Toolbox für CO2-freie Gebäude

Medienmitteilung der ETH Zürich vom 04.11.2013

Ein Set an neuen Gebäudetechnologien macht es möglich, Gebäude zu heizen und zu kühlen, ohne dabei CO2 auszustossen. Unter dem Label «2SOL» will eine Firmen-Allianz den an der ETH entwickelten Komponenten nun zum Durchbruch verhelfen.

Rund 40 Prozent der CO2-Emissionen in der Schweiz gehen auf das Konto von Gebäuden. Gebäudesanierungen spielen deshalb eine wichtige Rolle in der Strategie des Bundes, die Treibhausgas-Emissionen durch Massnahmen im Inland zu reduzieren. Bessere Wärmedämmungen von Gebäuden und effizientere Öl- und Gasbrennern stellen eine Möglichkeit der Sanierung dar. Einen anderen Weg schlägt die ETH Zürich vor mit einem Set an Gebäudetechnologien, die geeignet sind, Gebäude praktisch ohne CO2-Emissionen zu heizen und zu kühlen.

Überschüssige Sonnenenergie im Sommer wird im Erdreich zwischengelagert und im Winter fürs Heizen des Gebäudes verwendet. Umgekehrt kann das Gebäude über die Fussbodenheizung im Sommer auch gekühlt werden. Die Raumkühlung mit dem Erdspeicher ist möglich, weil diesem die Wärmeenergie im Winter entzogen worden ist.

Der Kollektor als Teil des Dachs

Ein erstes wichtiges Element des Gesamtsystems 2SOL ist ein an der ETH entwickelter Hybridkollektor, der einerseits als Photovoltaik-Anlage Solarstrom liefert, anderseits als Sonnenkollektor Wärme in einen Erdspeicher einspeist. Erstmals ist es nun den Forschern gelungen, einen Hybridkollektor zu bauen, der Teil der Dachkonstruktion ist. Statt den Kollektor auf das bestehende Dach zu montieren, werden Dach und Kollektor zu einem Ganzen: Photovoltaikpaneele, thermische Absorber, Dämmung und Tragstruktur bilden eine Einheit und lassen sich auf praktisch jedes Haus montieren.

Wie ein Feuerwehrschlauch

Die so genannte Koaxial-Erdwärmesonde ist die Verbindung, welche mit Wasser als Transportmedium die abgeerntete Wärmeenergie in den saisonalen Erdspeicher führt. Die Erdwärmesonden reichen dabei bis in eine Tiefe von 500 Metern. Die Sonde besteht aus einem Polyestergarn und ähnelt einem Feuerwehrschlauch. Bisherige Erdwärmesonden sind aus harten Kunststoffrohren gemacht, welche es nötig machen, den Raum zwischen Sonde und Bohrloch mit Beton zu füllen. Das bewegliche und anschmiegsame Material der Koaxial-Erdwärmesonde hingegen wird durch den Überdruck direkt an die Wand des Bohrlochs gepresst.

Motor mit Turbokompressor

Wärme, die im Erdreich gespeichert ist, muss im Winter zum Heizen wieder ins Gebäude zurückfliessen. Der Speicher wird somit jeden Winter wieder geleert, damit er im kommenden Sommer abermals gefüllt werden kann. Das aus der Tiefe des Erdreichs hochgepumpte Wasser ist allerdings noch nicht heiss genug, um ein Haus zu heizen. Hier kommt nun die dritte zentrale Komponente des 2SOL-Systems ins Spiel, die Niederhub-Wärmepumpe, die das Wasser auf die notwendige Temperatur von 28 bis 35 Grad wärmt. Die Wärmepumpe verfügt über einen an der ETH entwickelten Elektromotor mit gekoppeltem Turbo-Kompressor, der mit 200’000 Umdrehungen pro Minute arbeitet. Die Turbo-Wärmepumpe kann die Wärme aus dem Erdspeicher mit wenig Strom auf die gewünschte Nutztemperatur veredeln.

