung bestimmten Speisetypen zuordnen“, erklärt Rui Zhang, Doktorand am Lehrstuhl und Mitentwickler der Brille, weiter.

Die Entwicklung der Ernährungsbrille ist eingebettet in das Projekt „WISEglass“ am Lehrstuhl, bei dem Lösungen für verschiedene Gesundheits-Anwendungen von intelligenten Brillen im Alltag, vorwiegend im medizinischen Kontext, entwickelt werden. Noch ist die Brille aus dem 3D-Drucker ein Prototyp, der weiterentwickelt werden muss: „Insbesondere integrieren wir weitere Sensoren, um die Erkennung der Nahrungsaufnahme zu verbessern und weitere Informationen über Speisentypen und Menge zu erfassen“, sagt Rui Zhang.

Ziel der Forschungsgruppe ist es, dass die Brille in einer Vielzahl von Situationen, in denen die Analyse des Ernährungsverhaltens von Bedeutung ist, zum Einsatz kommt – in der Medizin und im Sport genauso wie im Alltag. „Voraussetzung für eine einwandfreie Orientierungshilfe in puncto Ernährung ist die lückenlose und fortlaufende Erfassung von allem, was gegessen wird. Viele Nutzer tun das ja bereits und halten fest, was sie zu sich nehmen, insbesondere mit Smartphone-Apps. Allerdings ist auch bekannt, dass diese manuellen Eingaben nicht zuverlässig dazu führen, dass wirklich alles aufgezeichnet wird – man vergisst etwas, man verschätzt sich oder lässt absichtlich etwas aus.“

Am Ende soll die Brille schließlich so intelligent sein, dass sie manuelle Methoden zur Erfassung des Ernährungsverhaltens, wie Fragebögen oder Smartphone-Apps ersetzen kann. Mithalten kann das High-Tech-Accessoire im Übrigen auch unter modischen Gesichtspunkten: Die intelligenten Brillen mit eher schlichten Rahmen sehen normalen Brillen äußerst ähnlich. „Es war uns wichtig, dass die Brillen gerade für Brillenträger keine große Umstellung bedeuten. Und sie sollen natürlich auch nicht als ungewöhnlich oder stigmatisierend wahrgenommen werden“, betont Oliver Amft. (Katrina Jordan)

Externer Link: www.uni-passau.de

Welser Automatisierungstechnik-Student optimiert Feuchtemessung in der Papierindustrie

Pressemeldung der FH Oberösterreich vom 08.06.2016

Der Welser Automatisierungstechnik-Student David Hrubicek entwickelt im Rahmen seiner Masterarbeit für die Senmicro GmbH ein neuartiges Feuchte-Messsystem für die Papierindustrie. Die Feuchtemessung zählt zu den wichtigsten Qualitätsparametern in der Papierproduktion. Bislang wurden die Papierbahnen berührungslos mittels Infrarot-Strahlung auf ihren Wassergehalt überprüft. Der aus Winklarn (NÖ) stammende Sensorik-Spezialist verwendet nun erstmals die NIR-Spektroskopie, die vor einigen Jahren noch in der Grundlagenforschung steckte. Die neue Feuchtemessung kann genauere Daten liefern.

Die Papierherstellung ist ein energieintensiver Prozess. Der Feuchtegehalt ist dabei ein wichtiger Prozessparameter und auch ein ausschlaggebendes Qualitätsmerkmal bei der Papierherstellung. Durch die Messung des Feuchtegehalts an bestimmten Positionen, kann der Vorgang der Papiertrocknung optimal geregelt und dadurch Energie sowie Ressourcen eingespart werden.

