Nanosensoren unterstützen Therapie von Hautkrebs

Medienmitteilung der Universität Basel vom 05.02.2013

Das maligne Melanom gilt als die aggressivste Form von Hautkrebs. Bei der Hälfte der Erkrankungen spielt eine spezielle Genmutation eine wichtige Rolle. Da das Leben von Trägern dieser Mutation mit Medikamenten signifikant verlängert werden kann, ist es wichtig, sie zuverlässig zu identifizieren. Für den Nachweis haben Forschende der Universität Basel und des Ludwig Institute for Cancer Research in Lausanne nun eine neuartige Methode entwickelt, wie sie in der Fachzeitschrift «Nature Nanotechnology» berichten.

Jährlich erkranken in der Schweiz etwa 2100 Menschen an einem malignen Melanom, womit der schwarze Hautkrebs zu den häufigsten Tumorerkrankungen gehört. Während bei einer frühen Erkennung die Heilungsaussichten sehr gut sind, sinken die Überlebenschancen in späteren Stadien drastisch.

In den letzten Jahren wurden neuartige Medikamente entwickelt, die gezielt bei Genmutationen wirken, welche massgeblich an der schnellen Vermehrung von Gewebe beteiligt sind. Im Fall des schwarzen Hauptkrebses ist dies das sogenannte BRAF-Gen, das in seiner mutierten Form zu einem unkontrollierten Zellwachstum führt. Da aber nur etwa die Hälfte der Patienten mit malignem Melanom diese Mutation aufweist, ist es wichtig, die Patienten zu ermitteln, denen diese Therapie auch hilft. Angesichts der Nebenwirkungen wäre es nicht angebracht, allen Patienten das Medikament zu verabreichen.

Diagnose mithilfe molekularer Wechselwirkung

Die Teams um Prof. Christoph Gerber vom Swiss Nanoscience Institute der Universität Basel und Dr. Donata Rimoldi vom Lausanner Ludwig Institute for Cancer Research haben nun eine neuartige diagnostische Methode entwickelt, die mit nanomechanischen Sensoren in Form von mikroskopisch kleinen Federbalken die Ribonukleinsäure (RNA) von Krebszellen analysiert und somit gesunde Zellen von Krebszellen unterscheiden kann. Im Gegensatz zu anderen Verfahren ist die Methode so empfindlich, dass die Erbsubstanz weder vervielfältigt noch markiert werden muss.

Die Methode beruht auf einer Bindung von Molekülen an der Oberseite von Federbalken und der dabei verursachten Veränderung der Oberflächenspannung. Dazu werden die Federbalken (Cantilever) zuerst mit einer Lage von DNA-Molekülen beschichtet, welche die Mutation in der RNA aus Zellen binden kann. Diese Bindung verbiegt den Cantilever, was sich mithilfe eines Lasers messen lässt. Die molekulare Wechselwirkung muss dabei sehr nahe an der Oberfläche stattfinden, um das Signal zu erzeugen.

Nachweis auch von anderen Krebsarten

In Experimenten konnten die Forscher zeigen, dass sie verschiedene Zellen mit dieser Genmutation von solchen ohne Mutation unterscheiden können. Dabei wurde die RNA von Zellkulturen getestet, die mit denen von Gewebeproben vergleichbar ist. Da die Forscher die Mutation in der RNA aus unterschiedlichen Zelllinien nachweisen konnten, funktioniert die Methode unabhängig vom Ursprung der Proben.

Dr. François Huber, Erstautor der Publikation, erklärt: «Die Technik lässt sich auch auf andere Krebsarten anwenden, die von Mutationen in einzelnen Genen abhängig sind, wie zum Beispiel gastrointestinaler Stromatumor und Lungenkrebs. Dies zeigt das breite Anwendungspotential in der Krebsdiagnostik und der personalisierten Gesundheitsfürsorge.» Mitautorin Dr. Donata Rimoldi fügt hinzu: «Erst die Interdisziplinarität von Medizin, Biologie und Physik bewirkt, dass neue Methoden aus der Nanotechnologie in der Medizin zum Wohl des Patienten angewendet werden können.»

