Forscher der TU Wien bauen Spektral-Kamera

Presseaussendung der TU Wien vom 21.12.2011

Eine handelsübliche Digitalkamera bauten Forscher zu einer Spezial-Kamera um, mit der man das Farbspektrum von Objekten genau untersuchen kann.

Rot, blau und grün – nur drei Farben kann man mit einer gewöhnlichen Digitalkamera aufnehmen. Für unser Auge genügt das um einen natürlichen Farbeindruck zu erhalten. In Wirklichkeit setzt sich das Licht, das wir wahrnehmen, aus unendlich vielen Primärfarben unterschiedlicher Wellenlänge zusammen. Um diese Farb-Kombinationen untersuchen zu können, brauchte man bisher komplizierte, teure Spezialapparate. An der TU Wien wurde nun mit ganz einfachen Mitteln ein Gerät entwickelt, das aus einer handelsüblichen Digicam eine Spektral-Kamera macht.

Optisches Gitter spaltet Lichtstrahlen auf

Das Licht, das vom fotografierten Objekt kommt, wird durch eine Linse auf ein optisches Gitter abgebildet. „Das optische Gitter ist in unserem Fall eine Spezialfolie aus Plastik – die gibt es fertig zu kaufen und sie ist leicht zu bearbeiten“, erklärt Ralf Habel vom Institut für Computergraphik und Algorithmen der TU Wien. Diese Folie lenkt die Lichtstrahlen ab, bevor sie in die Kamera gelangen – und zwar je nach Wellenlänge unterschiedlich stark. Dadurch landet das Licht unterschiedlicher Farben an unterschiedlichen Positionen des Kamerasensors. Aus den Sensormessdaten lässt sich dann – auf mathematisch etwas aufwändige Weise – die farbliche Zusammensetzung des fotografierten Objektes berechnen.

Auf die richtige Belichtung kommt es an

Durch die Lichtbrechung am optischen Gitter entstehen am Sensor große Helligkeitsunterschiede. Sowohl ganz dunkle als auch ganz helle Bildbereiche müssen richtig dargestellt werden, damit sich das Farbspektrum richtig zurückrechnen lässt. Deshalb griff man auf die HDR-Technik zurück, die auch in der Standard-Fotografie mittlerweile gerne verwendet wird: Mehrere Fotos vom selben Objekt werden hintereinander mit unterschiedlicher Belichtungszeit aufgenommen. Auf jedem Foto ist jeweils ein bestimmter Bildbereich richtig belichtet. Der Computer setzt daraus ein einziges Bild zusammen, das die gesamte Helligkeitsinformation enthält – mit viel mehr Zwischenschritten zwischen hell und dunkel als das bei einem gewöhnlichen Foto möglich wäre.

„Andere Spektral-Kameras verwenden mechanische Bauteile wie rotierende Spiegel. Das macht diese Geräte teuer und kompliziert“, meint Ralf Habel. Durch die an der TU Wien entwickelte Lösung wurde nun bewiesen, dass es auch einfacher geht – das nötige Computer Know-How vorausgesetzt. „Spektrale Analysen, wie sie durch diese Methode möglich sind, spielen heute in vielen Technologie-Bereichen eine Rolle“, sagt Habel, „etwa um Mineralien zu analysieren, Pflanzen auf ihre Gesundheit zu untersuchen, oder auch bei Satellitenbildern.“

Konkurrenzfähige Auflösung mit Plastikrohr und Klebeband

Die Spektral-Kamera kann auf zwei verschiedene Arten verwendet werden: Entweder wird nur ein enger Schlitz mit einem Pixel Breite analysiert – dann lässt sich für jeden Punkt des Schlitzes ein Farbspektrum mit einer Wellenlängen-Auflösung von 0.8 Nanometern berechnen, oder man nimmt ein volles zweidimensionales Bild (120×120 Pixel) auf und erreicht für jeden Punkt eine spektrale Auflösung von immer noch 5 Nanometern. Damit kann das Gerät jedenfalls mit komplizierteren, teureren Spektral-Analysatoren mithalten. Die verwendete Kamera ist eine Canon EOS 5D, als Linsen wurden handelsübliche Kameraobjektive verwendet. Ein gewöhnliches schwarz ausgekleidetes PVC-Rohr bildet das Gehäuse. (Florian Aigner)