Betreuer ist selbst FH-Absolvent

Die Firma Senmicro GmbH ist Spezialist bei der Sensorentwicklung zur Messung des Feuchtegehalts von Papierbahnen. „An den Feuchtesensor werden viele Anforderungen gestellt: Er muss trotz Schmutz, hoher Temperatur und hoher Luftfeuchte schnelle, genaue und reproduzierbare Messwerte abliefern“, erklärt Senmicro-Firmenbetreuer Thomas Fink MSc. „Bisherige Sensorsysteme basierten ebenfalls auf Messungen im Infrarotbereich, jedoch nur bei einzelnen Wellenlängen. Mit der NIR-Spektroskopie wird nun das gesamte Wellenspektrum als Datenquelle herangezogen.“

Thomas Fink hat selbst auch vor einigen Jahren das Welser Automatisierungstechnik-Studium erfolgreich absolviert und greift nun auf die jungen Nachwuchs-Mechatroniker zurück. „Das Automatisierungstechnik-Studium bringt den Studierenden genau jene Sensor- und Mikrosystem-Qualifikationen bei, die wir in unserem Unternehmen benötigen. Daher verstärken wir uns gezielt mit Welser FH-Absolventen“, so Fink weiter.

Mathematische Berechnungen

„In meiner Masterarbeit teste ich ein neu auf dem Markt erschienenes, auf Mikrosystemtechnologie basiertes Interferometer für den Einsatz als Feuchtemessung in der Papierindustrie. Bislang war dieses Messgerät nur im Labor im Einsatz. Erstmals erfüllt es nun auch die Robustheit für den Einsatz in industrieller Umgebung. Es zeichnet gesamte Spektren der Infrarotwellen auf. Dazu entwickle ich komplexe mathematische Modelle, um die vielen, mehrdimensional gemessenen Daten verarbeiten zu können“, erklärt der 24-jährige David Hrubicek.

Funktioniert auch unter widrigen Umständen

„Zuerst werden die Modelle zwar auch im Labor entwickelt, anschließend wollen wir die Ergebnisse aber in der realen Papierproduktion bestätigen lassen. Wenn alles gut läuft, liefert die NIR-Spektroskopie viel genauere Daten – und das auch unter widrigen Umgebungsbedingungen, wie sie in einer Papiermaschine vorherrschen“, freut sich Hrubicek, der während des FH-Studiums bereits 30 Stunden bei der Senmicro GmbH arbeitet.

Externer Link: www.fh-ooe.at

Bessere Farben und Lacke schneller entwickeln

Presseinformation (Forschung Kompakt) der Fraunhofer-Gesellschaft vom 01.06.2016

Wandfarben und -lacke zu entwickeln, ist für Hersteller eine große Herausforderung: Sie können mit Hilfe von Proben lediglich abschätzen, wie sich die Dispersion im Reaktionsbehälter verhält. Durch eine Kooperation von Fraunhofer-Forschern mit der PDW Analytics GmbH ist es nun erstmals möglich, die Produktion von Farben, Lacken und Klebstoffen kontinuierlich und in Echtzeit zu überwachen – und die Prozesse effizienter zu gestalten.

Wandfarbe ist nicht gleich Wandfarbe – das weiß jeder, der schon mal mit Schnäppchen-Farbe eine bunte Wand weißen wollte. Während qualitativ hochwertige, teure Farben bestens decken, schimmert bei Billigprodukten der alte, bunte Anstrich hindurch. Beim Auftragen, beim Trocknen und beim Glanz sind die Unterschiede groß. Die Eigenschaften einer Wandfarbe hängen stark davon ab, wie groß die darin enthaltenen Partikel sind – beispielsweise Füllstoffe, Bindemittel, Pigmente oder Zusatzstoffe. Bei der Entwicklung neuer Farben wollen Hersteller daher genau wissen, was in den Reaktionsbehältern vor sich geht und wie sich die Partikelgrößen im Laufe des Prozesses verändern. Die Hersteller nehmen eine Probe der Farbe, verdünnen und prüfen diese. Das ist zeitintensiv. Währendessen kann sich die hergestellte Dispersion verändern. Zudem beeinflusst das Verdünnen die Probe. So können die Teilchen beispielsweise zu größeren Partikeln verklumpen. Man kann daher nicht sicher davon ausgehen, dass die Partikelgröße in der Probe mit der im Reaktionsbehälter übereinstimmt.