Die Arbeiten wurden ermöglicht durch das NanoTera Projekt «Probe Array Technology for Life Science Applications» des Schweizerischen Nationalfonds, durch das Swiss Nanoscience Institute, die Cleven Stiftung und die Mikrofabrikationsabteilung des IBM Forschungslabors in Rüschlikon.

Originalbeitrag:
François Huber, Hans Peter Lang, Natalija Backmann, Donata Rimoldi, Christoph Gerber
Direct detection of a BRAF mutation in total RNA from melanoma cells using cantilever arrays
Nature Nanotechnology (2013); Published online 3 February 2013 | doi: 10.1038/nnano.2012.263

Externer Link: www.unibas.ch

Reha für zu Hause

Presseinformation (Forschung Kompakt) der Fraunhofer-Gesellschaft vom 02.01.2013

Nach Unfällen oder Operationen folgen oft lange Rehabilitationsmaßnahmen. Künftig können Patienten die Übungen zu Hause durchführen – und doch sichergehen, dass sie die richtigen Bewegungen ausführen. Möglich macht dies eine neue Reha-Technologie.

Gekonnt gleitet der Skifahrer durch die weiße Landschaft, doch auf einer vereisten Stelle verliert er das Gleichgewicht – der wohlverdiente Winterurlaub endet im Krankenhaus. Nach der Operation soll eine Reha helfen, die Bewegungsfähigkeit wieder herzustellen. Dafür braucht der Patient viel Geduld und Ausdauer. Vielen Verletzten würde es leichter fallen, die Übungen zu Hause zu machen, als wochenlang in der Reha-Klinik auszuharren. Und auch nach einem längeren Aufenthalt im Krankenhaus ist es wichtig, dass der Patient in der häuslichen Umgebung weiterhin übt.

Künftig soll eine neue Technologie die Patienten stärker motivieren, ihre Übungen durchzuführen – und Rehamaßnahmen daheim oder unterwegs ermöglichen, etwa in Pausen am Arbeitsplatz. Experten sprechen hier von Telerehabilitation. Die Grundlage dafür ist eine Technologie, die Forscher am Fraunhofer-Institut für Offene Kommunikationssysteme FOKUS in Berlin entwickelt haben. Sie besteht aus einem Übungseditor, einer Reha-Box und einer mobilen Sensoreinheit, die an das Smartphone angeschlossen wird. Der Therapeut konzipiert im Übungseditor ein Trainingsprogramm, das speziell auf den Patienten zugeschnitten ist und dessen Anspruch sich von Woche zu Woche steigert. Dieses Programm kann der Patient in seiner Wohnung nutzen – mit Hilfe der Reha-Box – einer Art Mini-PC für Fernsehgeräte. Der kleine Rechner verfügt über einen Internetanschluss, eine Kamera und ein Mikrofon. Auf dem Fernsehbildschirm sieht der Patient Übungsabläufe, die er nachmachen kann. Die Reha-Box analysiert die Daten, die die Kamera vom übenden Patienten aufnimmt. Zuvor werden mit einer Software die Körperdaten jedes Patienten in drei Dimensionen modelliert und auf ein biomechanisches Computermodell übertragen. Sind die Angaben ausgewertet, sendet die Box sie via Internet an das Reha-Zentrum, wo der Therapeut den Fortschritt des Patienten nachvollzieht und Übungen entsprechend anpasst.