Zum Gesamtsystem 2SOL gehört auch, dass die verschiedenen Gebäudetechnologien durch eine intelligente Steuerung und Überwachung optimal aufeinander abgestimmt sind. Mit einer Fläche von rund 80 Quadratmetern Hybridkollektoren auf dem Dach, dem Einsatz der neusten Erdwärmesonde und der Turbo-Niederhub-Wärmepumpe kann eine Nutzfläche von rund 750 Quadratmetern beheizt werden, was einem dreigeschossigen 7-Familienhaus entspricht. Unter der Bedingung, dass der externe Strom, den es für den Betrieb der Wärmepumpe braucht, aus erneuerbaren Quellen stammt, erreicht man, dass das Gebäude ohne CO2-Emissionen beheizt und gekühlt wird.

Allianz für die Markteinführung

Eine Allianz von zwölf Schweizer Firmen hat sich unter dem Label 2SOL zusammengetan, um die verschiedenen Technologien weiter zu entwickeln und zur Marktreife zu bringen. Es sind Firmen, die unterschiedliches Know-how einbringen, von Geräte- und Systemanbietern über Ingenieur- und Planungsunternehmen bis hin zu Installationsfirmen. Ihnen gemeinsam ist, dass sie alle vom Ansatz überzeugt sind, Gebäude emissionsfrei heizen und kühlen zu können.

Externer Link: www.ethz.ch

Kobalt statt Iod macht Solarzellen umweltfreundlicher

Medienmitteilung der Universität Basel vom 02.08.2013

Forschende der Universität Basel konnten in Farbstoffsolarzellen auf Kupferbasis das seltene Iod durch das weit häufigere Kobalt ersetzen. Damit gelingt ihnen ein weiterer Schritt in Richtung einer umweltfreundlichen Energiegewinnung. Die Fachzeitschrift «Chemical Communications» hat die Resultate zu den sogenannten Cu-Co-Zellen veröffentlicht.

Farbstoffsolarzellen oder DSC (Dye-sensitized Solar Cells) verwandelt Licht in Elektrizität. Sie bestehen aus einem Halbleiter, auf dem ein Farbstoff verankert ist. Dieser fängt Sonnenlicht ein, und durch einen Elektronentransferprozess entsteht eine elektrische Spannung. Für den Ladungstransport innerhalb der Farbstoffsolarzelle sorgen Elektrolyte.

Als Elektrolyt wird üblicherweise Iod und Iodid verwendet. Chemikern der Universität Basel ist es nun gelungen, dieses iodbasierte Transportsystem in Kupfer-Farbstoffsolarzellen durch einen Kobalt-Komplex zu ersetzen. In Tests zeigte sich dadurch kein Verlust in der Leistung.

Häufig vorkommendes Element

Durch das Ersetzen von Iod durch Kobalt erhöht sich die Nachhaltigkeit der Solarzellen deutlich: «Iod kommt als Element im Boden nur selten vor, hingegen gibt es Kobalt 50-mal häufiger», erklärt Projektleiterin Dr. Biljana Bozic-Weber. Ausserdem verbessert sich dadurch die langfristige Stabilität von DSC mit Kupferfarbstoffen, da dadurch auch ein Abbauprozess verhindert wird, bei dem die Kupferverbindungen mit dem Elektrolyt reagieren und Kupferiodid bilden.

Der Forschungsgruppe um die Basler Chemieprofessoren Ed Constable und Catherine Housecroft arbeitet zurzeit daran, die Leistung von Farbstoffsolarzellen mit Kupferfarbstoffen zu verbessern. Ihnen war es 2012 gelungen, das seltene Ruthenium in Solarzellen durch Kupferderivate zu ersetzen.

Die erstmalige Kombination von Kupferfarbstoffen und Kobaltelektrolyten bildet einen wichtigen Schritt in der Entwicklung von stabilen, iodfreien Solarzelle auf Kupferbasis, auch wenn noch zahlreiche Effizienzaspekte behandelt werden müssen, bevor eine Kommerzialisierung ausserhalb von Nischenmärkten beginnen kann.

