Umweltsündern auf der Spur

Presseinformation (Forschung Kompakt) der Fraunhofer-Gesellschaft vom 02.09.2019

Kriminelle Machenschaften nachzuweisen, kann mitunter schwierig sein: Etwa bei Akteuren, die schädliche Abwässer heimlich in die Kanäle einleiten. Ein neues Sensorsystem von Fraunhofer-Forscherinnen und Forschern und ihren Partnern könnte die Sicherheitsbehörden künftig bei dem Nachweis unterstützen: Im Abwasserkanal positioniert, spürt es entsprechende Inhaltstoffe auf und hilft, Umweltsünder einzugrenzen und zu entlarven.

Schwarze Schafe gibt es immer wieder – auch in der Industrie. Denn während der Großteil der Firmen ihre Abwässer ordnungsgemäß entsorgt, scheuen einige wenige die damit verbundenen Kosten und leiten das schädliche Abwasser heimlich, still und leise in die Kanäle ein. Bislang fehlen den Sicherheitsbehörden größtenteils die Möglichkeiten, einer solchen Umweltkriminalität großflächig auf die Schliche zu kommen: Dies würde die Kapazitäten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei Weitem übersteigen. Die Betreiber von Kläranlagen stellen solche gesetzeswidrigen Abwässer jedoch vor große Herausforderungen – sie können sogar dazu führen, dass die Kläranlagen kippen.

Umweltschädigende Substanzen im Abwasser nachweisen

Ein neuartiges Sensorsystem könnte es den Sicherheitsbehörden künftig erleichtern, solche Delikte aufzudecken. Entwickelt haben die Technologie – gemeinsam mit Partnern – die Forscherinnen und Forscher der Fraunhofer-Institute für Integrierte Schaltungen IIS und für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM im EU-Projekt Micromole. »Das Sensorsystem soll bestimmte Substanzen im Wasser nachweisen, die in solchen Abwässern typischerweise enthalten sind«, erläutert Dr. Matthias Völker, Gruppenleiter am Fraunhofer IIS. »Es besteht aus zwei Sensorkomponenten: Physikalischen Sensoren und einem chemischen Sensor. Weitere Systeme sind: Energiemanagement, Steuerung- und Kommunikation und ein Probenentnahmesystem.« Führen solche Abwässer an Kläranlagen wiederholt zu Problemen, könnten die Sicherheitsbehörden das Abwassersystem an bestimmten Stellen überprüfen, den Übeltäter durch mehrere Messungen immer weiter eingrenzen und schließlich enttarnen.

Für solche Messungen setzt ein Roboter im Abwasserrohr drei Ringe ein. Der erste Ring wird direkt vor dem Zulauf der verdächtigen Firma positioniert, der zweite direkt dahinter. An beiden dieser Ringe befindet sich jeweils ein physikalischer Sensor, der Parameter wie die Temperatur, den pH-Wert oder auch die Leitfähigkeit des Wassers misst. Über eine Funkverbindung stehen diese beiden Ringe miteinander in Kontakt und vergleichen die von ihren Sensoren gemessenen Werte. Unterscheiden sie sich, könnte dies darauf zurückzuführen sein, dass aus dem fokussierten Gebäude schädliche Abwässer eingeleitet wurden. Auf das entsprechende Signal des zweiten Rings »erwachen« nun die Systeme am dritten Ring, der etwas weiter hinten im Abwasserkanal befestigt ist: Genauer gesagt ein chemischer Sensor und ein Probenentnahmesystem. Für den chemischen Sensor entnimmt eine Mikropumpe einige Mikroliter des Abwassers, verdünnt diese und leitet sie auf den chemischen Sensor. Auf diesem befinden sich sechs Elektroden, die jeweils mit einer speziellen Beschichtung aus Polymeren überzogen sind. Das Besondere: In diesen Polymerschichten befinden sich Lücken, in die bestimmte Schadstoffe jeweils genau hineinpassen – ähnlich wie Puzzleteilchen. Binden sie auf diese Weise an die Polymerschicht, ändert sich ihre elektrische Kapazität. Solche Kapazitätsänderungen auf den Elektroden legen also nahe, dass sich bestimmte Schadstoffe im Abwasser befinden. Vor Gericht gilt dies jedoch nicht als Beweis. Daher entnimmt das System zudem eine kleine Probe des Abwassers, das dann von Menschenhand im Labor genau überprüft werden kann. Damit der chemische Sensor für mehrere Messungen eingesetzt werden kann, spült eine Waschlösung die angebundenen Moleküle nach jeder Messung wieder heraus.