Mobile Einheit misst Vital- und Bewegungsdaten

Neben den Bewegungsdaten ist es für die Therapeuten wichtig, die Vitaldaten des Patienten zu kennen – also Puls, Sauerstoffsättigung und gegebenenfalls auch EKG. So können sie nicht nur einschätzen, ob der Betroffene die Übungen richtig ausführt, sondern auch, wie stark sie ihn belasten. Das ist besonders wichtig bei Menschen, die eine Herz-Kreislauf-Erkrankung haben. »Wir haben daher zusätzlich eine mobile Einheit entwickelt«, sagt Dr. Michael John, Projektleiter am FOKUS. »Sensoren in einem Brustgurt, einer Uhr oder einem Walking-Stock messen die Vitaldaten wie Puls und Blutdruck oder Bewegungsqualität und senden sie an ein Smartphone.« Über den Übungseditor kann der Therapeut Schwellwerte einstellen: Steigt etwa der Puls des Patienten über einen Wert an, der für ihn als Limit eingegeben wurde, ertönt ein Warnsignal.

Die mobile Einheit ergänzt einerseits die Reha-Box, soll dem Patienten künftig aber auch ermöglichen, seine Übungen unterwegs durchzuführen – etwa beim Walken in der Freizeit oder in der Pause im Büro. »Wir arbeiten daran, auch mit der mobilen Einheit die Bewegungsqualität des Patienten analysieren zu können. Dazu verwenden wir Motion-Tracking-Sensoren, die die Bewegungen der Gliedmaßen zueinander und im Raum analysieren«, erläutert John. Ein weiterer Punkt, an dem die Forscher momentan arbeiten, ist ein Übertragungsstandard für die Bewegungsdaten. Wie standardisiert man diese Werte, damit sie von verschiedenen Geräten gelesen werden können? Für die Vitaldaten gibt es einen solchen Standard bereits, den ISO 11073. Er spezifiziert, wie die Daten zwischen den Geräten übertragen werden, und sorgt so dafür, dass sie zwischen Sensoren, Smartphone und medizinischen Geräten verschiedener Hersteller fehlerfrei übermittelt werden. »Für die Bewegungsdaten entwickeln wir einen solchen Standard gemeinsam mit Ärzten und Therapeuten«, so John.

Wichtig bei der Entwicklung aller Einheiten war es den Forschern, die Anforderungen der Patienten und Physiotherapeuten bestmöglich zu berücksichtigen. Sie haben daher alle drei Komponenten – den Übungseditor, die Reha-Box und die mobile Einheit – in zahlreichen Vorstudien von Patienten und Therapeuten testen lassen und entsprechend modifiziert. Ab Februar 2013 folgt nun der Feldtest mit einer größeren Gruppe von Patienten, ab Sommer 2013 könnte das System dann einsatzbereit sein.

Externer Link: www.fraunhofer.de

Der weltweit erste biegbare und transparente Bildsensor

Presseaussendung der JKU Linz vom 17.12.2012

Ein Forschungsdurchbruch ist dem Institut für Computergrafik der JKU gelungen: Prof. Oliver Bimber und Alexander Koppelhuber M.Sc. haben einen revolutionären neuen Bildsensor entwickelt. Es handelt sich dabei um die weltweit ersten biegbaren und völlig transparenten Bildsensoren – made in Austria.

Seit eineinhalb Jahren forschen die beiden JKU-Wissenschafter in Kooperation mit Microsoft Research in Cambridge an dieser flexiblen Sensor-Lösung. „Einstweilen handelt es sich noch um Grundlagenforschung“, erklärt Prof. Bimber. „Aber die ersten Prototypen existieren bereits.“

Flexible Folien

Im Prinzip handelt es sich um eine durchsichtige Folie, die mit fluoreszierenden Partikeln dotiert ist. Sie absorbiert Licht einer bestimmten Wellenlänge, das dann in geringerer Frequenz wieder abgegeben und an den Rand der Folie transportiert wird. Mit Photosensoren und einem speziellen optischen Trick können die Lichtanteile gemessen werden, die den Folienrand an jeder Stelle und aus jeder Richtung erreichen. Bei den vermessenen Daten handelt es sich um ein zwei-dimensionales Lichtfeld, welches innerhalb der Folie transportiert wird. Ähnlich wie bei der Computer-Tomografie kann aus diesen Daten das Bild rekonstruiert werden, das auf der Folienoberfläche abgebildet wird.

