MOSAIC: Startschuss für neuen Spektrographen der ESO

Pressemeldung der Universität Wien vom 18.03.2016

Weiteres Instrument für das Europäische Riesenteleskop (E-ELT) mit Beteiligung der Universität Wien

Der neue Multiobjekt-Spektrograph MOSAIC der Europäischen Südsternwarte ESO soll künftig durch seine Messungen viele Gebiete der Astrophysik revolutionieren – von Extrasolaren Planeten und Sternen bis zum Rand unserer Milchstraße, über die Welt der Galaxien mit ihren supermassiven Schwarzen Löchern bis zu den allerersten Strukturen nach dem Urknall. In voraussichtlich zehn Jahren wird das künftige „Zugpferd“ am Riesenteleskop E-ELT (European Extremely Large Telescope) eingesetzt werden. Der Astrophysiker Bodo Ziegler von der Universität Wien wird dieses Hochleistungsinstrument nutzen, um die ersten Objekte im Universum zu studieren und die physikalischen Eigenschaften der Galaxien über kosmologische Epochen hinweg zu messen. Der Kooperationsvertrag wird am Freitag zwischen ESO und dem MOSAIC-Konsortium in Paris unterzeichnet.

ESO und das MOSAIC-Konsortium unterzeichnen beim Kick-off Meeting am Pariser Observatorium den Vertrag zur Phase-A-Studie zur Errichtung des MOSAIC-Multiobjekt-Spektrographen. Während der sogenannten „Phase A“ werden detaillierte Baupläne für die Konstruktion erstellt – dabei müssen vielfältige Aspekte (z.B. Adaptive Optik) der technischen Spezifikationen zur Erreichung der hoch gesteckten wissenschaftlichen Ziele berücksichtigt werden. Danach wird eine Strategie für die Bauphase („Phase B“) und die anschließende Integration in das Großteleskop entwickelt. In der gesamten Zeit werden die astronomischen Anwendungen erarbeitet, wobei die geplanten wissenschaftlichen Projekte durch realitätsgetreue Simulationen erprobt werden.

Spektrographen sind die am meisten genutzten Instrumente in der Astrophysik. Auch MOSAIC wird alle Disziplinen der Astronomie bedienen, mit Hilfe von 200 einzelnen Spalten und 10 weiteren 3D-IFUs (Integral Field Units, die Objekte räumlich auflösen können) bis zu 200 leuchtschwache Objekte gleichzeitig im Blickfeld spektroskopieren, und damit das Licht in seine einzelnen Energiekomponenten zerlegen.

Mit seinen Messungen wird MOSAIC neue Erkenntnisse liefern, die wichtige Fragen der modernen Astrophysik beantworten werden. Dies betrifft etwa die Bereiche Extrasolare Planeten, Chemie der Sterne, unser galaktisches Zentrum mit seinem Schwarzen Loch, Entstehung und Entwicklung der Galaxien und deren großräumige Struktur sowie die Verteilung der Materie im Universum und die Natur der Dunklen Materie und Dunklen Energie.

Bodo Ziegler vom Institut für Astropyhsik der Universität Wien plant die allerersten Objekte im Detail zu untersuchen. Schon heute ist bekannt, dass die ersten Sterne in der für KosmologInnen kurzen Zeit von 400 Millionen Jahren nach dem Urknall zu leuchten begannen. „Wir haben viele Fragen: Wie konnten sie entstehen, warum gruppieren sie sich zu Galaxien, wie setzen sie sich chemisch zusammen oder warum wachsen Strukturen zu immer größeren Galaxien zusammen“, erläutert Ziegler. Antworten auf diese fundamentalen Fragen will der Astrophysiker mit Hilfe der Messungen der MOSAIC-Faserspektren finden.

Für ein anderes größeres Projekt möchte Ziegler mit MOSAIC räumlich aufgelöste Spektren von Galaxien gewinnen, die in acht bis zwölf Milliarden Lichtjahren Entfernung liegen; einer kosmologischen Epoche, in der im Universum die meisten Sterne und Quasare entstanden sind. Die Beobachtungsdaten sollen wichtige physikalische Parameter der Galaxien messen, aus denen physikalische und chemische Prozesse dieser Galaxien abgeleitet werden. Nur mithilfe dieser Spektroskopie können die AstrophysikerInnen u.a. Sternentstehungsraten, chemische Zusammensetzung, Kinematik (Bewegungen) der Sternpopulationen und dynamisches Gravitationspotential (inklusive Dunkler Materie) dieser extrem leuchtschwachen und kleinen Galaxien mit hoher Genauigkeit messen.

