Thermomagnetische Generatoren wandeln Abwärme auch bei kleinen Temperaturunterschieden in Strom

Presseinformation des KIT (Karlsruher Institut für Technologie) vom 12.01.2021

Legierungsschichtdicke und Grundfläche beeinflussen elektrische Leistung – Publikation in Joule

Die Verwertung von Abwärme trägt wesentlich zu einer nachhaltigen Energieversorgung bei. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und der Universität Tōhoku in Japan sind dem Ziel, Abwärme bei geringen Temperaturdifferenzen in Strom zu wandeln, nun wesentlich näher gekommen. Wie sie in der Zeitschrift Joule berichtet, haben sie bei thermomagnetischen Generatoren, die auf Dünnschichten einer Heusler-Legierung basieren, die elektrische Leistung im Verhältnis zur Grundfläche um den Faktor 3,4 gesteigert. (DOI: 10.1016/j.joule.2020.10.019)

Viele technische Prozesse nutzen die für sie eingesetzte Energie nur zum Teil; der Rest verlässt das System als Abwärme. Häufig entweicht diese Wärme ungenutzt in die Umgebung. Sie lässt sich jedoch auch zur Wärmebereitstellung oder zur Stromerzeugung verwenden. Je höher die Temperatur der Abwärme, desto einfacher und kostengünstiger ihre Verwertung. Eine Möglichkeit, niedrig temperierte Abwärme zu nutzen, bieten thermoelektrische Generatoren, welche die Wärme direkt in Strom wandeln. Bisher verwendete thermoelektrische Materialien sind allerdings teuer und teilweise toxisch. Thermoelektrische Generatoren erfordern zudem große Temperaturdifferenzen für Wirkungsgrade von nur wenigen Prozent.

Eine vielversprechende Alternative stellen thermomagnetische Generatoren dar. Sie basieren auf Legierungen, deren magnetische Eigenschaften stark temperaturabhängig sind. Die wechselnde Magnetisierung induziert in einer angelegten Spule eine elektrische Spannung. Bereits im 19. Jahrhundert stellten Forschende die ersten Konzepte für thermomagnetische Generatoren vor. Seitdem hat die Forschung mit verschiedenen Materialien experimentiert. Die elektrische Leistung ließ bisher allerdings zu wünschen übrig.

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern am Institut für Mikrostrukturtechnik (IMT) des KIT sowie an der Universität Tōhoku in Japan ist es nun gelungen, die elektrische Leistung von thermomagnetischen Generatoren im Verhältnis zur Grundfläche erheblich zu steigern. „Mit den Ergebnissen unserer Arbeit können thermomagnetische Generatoren erstmals mit etablierten thermoelektrischen Generatoren konkurrieren. Wir sind damit dem Ziel, Abwärme bei kleinen Temperaturunterschieden in Strom zu wandeln, wesentlich näher gekommen“, sagt Professor Manfred Kohl, Leiter der Forschungsgruppe Smart Materials and Devices am IMT des KIT. Die Arbeit des Teams ist Titelthema in der aktuellen Ausgabe der Energieforschungszeitschrift Joule.

Vision: Abwärmenutzung nahe Raumtemperatur

Sogenannte Heusler-Legierungen – magnetische intermetallische Verbindungen – ermöglichen als Dünnschichten in thermomagnetischen Generatoren eine große temperaturabhängige Änderung der Magnetisierung und eine schnelle Wärmeübertragung. Auf dieser Grundlage basiert das neuartige Konzept der resonanten Selbstaktuierung. Selbst bei geringen Temperaturunterschieden lassen sich die Bauelemente zu resonanten Schwingungen anregen, die effizient in Strom gewandelt werden können. Doch die elektrische Leistung einzelner Bauelemente ist gering, und bei der Hochskalierung kommt es vor allem auf Materialentwicklung und Bauweise an. Die Forschenden am KIT und an der Universität Tōhoku stellten in ihrer Arbeit anhand einer Nickel-Mangan-Gallium-Legierung fest, dass die Dicke der Legierungsschicht und die Grundfläche des Bauelements die elektrische Leistung in entgegengesetzter Richtung beeinflussen. Aufgrund dieser Erkenntnis gelang es ihnen, die elektrische Leistung im Verhältnis zur Grundfläche um den Faktor 3,4 zu steigern, indem sie die Dicke der Legierungsschicht von fünf auf 40 Mikrometer erhöhten. Die thermomagnetischen Generatoren erreichten eine maximale elektrische Leistung von 50 Mikrowatt pro Quadratzentimeter bei einer Temperaturänderung von nur drei Grad Celsius. „Diese Ergebnisse ebnen den Weg zur Entwicklung maßgeschneiderter parallel geschalteter thermomagnetischer Generatoren, die das Potenzial zur Abwärmenutzung nahe Raumtemperatur besitzen“, erklärt Kohl. (or)