Die Vorteile sind enorm: Die Folie ist leicht, völlig transparent, skalierbar in jede Größe, kann überall angebracht werden und ist extrem flexibel. Zudem ist die Herstellung ausgesprochen günstig. „Wir arbeiten momentan vor allem daran, die Bildqualität und -auflösung weiter zu erhöhen, indem sowohl Hard- als auch Software weiter entwickelt werden“, erklärt Bimber. Auch wenn der Rechenaufwand zur Bildrekonstruktion hoch ist, stellt dieses für die aktuelle Implementierung des parallelen Rekonstruktionsalgorithmusses auf Prozessoren herkömmlicher Grafikkarten kein Problem dar: Für ein Bild von 64*64 Pixel sind zum Beispiel Gleichungssysteme mit 14 Millionen Einträgen zu lösen – was momentan in einer Zeit von 0,15 Sekunden gelingt.

Höhere Flexibilität erreichbar

Im weltweiten Forschungswettlauf um neue optische Sensoren hat die JKU damit die Nase mit vorn. Die neuen Sensoren können nicht nur, beliebig groß gestaltet oder gebogen sondern auch in Schichten übereinander gelegt werden. „Damit kann man dann auch Farben aufnehmen – in untereinander liegenden Pixeln – eine Farbe pro Schicht. Bei herkömmlichen Bildsensoren werden die Farben in nebeneinander liegenden Pixeln aufgenommen, was die effektive Auflösung reduziert“, so der Grafikexperte. Auch unterschiedliche Belichtungen können nun in den verschiedenen Schichten gemessen werden. „So können helle und dunkle Bereiche gleichzeitig aufgenommen werden, und Über- oder Unterbelichtungen, wie sie mit heutigen Kameras bei kontrastreichen Szenen möglich sind, gehören der Vergangenheit an“, beschreibt Bimber.

Vielfältige Anwendungsmöglichkeiten

Der Sensor ist vor allem für neue Benutzerschnittstellen interessant. „Deshalb hat auch Mircosoft unsere Forschung für weitere drei Jahre finanziert. Künftig muss man dank unserer Technologie einen Touchscreen gar nicht mehr berühren.“ Und da die dünnen Folien auch überall und in jeder Form und Größe angebracht werden können, wäre es zudem möglich, beliebige Objekte, wie die Windschutzscheibe eines Autos, in einen Bildsensor zu verwandeln. Es ergeben sich damit grundlegend neue Anwendungspotentiale.

Nominiert ist die neue Technologie auch für den Adolf-Adam-Informatikpreis, der am 20. Dezember vergeben wird. (Christian Savoy)

Externer Link: www.jku.at

Blutzucker messen ohne Pieks

Presseinformation (Forschung Kompakt) der Fraunhofer-Gesellschaft vom 03.09.2012

Der tägliche Stich in den Finger gehört für viele Diabetes-Patienten zum Alltag. Eine nicht-invasive Messmethode könnte sie von dem ständigen Pieksen befreien. Herzstück ist ein Biosensor von Fraunhofer-Forschern: Ein winziger Chip vereint Messung und digitale Auswertung – und kann die Daten sogar an ein mobiles Gerät funken.

Tag für Tag stechen sie sich in den Finger: Für viele Diabetiker gehört die Kontrolle ihres Blutzuckers zum Alltag. Insbesondere Patienten mit Typ-1-Diabetes müssen ihre Werte ständig im Auge behalten, da ihr Körper nicht in der Lage ist, Insulin selbst zu produzieren und so die Glukose im Blut abzubauen. Mehrmals täglich müssen sie einen kleinen Tropfen ihres Bluts auf einen Teststreifen geben. Nur so können sie den Blutzuckerwert ermitteln und sich die notwendige Menge Insulin spritzen. Doch das Pieksen ist nicht nur lästig: Mitunter kommt es zu Entzündungen oder Verhornung der Haut. Und für schmerzempfindliche Patienten ist die Prozedur eine Qual.

