Abwasser als Pflanzendünger

Presseinformation (Forschung Kompakt) der Fraunhofer-Gesellschaft vom 01.08.2012

Klärschlamm, Abwässer und Gülle sind wertvolle Quellen, aus denen sich Dünger für die Nahrungsmittelproduktion gewinnen lässt. Forscher haben jetzt ein chemikalienfreies und umweltschonendes Verfahren entwickelt, mit dem rückgewonnene Salze direkt zu Dünger umgesetzt werden.

Phosphor ist nicht nur für Pflanzen, sondern für alle Lebewesen wichtig. Doch das für die Nahrungsmittelproduktion unverzichtbare Element wird knapper. Ein Indiz dafür sind die stetig steigenden Preise für phosphathaltige Düngemittel. Höchste Zeit also, nach Alternativen zu suchen. Keine leichte Aufgabe – denn Phosphor lässt sich nicht durch einen anderen Stoff ersetzen. Eine Lösung haben Forscher vom FraunhoferInstitut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB in Stuttgart gefunden. Sie nutzen hierzulande vorhandene Ressourcen – und die finden sich ausgerechnet in Abwässern von Klärwerken oder Gärresten von Biogasanlagen. Die vermeintliche Dreckbrühe lässt sich hervorragend wiederverwerten. Dafür haben die Wissenschaftler um Jennifer Bilbao, die am IGB die Gruppe für Nährstoffmanagement leitet, ein neues Verfahren entwickelt. »Dabei werden Nährstoffe so gefällt, dass sie direkt als Dünger zur Verfügung stehen«, sagt Jennifer Bilbao.

Mobile Pilotanlage für Tests

Kern der patentierten Methode, die die Experten derzeit in einer mobilen Pilotanlage erproben, ist ein elektrochemischer Prozess, mit dem per Elektrolyse Stickstoff und Phosphor als Magnesium-Ammonium-Phosphat – auch als Struvit bekannt – ausgefällt werden. Das Salz Struvit wird aus dem Prozesswasser in Form kleiner Kristalle ausgeschieden, womit es sich direkt als Pflanzendünger einsetzen lässt. Der Clou der Methode: Im Gegensatz zu herkömmlichen Verfahren müssen die Forscher keine Salze oder Laugen zugeben. Bilbao: »Es handelt sich um einen komplett chemikalienfreien Prozess.«

In der mannshohen Elektrolysezelle der Versuchsanlage, durch die das Abwasser geleitet wird, befindet sich eine Opferanode aus Magnesium und eine metallische Kathode. Im Verlauf der Elektrolyse wird am negativ geladenen Pol, der Kathode, das Wasser aufgespalten. Dabei werden unter anderem Hydroxidionen gebildet. Am positiv geladenen Pol, der Anode, findet eine Oxidation statt: Magnesiumionen wandern durch das Wasser und reagieren dabei mit dem in der Lösung enthaltenen Phosphat und Ammonium zu Struvit.

Stromsparender, chemikalienfreier Prozess

Da die Magnesiumionen im Prozesswasser der Anlage besonders reaktionsfreudig sind, wird für dieses Verfahren sehr wenig Energie benötigt. Deshalb wird weniger Strom für die elektrochemische Aufspaltung gebraucht als bei üblichen Methoden. Bei allen bisher untersuchten Abwässern lag die erforderliche Leistung unter 70 Wattstunden pro Kubikmeter – ein äußerst niedriger Wert. Langzeitversuche zeigten zudem, dass die Phosphor-Konzentration im Reaktor der Pilotanlage um 99,7 Prozent auf unter 2 Milligramm pro Liter sinkt. Damit unterschritten die Forscher vom IGB den Grenzwert der Abwasserverordnung (AbwV) für Kläranlagen bis 100 000 Einwohner. »Kläranlagenbetreiber wären somit in der Lage, die Abwasserreinigung mit der lukrativen Düngemittelproduktion zu verbinden«, benennt Bilbao den entscheidenden Vorteil. Das Produkt Struvit ist für die Landwirtschaft attraktiv, da es als hochwertiges Düngemittel gilt, das Nährstoffe langsam freisetzt. Wachstumsexperimente der Fraunhofer-Forscher bestätigten die Wirksamkeit: Ertrag und Nährstoffaufnahme der Pflanzen waren mit Struvit bis zu viermal höher als mit kommerziellen Mineraldüngern.