Molecular Systems Engineering

«Das Austauschen einer einzelnen Komponente der Solarzellen hat zur Konsequenz, dass alle anderen optimiert werden müssen», so Ed Constable. Dieses Vorgehen ist Teil eines neuen Ansatzes namens «Molecular Systems Engineering», bei dem alle molekularen und materiellen Komponenten eines Systems integriert und optimiert werden, um Nanomaschinen zu verbessern. Die vorliegende Publikation beschreibt das Engineering des Elektrolyten, des Farbstoffes und des Halbleiters.

Dieser systemische Ansatz in der Chemie eignet sich speziell für das Engineering von anorganisch-biologischen Hybriden. Er bildet auch die Basis für die bestehende Zusammenarbeit der Universität Basel mit dem ETH-Department of Biosystems Engineering in Basel (D-BSSE) und der EMPA. Ein gemeinsamer Antrag der Universität Basel und des D-BSSE für einen neuen nationalen Forschungsschwerpunkt auf diesem Gebiet steht momentan in der Endphase der Beurteilung.

Originalbeitrag:
Biljana Bozic-Weber, Edwin C. Constable, Sebastian O. Fürer, Catherine E. Housecroft, Lukas J. Troxler and Jennifer A. Zampese
Copper(I) dye-sensitized solar cells with [Co(bpy)3]2 /3 electrolyte
Chem. Commun., 2013,49, 7222-7224 | doi: 10.1039/C3CC44595J

Externer Link: www.unibas.ch

Solarzellen unter der Lupe

Presseinformation der LMU München vom 27.06.2013

LMU-Forscher haben eine neue Methode entwickelt, um Materialdefekte von Solarzellen sichtbar zu machen.

LMU-Wissenschaftler um Dr. Bert Nickel haben erstmals das aktive Material von organischen Dünnschicht-Solarzellen unter einer Art Lichtmikroskop mit Hilfe von lokaler Laseranregung untersucht. Darüber berichten sie in der Fachzeitschrift Advanced Materials. „Wir haben eine Technik entwickelt, bei der wir mit einem fokussierten Laserstrahl, den wir unter anderem mit einer rotierenden Blende modulieren, das Material rastern. So können wir die Defektdichte organischer Dünnfilme direkt abbilden, was bisher nicht möglich war“, erklärt Christian Westermeier, Erstautor der Studie.

Solarzellen verwandeln Sonnenenergie in elektrische Energie. Wie lange die durch Licht induzierte Ladung in Solarzellen verbleibt bevor sie an den Elektroden extrahiert wird, hängt von der Beschaffenheit des Materials ab. Defektstellen in der aktiven Schicht können als Fallen für Ladungsträger wirken: Sie ziehen einen Teil des Stroms ab, weil sie die Ladungsträger temporär festhalten. Mit ihrer Messmethode erfassen die Forscher die Änderungen im Stromfluss, die sich durch lokale Anregung der Defektstellen mit Licht ergeben. In der Versuchsanordnung wird ein Rückkontakt als dritte Elektrode verwendet. Durch Anlegen einer elektrischen Spannung an dieser Elektrode können die Fallen der Ladungsträger über einen Feldeffekt gezielt gefüllt und entleert werden. Die Frequenzmodulation des Lasers ermöglicht außerdem, die zeitliche Dynamik der Fallenzustände zu erfassen.

Ihre Untersuchung zeigt, dass die Defekte im Material ungleichmäßig verteilt sind, so dass es einige Stellen gibt, an denen sie sich häufen. „Es wäre interessant zu wissen, was an diesen Hot Spots mit der Beschichtung passiert. Die Frage ist, was die Defekte auslöst. Es könnte sich um eine chemische Verunreinigung oder um Störungen in der Anordnung der Moleküle handeln“, sagt Bert Nickel, der auch dem Exzellenzcluster „Nanosystems Initiative Munich“ (NIM) angehört.