Originalpublikation:
Joel Joseph, Makoto Ohtsuka, Hiroyuki Miki, and Manfred Kohl: Upscaling of Thermomagnetic Generators Based on Heusler Alloy Films. Joule, 2020. DOI: 10.1016/j.joule.2020.10.019

Externer Link: www.kit.edu

Kompostierbare Displays für nachhaltige Elektronik

Presseinformation des KIT (Karlsruher Institut für Technologie) vom 09.12.2020

Forschende des KIT entwickeln gedrucktes Display, das biologisch abbaubar ist – Veröffentlichung im Journal of Materials Chemistry

In den kommenden Jahren drohen die zunehmende Verwendung elektronischer Geräte in Gebrauchsgegenständen sowie neue Technologien im Zusammenhang mit dem Internet der Dinge, die Produktion von Elektronikschrott zu erhöhen. Eine umweltfreundlichere Produktion und ein nachhaltigerer Lebenszyklus sind hier von entscheidender Bedeutung, um Ressourcen zu sparen und Abfallmengen zu minimieren. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) ist es erstmalig gelungen, Displays zu produzieren, deren Bioabbaubarkeit von unabhängiger Seite geprüft und bestätigt wurde. Ihre Ergebnisse haben sie im Journal of Materials Chemistry veröffentlicht (DOI: 10.1039/d0tc04627b).

„Mit unserer Entwicklung konnten wir zum ersten Mal zeigen, dass es möglich ist, nachhaltige Displays aus überwiegend natürlichen Materialien mithilfe industriell relevanter Fertigungsmethoden herzustellen. Sie tragen nach Gebrauch daher nicht zum Elektroschrott bei, sondern können im Gegenteil kompostiert werden. Dies könnte in Kombination mit Recycling und Wiederverwendbarkeit dazu beitragen, einige der Umweltauswirkungen von Elektroschrott zu minimieren oder ganz zu verhindern“, beschreibt Manuel Pietsch, Erstautor der Publikation und Forscher des Lichttechnischen Instituts (LTI) des KIT am InnovationLab in Heidelberg, die Vorteile der neuen Entwicklung.

Geringer Energieverbrauch, simple Bauteilarchitektur

Die Funktion des Displays basiert auf dem sogenannten elektrochromen Effekt des verwendeten organischen Ausgangsmaterials. Legt man daran eine Spannung an, führt das zu einer veränderten Aufnahme von Licht und damit zu einer Farbänderung im Material. Elektrochrome Displays zeichnen sich gegenüber kommerziell erhältlichen Displays, wie LEDs, LCDs und E-Paper, durch einen geringen Energieverbrauch und eine simple Bauteilarchitektur aus. Ein weiterer Vorteil: Diese Displays lassen sich im Tintenstrahldruckverfahren herstellen und ermöglichen dadurch eine maßgeschneiderte, kostengünstige und materialeffiziente Produktion. Außerdem ist dieses Verfahren auch für skalierende Prozesse mit hohem Durchsatz geeignet. Die verwendeten Materialien sind hauptsächlich natürlichen Ursprungs oder biokompatibel. Durch die Versiegelung mit Gelatine wird das Display außerdem adhäsiv und anpassungsfähig und lässt sich dadurch zudem auf verschiedenen Körperstellen direkt auf der Haut tragen.