In den nächsten Monaten wollen die Experten die mobile Pilotanlage in verschiedenen Kläranlagen testen, bevor sie sie gemeinsam mit Industriepartnern Anfang nächsten Jahres auf den Markt bringen. »Unser Verfahren eignet sich übrigens auch für die Lebensmittelindustrie und die landwirtschaftliche Biogasproduktion«, so Bilbao. Einzige Bedingung: Deren Prozesswässer müssen reich an Ammonium und Phosphat sein.

Externer Link: www.fraunhofer.de

Nachhaltige Solarzellen aus häufigen Metallen

Medienmitteilung der Universität Basel vom 02.05.2012

Nach Fukushima wird die Notwendigkeit von Alternativen zur Kernenergie immer deutlicher. Viele Technologien werden gegenwärtig intensiv erforscht, wobei oft vernachlässigt wird, wie nachhaltig die verwendeten Materialien sind. Ein Prozess jedoch, der auf teuren und seltenen Rohstoffen basiert, wird sich in der Massenproduktion kaum durchsetzen. Chemiker der Universität Basel beschreiben nun in der angesehenen Fachzeitschrift «Chemical Communications» einen wegweisenden Ansatz zum Bau günstiger und nachhaltiger Farbstoff-Solarzellen auf der Basis von Zink – eines der häufigsten Elemente in der Erdkruste.

Farbstoff-Solarzellen oder DSC (Dye-sensitized Solar Cells) bestehen aus dem Halbleiter Titandioxid, auf dem ein Farbstoff verankert ist. Dieser Farbstoff absorbiert Sonnenlicht und überträgt Elektronen an den Halbleiter, wodurch ein Stromfluss entsteht. Den Forschern Nik Hostettler und Ewald Schönhofer aus der Gruppe der Professoren Edwin Constable und Catherine Housecroft an der Universität Basel sind nun zwei Durchbrüche gelungen: Erstens haben sie eine neue Strategie zur Herstellung und Verankerung von Farbstoffen an der Oberfläche von Titandioxid-Nanopartikeln entwickelt und zweitens konnten sie erstmals zeigen, dass dazu einfache Verbindungen des reichlich verfügbaren Metalls Zink verwendet werden können. Laut der Projektleiterin Dr. Biljana Bozic war entscheidend, ein Verfahren für die gleichzeitige Synthese des Farbstoffs und dessen Verankerung auf der Halbleiteroberfläche zu entwickeln.

Bunte Farbstoffe aus grauem Zink

Die Entdeckung, dass Zinkfarbstoffe zur Herstellung von Solarzellen verwendet werden können, war äusserst unerwartet. Laut Prof. Edwin Constable wird Zink von den meisten Chemikern als eher «langweiliges» Element angesehen, da die meisten seiner Verbindungen farblos sind. Bei Forschungsarbeiten im Hinblick auf neuartige Beleuchtungssysteme hatten er und sein Team organische Verbindungen entdeckt, die an Zink gebundenneuartige, intensiv-farbige Materialien bilden. Obwohl die mit farbigen Zinkverbindungen bestückten Solarzellen noch nicht besonders effizient arbeiten, öffnet diese Beobachtung den Weg für eine neue Generation von Solarzellen, die mit bisher unberücksichtigten Farbstoffen arbeiten.