Für ihre Untersuchung haben Bert Nickel und seine Kollegen das organische Molekül Pentacen ausgewählt, das bestleitende Material, das es zurzeit für die Herstellung von organischen Halbleiterelementen gibt. Sie untersuchten zunächst eine Dünnschicht bestehend aus einem Halbleitermaterial für Elektronenlöcher. In einem weiteren Schritt wollen sie nun die Defekte einer vollständigen Solarzelle abbilden, die aus einer Loch leitenden und einer Elektronen leitenden Schicht besteht. (nh)

Publikation:
Advanced Materials, 25. Juni 2013

Externer Link: www.uni-muenchen.de

Mit Rohrkolben dämmen

Presseinformation (Forschung Kompakt) der Fraunhofer-Gesellschaft vom 02.05.2013

Immer mehr Hauseigentümer dämmen ihre Wände, um Energiekosten zu senken. Häufig entscheiden sie sich für die billige Variante Polystyrol. Doch es gibt umweltfreundliche Alternativen: So eignet sich Rohrkolben hervorragend als natürliches Isoliermaterial.

Rohrkolben wird schon seit langem für verschiedene Zwecke verwendet, wie zur Reinigung von Abwässern in Kläranlagen, zum Entgiften von Böden, als Rohstoff für handwerkliche Flechtarbeiten, als Nahrungsmittel oder in der traditionellen Medizin als Heilpflanze bei verschiedenen Erkrankungen. Forscher vom Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP in Valley wollen das Material aus der Natur jetzt als Baustoff nutzen – etwa zum Dämmen von Außenwänden oder als Putzträger. Dr. Martin Krus, Prüfstellenleiter am IBP, bescheinigt dem nachwachsenden Rohstoff zahlreiche positive, für den Bau relevante Eigenschaften: »Rohrkolben ist als Sumpfpflanze von Natur aus schimmelresistent und bestens gegen Feuchtigkeit gerüstet. Die Blätter der Pflanze haben ein faserverstärktes Stützgewebe, das mit einem weichen Schwammgewebe ausgefüllt ist. Durch diesen speziellen Aufbau sind sie außerordentlich stabil und besitzen eine gute Dämmwirkung. Die bleibt auch in den fertigen Produkten erhalten.« Ein solches Produkt hat der Forscher bereits parat. In enger Zusammenarbeit mit dem Kooperationspartner typha technik Naturbaustoffe entwickelte er eine magnesitgebundene Dämmplatte aus Typha (lateinisch für Rohrkolben), die bereits zum Patent angemeldet ist. Die Platte verfügt über eine geringe Wärmeleitfähigkeit von 0,052 W/mK (Watt pro Meter und Kelvin). Sie bietet einen guten Brand-, Schall- und Wärmeschutz und ist relativ diffusionsoffen, aber ausreichend dicht, um bei den meisten Anwendungen auf eine Dampfbremse verzichten zu können. Vor allem ist das Material in Richtung der Plattenebene mit hohen Drücken belastbar. Die guten Werte der Typha-Platte konnten der Forscher und sein Team nach eineinhalbjährigen Messungen in einem Nürnberger Fachwerkhaus bestätigen. Dessen Außenwände und auch das Fachwerk waren mit Typha saniert worden. »Die Handwerker vor Ort waren von dem nachhaltigen Material begeistert«, sagt Krus.

Niedermoore durch Typha-Anbau regenerieren

Doch trotz der zahlreichen Vorzüge von Typha wird der Baustoff aus der Natur bislang noch nicht im größeren Stil verbaut und industriell verwertet. »Rohrkolben wächst in großen Beständen vor allem in Osteuropa, vornehmlich in Rumänien und Ungarn. Hierzulande wird die Feuchtgebietspflanze nicht kultiviert, sie müsste also extra importiert werden«, schildert der Ingenieur einen wesentlichen Hinderungsgrund. Dabei gäbe es in Deutschland geeignete Anbauflächen. Beispielsweise ließen sich trockengelegte Niedermoore, die jahrzehntelang landwirtschaftlich genutzt wurden, durch den Anbau von Typha regenerieren. Dass dies möglich ist, wurde bereits in dem von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) geförderten Projekt »Rohrkolbenanbau in Niedermooren« unter Leitung des Lehrstuhls für Landschaftsökologie der TU München gezeigt. »Entwässerte Niedermoore sind eine Quelle von CO2-Emissionen. Durch das Trockenlegen werden in Deutschländ jährlich bis zu 40 Millionen Tonnen Kohlendioxid freigesetzt«, weiß Krus. Zum Vergleich: Der Pkw-Verkehr in Deutschland verursacht jährlich 105 Millionen Tonnen CO2. Durch den Rohrkolbenanbau könnte dieser Prozess gestoppt werden. Der Torfschwund wird reduziert und viele der Nährstoffe bleiben im Boden. Zugleich bieten Rohrkolbenflächen Lebensraum für seltene Tiere und Pflanzen. »Der Anbau von Typha trägt also auch zum Umweltschutz bei«, sagt der Forscher.