Einsatz in Medizindiagnostik und Lebensmittelverpackungen

Das Display ist generell für kurzlebige Anwendungen als Indikator für Sensoren oder einfache Anzeigen in verschiedenen Bereichen geeignet. Vor allem bei diagnostischen Anwendungen, bei denen die Hygiene eine wichtige Rolle spielt, müssen die Sensoren zusammen mit deren Indikatoren nach jeder Anwendung aufwendig gereinigt oder entsorgt werden. Im Falle des neu entwickelten Displays entsteht hierbei kein Elektroschrott, sondern es kann einfach kompostiert werden. Auch im Bereich von Verpackungen für Lebensmittel, die nicht wiederverwendet werden dürfen, könnte das Display als kompakte Anzeige für qualitätsüberwachende Sensoren verwendet werden. Das digitale Druckverfahren ermöglicht zudem die individuelle Anpassung an Personen oder komplizierte Formen ohne eine teure Prozessumgestaltung, was erneut Ressourcen schont.

„Die, soweit uns bekannt, erste Demonstration eines tintenstrahlgedruckten, biologisch abbaubaren Displays, kann daher zu nachhaltigen Innovationen in weiteren elektronischen Bauteilen ermutigen und damit den Weg zu umweltfreundlicherer Elektronik ebnen“, so Gerardo Hernandez-Sosa, Leiter der Printed Electronics Group des LTI am InnovationLab in Heidelberg. (rl)

Originalpublikation:
Manuel Pietsch, Stefan Schlisske, Martin Held, Noah Strobel, Alexander Wieczorek, Gerardo Hernandez-Sosa: Biodegradable inkjet-printed electrochromic display for sustainable short-lifecycle electronics. Journal of Materials Chemistry, DOI: 10.1039/d0tc04627b

Externer Link: www.kit.edu

Schneller und umweltfreundlicher Bauen mit Holz-Beton-Verbundelementen

Pressemitteilung der Universität Kassel vom 19.11.2020

Wissenschaftler der Universität Kassel haben gemeinsam mit Projektpartnern eine neuartige Schnellklebtechnik für Holz und Stahlbetonfertigteile entwickelt. Dadurch kann beim Bau von Deckensystemen von Wohn- und Bürogebäuden Bauzeit eingespart und unabhängig von der Außentemperatur geklebt werden.

Decken von Wohn- oder Bürogebäuden werden üblicherweise aus frischem Stahlbeton gegossen. Dieser ist sehr günstig, aber schlecht für die Umwelt. Die Betonherstellung verursacht Milliarden Tonnen CO2‑Emissionen jährlich. Zudem ist der nasse Beton nicht optimal zu verbauen: Durch den Frischbeton wird unter anderem unerwünschte Feuchtigkeit in die Konstruktion getragen. Wie es durch eine Klebtechnik effizienter geht, haben Forscher der Uni Kassel gemeinsam mit Partnern im Projekt SpeedTeCC herausgefunden.

Holz kann die Lösung sein

Bei der neu entwickelten Schnellklebtechnik werden Holzbalken mit Betonfertigteilen verbunden. Die Betonplatte liegt dabei flächig auf den Balken. Durch das eingearbeitete Holz braucht es bis zu 70 Prozent weniger Beton für eine Gebäudedecke. Neu ist die Verbundmethode: Dafür verwenden die Forscher ein Metallgitter, das zwischen die Klebefugen von Holz und Betonfertigteil gelegt wird. An beiden Enden des Metallgitters wird Strom angeschlossen, sodass die Verbundfuge gezielt erhitzt und verklebt wird.

Das macht das Verfahren besonders praxistauglich. „Auf der Baustelle ist es oft kalt, Bauteile können so nicht gut verklebt werden. Unser Ziel war ein einfaches, handhabbares Verfahren für die Praxis. Durch das SpeedTeCC-Verfahren sind wir nicht mehr abhängig von der Außentemperatur. Damit ist das Verkleben von Holz und Betonfertigteil auch bei niedrigen Temperaturen möglich“, erklärt Jens Frohnmüller vom Fachgebiet Bauwerkserhaltung und Holzbau. Er hat das Projekt gemeinsam mit Fachgebietsleiter Prof. Dr.-Ing. Werner Seim an der Uni Kassel betreut.

In der Praxis anwendbar

Das Verfahren kann auf der Baustelle viel Zeit sparen. Durch die Arbeit mit Betonfertigteilen kann ein Haus in kurzer Zeit gebaut werden. Stahlbeton muss dagegen erst einmal aushärten und trocknen.