Externer Link: www.tuwien.ac.at

Lebensmittelkontrolle mit Millimeterwellen

Mediendienst der Fraunhofer-Gesellschaft vom 01.12.2011

Wir können durch Glas, Wasser und Luft hindurchsehen, nicht aber durch Packpapier, Plastik oder Pappe. Was dem menschlichen Auge verborgen bleibt, macht ein neuer Millimeterwellensensor sichtbar: Er durchleuchtet optisch nicht transparente Stoffe und arbeitet anders als Röntgenscanner nicht mit gesundheitsschädlichen Strahlen.

Ist die Packung richtig befüllt? Befinden sich in der Schokolade Verunreinigungen? Sind die Plastiknähte korrekt verschweißt? Verbirgt sich in dem Päckchen ein Messer? Antworten auf all diese Fragen liefert der Materialscanner SAMMI, kurz für Stand Alone MilliMeter wave Imager. Der Millimeterwellensensor durchleuchtet alle optisch nicht transparenten Materialien. Forscher des Fraunhofer-Instituts für Hochfrequenzphysik und Radartechnik FHR in Wachtberg haben das Gerät entwickelt, das mit einer Breite von 50 und einer Höhe von 32 Zentimeter nicht größer ist als ein kompakter Laserdrucker. Alle nicht-metallischen Stoffe stellen für SAMMI kein Hindernis dar. »Das System erkennt Holzsplitter im Zellstoff von Windeln, Luftblasen im Kunststoff, Brüche im Marzipanriegel, Fremdkörper in Lebensmitteln. Es kann sogar den Austrocknungsprozess in Pflanzen beobachten und feststellen, wie stark diese durch Trockenperioden gestresst wurden«, sagt Dr. Helmut Essen, Leiter der Abteilung Millimeterwellenradar und Höchtstfrequenzsensorik vom FHR. Daher ist der Scanner vielseitig einsetzbar – er eignet sich sowohl für die industrielle Produktkon-trolle und Qualitätssicherung als auch für die Materialanalyse im Labor. Da das System gefährliche Substanzen wie Sprengstoffpulver in Briefen detektieren kann, lassen sich auch gefährdete Personen wie etwa Politiker oder Mitarbeiter in Frachtunternehmen mit dem Millimeterwellenradar schützen.

Der Clou: SAMMI macht kleinste Materialunterschiede sichtbar, die im Röntgenbereich verborgen bleiben. Denn anders als Röntgenscanner unterscheidet SAMMI beispielsweise zwischen den unterschiedlichen Füllungen von Pralinen oder Gummimischungen, die eine ähnliche oder identische Absorption aufweisen. Ein weiterer Vorteil: Der Materialscanner arbeitet nicht mit ionisierender Strahlung, die zu Gesundheitsschäden führen kann. Er ist zudem wartungsarm, regelmäßige Prüfungen wie bei Röntgenröhren entfallen.

Doch wie funktioniert SAMMI? Im Gehäuse des Systems sind auf zwei sich gegenüberliegenden rotierenden Scheiben je eine Sende- und eine Empfangsantenne angebracht. Ein Förderband fährt die Probe – etwa ein Paket mit unbekanntem Inhalt – zwischen den Antennen hindurch, wobei diese elektromagnetische Wellen im Hochfrequenzbereich von 78 GHz senden. Die verschiedenen Zonen der Probe dämpfen das Signal mit unterschiedlicher Intensität. Auf diese Weise zeigen die diversen Materialzusammensetzungen einer Probe einen unterscheidbaren Kontrast an. »Im Prinzip untersuchen wir die zu durchleuchtenden Gegenstände auf Unähnlichkeiten«, erläutert Essen. Der Probeninhalt wird in Echtzeit auf einem ausklappbaren Display dargestellt, das Bestandteil des Scanners ist. Enthält ein Paket beispielsweise ein Messer, so ist sogar die Maserung des Griffs erkennbar. Sollte dieser hohl sein, zeigt der Millimeterwellensensor dies ebenfalls an. Das Gerät scannt eine Fläche von 30 mal 30 Zentimeter in rund 60 Sekunden.