Die täglichen Stiche in den Finger könnten aber bald der Vergangenheit angehören – dank eines Diagnosesystems, in dem Fraunhofer-Technologie steckt. Die Idee dahinter: Ein Biosensor, der sich am Körper des Patienten befindet, könnte den Glukosespiegel kontinuierlich auch in anderen Gewebsflüssigkeiten als Blut messen, wie etwa im Schweiß oder in der Augenflüssigkeit. Die ständige Piekserei entfällt. Doch bisher waren solche bioelektrischen Sensoren zu groß, zu ungenau und verbrauchten zu viel Energie. Forschern vom Fraunhofer-Institut für Mikroelektronische Schaltungen und Systeme IMS in Duisburg ist jetzt ein wichtiger Durchbruch gelungen: Sie haben einen Biosensor im Nanoformat entwickelt, der diese Hürden umgeht.

Diagnosesystem im Miniaturformat

Das Prinzip der Messung beruht auf einer elektrochemischen Reaktion, die mithilfe eines Enzyms in Gang gesetzt wird: Die Glukose-Oxidase wandelt Glukose unter anderem in Wasserstoffperoxid (H2O2) um, dessen Konzentration man mit einem Potentiostaten, messen kann. Daraus lässt sich der Glukosespiegel errechnen. Das Besondere an diesem Biosensor: Auf einen Chip von gerade mal 0,7 auf 10 Millimeter passt nicht nur der Nanopotentiostat selbst. Die Forscher haben darauf das gesamte Diagnosesystem untergebracht. »Auch ein Analog-Digitalwandler ist integriert, der das elektrochemische Signal in digitale Daten umwandelt«, erklärt Tom Zimmermann, Geschäftsfeldleiter am IMS. Über eine Wireless-Schnittstelle sendet der Biosensor die Daten beispielsweise an ein mobiles Empfangsgerät – so hat der Patient seinen Glukosespiegel ständig im Auge. »Für ein solches Diagnosesystem benötigte man früher eine Platine von der Größe einer halben DIN A4-Seite«, sagt Zimmermann. »Und ein Treiber war auch erforderlich. Aber auch dieser ist bei unserem Sensor nicht mehr nötig.«

Langlebiger Biosensor

Doch nicht nur die geringe Größe bietet einen erheblichen Vorteil gegenüber bisherigen Biosensoren dieser Art. Der Sensor verbraucht zudem viel weniger Energie. Frühere Systeme benötigten etwa 500 Mikroampere bei fünf Volt, jetzt sind es weniger als 100 Mikroampere. Das macht das System langlebiger – der Patient könnte den Sensor über Wochen oder gar Monate tragen. Möglich ist das durch den Einsatz eines passiven Systems: Der Sensor kann nicht nur Datenpakete schicken und empfangen, sondern über Funk auch mit Energie versorgt werden.

Den Glukosesensor haben die Forscher für die niederländische Medizintechnik-Firma Noviosens entwickelt. Da er kostengünstig herstellbar ist, eignet er sich bestens für die Massenproduktion. Dieses nicht-invasive Messgerät zum Monitoring des Blutzuckerspiegels kann in Zukunft die Basis für eine besonders praktische Weiterentwicklung sein: Der Biochip könnte eine implantierte Miniaturpumpe ansteuern, die anhand des gemessenen Blutzuckerwertes die genau passende Menge Insulin abgibt. Dem Diabetes-Patienten blieben so etliche Piekser erspart.