Die Forscher begannen mit kleinen Proben für die statistische Auswertung, die bei jedem Versuch einen Maßstab größer wurden, um die Tragfähigkeit und die Dauerhaftigkeit des Klebeverbunds zu prüfen. Durch diese Versuche kann sichergestellt werden, dass der Klebeverbund zwischen Holz und Beton nicht nur kurzfristig, sondern über die gesamte Lebensdauer des späteren Gebäudes beständig bleibt. „Das i‑Tüpfelchen sind unsere 1:1‑Deckenversuche. Wir haben zwölf Deckenelemente mit unserer neuen Methode hergestellt“, sagt Frohnmüller. Diese Bauteile sind 6 Meter lang und 1,30 Meter breit. Der Versuch gelang. Die Bauteile überzeugten bei den Tests zu Trag-, Verformungs- und Schwingungsverhalten. Damit ist die Schnellklebtechnik für den mehrgeschossigen Holzbau geeignet.

Die neue Schnellklebtechnik für Holz-Beton-Verbundelemente soll möglichst schnell Eingang in die Praxis finden. „Mit dem Folgeprojekt möchten wir das Verfahren weiter in Richtung Marktreife und in die Serienproduktion bringen“, sagt Frohnmüller. Hierbei soll der Fokus auf einer möglichst einfachen und robusten Herstellungsmethode liegen.

An SpeedTeCC hat die Universität Kassel gemeinsam mit der Technischen Universität Braunschweig, dem Institut für Füge- und Schweißtechnik (IFS) und dem Fraunhofer-Institut für Holzforschung, Wilhelm-Klauditz-Institut (WKI) geforscht. Derzeit arbeiten die Kooperationspartner an einem Leitfaden, um die Methode der Industrie zur Verfügung zu stellen. Diese Dokumentation wird in den nächsten Monaten auf der Homepage des Internationalen Vereins für technische Holzfragen (iVTH) in Braunschweig, welcher das von der Industriellen Gemeinschaftsforschung IGF, AiF e. V. und BMWi geförderte Projekt betreut hat, verfügbar sein.

Externer Link: www.uni-kassel.de

Neues T-Shirt aus alter Jeans

Presseinformation (Forschung Kompakt) der Fraunhofer-Gesellschaft vom 01.08.2020

Kleidung aus Baumwolle zu recyceln war bislang technisch nicht möglich. Einem Forscherteam des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Polymerforschung IAP ist es jetzt erstmals gemeinsam mit einem schwedischen Unternehmen gelungen, aus recycelter Baumwolle ein Viskose-Filamentgarn herzustellen. Die Textilfaser eignet sich sogar für die Fertigung in Großserie.

Nicht wenige Kleiderschränke quellen über. Dabei werden viele Hosen, Röcke und Oberteile kaum oder gar nicht getragen, so das Ergebnis einer Umfrage von Greenpeace zum Kaufverhalten der Bürger. Selbst nicht beschädigte Kleidung wird aussortiert und landet in der Mülltonne oder Altkleidersammlung. Umweltfreundlich ist das nicht – Unmengen an Ressourcen, Chemikalien und Wasser fallen für die Herstellung von Kleidung an. Zwar werden Altkleider hierzulande wiederverwertet – zu minderwertigen Produkten wie Reinigungstüchern, aber nicht zu neuen Kleidungsstücken. Der Grund: Hosen, Hemden und Co. sind selten sortenrein, sondern bestehen aus Mischgewebe. Die miteinander verwobenen Fasern zu trennen, ist bislang nicht möglich gewesen. »Textilien bestehen selten aus reiner Baumwolle. Eine Jeans etwa enthält immer einen Anteil an Chemiefasern wie Polyester oder Elasthan«, sagt André Lehmann, Wissenschaftler am Fraunhofer IAP in Potsdam. Im Auftrag des schwedischen Unternehmens re:newcell ist es dem Chemiker und seinem Team nun gelungen, Zellstoff aus recycelter Baumwolle zu Viskosefasern aus reiner Cellulose weiterzuverarbeiten.