Jederzeit wissen, was im Reaktionsbehälter geschieht

Künftig geht das einfacher, schneller und präziser: Dann können die Hersteller Wandfarben, Lacke oder auch Klebstoffe erstmals inline analysieren. Sie brauchen also keine Probe zu ziehen, sondern können ihr Produkt direkt beim Herstellungsprozess fortlaufend in Echtzeit untersuchen. Möglich macht dies ein neuer Sensor, den die Mitarbeiter des Potsdamer Unternehmens PDW Analytics GmbH entwickelten, und den Forscher vom Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung IAP in ihr bestehendes Prozessentwicklungssystem integriert haben. »Dies ist eine weltweit einzigartige prozessanalytische Detektionsmethode, mit der wesentliche Parameter bei der Herstellung von Farben, Lacken und Klebstoffen direkt inline und kontinuierlich erfasst werden können«, sagt Dr. Antje Lieske, Abteilungsleiterin am IAP. »Somit können wir die Prozesse weitaus besser verstehen, sie effizienter gestalten und Fehlproduktionen vermeiden.«

Hardware trifft auf Know-how

Das Herzstück der Technologie, der Sensor, basiert auf der Photonendichtewellen-Spektroskopie – einem Verfahren von PDW Analytics. Das Prinzip: Über optische Fasern strahlt der Sensor Laserlicht in die flüssige Wandfarbe ein. Die Intensität des Lichts wird bis in den Gigahertz-Bereich moduliert. Nun analysiert die Methode wie sich das Licht – abhängig von der Frequenz – in der Flüssigkeit ausbreitet. Aus diesen Daten wird ermittelt, wie groß die einzelnen Partikel sind. Referenzsysteme haben die Forscher am IAP erstellt: Verschiedene Proben, deren Partikel eine fest vorgegebene Größe hatten, wurden erfolgreich mit der Photonendichtewellen-Spektroskopie vermessen.

Mit dem Sensor stellen die Forscher des IAP für Kunden Produktionsprozesse nach und analysieren sie. »Wir koppeln den neuartigen Sensor sowohl mit unserem bestehenden System als auch mit unserem Know-how«, erläutert Lieske. Für Suspensionen, deren Partikel zwischen einem Mikrometer und einem Millimeter groß sind, konnten die Wissenschaftler bereits seit Längerem neben Viskosität und Wärmefluss auch die Partikelgrößen im Prozess bestimmen. Ein Infrarotsensor detektierte zudem die chemischen Veränderungen und gab Aufschluss darüber, wie weit die chemischen Reaktionen bereits fortgeschritten sind. »Mit dem neuen Sensor sind wir nun auch in der Lage, Teilchengrößen über den gesamten relevanten Größenbereich von Nanometer bis Mikrometer im Prozess zu messen«, ergänzt Lieske.

Kunden können ihre Prozesse entweder im IAP untersuchen lassen, etwa bei Fragestellungen, die das Unternehmen nicht alleine lösen kann. Oder aber, da das ganze System transportabel ist, auch vor Ort im Unternehmen nutzen. Typische Fragestellungen sind: Lässt sich die Zeit für die Polymerisation verkürzen? Wie kann man Unsicherheiten im Prozess beseitigen und wie Materialeigenschaften verbessern – etwa dafür sorgen, dass der Klebstoff besser klebt oder die Wandfarbe besser deckt?

Externer Link: www.fraunhofer.de

Undichte Verpackungen vermeiden

Presseinformation (Forschung Kompakt) der Fraunhofer-Gesellschaft vom 28.04.2016

Ist die Verpackung von Lebensmitteln oder gar Medikamenten bereits beim Kauf undicht, nimmt das Image des Herstellers Schaden. Ein Dünnschicht-Temperatursensor erlaubt es Unternehmen künftig, potenziell undichte Verpackungen schnell und zuverlässig bereits im Herstellungsprozess zu entdecken und auszusortieren.