MOSAIC ist eines von insgesamt drei wissenschaftlichen Instrumenten des E-ELT mit österreichischer Beteiligung. Joao Alves und Manuel Güdel, ebenfalls vom Institut für Astrophysik an der Universität Wien, sind jeweils österreichische Projektleiter: Alves für die MICADO-Kamera bzw. Güdel für das Infrarot-Instrument METIS.

Das MOSAIC-Konsortium besteht aus WissenschafterInnen und TechnikerInnen aus den fünf wichtigsten Geldgeber-Ländern Frankreich, Vereinigtes Königreich, Niederlande, Deutschland und  Brasilien, sowie assoziierten Partnern in Österreich, Finnland, Italien, Portugal, Spanien und Schweden.

Externer Link: www.univie.ac.at

Wasserzeichen lösen Rätsel um Rembrandts Werkstatt

Presseinformation (Forschung Kompakt) der Fraunhofer-Gesellschaft vom  01.03.2016

Mit Infrarotlicht Kunstwerke datieren

Handelt es sich um eine historische Zeichnung? Oder um eine Fälschung aus dem 19. Jahrhundert? Dies ist selbst für Kunstexperten schwer zu beurteilen. Ein neues Infrarot-Verfahren von Fraunhofer-Forschern lässt Wasserzeichen auf Papieren sichtbar werden und ermöglicht somit eine genauere Datierung.

Ist der Rembrandt echt? Oder ist man einem Schwindel aufgesessen und hat anstelle des Meisterwerks eine wertlose Kopie aus dem 19. Jahrhundert erworben? In vielen Fällen lässt sich dies mit Hilfe von Wasserzeichen beantworten. Sie informieren, aus welchem Zeitraum das Papier und damit das Werk stammt. Ab dem 12. bis 13. Jahrhundert hat jede Papiermühle solche Prägungen durch Drahtformen, die auf dem Schöpfsieb befestigt werden, in ihre Papierbögen eingebracht, quasi als Markenzeichen. Über die Jahre nutzten sich die Formen jedoch immer mehr ab, so dass Details der Zeichen nach einiger Zeit nicht mehr zu erkennen waren. Teilweise wurden sie auch vom Betreiber der Papiermühle erneuert oder ersetzt. Die Wasserzeichen lassen daher bis auf wenige Jahre genau auf die Zeit schließen, in der das Papier hergestellt wurde. Die Datenlage dazu ist gut. Um die Wasserzeichen zu erkennen, durchleuchtet man die Zeichnung üblicherweise mit sichtbarem Licht. Da das Papier im Bereich der Prägung mehr Licht durchlässt, sollte man sie gut erkennen können – zumindest theoretisch. In der Praxis klappt das jedoch nur bedingt: Oftmals verdecken Tinte oder Pinselstriche die Zeichen bis zur Unkenntlichkeit.

Infrarot-Licht sieht durch Farben und Tinte hindurch

Forscher des Fraunhofer-Instituts für Holzforschung WKI in Braunschweig haben nun eine Lösung für dieses Dilemma entwickelt, gemeinsam mit ihren Kollegen des Herzog-Anton-Ulrich-Museums und des Instituts für Nachrichtentechnik der Technischen Universität Braunschweig IfN. »Wir durchleuchten die Papiere nicht mit sichtbarem Licht, sondern mit Infrarot-Licht – also mit Wärmestrahlung«, sagt Peter Meinlschmidt, Wissenschaftler am WKI. »Die häufig verwendete Eisengallus-Tinte ist für dieses Licht transparent. Man sieht also nur das Wasserzeichen, ohne die störende Schrift oder Farbe.« Statt Unterschiede im Licht detektieren die Forscher die Abweichungen in der Wärmestrahlung – und das mit hoher Genauigkeit: Die Kameras können selbst Temperaturdifferenzen von 15 Millikelvin auflösen, also Unterschiede von 15 Tausendstel Grad erkennen.

