Elektronensysteme: Präzise Untersuchung einzelner Randkanäle

Medienmitteilung der Universität Basel vom 12.09.2018

Mit einer neuen Methode lässt sich erstmals ein individueller Fingerabdruck von stromleitenden Randkanälen erstellen, wie sie in neuartigen Materialien wie zum Beispiel topologischen Isolatoren vorkommen. Physiker der Universität Basel stellen das Verfahren zusammen mit amerikanischen Wissenschaftlern in «Nature Communications» vor.

Während Isolatoren keinen elektrischen Strom leiten, gibt es einige Materialien, die über besondere elektrische Eigenschaften verfügen: sie können zwar nicht in ihrem Innern, aber aufgrund von Quanteneffekten an ihrer Oberfläche und an ihren Rändern elektrische Ströme übermitteln, und dies sogar verlustfrei.

Diese sogenannten topologischen Isolatoren stehen seit einigen Jahren im Fokus der Festkörperforschung, da ihre besonderen Eigenschaften technologische Innovationen versprechen – beispielsweise für elektronische Bauelemente.

Stromfluss nur am Rand

Ähnliche Effekte wie die Randströme in den topologischen Isolatoren zeigen sich auch, wenn ein zweidimensionales Metall bei tiefen Temperaturen einem starken Magnetfeld ausgesetzt wird. Tritt der sogenannte Quanten-Hall-Effekt ein, fliesst Strom nur noch an den Grenzflächen. Dabei bilden sich mehrere stromleitende Bereiche.

Individuelle Untersuchung möglich

Bisher war es nicht möglich, diese leitenden Bereiche individuell zu untersuchen beziehungsweise die Position eines einzelnen Randzustands zu messen. Ein neues Verfahren erlaubt nun erstmals, einen exakten Fingerabdruck der leitenden Bereiche mit einer Auflösung im Nanometerbereich zu erstellen.

Dies berichten Forscher des Departements Physik und des Swiss Nanoscience Institutes der Universität Basel zusammen mit Kollegen der University of California Los Angeles sowie der Universitäten Harvard und Princeton (USA).

Zur Messungen der leitenden Bereiche haben sich die Physiker um Professor Dominik Zumbühl von der Universität Basel die Tunnelspektroskopie zunutze gemacht.

Sie verwenden einen Nanodraht aus Galliumarsenid, der sich auf dem Rand der Probe befindet und parallel zu den Randkanälen verläuft. Elektronen können nun zwischen dem Nanodraht und spezifischen Randzuständen hin und her hüpfen (tunneln), falls die Impulse in beiden Systemen übereinstimmen. Mithilfe eines zweiten Magnetfeldes kontrollieren die Wissenschaftler den Impuls der tunnelnden Elektronen, wodurch sie einzelne Randzustände individuell ansteuern können. Aus den gemessenen Tunnelströmen lassen sich die Position und der Verlauf jedes Randzustands mit einer Präzision im Nanometerbereich berechnen.

Mehr als eine Momentaufnahme

Wird bei Quanten-Hall-Systemen die Stärke des angelegten Magnetfeldes erhöht, ändert sich die Verteilung der Randzustände und ihre Anzahl sinkt. Mit der neuen Methode konnten die Wissenschaftler erstmals den gesamten Verlauf der Randzustände inklusive ihrer Entstehung bei kleinen Magnetfeldern beobachten.

Mit zunehmender Magnetfeldstärke werden die Randzustände zunächst gegen den Materialrand gedrückt und wandern schliesslich in die Mitte der Probe, wo sie vollständig verschwinden. Analytische und numerische Modelle, die das Forscherteam erstellt hat, stimmten sehr gut mit den experimentellen Daten überein.

«Wir können diese neue Technik nicht nur zur Untersuchung des Quanten-Hall-Effektes einsetzen», kommentiert Dominik Zumbühl die Ergebnisse der internationalen Zusammenarbeit. «Auch bei der Untersuchung exotischer neuer Materialien wie beispielsweise topologischen Isolatoren, Graphen oder anderer 2D-Materialien erhoffen wir bahnbrechende Erkenntnisse durch Anwendung der neuen Methode.»