Einem hohen Rohstoffertrag tut das keinen Abbruch, da Rohrkolben sehr schnellwüchsig ist. Dem geernteten Typha räumt Krus gute Absatzchancen ein. »Die Pflanze lässt sich leicht verarbeiten«, betont der Forscher. Die Blätter werden längs in stabförmige Partikel aufgetrennt und anschließend auf die richtige Länge von rund sieben Zentimeter gekürzt. Anschließend werden sie in einer Trommel mit einem umweltfreundlichen mineralischen Kleber eingesprüht und in eine beheizte Presse gebracht. Derzeit erfolgt dieser Vorgang noch manuell. Einen Hersteller, der die Platte in Serie herstellt, haben der Experte und seine Kollegen noch nicht gefunden. »Dabei wäre die Typha-Platte äußerst konkurrenzfähig, wenn man sie in einem rationellen Verfahren herstellen würde«, ist der Wissenschaftler überzeugt.

Aufgrund der vielen positiven technischen Eigenschaften und der vollständigen Rückführbarkeit in den Stoffkreislauf sind die Einsatzmöglichkeiten von Typha vielfältig. Wegen der hohen Biegesteifigkeit bei gleichzeitig geringem Gewicht kann das Material für  Dachkonstruktionen oder als Leichtbausandwichelement für Fußböden und Zwischendecken verwendet werden. Auch Türblätter, Fenster- und Türstürze lassen sich damit gestalten, ebenso ist der Ersatz von Holzbalken möglich. Selbst die Putzarmierung mit Samenschirmchen haben die IBP-Forscher realisiert, indem sie Samenschirmchen der Rohrkolbenpflanze in Lehmputz vermischten, um so die Bildung von Rissen zu vermeiden. »Im Prinzip kann man ein komplettes Gebäude aus Typha bauen, sieht man mal von den Rohren, Fenstern und der Eindeckung ab«, sagt Krus.

Externer Link: www.fraunhofer.de

Längeres Leben für Lithium-Schwefel-Batterien

Presseinformation (Forschung Kompakt) der Fraunhofer-Gesellschaft vom 01.04.2013

Elektroautos haben nach wie vor einen schweren Stand auf Deutschlands Straßen. Die Fahrzeuge sind zu teuer und ihre Reichweite zu gering. Doch jetzt ist ein Durchbruch bei der leistungsfähigen und kostengünstigen Lithium-Schwefel-Batterie gelungen.

Mehr als 40 Millionen Autos rollen derzeit über Deutschlands Straßen. Lediglich ein Bruchteil davon fährt jedoch mit elektrischer Energie. Rund 6400 Fahrzeuge sind es aktuell laut Verkehrsministerium. Die Gründe liegen in der vergleichsweise geringen Reichweite und den hohen Kosten der Stromspeicher: Käufer müssen nach wie vor mehrere Tausend Euro für die Akkus auf den Tisch legen und die Suche nach einer Aufladestation beginnt oft schon nach den ersten 100 Kilometern. Forscher tüfteln deshalb an effizienteren Technologien. Äußerst vielversprechend ist dabei die Lithium-Schwefel-Batterie. Sie ist wesentlich leistungsfähiger und kostengünstiger als die bislang bekanntere Lithium-Ionen-Variante. Doch bislang ist sie wegen ihrer geringen Lebensdauer noch in keinem Auto zu finden. Das könnte sich in absehbarer Zeit ändern.