Das Sensorsystem ist in einer Kooperation mehrerer Forschungseinrichtungen und weiterer Partner entstanden. Die Forscherinnen und Forscher des Fraunhofer IIS haben dabei die Entwicklung der Elektronik, der Signalerfassung und -auswertung des Sensormoduls sowie der Energieversorgung des Systems übernommen. Ihre Kolleginnen und Kollegen vom Fraunhofer IZM waren für das BUS-System auf dem Metallring zuständig und für den Entwurf der wasserdichten Steckkontakte zu den einzelnen Komponenten sowie der wasser- und chemikaliendichten Gehäuse. Zudem haben sie die physikalischen Sensoren miniaturisiert.

Großangelegter Testlauf geplant

Die einzelnen Komponenten wurden zunächst bei den Partnern im Labor geprüft, anschließend im Zusammenspiel in einem künstlichen Abwassersystem mit realem Abwasser. In einem dritten Schritt wurden verschiedene Komponenten in einem realen Abwasserrohr getestet. Die ersten Ergebnisse sind vielversprechend: »Das System konnte verdächtige Abwässer aufspüren und einen entsprechenden Alarm auslösen«, fasst Harald Pötter, Abteilungsleiter am Fraunhofer IZM, zusammen. In einem Nachfolge-Projekt wollen die Forscherinnen und Forscher des Fraunhofer IZM nun mit Partnern in fünf europäischen Städten einen großangelegten Testlauf der physikalischen Sensoren des Systems durchführen.

Externer Link: www.fraunhofer.de

Denkende Fußgängerampeln: Neues System der TU Graz erkennt Kreuzungswunsch automatisch

Presseaussendung der TU Graz vom 27.05.2019

Das innovative Kamerasystem erkennt die Absicht von Menschen, die Straße zu queren und schaltet automatisch auf Grün. Damit reduziert es unangenehme Wartezeiten und verflüssigt den motorisierten Stadtverkehr.

In Wien gibt es rund 200 Druckknopfampeln. Diese ermöglichen Fußgängerinnen und Fußgängern eine sichere Straßenquerung. Allerdings erst nach einer Wartezeit, die vielen Menschen lästig ist. Die Folge: Fußgängerinnen und Fußgänger warten oftmals nicht auf die Grünphase, sondern gehen in eine andere Richtung weiter oder queren die Straße bei Rot. Für manche wiederum sind Druckknopfampeln eine Einladung, die Grünphase im Vorbeigehen einfach nur aus Spaß auszulösen. All diese Handlungen sorgen auch bei Autofahrerinnen und Autofahrern für Ärger – nämlich dann, wenn diese an der Kreuzung halten müssen, obwohl niemand die Straße quert.

Mehr Komfort – weniger Wartezeiten

Im Auftrag der Magistratsabteilung 33 der Stadt Wien – zuständig für die städtische Beleuchtung sowie für Ampeln, Uhren und öffentliche WLAN-Stationen – haben Forschende des Instituts für Maschinelles Sehen und Darstellen der TU Graz in den letzten drei Jahren ein neues Ampelsystem entwickelt, das mehr Komfort bietet und die Druckknopfampeln auf lange Sicht ersetzen soll. Das innovative kamerabasierte System erkennt die Absicht von Fußgängerinnen und Fußgängern die Straße überqueren zu wollen und leitet die Grünphase automatisch ein. Darüber hinaus bereitet es die Straße für weitere Verkehrsoptimierungen vor, wie Horst Possegger vom Institut für Maschinelles Sehen und Darstellen anhand zweier Beispiele erklärt: „Bei größeren Personengruppen kann die Grünphase automatisch verlängert werden, da diese mehr Zeit benötigen, um die Straße zu queren. Und wenn Personen den Wartebereich vorzeitig verlassen, wird das an die Ampel gemeldet. Diese leitet folglich keine Grünphase ein und es kommt zu keinen unnötigen Wartezeiten für den motorisierten Verkehr.“