Originalpublikation:
T. Patlatiuk, C. P. Scheller, D. Hill, Y. Tserkovnyak, G. Barak, A. Yacoby, L. N. Pfeiffer, K.W. West, and D. M. Zumbühl
Evolution of the quantum Hall bulk spectrum into chiral edge states
Nature Communications (2018), doi: 10.1038/s41467-018-06025-3

Externer Link: www.unibas.ch

Inneres Leuchten soll Schäden bei industriellen Kleb-Verbindungen anzeigen

Pressemitteilung der Universität Kassel vom 06.09.2018

Mit einer Farbmarkierung wollen Ingenieurwissenschaftler der Universität Kassel Schäden bei geklebten Verbindungen frühzeitig sichtbar machen. Das Verfahren setzt auf Mikrokapseln, die bei beginnenden Rissen in Klebstoffen eine fluoreszierende Flüssigkeit absondern.

Das Kleben spielt in Industriezweigen wie der Autoindustrie, dem Maschinenbau oder dem Bauwesen eine wachsende Rolle. Prüfverfahren für das Aufspüren von betriebs- oder alterungsbedingten Rissen in derartigen Verbindungen sind jedoch sehr aufwendig – oder die Bauteile und Klebeverbindungen werden bei der Prüfung gar zerstört. Ein Verfahren, das Ingenieurwissenschaftler der Universität Kassel verfeinert haben, könnte hier zukünftig Abhilfe schaffen. Dabei werden in strukturelle Industrie-Klebstoffe winzige, nur 20 bis 100 Mikrometer große Kapseln eingebracht, die einen Farbstoff enthalten. Treten im gehärteten Klebstoff Mikrorisse auf, zerstören diese auch die Kapseln. Der Farbstoff tritt aus und beginnt innerhalb des Klebstoffes zu fluoreszieren. Da der Klebstoff durchsichtig ist, ist dieses innere Leuchten (bei transparenten Fügepartnern) von außen unter UV-Licht sichtbar.

Für das Projekt experimentierte Dipl.-Ing. Martin Kahlmeyer (Fachgebiet Trennende und Fügende Fertigungsverfahren, Leitung Prof. Dr.-Ing. Stefan Böhm) mit verschiedenen Klebstoffen ebenso wie mit verschiedenen Kugelgrößen und Farbstoffen. M.Sc. Johannes Scheel (Fachgebiet Technische Mechanik/Kontinuumsmechanik, Leitung Prof. Dr.-Ing. Andreas Ricoeur) unterstützte die Experimente mit numerischen Simulationen und bruchmechanischen Untersuchungen.

Auch den Herstellungsprozess der Farbkugeln optimierten die Wissenschaftler. Entscheidend war dabei, die so genannten Mikrokapseln durch Grenzflächen-Polymerisation möglichst dicht herzustellen und sie im Klebstoff so zu platzieren, dass sie bereits bei feinsten Rissen im Klebstoff ebenfalls reißen. Dabei baute die Forschungsgruppe auch auf Vorarbeiten anderer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf.

„Im Labor konnten wir bereits für einen Fluoreszenznachweis geeignete Kapseln herstellen und in Klebstoffen verteilen“, erklärt Kahlmeyer. Das Verfahren ist von einem Einsatz in der industriellen Fertigung noch ein Stück entfernt. Doch es eröffnet Perspektiven, Prüfverfahren zu verbessern und die Sicherheit von optisch transparenten Verbindungen wie geklebten Glasstrukturen zu erhöhen.

Das Projekt lief über zwei Jahre und wurde gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft. Anschlussprojekte sollen das Verfahren zur Praxistauglichkeit weiterentwickeln. „Unsere Zielvorstellung ist es, einmal Kapseln zu entwickeln, die Mikro-Risse nicht nur aufzeigen, sondern mit ihrer Flüssigkeit sofort ausheilen können“, blickt Scheel voraus.

Externer Link: www.uni-kassel.de

Multitool für die solare Wasserspaltung

Presseinformation der LMU München vom 06.09.2018

Die Spaltung von Wasser mittels Sonnenlicht ist ein vielversprechender Ansatz für die Speicherung erneuerbarer Energie. Ein neues Katalysatorsystem im Nanoformat lässt erstmals alle Reaktionsschritte einer solchen künstlichen Photosynthese an einem einzigen Halbleiter-Partikel ablaufen.