»Drei Cola-Fläschchen, eine Lakritzschnecke und zwei saure Zungen«, so bestellten Kinder früher mit ihrem Taschengeld am Kiosk. Heute kaufen Kinder Bonbons und Gummibärchen in Tüten verpackt im Supermarkt. Und nicht nur die: Weltweit produzieren Unternehmen pro Jahr rund eine Billion Folienverpackungen für Nahrungsmittel, Kosmetik-, Pharma- und Technikprodukte. 90 Prozent dieser Verpackungen werden mit Wärmekontaktverfahren hergestellt, sprich mit heißen Werkzeugen versiegelt. Dabei kann es vorkommen, dass Füllmaterial in die Siegelnaht gelangt und diese dann undicht ist. Bisher können Hersteller die Verpackungen meist nur stichprobenartig kontrollieren. Landen undichte Lebensmittelverpackungen im Supermarkt – oder unsauber verschlossene medizinische Produkte in Apotheken –, kann das die Produktqualität oder die -haltbarkeit beeinträchtigen und für die Hersteller zu einem Imageschaden führen.

Dünnschichtsensor überwacht Verpackungsprozess inline

Forscherinnen und Forscher der Fraunhofer-Institute für Werkstoffmechanik IWM in Freiburg und für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV, Dresden haben ein Verfahren entwickelt, mit dem sich undichte Verpackungen künftig deutlich reduzieren, wenn nicht sogar ganz vermeiden lassen: Ein Dünnschicht-Temperatursensor direkt auf der Siegelschiene erlaubt eine Inline-Überwachung des Verpackungsprozesses. »Statt den bisherigen stichprobenartigen Tests können Hersteller damit jede einzelne Verpackung überprüfen«, bestätigt Alexander Fromm, Projektleiter der Gruppe »Funktionale Schichtmaterialien« des IWM. »Sie haben somit eine deutlich höhere Sicherheit, dass alle Lebensmittel- oder Medikamentenverpackungen dicht verschlossen sind. Zudem entfallen aufwändige, nachgelagerte Prüfschritte.«

Beispiel Bonbonverpackungen: Bislang klemmen zwei beheizte Siegelschienen einen Folienschlauch ein, schmelzen den Kunststoffverbund teilweise auf und versiegeln auf diese Weise die Packung. Die Bonbons werden eingefüllt, der Schlauch an der passenden Stelle von den Werkzeugen geklemmt und auf die gleiche Weise per Heißsiegeln geschlossen. Danach schneidet ihn ein Messer ab. Wie gut die Siegelnaht hält, hängt vor allem von der Temperatur der Siegelschienenoberfläche ab: Ist sie zu heiß, verbrennt die Folie. Ist sie zu kalt, verschweißen die Folienbereiche nicht fest genug miteinander. Das Ergebnis ist in beiden Fällen gleich: Die Verpackung ist undicht. Die Hersteller betreiben daher einen enormen Aufwand, um solchen Fehlern auf die Schliche zu kommen. So werden einige Verpackungen stichprobenartig im Wasserbad überprüft, aufsteigende Luftblasen weisen dann auf eine Undichtigkeit hin.