Kamera-Tracking als Basis

Zentrales Element ist eine an der Ampel montierte Kamera. Während Standard-Industrielösungen nur ein zwei mal drei Meter großes Sichtfeld abdecken, nimmt dieses System alle Personen innerhalb eines acht mal fünf Meter großen Bereiches wahr. In Sekundenschnelle erkennt es, wer die Straße queren möchte. „Für eine erste Intentionsschätzung benötigt das System eine Sekunde – verlässlich ist die Schätzung schon nach zwei Sekunden“, erklärt Possegger. Anschließend meldet das System den Kreuzungswunsch an den Ampel-Controller. Dieser entscheidet – genau wie beim herkömmlichen Drucktastersystem – wann die Ampelschaltung erfolgt. „Mit der derzeitigen Konfiguration meldet unser System den Kreuzungswunsch drei bis vier Sekunden bevor der Druckknopf betätigt wird“, so Possegger.

Horst Possegger weiß, dass das simpel klingt, doch „es waren zwei Jahre intensive Forschungsarbeit nötig, zumal die Anforderungen vielfältig waren“. Die Hardware musste groß genug sein für einen leistungsstarken lokalen Rechner, gleichzeitig aber so klein wie möglich gebaut werden, um im Schaltkasten der Ampel Platz zu haben. Bei der Software waren Genauigkeit und Effizienz gefragt. Außerdem wurde das Programm zusätzlich mit einer Systemüberwachung ausgestattet, die Ausfälle rechtzeitig meldet. „Das ist eine doppelte Absicherung. Das System wurde so entwickelt, dass es selbst in rauer Umgebung rund um die Uhr funktioniert und auch mit Spannungsspitzen und Spannungsabfällen fertig wird“, erklärt Possegger.

Anhand globaler Bewegungsmodelle und aufgezeichneter Daten entwickelte das Forschungsteam lernende Algorithmen, die den Querungswunsch von Fußgängerinnen und Fußgängern erkennen. Sorgen hinsichtlich des Datenschutzes kann Possegger entkräften. Die Bilddaten sind zwar zwingend notwendig, um Fußgängerinnen und Fußgänger – darunter auch Kinder, sowie Personen mit Regenschirmen oder Kinderwägen – detektieren zu können. Die Bilder werden hierfür aber direkt lokal analysiert und verlassen die Kamera nicht. Das Ampelsystem arbeitet ausschließlich mit geometrischer Information, aus der es den Kreuzungswunsch ableitet.

Implementierung bis Ende 2020

Aktuell erfolgt der Wissenstransfer von den Forschenden zur Günther Pichler GmbH. Das Unternehmen zeichnet für die Installation im Wiener Stadtgebiet verantwortlich und wird Druckknopfampeln zur Evaluierung an ausgewählten Standorten durch das neue Kamerasystem bis Ende 2020 ersetzen. (Christoph Pelzl)

Externer Link: www.tugraz.at

Mit Diamanten den Eigenschaften zweidimensionaler Magnete auf der Spur

Medienmitteilung der Universität Basel vom 25.04.2019

Physikern der Universität Basel ist es erstmals gelungen, die magnetischen Eigenschaften von atomar dünnen Van-der-Waals-Materialien auf der Nanometerskala zu messen. Mittels Diamant-Quantensensoren konnten sie die Stärke von Magnetfeldern an einzelnen Atomlagen aus Chromtriiodid ermitteln. Zudem haben sie eine Erklärung für die ungewöhnlichen magnetischen Eigenschaften des Materials gefunden. Die Zeitschrift «Science» hat die Ergebnisse veröffentlicht.

Der Einsatz von zweidimensionalen Van-der-Waals-Materialien verspricht Innovationen in zahlreichen Bereichen. Wissenschaftler weltweit untersuchen immer neue Möglichkeiten, verschiedene einlagige Atomschichten zu stapeln und damit neue Materialien mit besonderen Eigenschaften herzustellen.