Neues Viskose-Filamentgarn so gut wie holzbasierte Cellulosefasern

Üblicherweise wird Zellstoff von der Textilindustrie als Ausgangsmaterial verwendet, um daraus künstliche Celluloseregeneratfasern wie Viskose, Modal oder Lyocell herzustellen. Da der Zellstoff nicht schmelzbar ist, muss dieser zu einer Spinnlösung aufgelöst und zu cellulosischen Spinnfasern umgeformt werden. Der Zellstoff wird in der Regel aus Holz gewonnen. »Wir haben von re:newcell jedoch Zellstoffplatten aus recycelter Baumwolle erhalten und sollten prüfen, ob sie sich zu Viskosefasern weiterverarbeiten lassen. Durch Einstellen der richtigen Parameter im Lösungs- als auch Spinnprozess, wie effektive Filtrationsstufen, konnten wir die im Zellstoff enthaltenen Fremdfasern herauslösen«, so der Forscher. Das Ergebnis: Ein Filamentgarn, also eine mehrere Kilometer lange Endlosfaser, die zu 100 Prozent aus Cellulose besteht und qualitativ vergleichbar ist mit holzbasierten Celluloseregeneratfasern. Aus dem Baumwoll-Zellstoff konnten im Spinnverfahren neue Fasern hergestellt werden, die sich für die Massenfertigung im industriell etablierten Viskoseprozess eignen. »Wir konnten den hohen Anspruch von re:newcell an die Reinheit der neuen Faser erfüllen«, sagt Lehmann, der das entstandene Filamentgarn als baumwollbasierte cellulosische Regeneratfaser bezeichnet. Im Vergleich mit marktüblichen Viskosefasern konnte diese überzeugen und wies dieselben Eigenschaften auf.

Das war keine leichte Aufgabe, denn das Viskoseverfahren ist komplex: Zunächst muss der Zellstoff mit Lauge aktiviert und anschließend chemisch derivatisiert werden. Auf diese Weise erhält man eine hochreine alkalische Viskose-Lösung, die mittels Spinndüsen, die mehrere tausend Spinnlöcher mit Durchmessern von 55 µm aufweisen, in ein saures Spinnbad ausgesponnen wird. Aus den jeweils zu tausenden sich bildenden Flüssigkeitsfädchen der polymeren Lösung regeneriert sich die derivatiserte Cellulose und fällt kontinuierlich in Fadenform im Spinnbad aus. Im weiteren laufenden Prozess wird die chemische Derivatisierung beständig rückgängig gemacht und der Faden weitergewaschen, bevor man ihn getrocknet aufspult. Er besteht dann aus reiner Cellulose. Damit ist er umweltfreundlich, denn Cellulose verrottet und trägt nicht zu den Bergen an Mikroplastik bei, die die Weltmeere verschmutzen. Ein großer Vorteil gegenüber erdöl-basierten Polyesterfasern, die noch mit einem Anteil von rund 60 Prozent auf dem Weltmarkt dominieren.

Mehr Nachhaltigkeit in der Mode

»In der Regel wird Baumwoll-Kleidung verbrannt oder sie landet auf der Deponie. Künftig kann sie mehrfach wiederverwertet werden und so zu mehr Nachhaltigkeit in der Mode beitragen«, sagt Lehmann. Darüber hinaus ist es so möglich, die Rohstoffbasis für die Zellstoffgewinnung der Textilindustrie zu erweitern. »Bisher ist die holzbasierte Cellulose der Ausgangsstoff für Viskosefasern. Durch das Optimieren der Trennprozesse und die Intensivierung der Filtration der Fremdfasern im Spinnverfahren können wir langfristig die rezyklisierte Naturfaser-Baumwolle als alternative Zellstoffquelle und ernst zu nehmende Rohstoffbasis etablieren.«

Externer Link: www.fraunhofer.de

TU Graz entwickelt autonom fahrenden Elektro-Kompostwender

Pressemeldung der TU Graz vom 14.07.2020

Die neue Maschine soll die industrielle Kompostierung erleichtern und autonomes Fahren auch für kettengetriebene Arbeitsmaschinen salonfähig machen.