»Unser System lässt sich ohne Sicherheitsvorkehrungen und -einweisungen bedienen und durch sein geringes Gewicht von rund 20 Kilogramm mobil einsetzen. Zudem ist es für unterschiedliche Messfrequenzen auslegbar«, betont der Wissenschaftler. Künftig wollen die Forscher das System für Terahertzfrequenzen von 2 THz »aufrüsten«. »Dann werden wir in der Lage sein, nicht nur unterschiedliche Strukturen zu erkennen, sondern auch feststellen können, aus welchem Kunststoff ein Produkt ist. Das ist im Augenblick noch nicht möglich«, so Dr. Essen.

Derzeit eignet sich SAMMI nur für Stichprobenkontrollen. Doch die FHR-Forscher sind dabei, den Millimeterwellensensor für eine Produktionsstraße in einer Industrieanlage zur schnellen, automatisierten Kontrolle von Waren anzupassen: Hierfür bringen sie eine Zeile von Sensoren über dem Förderband an. Mit einer Geschwindigkeit von bis zu sechs Meter pro Sekunde sollen die Produkte künftig durchleuchtet werden.

Externer Link: www.fraunhofer.de

Biokompatible Graphen-Transistoren lesen zelluläre Signale

Pressemitteilung der TU München vom 02.12.2011

Neuartige Nano-Kohlenstoff-Plattform für bioelektronische Implantate:

In Zukunft sollen kleineste Implantate zerstörte Sinneszellen ersetzen und Menschen Sehen, Hören oder das Bewegen von Armen und Beinen ermöglichen. Doch weil die bisher verwendete Silizium-Technologie in biologischer Umgebung erhebliche Probleme aufwirft, sucht die Wissenschaft nach besseren Materialien. Forscher der Technischen Universität München (TUM) und des Forschungszentrums Jülich haben nun gezeigt, dass auf Basis des biologisch gut verträglichen Graphens solche Schnittstellen zwischen lebenden Zellen und Mikroelektronik aufzubauen sind. Über ihre Ergebnisse berichtet das Fachmagazin „Advanced Materials“.

Seit vielen Jahren entwickelt die Medizintechnik Implantate, die zerstörte Sinneszellen ersetzen und beispielsweise tauben Patienten das Hören wieder ermöglichen sollen. Doch bisher sind die Implantate um ein Vielfaches größer als die Nervenzellen, mit denen sie kommunizieren sollen. Die Silizium-basierte Mikroelektronik passt weder zur Flexibilität biologischer Zellen noch zu deren wässriger Umgebung. Die Wissenschaft sucht daher nach neuen, besser geeigneten Materialien.

Als eine besser geeignete Alternative könnte sich Graphen erweisen. Es besteht im Wesentlichen aus einem zweidimensionalen Netzwerk von Kohlenstoffatomen, bietet hervorragende elektronische Eigenschaften, ist chemisch stabil und biologisch inert. Es kann leicht zu flexiblen Folien verarbeitet werden und sollte sich in größeren Mengen kostengünstig herstellen lassen. Die Ergebnisse der Forschungsgruppe um Jose A. Garrido, Wissenschaftler am Walter Schottky Institut der TU München, bestätigen nun die hervorragende Eignung von Graphen und ebnen den Weg zu weiteren Untersuchungen der Einsatzmöglichkeiten dieses Materials für bioelektronische Anwendungen.