Diese superdünnen Verbundstoffe werden durch Van-der-Waals-Kräfte zusammengehalten und verhalten sich oft anders als dreidimensionale Kristalle des gleichen Materials. Unter den Materialien, die nur eine Atomlage dünn sind, gibt es Isolatoren, Halbleiter, Supraleiter und auch einige wenige mit magnetischen Eigenschaften. Ihr Einsatz in der Spintronik oder als winzige magnetische Speicher ist sehr vielversprechend.

Erstmals präzise Messung der Magnetisierung

Bisher war es nicht möglich, die Stärke, Ausrichtung und Struktur dieser Magnete quantitativ und auf der Nanometerskala zu bestimmen. Das Team um Georg-H.-Endress-Professor Dr. Patrick Maletinsky vom Departement Physik und Swiss Nanoscience Institute der Universität Basel hat nun gezeigt, dass der Einsatz von Diamantspitzen mit einzelnen Elektronen-Spins in einem Rasterkraftmikroskop für derartige Untersuchungen bestens geeignet ist.

«Wir eröffnen mit unserer Methode, die einzelne Spins in Diamantfehlstellen als Sensoren nutzt, einen ganz neuen Bereich. Von nun an lassen sich die magnetischen Eigenschaften von zweidimensionalen Materialien auf der Nanoskala und sogar auf quantitative Art und Weise untersuchen. Unsere neuartigen Quantensensoren sind für diese komplexe Aufgabe bestens geeignet», kommentiert Patrick Maletinsky.

Anzahl der Schichten entscheidend

Mit dieser in Basel entwickelten und auf einem einzelnen Elektronenspin basierenden Technik haben die Wissenschaftler zusammen mit Forschenden der Universität Genf nun die magnetischen Eigenschaften von einzelnen Atomlagen aus Chromtriiodid (CrI3). Damit konnten die Forscher auch die Antwort auf eine zentrale, wissenschaftliche Frage zum Magnetismus dieses Materials finden.

Als dreidimensionaler Kristall ist Chromtriiodid vollständig magnetisch geordnet. Bei wenigen atomaren Lagen weisen jedoch nur Stapel mit einer ungeraden Anzahl an Atomschichten eine Magnetisierung auf. Stapel mit einer geraden Zahl an Lagen zeigen sogenannte «antiferromagnetische» Eigenschaften, sind also nicht magnetisiert. Die Ursache für diese Abhängigkeit war bisher nicht bekannt.

Verspannung als Ursache

Das Maletinsky-Team konnte nun zeigen, dass dieses Phänomen auf der besonderen Schichtung der Lagen beruht. Durch die Probenpräparation verschieben sich die einzelnen Chromtriiodid-Lagen leicht gegeneinander. Die resultierenden Verspannungen im Gitter bewirken, dass sich die Spins aufeinanderfolgender Lagen nicht in die gleiche Richtung ausrichten können. Stattdessen wechselt sich die Spinrichtung in den Schichten ab. Bei einer gleichen Anzahl von Lagen heben sich die Magnetisierungen somit auf, bei einer ungeraden Anzahl entspricht die Stärke des gemessenen Magnetfeldes dem einer einzelnen Schicht.

Werden die Verspannungen zwischen den Schichten jedoch gelöst, beispielsweise durch eine Punktion der Probe, richten sich die Spins aller Schichten gleich aus – wie das auch in dreidimensionalen Kristallen beobachtet wird. Die Magnetstärke des ganzen Stapels entspricht dann der Summe der einzelnen Schichten.

Die Arbeit der Basler Wissenschaftler beatwortet damit nicht nur eine zentrale Frage der zweidimensionalen Van-der-Waals-Magnete. Sie eröffnet auch interessante Perspektiven, wie ihre innovativen Quantensensoren in Zukunft zum Studium zweidimensionaler Magnete genutzt werden können um damit zur Entwicklung neuartiger elektronischer Bausteine beizutragen.