Wissenschaftler am Fraunhofer-Institut für Werkstoff- und Strahltechnik IWS in Dresden haben jetzt ein neues Batteriedesign entwickelt, dass die Aufladezyklen von Lithium-Schwefel-Akkus um das Siebenfache erhöht. »Bisher kam man bei Tests kaum über 200 Zyklen hinaus. Durch eine besondere Kombination aus Anoden- und Kathodenmaterial konnten wir nun die Lebensdauer von Lithium-Schwefel-Knopfzellen auf 1400 Zyklen ausdehnen«, beschreibt Dr. Holger Althues, Leiter »Chemische Oberflächentechnologie« am IWS den Durchbruch seines Teams. Die Anode ihres Prototyps besteht nicht – wie sonst üblich – aus metallischem Lithium, sondern aus einer Silizium-Kohlenstoff-Verbindung. Diese ist wesentlich stabiler, da sie sich bei jedem Ladevorgang weniger verändert als das Lithium-Metall. Denn je stärker sich das Anodenmaterial verformt, desto mehr vermischt es sich mit dem flüssigen Elektrolyten, der zwischen Anode und Kathode liegt und den Strom transportiert. Bei diesem Vorgang zersetzt sich die Flüssigkeit in Gas und Feststoffe. Die Batterie trocknet aus. »Im Extremfall ›wächst‹ die Anode bis zur Kathode und sorgt mit einem Kurzschluss für den vollständigen Zusammenbruch der Batterie«, erklärt Althues.

Entscheidend für die Leistungsfähigkeit und Lebensdauer einer Batterie ist das Zusammenspiel von Anode und Kathode. Beim Lithium-Schwefel-Modell bildet elementarer Schwefel die Kathode. Der Vorteil: Schwefel ist im Vergleich zum knappen Kobalt – dem hauptsächlich in Lithium-Ionen-Batterien verwendeten Kathodenmaterial – in nahezu unbegrenzten Mengen verfügbar und dadurch günstiger. Doch auch der Schwefel tritt mit dem flüssigen Elektrolyt in Wechselwirkung. Die Leistungsfähigkeit der Batterie sinkt, im schlimmsten Fall verliert sie vollständig an Kapazität. Die Forscher am IWS nutzen poröse Kohlenstoffe, um diesen Vorgang zu entschleunigen. »Wir haben die Poren der Kohlenstoffe exakt angepasst, damit sich der Schwefel dort einlagern kann und sich langsamer mit dem Elektrolyt verbindet«, veranschaulicht Althues. Zusammen mit seinen Kollegen hat der Forscher eine Methode entwickelt, um diese speziellen Kathoden herzustellen.

Doppelt so weit fahren

Die Experten vom IWS messen die Leistungsfähigkeit einer Batterie in Watt-Stunden pro Kilogramm (Wh/kg). Von Lithium-Schwefel-Batterien versprechen sie sich langfristig eine Energiedichte von bis zu 600 Wh/kg. Zum Vergleich: Aktuell verwendete Lithium-Ionen-Akkus kommen lediglich auf maximal 250 Wh/kg. »Mittelfristig realistisch sind eher Zahlen um 500 Wh/kg. Das heißt, man kann bei identischem Batteriegewicht doppelt so weit fahren«, so Althues. Im Umkehrschluss sind deutlich leichtere Batteriemodelle möglich. Das ist nicht nur für Automobil-, sondern auch für Smartphone-Hersteller interessant: Die mobilen Alleskönner würden mit leichteren Akkus deutlich an Gewicht verlieren. »Vielleicht macht Lithium-Schwefel ja sogar das elektrische Fliegen möglich. Bis dahin muss aber noch viel passieren«, ergänzt Althues. Aktuell arbeiten die Wissenschaftler daran, das Material weiter zu optimieren und es an größeren Batteriemodellen einzusetzen. Auch auf geeignete Herstellungsmethoden wollen sie ihr Augenmerk legen. Denn nur so besteht die Chance, dass die Technologie es in den Massenmarkt schafft und sich die Zahl der Elektroautos auf deutschen Straßen entscheidend vergrößert.

Externer Link: www.fraunhofer.de