Rund 60 Zeichnungen aus dem Rembrandt-Umfeld konnte das Team auf diese Weise bereits erfolgreich datieren. Das Prinzip: Die Forscher klemmen das Papier in ein Passepartout, welches sie zwischen einer Wärmeplatte, also dem Infrarotstrahler, und einer Infrarotkamera positionieren. Dabei kommt es darauf an, dass die Wärme gleichmäßig abgestrahlt wird und das Papier einen Abstand zum Strahler hat. Denn bei direktem Kontakt würde sich das Papier ungleichmäßig erwärmen.

Schadet die Wärmestrahlung den Kunstwerken? »Die Wärme ist unbedenklich: Die Infrarotlampe erwärmt das Papier weitaus weniger, als es die Finger beim Anfassen des Papiers tun«, erläutert Meinlschmidt. Allerdings gilt es, schnell zu sein: Das Wasserzeichen ist nur wenige Sekunden lang sichtbar. Denn je länger das Blatt in der Wärmestrahlung bleibt, desto stärker wärmen sich durch Tinte dunkel gefärbte Bereiche auf und stören die Temperaturunterschiede, die durch die Prägung hervorgerufen werden.

Notenpapiere auf Echtheit prüfen

Die Infrarotkameras, die die Forscher bisher verwendet haben, sind teuer – das Gesamtsystem kostet rund 80 000 Euro und ist daher nur für große Bibliotheken wie die Bayerische Staatsbibliothek München oder die Staatsbibliothek zu Berlin erschwinglich. Gegenwärtig arbeiten die Wissenschaftler daher gemeinsam mit der Sächsischen Landesbibliothek SLUB in Dresden daran, den Preis für das System zu senken: auf 20 000 bis 30 000 Euro. Die Forscher setzen auf eine Kamera, deren Auflösung statt 15 Millikelvin nur 50 Millikelvin beträgt. Für sie müssten die Museen nicht 50 000, sondern nur 5 000 Euro bezahlen. »Diese geringere Auflösung wollen wir durch eine deutlich bessere Bildverarbeitung wettmachen – etwa durch Gauss-Filter, die das Rauschen verschwinden lassen oder Differenzbilder, die Ungleichheiten im Papier beseitigen«, erklärt Meinlschmidt. Eine erste Software-Version wird in der Landesbibliothek gerade anhand historischer Notenblätter getestet. In zwei bis drei Jahren soll das System einsatzbereit sein.

Automatischer Abgleich mit der Datenbank

Hat man das Wasserzeichen aufgenommen, gilt es, exakt dieses in einer Datenbank wiederzufinden. Das erledigen bislang Experten in mühseliger und langwieriger Handarbeit. »Bald sollen Suchalgorithmen diese Zuordnung übernehmen«, sagt Meinlschmidt. Daran arbeiten die Forscher zukünftig im Auftrag der Staatsbibliothek in Berlin. In etwa vier Jahren soll die automatische Erkennung angewendet werden können. Eine weitere Frage, der sich die Wissenschaftler widmen: Welche Farben sind bei welchem Wellenlängenbereich des Infrarotlichts transparent? Sprich: Für welche Farben eignet sich welches IR-Licht am besten? Ist dies bekannt, könnte man für jedes Kunstwerk die optimale Wellenlänge wählen – und die Sichtbarkeit der Wasserzeichen somit noch einmal verbessern.

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Mikroreaktor statt Tierversuch

Presseinformation (Forschung Kompakt) der Fraunhofer-Gesellschaft vom 01.02.2016

Europaweit arbeiten Forscher an Messverfahren, mit denen sich schädliche Nebenwirkungen von Medikamenten ohne Tierversuche bewerten lassen. Viele dieser alternativen Methoden aber bereiten noch Probleme. In einem europäischen Verbundprojekt wurde deshalb ein Mikrobioreaktor entwickelt, in dem sich Leberzellproben sehr gut kultivieren lassen. Anders als im Tierversuch kann man damit erstmals live mitverfolgen, wie eine Substanz auf das Gewebe wirkt.