Ende der Stichproben

Aber es geht auch anders. »Wir bringen die Temperatursensoren direkt auf der Siegelschiene auf und erhalten somit bei jedem Siegelvorgang eine unmittelbare Information zu jeder Packungseinheit«, erläutert Gregor Wendt, Wissenschaftler am IVV Dresden. Ist die Temperatur zu hoch oder zu niedrig, kann dies an der Maschine sofort nachgeregelt werden – noch bevor zahlreiche undichte Verpackungen vom Band gelaufen sind. Auch ein eingeklemmtes Produkt, etwa ein in die Naht gerutschtes Bonbon, erkennt die Inline-Qualitätsprüfung zuverlässig. Das Prinzip: Schweißen die Siegelschienen die Folien zusammen, nehmen diese einen Teil der Wärme der Schienen auf. Die Schiene kühlt also ein wenig ab. Wie weit die Temperatur sinkt, hängt von der eingeklemmten Masse ab: Hat sich ein Bonbon in die Nahtzone verirrt, nimmt dieses ebenfalls einen Teil der Wärme auf – die Schiene kühlt stärker ab als ohne eingeklemmtes Füllgut. Das System ist sehr sensitiv: Sogar Kaffeepulver in der Naht kann es erkennen  – schneller und empfindlicher als bisher im Siegelprozess genutzte Sensoren.

Beim Sensor selbst setzen die Beschichtungs-Spezialisten auf Thermoelemente, die sie über etablierte Dünnschicht-Verfahren herstellen: Sie dampfen dabei die verschiedenen Materialien des Thermoelements im Vakuum direkt auf die Siegelschiene auf. Der entstehende Sensor ist mit einigen hundert Nanometern Schichtdicke extrem dünn und besitzt eine sehr kurze Ansprechzeit. Am IWM entwickeln die Forscherinnen und Forscher angepasste Schutzschichten für spezifische industrielle Anwendungen. Ihre Kolleginnen und Kollegen vom IVV Dresden integrieren mit Sensoren bestückte Siegelschienen in die Verpackungsanlagen und kümmern sich um die Kontaktierung des Sensors.

An einem Laborsiegelgerät konnte das Forschungsteam bereits zeigen, dass der Siegelprozess mit integriertem Dünnschichtsensor funktioniert. In weiteren Schritten erarbeiten die Wissenschaftler derzeit Lösungen, um diese Technik für gängige Werkzeuge in der industriellen Fertigung und die damit verbundenen hohen Taktzahlen und unterschiedlichen Folienmaterialien anzupassen.

Externer Link: www.fraunhofer.de

Mobilfunknetz ermöglicht Regenmessung

Presseinformation des KIT (Karlsruher Institut für Technologie) vom 07.04.2016

Forscher ermitteln Niederschlagsmenge aus Leistungsschwankungen auf Richtfunkstrecken / Wassermanagement in Entwicklungsländern kann von neuer Messtechnik profitieren

Regentropfen dämpfen die Ausbreitung elektromagnetischer Wellen. Meteorologen des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) machen sich dieses physikalische Phänomen zunutze: Mit einer eigens entwickelten Software leiten sie aus den Strahlungsschwankungen innerhalb der Richtfunkstrecken von Mobilfunknetzen Informationen über Regenfälle ab. Die Technik ergänzt die konventionelle Messung und bietet Potenzial für das Wassermanagement in Ländern, in denen es nur sehr wenige Wetterstationen gibt.

Üblicherweise bestimmen Meteorologen die Menge Regen, die innerhalb einer bestimmten Zeit fällt, mit Hilfe von automatischen Niederschlagstöpfen oder mittels Regenradar. Die neue Messmethode wertet Strahlungsschwankungen zwischen Sendemasten von Mobilfunkbetreibern aus, um festzustellen, wann es wo wieviel regnet. Wissenschaftler am Institut für Meteorologie und Klimaforschung (IMK-IFU) des KIT in Garmisch-Partenkirchen erforschen diese Technik seit 2010 in Deutschland. Ein Vorteil der neuen Methode liegt darin, dass sie mit nur minimaler Zeitverzögerung über lokale Regenfälle informiert. Zum anderen ermöglicht das eng geknüpfte Netz der Mobilfunkmasten eine hohe regionale Abdeckung mit Messungen.