Herkömmliche Farbstoff-Solarzellen verwenden Farbstoffe auf der Basis von Ruthenium. Ruthenium ist ein sehr seltenes Metall und mit rund 3’500 Franken (2990 Euro) pro Kilogramm entsprechend teuer. Kürzlich demonstrierte das Basler Forscherteam die Leistungsfähigkeit von Farbstoffen aus dem reichlich vorkommenden und relativ günstigen Kupfer (7,5 Fr./6,3 Euro pro Kilogramm). Durch die Verwendung von billigem Zink (1,8 Fr./1,5 Euro pro Kilogramm) erhöht sich die Nachhaltigkeit der Technologie zusätzlich. «Dies ist ein bedeutender Schritt in Richtung unseres Traums, Photovoltaik und Beleuchtung in intelligenten Vorhängen zu verbinden, die tagsüber Sonnenenergie speichern und nachts als Beleuchtungselemente dienen», so Ed Constable. «Dieses Vorhaben steht im Zentrum unseres Forschungsprogramms „Light-In, Light-Out“, das vom Europäischen Forschungsrat ERC finanziert wird.»

Originalbeitrag:
Biljana Bozic-Weber, Edwin C. Constable, Nik Hostettler, Catherine E. Housecroft, Ralf Schmitt and Ewald Schönhofer
The d10 route to Q1 dye-sensitized solar cells: step-wise assembly of zinc(II) photosensitizers on TiO2 surfaces
Chemical Communications (2012) | doi: 10.1039/c2cc31729j

Externer Link: www.unibas.ch

Linzer Forscher entwickeln leichteste Solarzellen der Welt

Presseaussendung der JKU Linz vom 04.04.2012

Eine Revolution im Bereich der flexiblen organischen Solarzellen hat eine Kooperation von Wissenschaftern der Johannes Kepler Universität Linz und der Universität Tokio (Japan) erbracht. Den Forschern gelang die Entwicklung von extrem flexiblen, dünnen und dennoch leistungsfähigen Zellen. Das Ergebnis wurde nun in der renommierten Zeitschrift „Nature Communications“ veröffentlicht.

Das besondere an den neuen Solarzellen: Die aktiven, energieerzeugenden Elemente machen 1/3 der Zelle aus, das darunter liegende Substrat, vorwiegend Plastikfolie, nimmt nur noch 2/3 der Zelle in Anspruch. Bei herkömmlichen Solarzellen dieser Bauart machte das Substrat bisher noch mehr als 99 Prozent der Zelle aus. „Damit ist uns bei organischen Solarzellen ein Rekord gelungen“, freut sich Dr. Martin Kaltenbrunner vom Institut für Experimentalphysik. „Die neuen Zellen erzeugen bereits 10 Watt pro Gramm – das ist weltweit unerreicht.“ Der junge Forscher hat mit seinen Kollegen Dr. Matthew White und Eric Glowacki unter der Leitung der Professoren Takao Someya, Niyazi Serdar Sariciftci und Siegfried Bauer damit neue Maßstäbe gesetzt.

High-Tech im Mikrometer-Bereich

Zwar können organische Solarzellen nach wie vor nicht mit der Leistung von Silizium-basierten Systemen mithalten. „Aber ihr Vorteil liegt im unschlagbaren Leistungs/Gewichtsverhältnis.“ Vier Gramm wiegt das Solarzellen-System – und das pro Quadratmeter. Kein Wunder: Die Zellen sind nur zwei Mikrometer dünn – „wie Spinnfäden“, erklärt Kaltenbrunner. Und es geht noch weiter: Wird die Solarzelle auf Gummi aufgebracht, ist sie sogar dehnbar.