Die Zahl der Tierversuche in der Forschung soll künftig deutlich verringert werden. So hat die Europäische Union mit der EU-Kosmetikverordnung 2013 unter anderem den Handel von Kosmetika verboten, deren Inhaltsstoffe mit Hilfe von Tierversuchen geprüft wurden. Doch nicht nur in der Kosmetikindustrie, auch in der medizinischen Forschung fällt der Umstieg auf alternative Verfahren schwer. In vielen Fällen fehlt es an Methoden, um die Giftigkeit von Substanzen zu testen. Zahlreiche Forschergruppen arbeiten an neuen aussagekräftigen Verfahren.

Besonders vielversprechend sind unter anderem Testverfahren mit Leberzellkulturen. Die Leber ist das wichtigste Entgiftungsorgan des Körpers. Daher ist es sinnvoll, die Giftigkeit, die Toxizität, von Substanzen an Leberzellen zu untersuchen. Dazu muss sichergestellt werden, dass alle Zellen gleichmäßig mit den Prüfsubstanzen in Berührung kommen. Zum anderen besteht das Problem, dass Leberzellen in Laborgefäßen meist schon nach wenigen Tagen absterben. Langzeitversuche, bei denen ermittelt wird, wie sich eine giftige Substanz langfristig auf einen Organismus auswirkt, sind damit kaum möglich.

Reaktion der Leberzellen in Echtzeit verfolgen

In dem Projekt »HeMiBio« haben Forscher vom Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie IZI in Potsdam zusammen mit Partnern von der Hebrew University in Jerusalem einen Mikrobioreaktor entwickelt, in dem Leberzellen über einen Zeitraum von einem Monat gehalten und beobachtet werden können. Die Besonderheit besteht darin, dass die Forscher die Reaktion der Leberzellen auf die toxischen Substanzen unmittelbar und live mitverfolgen können. »Sowohl im Tierversuch als auch in herkömmlichen Laborversuchen führt man bislang in der Regel Endpunkt-Messungen durch«, sagt Dr. Claus Duschl, am IZI Leiter der Abteilung Zelluläre Biotechnologie. »Dabei verabreicht man verschiedene Dosen eines Wirkstoffs und analysiert anschließend das abgestorbene Gewebe oder das tote Tier. Wie der Wirkstoff im Detail auf die Zellen wirkt, kann man damit nicht ermitteln.«

Sensoren messen den Sauerstoffverbrauch

Ganz anders der Mikrobioreaktor: Mithilfe winziger Sensoren wird in Echtzeit ermittelt, wie viel Sauerstoff die Leberzellen gerade verbrauchen. Bei angeregtem Stoffwechsel ist der Verbrauch hoch. Stirbt die Zelle ab, sinkt auch der Sauerstoffverbrauch. Zellbiologen können heute an dessen Verlauf sogar ablesen, welche Stoffwechselprozesse zu einem bestimmten Zeitpunkt in Zellen ablaufen. Das machen sich die HeMiBio-Projektpartner zunutze. Gibt man eine toxische Substanz hinzu, nehmen die Sensoren des Mikroreaktors genau wahr, wie sich der Sauerstoffverbrauch verändert. So lässt sich exakt erkennen, welche Stufen im Stoffwechselprozess der Wirkstoff beeinflusst oder unterbricht. »Im Projekt haben wir mit unseren Kooperationspartnern, Zellbiologen von der Hebrew University in Jerusalem, die Vermutungen überprüft, indem genau jene Substanzen ersetzt wurden, deren Produktion durch den Giftstoff blockiert wird«, erläutert Duschl. »Tatsächlich liefen danach die anschließenden Stoffwechselschritte ungestört weiter.«