„Regentropfen sind etwa so groß wie die Wellenlänge der Mikrowellenstrahlung der mit einer Frequenz von 15 und 40 Gigahertz betriebenen Richtfunkstrecken, deshalb dämpfen sie die Strahlung in diesem Frequenzbereich stark“, erläutert Professor Harald Kunstmann vom IMK-IFU. Je stärker es regnet, desto stärker ist der Leistungsabfall zwischen zwei Antennen. Handynutzer bemerken von dieser Beeinträchtigung des Funksignals in der Regel wenig. Allenfalls bei extremem Starkregen kann die Strahlung so sehr gedämpft sein, dass die Kommunikation zwischen den Mobilfunkmasten aussetzt und die Telefonverbindung abbricht. Den Forschern genügen die Schwankungen, um anhand der Dämpfungsraten festzustellen, wo es wie stark regnet.

Die Empfindlichkeit des Messverfahrens ist genauso hoch wie bei der klassischen Methode mit Niederschlagstöpfen. „Die Nachweisgrenze liegt bei einer Regenrate von einem Millimeter pro Stunde, und die Daten liegen mit einer Zeitverzögerung von nur einer Minute vor“, sagt Dr. Christian Chwala, Mitarbeiter in Kunstmanns Forschungsgruppe. Für Schnee funktioniert die Methode wegen der besonderen Struktur dieser Niederschlagsart allerdings nicht.

Getestet wurde die neue Technik anhand der Dämpfungsraten von 450 Richtfunkstrecken im südlichen Bayern. Ericsson Deutschland als Kooperationspartner ermöglicht es den Klimaforschern des KIT mit ihrer eigens entwickelten Software einlaufende Daten direkt vom Rechenzentrum des Mobilfunknetzbetreibers zum KIT Campus Alpin zu übermitteln. Dort werden die Daten dann prozessiert und nach auffälligen Leistungsschwankungen durchsucht. Die Forscher benötigen dafür nur die Daten der Sende- und Empfangsleistung der Richtfunkstrecken. Sensible Informationen, wie z.B. Details der übertragenen Kommunikation, werden nicht erfasst.

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hat die Untersuchungen im Zuge des Projekts „Integrating Microwave Link Data For Analysis of Precipitation in Complex Terrain: Theoretical Aspects and Hydrometeorological Applications” (IMAP) für vorerst zwei Jahre mit insgesamt 600.000 Euro gefördert. Das Projekt ist Teil einer trilateralen Kooperation mit Einrichtungen in Israel und Palästina. Eine Verlängerung für weitere drei Jahre ist beantragt, mit dem Ziel, die Zahl der ausgewerteten Richtfunkstrecken zu erweitern, die Qualität der automatisierten Datenauswertung zu verbessern und schließlich konkret auch für Hochwasser-Vorhersagezwecke zu nutzen. Auch die Stiftung Energieforschung Baden-Württemberg unterstützt die Forschung.

„Deutschlandweit gibt es etwa 1000 Messstellen für Niederschlag, aber schätzungsweise 100.000 Richtfunkstrecken, die sich theoretisch in den Messprozess einbeziehen ließen“, erläutert Dr. Felix Keis, ebenfalls Mitarbeiter in der Forschungsgruppe. Vor Hochwasser in Bergregionen könnte mithilfe der neuen Messtechnik schneller gewarnt werden. „Die Methode birgt aber vor allem großes Potenzial für Länder, in denen es nur wenige oder gar keine Wetterstationen oder Regenradargeräte gibt, jedoch ein dichtes Mobilfunknetz zur Verfügung steht“, betont Harald Kunstmann. Beispielsweise in Regionen wie West-Afrika könnte die Messmethode dazu beitragen, genauere Niederschlagsinformation zu erhalten, um die für das Wassermanagement dringend notwendigen Vorhersagemodelle zu verbessern. Unter Federführung des KIT knüpfen internationale Forscher Kontakte mit westafrikanischen Wissenschaftlern und Mobilfunkbetreibern, unter anderem in Ghana und Burkina Faso, um dort für die innovative Methode zu werben. (le)

Externer Link: www.kit.edu