Externer Link: www.fraunhofer.de

Rekord-Radar misst haargenau

Presseinformation des KIT (Karlsruher Institut für Technologie) vom 05.09.2012

Forscher des KIT und der RUB erreichen neuen Spitzenwert

Wissenschaftler des KIT und der Ruhr-Universität Bochum (RUB) haben gemeinsam einen Rekordwert für Radarabstandsmessungen erreicht. Mit einem neuen Radarsystem ließ sich in gemeinsamen Messungen eine Genauigkeit von einem Mikrometer nachweisen. Das System zeichnet sich durch eine hohe Präzision und einen günstigen Preis aus. Damit eröffnet es neue Möglichkeiten in der Produktions- und Anlagentechnik.

Abstände präzise zu bestimmen, wird in der Fertigungstechnik immer wichtiger – beispielsweise für die genaue Ansteuerung von Robotern, die Produktion von mikromechanischen Bauteilen oder die Steuerung von Werkzeugmaschinen. Dabei werden häufig Glasmaßstäbe, induktive Sensoren oder Lasermesssysteme zur Abstandsmessung eingesetzt. Maßstäbe aus Glas sind sehr präzise und ermöglichen eine mikrometergenaue Messung, sind aber für den täglichen Einsatz zu unflexibel und zu kostenaufwendig. Induktive Sensoren, die Abstände mit Spule, Magnetfeld und Bewegung messen, arbeiten berührungslos und damit verschleißfrei, sind jedoch in ihrer Messwiederholrate beschränkt. Laser ermöglichen ebenfalls eine hochgenaue Messung, eignen sich aber nicht für Umgebungen mit Staub, Feuchtigkeit oder stark veränderlichen Lichtverhältnissen. Demgegenüber können Radarsignale sowohl Staub als auch Nebel gut durchdringen. Radarsysteme werden bis jetzt allerdings vornehmlich zur Wetterbeobachtung, Luftüberwachung oder Abstandsmessung in Automobilen eingesetzt.

Wissenschaftler am Institut für Hochfrequenztechnik und Elektronik (IHE) des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) um Prof. Thomas Zwick und am Lehrstuhl für Integrierte Systeme der Ruhr-Universität Bochum (RUB) um Prof. Nils Pohl haben nun ein Radarsystem zur Abstandsmessung entwickelt und erfolgreich eingesetzt. Dieses Radarsystem zeichnet sich durch eine zuvor nicht erreichte Präzision aus: Bei einem gemeinsamen Versuch im Juli dieses Jahres erreichten die Karlsruher und Bochumer Forscher mit einer Genauigkeit von einem Mikrometer einen neuen Rekordwert für Radarabstandsmessungen. Ein Mikrometer entspricht einem millionstel Meter. Zum Vergleich: Ein menschliches Haar ist etwa 40 bis 60 Mikrometer dick.

Zur Messung setzen die Wissenschaftler ein Dauerstrichradar (FMCW-Radar – Frequency Modulated Continuous Wave Radar) ein, dessen Sender während der Dauer des Messvorgangs ununterbrochen arbeitet. Die RUB-Forscher entwickelten die Hardware, die Wissenschaftler des KIT die Algorithmik. Das Radarsystem mit speziellem Messaufbau erlaubt die mikrometergenaue Messung von Abständen bis zu mehreren Metern im Freiraum. Im Vergleich zu Lasersystemen sind diese nicht nur kostengünstiger, sondern bieten auch die Möglichkeit, selbst absolute Positionen eindeutig zu messen. Durch den quasi unbegrenzten Eindeutigkeitsbereich ist das Radar dem Laser weit überlegen.

Das Radarsystem wird nun in mehreren Forschungsprojekten optimiert; seine Genauigkeit wird weiter verbessert. Künftig wird es dazu dienen, verschiedenste Messaufgaben in der Produktions- und Anlagentechnik hochgenau, vielseitig und kostengünstig auszuführen. (or)

Externer Link: www.kit.edu