In Anbetracht des globalen Klimawandels ist die Nutzung und Speicherung erneuerbarer, klimaneutraler Energiequellen unerlässlich. Ein vielversprechender Ansatz ist die Photokatalyse, bei der Wasser mit Hilfe von Sonnenlicht in Sauerstoff und den Energieträger Wasserstoff aufgespalten wird. Die effiziente Umsetzung dieses Verfahrens ist allerdings technisch sehr anspruchsvoll, da verschiedene Prozesse beteiligt sind, die sich gegenseitig beeinträchtigen. LMU-Physikern um Dr. Jacek Stolarczyk und Professor Jochen Feldmann ist es in Kooperation mit Chemikern der Universität Würzburg (JMU) um Professor Frank Würthner nun erstmals gelungen, Wasser in einem einzigen System mithilfe von sichtbarem Licht vollständig zu spalten. Über ihre Ergebnisse berichten die Wissenschaftler im Fachmagazin Nature Energy.

Bei der photokatalytischen Wasserspaltung werden mittels synthetischer Komponenten die komplexen Prozesse nachgebildet, die bei der natürlichen Photosynthese ablaufen. Im Prinzip absorbieren dabei als Photokatalysatoren dienende Halbleiter-Nanopartikel Lichtquanten (Photonen). Ein Photon regt im Halbleiter eine negative Ladung (ein Elektron) und eine positive Ladung (ein sogenanntes „Loch“) an, die sich räumlich trennen müssen, damit Wasser von dem Elektron zu Wasserstoff reduziert beziehungsweise vom Loch zu Sauerstoff oxidiert werden kann. „Wenn man nur Wasserstoff aus Wasser herstellen will, werden die Löcher meistens schnell mittels chemischer Reagenzien entfernt“, sagt Stolarczyk. „Für eine vollständige Wasserspaltung müssen die Löcher aber bleiben und den langsamen Wasseroxidationsprozess vorantreiben.“ Die Schwierigkeit besteht dann darin, beide Halbreaktionen so auf einem Partikel zu kombinieren, dass sie gleichzeitig ablaufen – und zwar ohne, dass die dabei entstehenden entgegengesetzten Ladungen rekombinieren. Zudem werden die meisten Halbleiter durch die positiven Ladungen angegriffen und zerstört.

Nanostäbchen mit separaten Reaktionsräumen

„Den Durchbruch haben wir geschafft, indem wir Nanostäbchen des Halbleiters Cadmiumsulfid verwendeten und die Reduktions- und Oxidationsreaktion auf diesen Nanokristallen räumlich trennten“, sagt Stolarczyk. An den Spitzen der Stäbchen positionierten die Wissenschaftler winzige Platinpartikel, die bei der Photoreaktion entstehende Elektronen aufnehmen. Wie die LMU-Physiker bereits früher zeigen konnten, funktioniert diese Anordnung als wirksamer Photokatalysator für die Reduktion von Wasser zu Wasserstoff. Die Oxidation dagegen findet an den Seiten der Nanostäbchen statt: Auf den gesamten Seitenflächen platzierten die LMU-Physiker von Würthners Team entwickelte Oxidationskatalysatoren auf Rutheniumbasis, die mit speziellen Ankergruppen an den Nanostäbchen fixiert werden. „Die Verankerung ermöglicht eine extrem schnelle Übertragung des Lochs auf den Katalysator, sodass eine effektive Sauerstofferzeugung stattfinden kann und die Cadmium-Nanostäbchen nicht geschädigt werden“, sagt Dr. Peter Frischmann, einer der Initiatoren des Forschungsprojekts am Standort Würzburg.

Die Wissenschaftler führten ihre Studie im Rahmen des interdisziplinären Projekts „Solar Technologies Go Hybrid“ (SolTech) durch, das vom Freistaat Bayern gefördert wird. „Ziel von SolTech ist es, innovative Konzepte für die Umwandlung von Solarenergie insbesondere in nicht-fossile Brennstoffe zu erforschen“, erklärt Professor Jochen Feldmann, Inhaber des Lehrstuhls für Photonik und Optoelektronik an der LMU. „Die Entwicklung des neuen photokatalytischen Systems ist ein gutes Beispiel dafür, wie Soltech die Expertise unterschiedlicher Fachrichtungen und Standorte zusammenbringt. Unser Erfolg war nur durch die interdisziplinäre Zusammenarbeit von Chemikern und Physikern an zwei Standorten möglich“, ergänzt Würthner, der zusammen mit Feldmann im Jahr 2012 SolTech initiierte.

Publikation:
Nature Energy 2018

Externer Link: www.uni-muenchen.de