Originalbeitrag:
L. Thiel, Z. Wang, M. A. Tschudin, D. Rohner, I. Gutiérrez-Lezama, N. Ubrig, M. Gibertini, E. Giannini, A. F. Morpurgo, and P. Maletinsky
Probing magnetism in 2D materials at the nanoscale with single spin microscopy
Science (2019), doi: 10.1126/science.aav6926

Externer Link: www.unibas.ch

Für neue Diagnoseverfahren: Physiker erzielen Messrekord für extrem schwache magnetische Signale

Pressemitteilung der Universität des Saarlandes vom 11.03.2019

Herzsignale oder Hirnströme berührungsfrei messen, Erze oder archäologische Funde tief in der Erde entdecken: Physiker der Universität des Saarlandes stellen mit Magnetfeldsensoren einen Empfindlichkeits-Rekord auf, der neue Messverfahren ermöglicht. In normaler Umgebung – ohne Vakuum, tiefe Temperaturen oder Abschirmung – spüren Professor Uwe Hartmann und sein Team sehr schwache magnetische Signale auf, und das trotz Störquellen auch über größere Distanzen: Es genügt eine Signalstärke von weit weniger als einem Milliardstel Tesla, etwa eine Million Mal kleiner als das Erdmagnetfeld. Biomagnetische Signale des menschlichen Körpers lassen sich so ebenso messen wie geophysikalische Phänomene.

Die Physiker suchen auf der Hannover Messe vom 1. bis 5. April Partner, um die Messmethoden weiterzuentwickeln: in Halle 2 am Forschungsstand B46.

Wollen Ärzte heute das Herz ihres Patienten darauf untersuchen, ob es stolpert oder flimmert, müssen sie erst Elektroden auf Brust, Handgelenke und Fußknöchel kleben. Gleiches gilt für die elektrische Aktivität des Gehirns: Erst muss verkabelt werden, dann lassen sich die Hirnströme messen. Wenn es schnell gehen muss, verlieren Helfer dadurch wertvolle Zeit. Einfacher wären Geräte, die ähnlich wie ein Metallsucher über Körper oder Kopf gehalten werden und trotzdem zuverlässige Werte liefern. Bislang scheitern derart berührungsfreie medizinische Diagnoseverfahren daran, dass sie wenig alltagsstauglich sind. Hinreichend empfindliche Messsensoren, die biomagnetische Körpersignale messen können, brauchen heute extreme Bedingungen: Sie müssen gegen Störungen von außen stark abgeschirmt, bei unpraktischen Temperaturen von unter 200 Minus-Graden gekühlt oder im Vakuum betrieben werden.

Jetzt haben der Experimentalphysiker Professor Uwe Hartmann und sein Forscherteam an der Universität des Saarlandes ihre Magnetfeldsensoren so weiterentwickelt, dass sie ohne solche Weltraumbedingungen in normaler Umgebung sehr schwache Signale erfassen können – wie etwa die vielfältigen Körperfunktionen, die sich durch Magnetfelder äußern. „Verglichen mit bekannten Maßstäben entspricht unsere Messung dem Auffinden eines Sandkorns im Gebirge: Wir können über verhältnismäßig große Distanzen Magnetfelder messen, die annähernd eine Million Mal kleiner sind als das Erdmagnetfeld – etwa einige Picotesla, 10 hoch -12“, erklärt Uwe Hartmann. Bislang erfassen Sensoren unter normalen Bedingungen nur Magnetfelder, die etwa tausend Mal kleiner sind als das Erdmagnetfeld.

Die eigentliche Herausforderung lag weniger im kaum messbar kleinen Signal selbst. „Das Hauptproblem ist, diese Signale in einer gewöhnlichen Umgebung aus einer Vielzahl von Störsignalen sauber herauszulesen“, sagt Hartmann. Denn alles Mögliche verrauscht, überlagert und verfälscht das Messsignal, das eigentlich interessiert – angefangen vom Erdmagnetfeld über Elektrogeräte, vorbeifahrende Autos bis hin zu Signalen anderer Organe oder gar Sonnenstürme. Hartmanns Arbeitsgruppe forscht seit Jahren an den Magnetfeldsensoren und entwickelt diese für verschiedenste Anwendungen beständig weiter. „Wir haben unsere Sensoren in den vergangenen Jahren kontinuierlich sensibler und selektiver gemacht. Durch diese fortwährende Weiterentwicklung der Sensoren, ihres Materials und vor allem auch der Software zur Datenverarbeitung wurde die jetzt erreichte Empfindlichkeit möglich“, erläutert er.