Viele Anwendungsbereiche

Anwendung finden können die ultraleichten Solarzellen in der Robotik, bei synthetischer Haut oder auf E-Textilien. „Bei all diesen Bereichen kommt es darauf an, dass die Zellen nicht nur leistungsfähig, sondern auch leicht und flexibel sind. An vielen Dingen kann man starre Zellen gar nicht anbringen“, so Kaltenbrunner. Auch an Nachfolgeprojekten wird an der JKU bereits geforscht: „Das grundsätzliche System ist auch für elektrische Schaltkreise anwendbar. Das ist für die Industrie natürlich enorm interessant“, weiß Kaltenbrunner um die Bedeutung der innovativen Forschungsarbeit für die Wirtschaft. (Christian Savoy)

Externer Link: www.jku.at

Unerschöpflicher Energieträger Wasserstoff

Presseinformation der Universität Innsbruck vom 20.03.2012

Methanol, Wasser und ein Kupfer-Zink-Katalysator: Mit diesen einfachen Zutaten könnte kostengünstig kohlenmonoxidfreier Wasserstoff gewonnen und damit Brennstoffzellen betrieben werden. Mit der Identifizierung jener Kupfer-Zink-Phase, mit der besonders sauberer Wasserstoff entsteht, nahmen Forscher vom Institut für Physikalische Chemie der Universität Innsbruck eine wichtige Hürde auf dem Weg zur zukunftsweisenden Energienutzung. Kürzlich berichteten sie darüber im Fachjournal Angewandte Chemie.

Wasserstoff (H2) als Bestandteil des Wassers und häufigstes Element im Universum würde sich als nahezu unerschöpflicher Energieträger anbieten. Das farb- und geruchlose Gas ist allerdings auch hochentzündlich und bildet unter anderem bei Kontakt mit Sauerstoff ein hochexplosives Gemisch. Um Probleme und Risiken bei Lagerung und Transport zu umgehen, müssen effiziente und nachhaltige Wege gefunden werden, chemisch gebundenen Wasserstoff in der jeweiligen Anwendung verfügbar zu machen. Als vielversprechender Wasserstofflieferant für mobile Anwendungen hat sich in den letzten Jahren Methanol (CH3OH) herauskristallisiert: Aus diesem einfachen Alkohol kann in einem Katalysator durch die sogenannte Methanoldampfreformierung einfach und rasch Wasserstoff erzeugt werden. Der Optimierung dieses Verfahrens, in dem Methanol mit Wasser reagiert, widmet sich im Rahmen eines FWF-Projekts seit 2008 die Arbeitsgruppe rund um Bernhard Klötzer am Institut für Physikalische Chemie der Universität Innsbruck. „Bei der Gewinnung von Wasserstoff aus Methanol wollen wir möglichst viel H2 hoher Reinheit bekommen, müssen dabei aber die Produktion von Kohlenmonoxid vermeiden, da dieses die Elektroden der Brennstoffzellen blockiert, was in der Praxis nicht passieren darf“, schildert Bernhard Klötzer die große Herausforderung, die sich stellt wenn das Reformier-Verfahren in Polymerelektrolytmembran-Brennstoffzellen eingesetzt werden soll. Diese Brennstoffzellen können in mobilen Anwendungen wie etwa in Kraftfahrzeugen, U-Booten, Raumschiffen oder Akkuladegeräten für unterwegs zur Anwendung kommen.

Praxistauglichkeit als Herausforderung

Die idealen Voraussetzungen für die Wasserstoffgewinnung an einem Palladium-Zink-Katalysator konnten die Forscher bereits vor zwei Jahren zeigen. Jetzt haben sie die Reaktion an einem – wesentlich kostengünstigeren – Kupfer-Zink-Katalysator untersucht. „Es gibt viele Systeme, die zur Diskussion stehen. Aus der Sicht der Grundlagenforschung ist der Palladium-Zink-Katalysator aufgrund seiner thermischen Stabilität besonders geeignet, aber andererseits sehr teuer. Wenn es um die reale Anwendung geht, kommen nicht nur technische, sondern auch Kostenfragen ins Spiel“, verdeutlicht Klötzer. Aus diesem Grund gilt sein Interesse aktuell der Methanoldampfreformierung in den kostengünstigeren Kupfer-Zink-Katalysatoren. Diese sind eigentlich für die Umkehrreaktion, also die Methanolsynthese, konzipiert und kommen in der Industrie bereits zum Einsatz. „Was in die eine Richtung gut funktioniert, funktioniert im Prinzip auch in die Gegenrichtung, allerdings erfordert die Reformieranwendung wesentlich höhere Temperaturen und einen erhöhten Wasserdampfdruck. Der industrielle Methanolsynthese-Katalysator ist daher in der Reformieranwendung nicht stabil“, erläutert der Forscher. Mit seiner Arbeitsgruppe klärt er die Grundlagen und Voraussetzungen, unter denen die Reformierung stabil und selektiv funktioniert.

