Unerwartete Eigenschaften von Nanostrukturen

Pressemitteilung der Universität Stuttgart vom 10.11.2009

Wenn Löcher die Sicht versperren

Metalle sind bekanntlich undurchsichtig: Sie reflektieren Licht fast vollständig. Deshalb kann man sie auch als Spiegel verwenden. Macht man die Metallschicht sehr dünn, werden die Spiegel halbdurchlässig. Solche Materialien werden beispielsweise als „Spionspiegel“ zur Tarnung von Überwachungs­kameras eingesetzt. Man könnte vermuten, dass Löcher in einer dünnen Metall­schicht die Sicht verbessern würden. Genau das Gegenteil ist der Fall. Wie Physiker der Universität Stuttgart feststellten, können viele winzige Löcher das Metall undurchsichtig machen. Über die Ergebnisse berichtet die aktuelle Ausgabe der Physical Review Letters.

Bereits vor  etwa zehn Jahren entdeckten Physiker ein merkwürdiges Phänomen. Sie bohrten in einen lichtundurchlässigen dicken Metallfilm winzige Löcher, die deutlich kleiner waren als die Wellenlänge des verwendeten Lichts. Nach der klassischen Optik sollte das Licht weiterhin fast vollständig reflektiert werden. Durch die winzigen Löcher ging jedoch viel mehr Licht als erwartet. Diese Ent­deckung löste eine bis heute andauernde Lawine an neuen Untersuchungen aus. Normalerweise können Materialien nicht durchsichtig und elektrisch leitend sein. Die Physiker um Prof. Martin Dressel und Dr. Bruno Gompf vom 1. Physikalischen Institut der Universität Stuttgart versuchten, einen dünnen Metallfilm so mit winzigen Löchern zu perforieren, dass er weiterhin Strom leitet und das Licht ungehindert durchlässt. Ihre Überraschung war groß, als sie genau den umgekehrten Effekt fanden. Perforiert man einen halbdurchlässigen Metallfilm mit einer periodischen Anordnung von winzigen Löchern, geht nicht mehr, sondern deutlich weniger Licht hindurch als zuvor. Und das, obwohl der Film danach fast zur Hälfte aus Löchern besteht. Die zusätzlichen Löcher versperren die Sicht.

Im konkreten Fall untersuchten die Stuttgarter Physiker die Trans­mis­sion durch einen etwa 20 Nanometer (nm) dicken Goldfilm. Ein Nanometer ist ein millionstel Millimeter, und die Goldfilme sind damit nur ein paar Dutzend Atome dick. Die Filme wurden mit 200nm großen Löchern per­foriert, die einen regelmäßigen Abstand von 300nm hatten. Solche Schichten lassen sich heute mit üblichen lithographischen Verfahren, wie sie auch in der Halbleiterproduktion eingesetzt werden, großflächig herstellen. Die durch­löcher­ten Filme zeigen im sichtbaren und nahen infraroten Bereich, Frequenzen, bei denen das Licht stark absorbiert wird. Diese zusätzliche Absorption, die man von Metallen normalerweise nicht kennt, ist eine direkte Konsequenz des periodischen Lochmusters und hängt in erster Nähe­rung nur vom Abstand, nicht aber von der Größe der Löcher ab. Die Periodizität erlaubt kollek­tive Anregungen der Metallelektronen, der so genannten Plasmonen. Eine Besonderheit dieser Plasmonen ist, dass ihre Anregung stark vom Einfallswinkel des Lichts abhängt. Dreht man den Film ein wenig, ändert sich die Farbe der Plasmonen. Genau das wurde auch im Experiment beobachtet. In wieweit diese unerwartete optische Eigenschaft von Nanostrukturen gezielt für künftige Anwendungen genutzt werden kann, soll nun intensiv erforscht werden.

Veröffentlichung:
Julia Braun, Bruno Gompf, Georg Kobiela, Martin Dressel: „How holes can obscure the view: Suppressed transmission through an ultrathin metal film by a subwavelength hole array.“ Physical Review Letters, 103, 203901 (2009)

Externer Link: www.uni-stuttgart.de