Das Wenden und Durchmischen großer Komposthaufen sind bei der Kompostierung wichtige Arbeitsschritte, um den Verrottungsprozess zu beschleunigen. Kompostieranlagen und landwirtschaftliche Betriebe nutzen dafür mehrheitlich traktorgezogene Wendemaschinen oder einen dieselbetriebenen Kompostwender mit Kettenfahrwerk. Das Bedienpersonal dieser Maschinen ist aufgrund der langsamen Fahrgeschwindigkeiten (von 50 bis 300 m/h), der hohen Umgebungstemperaturen, der freigesetzten Gase und der auftretenden Geruchsbelastung beim Wendevorgang äußerst unangenehmen Bedingungen ausgesetzt.

Im Rahmen des Forschungsprojekts ANTON (Autonomous navigation for tracked compost turners) arbeiten Forschende des Instituts für Technische Logistik und des Instituts für Geodäsie der TU Graz derzeit an einem selbstfahrenden Kompostwender, der den Wendeprozess zukünftig ohne Personal erledigen soll – und das außerdem umweltfreundlich: Die neue Maschine wird mit einem Akku-Elektrischen-Antriebskonzept betrieben, das in Vorlaufforschungsprojekten bereits erfolgreich getestet wurde.

Innovatives Navigationssystem

Die erste Innovation liegt im Navigationsmodul, wie Projekt-Gesamtkoordinator Manfred Wieser vom Institut für Geodäsie erklärt: „Auf den Kompostplätzen wird der Kompost für gewöhnlich in zwei Meter hohen trapezförmigen Zeilen aufgeschichtet, die in mehreren Reihen angeordnet sind. Damit die vier Meter breite und zweieinhalb Meter lange Maschine diese Zeilen gezielt ansteuern und den Kompost richtig wenden kann, ist eine präzise Positionsbestimmung notwendig.“

Das Projektteam am Institut für Geodäsie realisierte dafür ein Navigationssystem, das den Standort des Kompostwenders in Echtzeit zentimetergenau erfasst. Die hochgenaue Positionsbestimmung erfolgt mithilfe globaler Satellitennavigationssysteme (GNSS), wie GPS und dem europäischen System GALILEO. Um die Robustheit zu erhöhen und Ausfälle des Satellitensignals überbrücken zu können, werden zusätzlich Beschleunigungs- und Drehratensensoren, Stereokameradaten, Sensoren an den Kettenantriebsrädern und ein hochgenaues 3D-Modell der Kompostieranlage herangezogen. Zwei GNSS-Antennen sowie bildgebende Sensoren an der Maschine selbst sorgen für die eindeutige Bestimmung der Bewegungsrichtung.

Robuste Steuerarchitektur

Um die Funktionssicherheit sicherzustellen und Entwicklungszeit zu sparen, testet das Team vom Institut für Technische Logistik den Kompostwender aktuell nicht aufwendig am Kompostplatz, sondern in einer virtuellen Umgebung. Simuliert werden beispielsweise das Verhalten der Fahrwerkskette auf dem oft und rasch wechselnden Untergrund am Kompostplatz, sowie der Einfluss der verschiedenen Kompost-Reifegrade auf die Wendewalze. Die Ergebnisse fließen in die finale Entwicklung der Steuerungssensorik und der Regelstruktur ein. „Die dynamische Beschreibung autonom fahrender Kettenfahrzeuge in virtuellen Modellen war bislang bei weitem nicht so etabliert wie jene von selbstfahrenden Pkws. Hier leisten wir mit unserer Forschung Pionierarbeit“, so Christian Landschützer vom Institut für Technische Logistik.

Der Logistikexperte unterstreicht die gesellschaftliche Bedeutung des Forschungsprojekts: „In Österreich produzieren wir jährlich über eine Million Tonnen Biomüll, der in über 400 Kompostieranlagen verarbeitet wird. Außerdem spielt die Kompostierung eine große Rolle in jenen Ländern, die einen Engpass bei fruchtbarer Erde haben.“ Das Interesse und die Nachfrage nach einem autonomen Kompostwender sind groß, die Forschenden sind bereits mit mehreren Unternehmen in Kontakt. Das steirische Unternehmen Pusch & Schinnerl ist Projektpartner und plant die industrielle Umsetzung. Wieser und Landschützer hoffen, dass die Neuentwicklung Ende des Jahres abgeschlossen ist und schon 2021 ein Prototyp zur Serienreife gebracht werden kann. (Christoph Pelzl)

Externer Link: www.tugraz.at