Zinkgehalt entscheidend für Wasserstoffgewinnung

Geforscht wird zu diesem Zweck an einem Modellkatalysator, der aus einer hochreinen Kupferfolie besteht, auf die wenige Atomlagen Zink aufgedampft werden. Das Wichtige ist dabei, dass die exakt richtige Menge Zink verwendet wird. „Wenn zu viel Zink verwendet wird, bildet sich eine flächendeckende Schicht aus Zinkoxid, die inaktiv ist“, erklärt Klötzer. Am Modellkatalysator war es den Forschern in Zusammenarbeit mit dem Fritz-Haber-Institut in Berlin möglich, am Synchrotron BESSY II spektroskopische Analysen der Oberfläche unter Reformierbedingungen durchzuführen – ein entscheidender Vorteil zu realen, technischen Katalysatoren. Auf diese Weise konnten die Wissenschaftler den Oxidationszustand und Verteilung des Zinks „life“ beobachten. „Unter Reaktionsbedingungen hat sich gezeigt, dass sich auf einem Teil der Katalysatoroberfläche Zinkoxid-Inselchen gebildet haben, daneben jedoch immer noch eine Kupfer-Zink-Bimetall-Oberfläche existierte. Genau in diesem Moment der Koexistenz steigt die Aktivität des Katalysators um den Faktor 1000, die Wasserstoffproduktion ist, aufgrund der Fähigkeit der Metall-Oxid-Grenzfläche, Wasser zu spalten, genau in dieser Phase besonders effizient“, hebt er ein zentrales Ergebnis der Forschungsarbeit hervor, die für das Verständnis der Methanoldampfreformierung einen entscheidenden theoretischen, aber auch praktischen Schritt bedeutet. „Die Wasserspaltung ist generell für viele künftige Anwendungen in der Energietechnik ein wichtiges Thema“, ist Klötzer überzeugt.

Publikation:
C. Rameshan, W. Stadlmayr, S. Penner, H. Lorenz, N. Memmel, M. Hävecker, R. Blume, T. Rocha, D. Teschner, D. Zemlyanov, A. Knop-Gericke, R. Schlögl, B. Klötzer,  Hydrogen Production by Methanol Steam Reforming on Copper Boosted by Zinc-Assisted Water Activation, Angew. Chem. Int. Ed. 51 (2012) 3002-3006.

Externer Link: www.uibk.ac.at

Kraftstoff aus Marktabfällen

Mediendienst der Fraunhofer-Gesellschaft vom 01.02.2012

Matschige Tomaten, braune Bananen und überreife Kirschen – die Abfälle von Großmärkten sind bisher bestenfalls auf dem Kompost gelandet. Künftig sollen sie besser genutzt werden: In einer neu entwickelten Anlage lassen sie sich vergären. Dabei entsteht Methan, das als Kraftstoff Autos antreiben kann.

Lässt der Autofahrer am Zapfhahn Erdgas in den Tank strömen statt Benzin oder Diesel, fährt er günstiger und umweltbewusster: Der Treibstoff schont das Portemonnaie, die Auspuffgase enthalten weniger Kohlenstoffdioxid und kaum Rußpartikel. Zunehmend rüsten Autofahrer daher ihre Otto-Motoren für den Erdgas-Betrieb um. Erdgas gehört jedoch ebenso wie Erdöl zu den fossilen Brennstoffen, die Reserven sind begrenzt. Forscher des Fraunhofer-Instituts für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB in Stuttgart haben nun eine Alternative entwickelt: Sie gewinnen den Kraftstoff nicht aus den kostbaren Rohstoffreserven der Erde, sondern aus Obst- und Gemüse-Abfällen von Großmärkten, Mensen und Kantinen. Werden diese Lebensmittelreste vergoren, entsteht Methan, auch Biogas genannt. In Hochdruckflaschen gepresst kann es als Treibstoff dienen.