Hartmann und sein Team haben in verschiedenen Projekten daran gearbeitet, aus Messsignalen Störungen herauszufiltern. So haben die Forscher ein Sensor-Kabel entwickelt, in dem Magnetfeldsensoren miteinander verbunden und vernetzt sind. Verschiedene solcher Systeme sind bereits als Verkehrsleitsysteme zum Beispiel an Flughäfen testweise im Einsatz. Um das Sensorsystem auch zur Überwachung an Zaunanlagen einsetzen zu können, haben die Forscher in vielen Versuchsreihen etliche Arten von Änderungen des Magnetfeldes simuliert und den jeweiligen Ursachen zugeordnet – etwa von Erschütterungen an Zäunen. Je nach Art der Störung unterscheiden sich die Signalmuster, die die Sensoren messen. Die Physiker haben die Datenmuster mathematisch modelliert, in Algorithmen übersetzt und die Auswerteeinheit immer detailreicher programmiert und verfeinert. „Mit diesen Informationen haben wir das System angelernt und immer weiter ausgebaut. Es erkennt typische Muster, ordnet sie selbstständig Störungen zu. Wir können Messwerte und Signalmuster inzwischen sehr genau ihren Ursachen zuordnen“, erläutert Hartmann.

Noch handelt es sich um ein Ergebnis der Grundlagenforschung. Die möglichen Anwendungsfelder der hoch empfindlichen Magnetfeldsensoren sind jedoch vielfältig: Sie können in der Medizin Einsatz finden und in Kardiologie oder Neurologie Ergänzung zu EKG (Elektrokardiographie) oder EEG (Elektroenzephalographie) sein. Auch können sie bei geophysikalischen Untersuchungen helfen, Erdöl, Erze oder archäologische Funde aufzuspüren.

Externer Link: www.uni-saarland.de

Food-Scanner für die Hosentasche

Presseinformation (Forschung Kompakt) der Fraunhofer-Gesellschaft vom 03.01.2019

Laut einer Studie der Umweltstiftung WWF Deutschland landen jährlich zehn Millionen Tonnen Lebensmittel in Deutschland im Müll, obwohl sie noch verzehrbar sind. Mit einem mobilen Food-Scanner sollen Verbraucher und Supermarktbetreiber in Zukunft prüfen können, ob Nahrungsmittel verdorben sind. Das Gerät im Hosentaschenformat ermittelt per Infrarotmessung den Reifegrad und die Haltbarkeit von Gemüse, Obst und Co. und zeigt das Ergebnis mithilfe einer App an. Fraunhofer-Forscherinnen und -Forscher haben das System, das als Demonstrator vorliegt, gemeinsam mit Partnern im Auftrag des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten entwickelt.

Kann man den Joghurt noch essen? Ist das Gemüse noch genießbar? Im Zweifelsfall landen Lebensmittel nicht auf dem Teller, sondern in der Tonne. Viele Produkte werden weggeworfen, weil sie nicht mehr appetitlich aussehen, kleine Schönheitsfehler aufweisen oder das Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen ist. Allein in Bayern wandern 1,3 Millionen Tonnen Nahrungsmittel jährlich unnötigerweise in den Abfall. Mit dem Bündnis »Wir retten Lebensmittel« will das Bayerische Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit insgesamt 17 Maßnahmen der Verschwendung entgegenwirken. Eines der Projekte: Ein Food-Scanner soll dazu beitragen, die Verluste am Ende der Wertschöpfungskette zu reduzieren – im Handel und beim Verbraucher. Das preisgünstige Gerät im Hosentaschenformat soll künftig den tatsächlichen Frischegrad von Lebensmitteln feststellen – sowohl bei abgepackten als auch bei nicht abgepackten Waren. Forscherinnen und Forscher des Fraunhofer-Instituts für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung IOSB, des Fraunhofer-Instituts für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV, der Technischen Hochschule Deggendorf und der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf entwickeln den kompakten Food-Scanner, der als Demonstrator mit Daten für zwei Lebensmittel vorliegt und auch eine Haltbarkeitsabschätzung ermöglicht.