Eine Aufgabe der Mitarbeiter von Duschl bestand darin, das von vielen kleinen Kanälen durchzogene Reaktorgefäß zusammen mit den Partnern aus Israel zu designen. Dabei mussten sie darauf achten, dass alle Zellen gut mit Nährmedium versorgt werden, damit sie sich fein verteilen und nicht verklumpen. Diese Feinverteilung aber brachte eine Schwierigkeit mit sich: Je feiner die Zellen verstreut sind, umso schwächer sind die Signale, die der Sensor empfängt. »Wir brauchten also eine Sensortechnologie, mit der man sich den Zellen möglichst stark annähern kann, die aber die Zellen andererseits nicht beeinflusst und so die Ergebnisse verfälscht.« Das IZI-Projektteam kam auf die Idee, kleine Polymerpartikel zu verwenden, die mit Farbstoffen versetzt sind. Diese Farbstoffe geben phosphoreszierendes Licht ab: Bestrahlt man die Farbstoffe mit monochromatischem Licht einer LED, werden einzelne Elektronen angeregt und auf ein höheres Energieniveau gehoben. Innerhalb von Sekundenbruchteilen fallen die Elektronen auf das ursprüngliche Energieniveau zurück. Dabei wird die überschüssige Energie als Phosphoreszenzlicht abgegeben. Die Zeit, die die Elektronen für diese Abregung benötigen, hängt direkt von der Sauerstoffkonzentration in der Umgebung ab. »Der Zeitverlauf der Abregung signalisiert uns also, wie aktiv der Stoffwechsel gerade ist oder wie sich eine toxische Substanz auswirkt.« Das ist nicht zuletzt wichtig, um die Wirkungsweise bestimmter Substanzklassen besser zu verstehen, um einzuschätzen, warum welche Stoffe giftig sind oder auch um Medikamente zu verbessern.

Stoffwechselprozesse nachahmen

Dass der Mikrobioreaktor funktioniert, haben die Kooperationspartner bewiesen. Noch ist aber einiges zu tun. Da in der Leber verschiedene Zelltypen aktiv sind, wollen die Forscher den Reaktor künftig mit verschiedenen Zellen bestücken. »Dadurch können wir die Stoffwechselprozesse noch besser nachahmen«, sagt Duschl. Sogar Gewebe aus verschiedenen Organen könnten einst in einem Reaktor dieser Bauart kombiniert werden. »Bis dahin«, sagt Duschl, »ist es aber noch ein weiter Weg.«

Am Projekt HeMiBio sind auch Forscher vom Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM in Berlin beteiligt. Zusammen mit Kollegen aus Belgien entwickeln sie ein weiteres Reaktorformat mit sehr komplexen fluidischen Strukturen. Erste Testmessungen sind im Gange und zeigen vielversprechende Resultate.

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Werkzeuge für den Trinkwasserschutz

Presseinformation (Forschung Kompakt) der Fraunhofer-Gesellschaft vom 04.01.2016

An die Qualität des Trinkwassers stellen wir hohe Anforderungen: Würden Krankheitserreger und Giftstoffe ins Leitungsnetz gelangen, könnten sie rasch viele Menschen infizieren und schädigen. Daher muss dieses Risiko gering gehalten werden. Experten haben Technologien für ein umfassendes Monitoring, Frühwarn- und Notfallmanagement-System entwickelt.

Trinkwasser ist für jeden Menschen unverzichtbar. Stadtwerke und Wasserbetriebe müssen die Versorgungsnetze vor Verunreinigungen, aber auch vor möglichen Manipulationen schützen. Täglich entnehmen sie Proben und untersuchen die Qualität des Trinkwassers. Doch die Analyse im Labor ist zeitaufwendig. Für die fortlaufende Überwachung sind Methoden und Tools erforderlich, die vorbeugen, Kontaminationen schnell erkennen und auch unerwartete toxische Substanzen erfassen. Schon wenige Tropfen können verheerende Folgen haben: Giftstoffe, die ins Trinkwasser gelangen, erreichen innerhalb weniger Stunden Millionen Verbraucher. »Um die Bevölkerung zu schützen, muss man die Gefahrenstoffe möglichst schnell entdecken und wissen, wie sie sich ausbreiten«, erklärt Dr. Thomas Bernard, Spezialist für Strömungsmodelle am Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung IOSB in Karlsruhe. Im deutsch-französischen Projekt »SMaRT-OnlineWDN« (Online Security Management and Reliability Toolkit for Water Distribution Networks) haben der Wissenschaftler und sein Team gemeinsam mit Partnern aus Industrie und Forschung Werkzeuge entwickelt, die Wasserversorger in die Lage versetzen, rasch zu reagieren und im Notfall Gegenmaßnahmen zum Schutz der Bevölkerung einzuleiten. Das Vorhaben wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung BMBF und der französischen L‘Agence Nationale de la Recherche ANR gefördert. Koordinator waren die Berliner Wasserbetriebe.