Eine erste Pilotanlage neben dem Stuttgarter Großmarkt nehmen die Forscher Anfang dieses Jahres in Betrieb: In einem zweistufigen Vergärungsprozess produzieren verschiedene Mikroorganismen aus den Abfällen in wenigen Tagen das gewünschte Methan. »Die Abfälle enthalten viel Wasser und wenig verholzte Teile, sie sind daher ideal für das Vergären«, sagt Dr.-Ing. Ursula Schließmann, Abteilungsleiterin am IGB. Eine Herausforderung stellen die Abfälle trotzdem dar: Sie setzen sich jeden Tag anders zusammen, mal sind viele Zitrusfrüchte dabei, mal eher Kirschen, Pflaumen und Salatköpfe. Gerade die Zitrusfrüchte enthalten jedoch viel Säure – die Forscher müssen den pH-Wert daher anpassen. »Wir lagern den Ausschuss in verschiedenen Vorratsbehältern. Hier werden automatisch einige Parameter des Abfalls bestimmt, etwa der pH-Wert. Das dazu entwickelte Managementsystem errechnet, wie viel Liter des Abfalls aus welchen Behältern gemischt und zu den Mikroorganismen gegeben werden«, erläutert die Expertin. Denn das Gleichgewicht muss erhalten bleiben – die verschiedenen Mikroorganismen brauchen zu jeder Zeit gleiche Umgebungsbedingungen, also das gleiche Milieu.

Ein weiterer Vorteil der Anlage: Es wird alles verwertet, vom Biogas über das flüssige Filtrat bis zum nicht weiter vergärbaren schlammartigen Rest. Dabei hilft ein zweites Teilprojekt in Reutlingen, eine Algenkultur. Bekommen die Algen genügend Nährmedium, Kohlenstoffdioxid und Sonnenlicht, produzieren sie in ihren Zellen Öl, das Dieselmotoren antreiben kann. Als Nährmedium für die Algen dient das Filtratwasser aus der Biogasanlage, es enthält genügend Stickstoff und Phosphor. Das Kohlenstoffdioxid, das die Algen zum Wachsen brauchen, erhalten die Forscher ebenfalls aus dem Biogasreaktor in Stuttgart: Denn das entstehende Biogas setzt sich zu etwa zwei Dritteln aus dem gewünschten Methan, zu etwa 30 Prozent aus Kohlenstoffdioxid zusammen. Alles, was nun noch übrig ist von den Marktabfällen, ist der schlammartige Gärrest. Er wird von den Kollegen aus dem Schweizer Paul Scherrer-Institut und dem Karlsruher Institut für Technologie ebenfalls in Methan umgewandelt.

Das Biogas, das in der Anlage am Großmarkt entsteht, bereiten die Mitarbeiter der Energie Baden-Württemberg EnBW mit Membranen auf, die Daimler AG stellt einige Versuchsfahrzeuge mit Erdgasantrieb bereit. Insgesamt fünf Jahre läuft das Projekt mit dem Namen EtaMax, das mit sechs Millionen Euro vom Bundesministerium für Bildung und Forschung BMBF gefördert wird. Wenn alle Komponenten einwandfrei zusammenspielen, könnten ähnliche Anlagen künftig überall stehen, wo viele organische Abfälle anfallen. Weitere Projektpartner sind das Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV in Freising, FairEnergie GmbH, Netzsch Mohnopumpen GmbH, Stulz Wasser- und Prozesstechnik GmbH, Subitec GmbH und die Stadt Stuttgart.

Externer Link: www.fraunhofer.de