Künstliches Nano-NPC-Modell imitiert selektives Transportsystem von Zellen

Medienmitteilung der Universität Basel vom 20.06.2011

Zelluläre Maschinen zeigen eine faszinierende Raffinesse in ihrer Funktion, die auch technologisch gesehen unerreicht ist. Der Forschungsgruppe von Prof. Roderick Lim, Argovia-Professor am Biozentrum und am Swiss Nanoscience Institute der Universität Basel, ist es in Zusammenarbeit mit Forschern der Technischen Universität Delft gelungen, ein Nano-Modell des biologischen Kernporenkomplexes (NPC) und dessen Funktionsweise künstlich nachzustellen. Damit konnten sie den selektiven Transport von Proteinen zwischen Zytoplasma und Zellkern einer Zelle nachbilden. Lims Gruppe konnte zudem zeigen, wie sich die Vorgehensweise des NPC-Transportsystems chemisch imitieren lässt, um Biomoleküle aus biologischen Flüssigkeiten nanometer-genau zu sortieren. Die Ergebnisse sind in der aktuellen Ausgabe des Journals Nature Nanotechnology sowie im Journal ACS Nano publiziert.

Die Relevanz des biologischen Kernporenkomplexes (nuclear pore complex, NPC) liegt in der Art, wie er den Transport von Proteinen in und aus dem Zellkern regelt. NPCs selektieren wie eine Art Schleuse aktiv Moleküle für den Transport und erleichtern so den schnellen Austausch von bestimmten Proteinen mit höchster Präzision und in einer hochselektiven Art und Weise. Jede im Durchmesser nur 50nm grosse «NPC-Schleuse» öffnet oder schliesst sich dabei, je nachdem, ob ein Stoff als „molekularer Gast“ erkannt wird oder nicht. „NPCs lassen sich mit den Löchern in einem Kaffeefilter vergleichen, wenn der Filter so funktionieren würde, dass er die Bestandteile des Kaffees erkennt und nur Hochwertiges durchlässt“, so Lim.

Rätsel um den NPC-Mechanismus

Da es bislang keine technische Vorrichtung gibt, die das NPC-Schleusensystem nachstellt, ist dessen genaue Funktionsweise für Forscher ein langjähriges Rätsel geblieben. Bereits 2006 schlug Lim eine Möglichkeit vor, dem Rätsel näher zu kommen, nämlich die NPC-Proteine mit technisch hergestellten Nanostrukturen und Nanoporen zu verbinden. Und jetzt, rund fünf Jahre später, ist Lims Gruppe in Zusammenarbeit mit der Forschergruppe von Prof. Cees Dekker von der Technischen Universität Delft der Nachweis gelungen, dass ein nachgebautes NPC-Modell tatsächlich mit der Leistung und Präzision eines natürlichen NPCs in der Zelle mithalten kann: Sowohl die Genauigkeit der molekularen Selektivität als auch die Transportzeit innerhalb von Millisekunden entsprechen der eines biologischen NPCs. Diese in «Nature Nanotechnology» gezeigten Ergebnisse ermöglichen wichtige neue Ansätze für die Forschung, um die Grundprinzipien der NPC-Funktion auf der Ebene einzelner Moleküle zukünftig genauer untersuchen und verstehen zu können.

Biologische Grundlagen als Wegweise für zukünftige Anwendungen

Um ihre Erkenntnisse weiter zu führen, zeigen die Forschenden um Lim in dem Journal ACS Nano, wie sie die Prinzipien der NPC-Funktionalität anwenden, um spezifische Proteine aus natürlicher biologischer Umgebung selektiv und mit molekularer Präzision an ihr Ziel zu befördern. Dabei wurden die Bausteine der natürlichen NPC-Schleuse durch synthetische Polymere ersetzt. Das Ersetzen der biologischen durch künstliche Bausteine ist insofern von Bedeutung, als hochkomplexe technologisch-molekulare Transportsysteme eines Tages genauso elegant aufeinander abgestimmt werden könnten, wie es in einer lebenden Zelle bereits der Fall ist.

Originalartikel:

Kowalczyk et al.
Single-molecule transport across an individual biomimetic nuclear pore complex.
Nature Nanotechnology, Advance Online Publication, DOI: 10.1038/Nnano.2011.88

Hyotyla et al.
Synthetic Protein Targeting by the Intrinsic Biorecognition Functionality of Poly(ethylene glycol) Using PEG Antibodies as Biohybrid Molecular Adaptors
ACS Nano, DOI: 10.1021/nn201327y

Externer Link: www.unibas.ch