Ausgangspunkt für die im Fachmagazin „Advanced Materials“ beschriebenen Arbeiten war ein Aufbau mit 16 Feldeffekttransistoren, bei denen das Graphen-Netz in direktem Kontakt zu den biologischen Zellen und der sie umgebenden wässrigen Lösung steht (graphene solution-gate-field-effect transistors, G-SGFET). Die Graphen-Netze sowie die Elektronik wurde mit in der Halbleitertechnologie üblichen Verfahren hergestellt. „Der Sensormechanismus dieser Geräte ist relativ einfach“, sagt Jose Garrido. „Änderungen der elektrischen und chemischen Umgebung in der Nähe des Gate-Bereichs des Transistors verändern den Transistorstrom, und den können wir messen.“

Zu Anfang ihrer Versuche ließen die Forscher eine Schicht Herzmuskelzellen über die Transistoren wachsen. Mit ihren Graphen-Transistoren konnten sie anschließend die Aktionspotenziale der einzelnen Zellen mit hoher räumlicher und zeitlicher Auflösung messen. Die für Herzmuskelzellen typische Ausbreitung der Aktionspotenziale über die Schicht, den Herzschlag, konnten sie elektronisch verfolgen. Als sie der Nährlösung das Stresshormon Noradrenalin beigaben, reagierten die Herzzellen mit erhöhter Schlagfrequenz. Vergleichsmessungen mit Silizium-basierten Elektronikbausteinen zeigten, das die Graphen-Transistoren ein deutlich geringeres Grundrauschen besitzen.

„Ein großer Teil unserer laufenden Forschung ist nun auf die weitere Verringerung des Eigenrauschens der Graphen-Sensoren ausgerichtet“, sagt Jose Garrido, „und auf die Übertragung dieser Technologie auf flexible Substrate wie Parylen und Kapton, die beide bereits in Implantaten verwendet werden. Außerdem arbeiten wir daran, auch die räumliche Auflösung der Sensoren zu verbessern.“ Parallel dazu untersuchen die Wissenschaftler in Kooperation mit dem in Paris ansässigen Vision-Institute die Biokompatibilität von Graphen-Schichten mit Kulturen von Seh-Nervenzellen. In einem breit angelegten europäischen Projekt namens NEUROCARE erforschen sie die Anwendungsmöglichkeiten für Gehirn-Implantate.

Diese Forschung wird unterstützt aus Mitteln der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) im Rahmen des Schwerpunktprogramms „Graphen“ (SPP 1459), der International Helmholtz Research School BIOSOFT, der Bayerischen Graduate School CompInt, des TUM Institute for Advanced Study und des Exzellenzclusters Nanosystems Initiative Munich (NIM).

Originalpublikation:
Graphene Transistor Arrays for Recording Action Potentials from Electrogenic Cells; Lucas H. Hess, Michael Jansen, Vanessa Maybeck, Moritz V. Hauf, Max Seifert, Martin Stutzmann, Ian D. Sharp, Andreas Offenhaeusser and Jose A. Garrido. Advanced Materials 2011, 23, 5045-5049. DOI: 10.1002/adma.201102990.

Externer Link: www.tu-muenchen.de

Intelligentes Licht warnt vor Kollisionsgefahren

Presseinformation des KIT (Karlsruher Institut für Technologie) vom 15.11.2011

Innovatives Fahrerassistenzsystem für mehr Sicherheit auf nächtlichen Straßen

Feuchtes Laub, Nebel, Regen und vor allem frühe Dunkelheit machen gerade in den Wintermonaten vielen Autofahrern das Leben schwer – und die Straßen gefährlich. Eine innovative Technologie des KIT bringt Licht ins Dunkle: Am Institut für Mess- und Regelungstechnik, das Professor Christoph Stiller leitet, hat Marko H. Hörter ein Fahrerassistenzsystem entwickelt, das Personen und Tiere am Straßenrand mit Licht markiert und so deutlich früher erkennbar macht.