Online-Simulation berechnet Weg des Wassers

Ein mathematisches Modell zur Simulation der Hydraulik des Trinkwasserversorgungsnetzes und der Ausbreitung von Qualitätsparametern im Rohrleitungssystem übernimmt gleich mehrere Aufgaben: Auf Basis zahlreicher Simulationen lässt sich ermitteln, wo Sensoren optimalerweise platziert werden, um Verschmutzungen frühzeitig zu erkennen. Darüber hinaus hilft das Online-Simulationsmodell bei einem Alarm, die die Quelle der Verunreinigung einzugrenzen. Hierfür entwickelten die Forscher einen Algorithmus, der die Quelle der Kontamination lokalisiert und ermittelt, wohin sich die Verunreinigung in den nächsten Stunden ausbreiten wird. Doch den Weg des Wassers und somit den Weg der toxischen Stoffe zu berechnen und vorherzusagen, war auch für den Fraunhofer-Experten Bernard eine diffizile Aufgabe: In einem Trinkwassernetz ist die Strömung nicht überall gleich: »Sie ändert sich abhängig vom Druck in den Leitungen, dem Durchmesser und der Geometrie der Rohre sowie der Zahl der Verbraucher. Dort, wo sich das Leitungssystem verzweigt, bilden sich häufig Turbulenzen und chaotische Strömungen.«

Tests im Technologiezentrum Wasser TZW in Dresden, wo ein komplexes Leitungsnetz aus Plexiglas aufgebaut ist, halfen Bernard und seinen französischen Partnern, ein lernfähiges Detektionsmodul zu etablieren. Im Dresdner Zentrum registrieren Sensoren die Bewegung des Wassers. Mit Hilfe der Messwerte konnte der Physiker seine Computersimulationen optimieren. Das Ziel: die Bewegung des Wassers im Leitungssystem ganzer Städte zu berechnen – in Echtzeit. »Nur wenn solche Simulationen präzise und schnell genug sind, helfen sie den Versorgungsunternehmen, im Notfall die richtigen Entscheidungen zu treffen«, so der Leiter der Gruppe.

Alarm nur im Notfall

Eine lernfähige Software berücksichtigt aktuelle Messwerte wie die Trübung, die Temperatur, den Druck, den Chlor- und Sauerstoffgehalt, den pH-Wert und die bakterielle Belastung des Wassers. Werden kritische Werte erreicht, schlägt das System nicht sofort Alarm, sondern sucht zuerst nach möglichen Ursachen: Wurde gerade eine andere Wasserquelle angezapft? Eine Pumpe geöffnet oder heruntergefahren? »Mehr als 90 Prozent aller Anomalien gehen auf veränderte Betriebszustände zurück und sind kein Grund zur Beunruhigung«, erläutert Bernard.

Das neue System ist in Straßburg bereits im Einsatz und überwacht in Echtzeit die Wasserqualität im Netz. Die Datenbasis liefern hydraulische und Wasserqualitätssensoren im Leitungsnetz, die erfassten Daten werden an ein Leitsystem gesendet. Im Notfall lassen sich Gegenmaßnahmen ableiten, wie das Ausspülen von kontaminiertem Wasser oder das Absperren von Teilen des Versorgungsnetzes.

Kontrolle durch Monitoring-Plattform

Künftige Modelle sollen noch mehr können: Im deutsch-französichen Projekt »ResiWater« arbeiten die Forscher vom IOSB an einer besseren IT-Sicherheit von Trinkwassersystemen und an einem verbesserten Alarmgenerierungs-Modul. Künftig soll es neben den Straßburger auch die Pariser Trinkwasserleitungen kontrollieren. Den Fokus legen die Projektpartner darüber hinaus auf eine Monitoring-Plattform, die die unzähligen Sensordaten übersichtlich darstellt, visualisiert, speichert und automatisierte Reports generiert, sodass beispielsweise Schwankungen der Wasserqualität regelmäßig zusammengefasst werden.

