Durchblick in jeder Größenordnung

Presseinformation der Fraunhofer-Gesellschaft (Forschung Kompakt) vom 01.10.2013

Sie durchleuchten ganze Schiffscontainer genauso wie winzige biologische Proben: Im Entwicklungszentrum Röntgentechnik arbeiten Forscher sowohl mit dem größten als auch mit dem kleinsten Computertomographen der Welt.

Nach dem Crashtest mit 50 km/h ist von dem PKW nur noch ein Haufen Blech übrig – doch der liefert wertvolle Informationen darüber, wie sich die Fahrzeugsicherheit verbessern lässt. Voraussetzung dafür: Die Ingenieure müssen ins Innere des Fahrzeugs hineinsehen können, um zu analysieren, wie einzelne Bauteile auf die Belastung reagiert haben. Klassische zweidimensionale Röntgenbilder, wie sie in der konventionellen Werkstoffprüfung eingesetzt werden, sind hierfür oft zu ungenau: Sie zeigen lediglich eine Art »Schattenwurf« aus einer einzigen Position. Wesentlich mehr Möglichkeiten bietet die industrielle Computertomographie (CT): Bauteile können damit vollständig dreidimensional erfasst, berührungslos und zerstörungsfrei vermessen und inspiziert werden. Doch wie bekommt man ein ganzes Auto in einen Computertomographen?

Überdimensionaler Computertomograph durchleuchtet Schiffscontainer

Die Antwort liefern Forscher des Fraunhofer-Instituts für Integrierte Schaltungen IIS: Sie haben am Standort Fürth einen überdimensionalen Computertomographen entwickelt, der künftig Autos, Flugzeugflügel und sogar ganze Schiffscontainer durchleuchten soll. Das Untersuchungsobjekt wird dazu auf einen riesigen Drehtisch gehievt. Während dieser langsam rotiert, fahren eine Röntgenquelle auf der einen und ein vier Meter langer Röntgendetektor auf der anderen Seite neben dem Objekt auf und ab. Aus den so entstandenen Aufnahmen lässt sich am Computer ein dreidimensionales Bild errechnen. »Das ist in dieser Größenordnung eine bislang einzigartige Möglichkeit zur zerstörungsfreien Materialprüfung«, sagt Prof. Randolf Hanke, der das Entwicklungszentrum Röntgentechnik EZRT leitet. Dank der heute schon extrem hohen Auflösung von 0,8 Millimetern an metergroßen Objekten sind auf den Aufnahmen selbst winzige Details gestochen scharf zu erkennen – kurzfristig streben die Forscher eine Auflösung von 0,4 Millimetern an. Die Technologie ermöglicht es beispielsweise, Prototypen neuer Autos mit den Konstruktionsdaten abzugleichen oder Materialfehler wie winzige Risse in Automobil- oder auch Flugzeugbauteilen zu erkennen. Sicherheitskräfte könnten mithilfe des XXL-Tomographen Sprengstoff oder andere unerlaubte Gegenstände in Frachtcontainern aufspüren, ohne sie öffnen zu müssen.

CT-Gerät für den Nanobereich

Das Gegenstück zu dieser Riesenröhre kann Einrichtungsleiter Hanke bequem mit sich herumtragen: Das Gerät ist nicht größer als eine Mikrowelle und durchleuchtet mit einer Auflösung von 0,02 Millimetern kleinste Kunststoffteile bis hin zu biologischen Proben. Es ist derzeit der kleinste Computertomograph der Welt – doch Hanke und sein Team arbeiten bereits an der nächsten Innovation: Einem Gerät, das bis in den Nanobereich, also unter 100 Nanometer, vordringen soll. Diese Vision treibt Hanke schon seit 15 Jahren um, nun ist ihm gemeinsam mit Studenten und Doktoranden seines Lehrstuhls für Röntgenmikroskopie an der Universität Würzburg ein entscheidender Durchbruch gelungen. »Wir haben jetzt ein Elektronenmikroskop zu einer speziellen Nanoröntgenquelle weiterentwickelt«, erläutert der Forscher. Der Clou: Die elektrischen Ladungsträger, die das Röntgenlicht erzeugen, werden seitlich auf eine dünne Nadel geleitet. Dadurch tritt aus der Nadelspitze Röntgenlicht aus und liefert mit 50 Nanometern Durchmesser einen exakten Brennfleck. Damit lassen sich Objekte in Nanogrößenordnung scharf beleuchten. Biologen könnten mithilfe dieser Technologie etwa den Wassertransport in Holzfasern analysieren.

Im Juli wurde in Fürth-Atzenhof das neue EZRT-Gebäude eingeweiht. »Hier bündeln wir zukünftig im Bereich der industriellen Computertomographie die Kompetenzen für Aufgabenstellungen aus unterschiedlichsten Bereichen und in jeder Größenordnung. Mit unserem Equipment sowie unserem verfahrenstechnischen Know-how können wir Kunstgegenstände aus dem Altertum genauso durchleuchten wie ganze Windräder«, freut sich Prof. Hanke.

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