Sehen und Gesehenwerden sind im nächtlichen Straßenverkehr entscheidend. „Gerade bei Fahrten in der Dämmerung steigt die Wahrscheinlichkeit, in einen Unfall mit einem Fußgänger, Radfahrer oder Wild verwickelt zu werden, exponentiell“, sagt Marko H. Hörter. Zwar gebe es bereits Fahrerassistenzsysteme auf Basis von Infrarot-Kameras, doch bisher müsse der Fahrer die Bilder noch selbst auf einem Display anschauen. „Das lenkt ab und kann wertvolle Reaktionszeit kosten.“ Deshalb geht Hörters Technologie einen Schritt weiter: Ein komplexes mechatronisches System übernimmt vollautomatisch die Bildanalyse und leuchtet bei Bedarf potenzielle Gefahren am Straßenrand mit einem sehr präzisen Lichtspot aus besonders hellen LED-Lampen kurz an. So wird der Fahrer aufmerksam, ohne die Augen von der Fahrbahn nehmen zu müssen.

Dass die neue Technologie die Sicherheit im nächtlichen Straßenverkehr tatsächlich erhöht, konnte der Wissenschaftler in einem zweiwöchigen Praxistest mit 33 Probanden auf einer Landstraße bei Bad Bergzabern bestätigen. Mit Hilfe beheizbarer Reh- und Personenfiguren hat er die Wahrnehmungszeit sowie die daraus resultierende Erkennbarkeitsentfernung bei Fahrern mit und ohne Fahrerassistenzsystem verglichen. Das Ergebnis: Mit markierendem Licht erkannten die Fahrer die Gefahren im Schnitt 35 bis 40 Meter früher, damit hatten sie zwei bis drei Sekunden mehr Zeit zum Reagieren.

Hinter der Entwicklung stecken vier Jahre Arbeit und die Mitarbeit von zwölf Studierenden. Die in die Motorhaube des Versuchsautos eingebaute Wärmebildkamera ist nur der Anfang des Erkennungs- und Markierungsprozesses. Kernstück der Innovation ist die anschließende Rechenleistung: „Während der Fahrt muss eine riesige Datenmenge schnellstmöglich analysiert werden. Das umzusetzen, war eine der größten Schwierigkeiten“, erklärt Marko H. Hörter. Der Computer, der in weniger als 40 Millisekunden jedes einzelne Bild der Infrarotkamera untersucht, ist in der Lage, Personen und Tiere von anderen Objekten zu unterscheiden. Zudem kann er aus 2-D-Bildern ihre reale 3-D-Position, Geschwindigkeit und Richtung ermitteln und die Kollisionsgefahr errechnen. Nur wenn diese tatsächlich besteht, gibt er ein Signal an das Lichtsystem. Dort ermöglicht eine bewegliche Apparatur eine präzise und blendfreie Ausrichtung des Spots, der mit blinkendem, blau-weißem Licht gezielt die potenzielle Gefahr markiert. (sko)

Externer Link: www.kit.edu

Gesundheitscheck während der Fahrt

Pressemitteilung der TU München vom 03.11.2011

Sicherer Stopp, wenn der Fahrer nicht mehr kann:

Die Sicherheit im Straßenverkehr ist von vielen Faktoren abhängig. Ein entscheidender Aspekt ist die Fahrtüchtigkeit. In Zusammenarbeit mit Forschern der BMW Group ist es Wissenschaftlern der Technischen Universität München (TUM) gelungen, eine lenkradintegrierte Sensoreinheit zu entwickeln, die den Gesundheitszustand der Fahrzeuglenker während der Fahrt überwachen kann. Der Fahrer kann damit die Zeit im Auto sinnvoll für einen kleinen Gesundheitscheck nutzen. Gleichzeitig könnte das Gerät in Zukunft zur Früherkennung von Schwächeanfällen oder Infarkten dienen.