Auch die Weiterentwicklung von Sensoren treiben die Partner im Projekt ResiWater voran. Hier bringt etwa das Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB sein Know-how ein: Die Stuttgarter Forscher arbeiten seit vielen Jahren an einem Biosensor AquaBioTox aus lebenden Zellen, die fluoreszieren. Bei Kontakt mit toxischen Stoffen verringern die Bakterien die Intensität der Fluoreszenz. Im Projekt ResiWater soll der AquaBioTox-Prototyp vollautomatisiert werden.

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Damit es beim Löschangriff keine bösen Überraschungen gibt

Pressemeldung der FH Oberösterreich vom 26.11.2015

Die sogenannte Kavitation ist ein unerwünschtes physikalisches Phänomen in Flüssigkeitsströmungen. Dabei bilden sich im Pumpwasser Dampfblasen, die schlussendlich wieder in sich zusammenfallen und so zu einem Druckabfall führen. Wenn Kavitation bei der Feuerwehr während eines Löschangriffes eintritt, dann kann im schlimmsten Szenario der Wasserstrahl komplett zusammenbrechen. Intuitiv würde der Maschinist daraufhin den Druck erhöhen, was die Situation noch weiter verschlimmert. Der Maschinenbau-Absolvent der FH OÖ in Wels Stefan Höppe hat in seiner Diplomarbeit bei der Firma Rosenbauer International AG Möglichkeiten untersucht, dieses Phänomen auf Basis von Messdaten sicher zu erkennen, damit in Zukunft beim Löschangriff böse Überraschungen ausbleiben.

Damit im Ernstfall Löschwasser mit entsprechendem Druck zur Verfügung steht, verwendet die Feuerwehr leistungsstarke Pumpen. Diese Pumpen saugen Wasser an und fördern es durch den Schlauch Richtung Feuer.

„Unter gewissen Umständen – zum Beispiel bei großen Wasserabgabemengen – können sich in der Pumpe Blasen bilden, die zu einem Druckabfall am Pumpenausgang führen. Man spricht von Kavitation. Im Extremfall kann die Strömung sogar zusammenbrechen. Die intuitive Reaktion eines Maschinisten auf solch einen Druckabfall ist, die Drehzahl der Pumpe zu erhöhen. Wenn Kavitation vorliegt, führt aber genau das zu einem noch größeren Druckabfall“, erklärt Stefan Höppe, der selbst bei der Freiwilligen Feuerwehr Sprinzenstein tätig ist. Aus diesem Grund arbeitet die Firma Rosenbauer International AG gemeinsam mit der FH OÖ in Wels an einem verbesserten Konzept, um Kavitation noch sicherer zu erkennen und dem Maschinisten anzuzeigen.

Automatische Kavitationserkennung

In seiner Diplomarbeit bei der Firma Rosenbauer International AG hat Stefan Höppe Möglichkeiten zur sensorgestützten Kavitationserkennung untersucht. „An einem Prüfstand konnte ich zeigen, dass sich gewisse Messgrößen entscheidend ändern, sobald Kavitation vorliegt“, erklärt der 25-jährige Rohrbacher weiter.

In einer selbst entwickelten Software analysierte er die Messgrößen mit entsprechenden mathematischen Methoden und brach die Frage „Liegt Kavitation vor oder nicht?“ auf ein rotes Signallämpchen herunter. „Leuchtet dieses bei den Löschwasserpumpen auf, so darf die Drehzahl der Pumpe vom Maschinisten nicht erhöht werden“, so der Maschinenbau-Absolvent.

Kavitation nachweisbar gemacht

„Stefan Höppe ist es gelungen, zu zeigen, dass Kavitation grundsätzlich auch direkt detektierbar ist. Wir werden jetzt einen Weg suchen, dieses innovative Konzept praktisch umzusetzen, um auch in diesem Bereich die Innovationsführerschaft der Firma Rosenbauer erneut unter Beweis zu stellen“, freut sich sein Firmenbetreuer DI Hannes Hammer.

„Es hat Spaß gemacht, die modernen maschinenbaulichen Methoden, die ich während meines Studiums im Hörsaal kenngelernt habe, in die Praxis umzusetzen“, fügt Höppe hinzu.

Externer Link: www.fh-ooe.at