Echtheit von Lebensmitteln per Infrarotlicht feststellen

Herzstück des mobilen Scanners ist ein Nahinfrarot (NIR)-Sensor, der den Reifegrad des Nahrungsmittels bestimmt und ermittelt, wie viele und welche Inhaltsstoffe es enthält. »Infrarotlicht wird punktgenau auf das zu untersuchende Produkt geschickt, anschließend misst man das Spektrum des reflektierten Lichts. Die absorbierten Wellenlängen lassen Rückschlüsse auf die chemische Zusammensetzung der Ware zu«, erläutert Dr. Robin Gruna, Projektleiter und Wissenschaftler am Fraunhofer IOSB, die Funktionsweise des Verfahrens. »Im Labor kann man schon lange per Nahinfrarotspektroskopie Inhaltsstoffe quantifizieren. Neu ist, dass dies jetzt mit kleinen Low-Cost-Sensoren möglich ist«, sagt Julius Krause, Kollege im Team von Gruna. »Lebensmittel werden oftmals gefälscht, beispielsweise werden Lachsforellen als Lachs verkauft. Auch die Echtheit eines Produkts kann man mit unserem Gerät feststellen, nachdem es entsprechend eingelernt wurde. Gepanschtes Olivenöl lässt sich ebenfalls als solches identifizieren«, so der Physiker. Doch dem System sind auch Grenzen gesetzt: Es bewertet ausschließlich die Produktqualität von homogenen Nahrungsmitteln. Heterogene Produkte mit verschiedenen Zutaten wie beispielsweise Pizza lassen sich aktuell nur schwer prüfen. Hierfür erforschen die Wissenschaftler ortsauflösende Technologien wie bildgebende Spektroskopie (Hyperspectral Imaging) und Fusionsansätze mit Farbbildern und Spektralsensoren.

Um die Qualität der Lebensmittel basierend auf den Sensordaten und den gemessenen Infrarotspektren bestimmen und Prognosen für die Haltbarkeit errechnen zu können, entwickeln die Forscherteams intelligente Algorithmen, die nach entsprechenden Mustern und Gesetzmäßigkeiten in den Daten suchen. »Durch Maschinelles Lernen können wir das Erkennungspotenzial steigern. In unseren Tests haben wir Tomaten und Hackfleisch untersucht«, sagt Gruna. So wurden etwa die gemessenen NIR-Spektren von Hackfleisch mithilfe statistischer Verfahren mit dem mikrobiellen Verderb korreliert und wurde die weitere Haltbarkeit des Fleisches davon abgeleitet. Umfangreiche Lagertests, bei denen die Forscherteams die mikrobiologische Qualität sowie weitere chemische Parameter unter verschiedenen Lagerbedingungen erfassten, zeigten eine gute Übereinstimmung der ermittelten und der tatsächlichen Gesamtkeimzahl.

App zeigt Haltbarkeit der Lebensmittel an

Der Scanner sendet die gemessenen Daten zur Analyse per Bluetooth an eine Datenbank – eine eigens entwickelte Cloud-Lösung –, in der die Auswerteverfahren hinterlegt sind. Die Messergebnisse werden anschließend an eine App übertragen, die dem Verbraucher die Ergebnisse anzeigt und darstellt, wie lange das Lebensmittel bei den jeweiligen Lagerbedingungen noch haltbar ist oder ob es bereits überlagert wurde. Darüber hinaus erfährt der Verbraucher, wie er Lebensmittel alternativ verwenden kann, wenn deren Lagerdauer abgelaufen ist. Für Anfang 2019 ist die Testphase in Supermärkten geplant: Dann soll untersucht werden, wie der Verbraucher das Gerät annimmt. Insgesamt ist ein breiter Einsatz entlang der Wertschöpfungskette denkbar, vom Rohstoff bis zum Endprodukt. Eine frühzeitige Erkennung von Qualitätsveränderungen ermöglicht alternative Verwertungswege und trägt zur Reduzierung der Verluste bei.

Doch der Scanner ist mehr als nur ein Instrument für den Lebensmittel-Check. Vielmehr handelt es sich um eine universell einsetzbare, kostengünstige Technologie, die schnell anpassbar ist. Beispielsweise könnte man das System nutzen, um damit Kunststoffe, Holz, Textilien oder Mineralien voneinander zu unterscheiden und zu klassifizieren. »Der Einsatzbereich des Geräts ist vielseitig, es muss nur entsprechend trainiert werden«, sagt Gruna.

Externer Link: www.fraunhofer.de