Wer viel Zeit im Auto verbringt, kann in Zukunft nicht nur Radio hören oder telefonieren, sondern auch einen kleinen Gesundheitscheck durchführen. Zusammen mit Forschern der BMW Group haben Wissenschaftler unter der Leitung von Professor Tim C. Lüth am Lehrstuhl für Mikrotechnik und Medizingerätetechnik (MiMed) der TU München nun ein System entwickelt, das Vitalparameter wie Herzfrequenz, Hautwiderstand und Sauerstoffsättigung im Blut über einfache Sensoren im Lenkrad ermittelt.

Im Zuge von Studien beispielsweise zur Stressbelastung beim Autofahren wurde bereits eine Reihe von Systemen entwickelt, die Vitalparameter während der Fahrt messen können. Keines dieser Systeme wäre aber in eine automobile Serienproduktion überführbar. Indem sie geeignete Sensoren in das Lenkrad integrierten, vermieden die Wissenschaftler bei ihrer Neuentwicklung die aufwändige Verkabelung des Fahrers. Über Funk werden die Messwerte an einen Mikrocontroller weiter gegeben. Dieser kann dann die Messergebnisse auf dem Display des Fahrzeuginformationssytems anzeigen.

Über den Hautleitwert des Fahrers lässt sich nun beispielsweise erkennen, ob dieser unter akutem Stress steht oder der Blutdruck einen kritischen Wert übersteigt. Voraussetzung dafür ist lediglich, dass die Hände die lenkradintegrierten Sensoren berühren. Erste Tests mit Probanden in Kooperation mit dem Seniorenbeirat München verliefen vielversprechend. Während vier Fünftel der Fahrzeit lieferten die im Lenkrad integrierten Sensoren Messdaten. Mehr als die Hälfte der Testpersonen fühlten sich durch das System animiert, öfter mal einen Check durchzuführen.

Das Ziel des Projekts geht aber weit über die Erfassung der Parameter und das Erkennen einzelner Dysfunktionen hinaus. „Unsere Vision ist, dass das Fahrzeug merkt, wenn der Fahrer sich nicht mehr wohl fühlt und dann geeignete Maßnahmen einleitet“, sagt Professor Lüth. „Wird eine Stresssituation mittels des Hautleitwerts erkannt, können beispielsweise Anrufe automatisch blockiert oder die Lautstärke des Radios selbständig reduziert werden. Bei schwerwiegenderen Problemen könnte das System auch die Warnblinkanlage einschalten oder die Geschwindigkeit reduzieren, bis hin zur automatischen Notbremsung“.

Zentraler Bestandteil der fahrzeugintegrierten Vitalparametermessung sind zwei marktübliche Sensoren. Einer sendet Infrarotlicht in die Finger und ermitteln aufgrund des reflektierten Lichts die Herzfrequenz sowie die Sauerstoffsättigung des Blutes, ein zweiter misst bei Berührung den elektrischen Widerstand der Haut.

Die Wissenschaftler am MiMed entwickelten darüber hinaus eine Mikrocontrollerapplikation, die die Daten verarbeitet und sie zum Fahrzeug überträgt. Um die Datenbasis zu erweitern und möglichst zuverlässige Aussagen über den Gesundheitszustand des Fahrers treffen zu können, lässt sich per Funk auch eine Verbindung zu weiteren externen Instrumenten, wie beispielsweise einem Blutdruckmessgerät, herstellen.

Die Ergebnisse entstanden im Rahmen des Forschungsprojekts Fit4Age in der Gruppe der „Assistenzsysteme für die älter werdende Gesellschaft“ und wurden von der Bayerischen Forschungsstiftung (BFS) gefördert. Den technischen Einbau der Komponenten in das Fahrzeug übernahmen die Kooperationspartner in der BMW Group.

Originalpublikation:
Integrierte Systeme zur ablenkungsfreien Vitalparameter-Messung in Fahrzeugen,
Lorenzo T. D’Angelo, Tim C. Lüth, atz, 11/2011

Externer Link: www.tu-muenchen.de