Neuer Kalzium-Kanal in Lysosomen entdeckt

Presseinformation der LMU München vom 15.12.2010

LMU-Forscher messen Ionenströme einzelner Lysosomen

Über einen Anstieg der Kalzium-Konzentration in der Zelle werden fundamentale Vorgänge wie die Kontraktion der Herz- und Skelettmuskeln, die Hormon- und Neurotransmittersekretion, die Teilung und Bewegung von Zellen sowie die Kontrolle der Immunantwort gesteuert. Diese Signale werden generiert, indem Kalzium von außen einströmt oder aus intrazellulären Speichern wie zum Beispiel dem endoplasmatischen Retikulum freigesetzt wird. Erst seit Kurzem ist bekannt, dass die Lysosomen, die kleinsten Organellen in der Zelle, auch an der intrazellulären Kalzium Freisetzung beteiligt sind. Ein Team um die beiden LMU-Forscher Professor Christian Wahl-Schott und Professor Martin Biel konnten nun in Zusammenarbeit mit der Münchner Firma Nanion eine Methode entwickeln, bei der die Kalzium-Ströme einzelner Lysosomen direkt gemessen werden. So gelang ihnen erstmals der Nachweis bislang unbekannter Kalzium-Kanäle in den Lysosomen, die für die Kalzium-Freisetzung aus diesen Zellorganellen verantwortlich sind. Die Forscher wollen nun die Methode weiterentwickeln, sodass sie auch bei anderen Zellorganellen eingesetzt werden kann. (Science Signaling, 7. Dezember 2010)

Rund ein Kilo Kalzium (Ca2+) enthält der menschliche Körper, vor allem in den Knochen und Zähnen. Eine ebenfalls essenzielle Rolle spielt der Stoff aber in den Zellen, wo seine Konzentration etwa 10.000-mal niedriger ist als im extrazellulären Milieu. Steigt der Wert in der Zelle an, entstehen sogenannte Kalzium-Signale, die essenzielle Prozesse steuern. Die Konzentration erhöht sich, wenn Kalzium in die Zelle einströmt oder aus zellulären Speichern – etwa dem sarko-/endoplasmatische Retikulum, der Kernmembran oder den Mitochondrien – freigesetzt wird.

Seit einiger Zeit schon häuften sich die Hinweise, dass es einen weiteren Ca2+-Speicher in der Zelle gebe: die Lysosomen. Bisher war allerdings keine Methode verfügbar, mit der lysosomale Ionenkanäle effizient untersucht werden konnten. Die Forscher entwickelten deshalb in Zusammenarbeit mit der Münchner Firma Nanion eine Methode, bei der einzelne intakte Lysosomen auf einem planaren Glas-Chip immobilisiert werden, um deren Ionenströme direkt zu messen.

Tatsächlich konnte das Team auf diesem Weg die Lysosomen als weiteren Ca2+-Speicher in der Zelle bestätigen. Es gelang ihnen erstmals der Nachweis bislang unbekannter Kalzium-Kanäle in den Lysosomen, die für die Kalzium-Freisetzung aus diesen Zellorganellen verantwortlich sind. Es gibt nun Hinweise darauf, dass das aus Lysosomen freigesetzte Kalzium physiologisch von Bedeutung sein könnte: Es scheint an der Regulation der Sekretion von Hormonen, der Kontraktion glatter Muskelzellen sowie der Aktivität von Neuronen beteiligt zu sein.

„Wir gehen davon aus, dass die Methode auch zur Charakterisierung von Ionenkanälen anderer intrazellulärer Organellen und Kompartimente geeignet ist“, betont Wahl-Schott. „Dies wäre von großer Bedeutung. Denn intrazelluläre Ionenkanäle sind wichtige Ansatzstellen für Medikamente und stehen damit im Fokus der pharmazeutischen Arzneistoffentwicklung. Wir werden in den nächsten Jahren unsere Forschung an intrazellulären Ionenkanälen auch an genetischen Mausmodellen fortführen – und die planare Patch-Clamp-Technologie weiterentwickeln.“

Die Untersuchung wurde vom Exzellenzcluster „Center for integrated Protein Science Munich“ (CiPSM) sowie – als Forschungsverbund mit Nanion – von der Bayerischen Forschungsstiftung unterstützt.

Publikationen:

Planar patch clamp approach to characterize ionic currents from intact lysosomes,
Schieder M, Rötzer K, Brüggemann A, Biel M, Wahl-Schott C.
Science Signaling. 2010 Dec 7;3(151):S. l3.

Characterization of two-pore channel 2 (TPCN2)-mediated Ca2+ currents in isolated lysosomes,
Schieder M, Rötzer K, Brüggemann A, Biel M, Wahl-Schott CA.
Journal of Biological Chemistry, 9. Juli 2010, Bd. 285(28): S. 21219-22.

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