Nano-Messbecher erlauben Einblick in die Kondensation von Atomen

Medienmitteilung der Universität Basel vom 21.01.2015

Die Kondensation von einzelnen Atomen, also ihren Übergang vom gasförmigen in einen andern Zustand, abzubilden – dies ist einem internationalen Physikerteam mit einer neuen Methode gelungen. Unter Leitung des Swiss Nanoscience Institute und des Departements Physik der Universität Basel konnte es erstmals nachverfolgen, wie Xenon-Atome in winzigen Messbechern, sogenannten Quantentöpfen, kondensieren. Damit werden wichtige Rückschlüsse auf die Natur von Bindungen zwischen Atomen möglich, berichten die Forscher in «Nature Communications».

Das Team um Prof. Thomas Jung vom Swiss Nanoscience Institute, Departement Physik der Universität Basel und Paul-Scherrer-Institut hat eine Methode entwickelt, mit der sich die Kondensation von einzelnen Atomen erstmals Schritt für Schritt abbilden lässt. Die Forschenden liessen Atome des Edelgases Xenon in sogenannten Quantentöpfen kondensieren und untersuchten die entstehenden Ansammlungen darauf mithilfe der Rastertunnelmikroskopie.

Quantentöpfe als Messbecher

Die verwendeten Quantentöpfe entstehen jeweils durch Selbstorganisation von spezifisch «programmierten» Molekülen zu einem porösen Netzwerk auf einer Substratoberfläche. Sie dienen als Messbecher mit genau definierter Grösse, Form und atomarer Struktur des Bodens und der Wände. In den Quantentöpfen ist die Bewegungsfreiheit der Atome eingeschränkt, und ihre Anordnung lässt sich je nach Besetzung genau untersuchen und darstellen.

So konnten die Wissenschaftler zeigen, dass sich die Xenon-Atome immer nach einem bestimmten Prinzip anordnen. Beispielsweise bilden sich gewisse Einheiten aus vier Atomen erst, wenn sich mindestens sieben Atome im Quantentopf befinden. Befinden sich zwölf Atome in dem Quantentopf, entstehen drei sehr stabile Vierereinheiten.

Rückschlüsse auf die Natur von Bindungen

Die an den Nanokondensaten zum ersten Mal erfassten Bilder und Strukturen erlauben wichtige Rückschlüsse auf die Natur der physikalischen Bindungen, welche die Xenon-Atome eingehen. «Wir können dieses System aber nicht nur für Edelgase einsetzen», kommentiert die Erstautorin der Publikation, Sylwia Nowakowska. «Auch andere Atome und ihre Bindungen kann man damit untersuchen.» Da die Methode genau abbildet, wie sich die Atome aneinander binden und wie stabil die verschiedenen Zustände sind, lassen sich mit der neu entwickelten Methode auch theoretische Berechnungen über Bindungen überprüfen.

Die Ergebnisse der Studie basieren auf einer Zusammenarbeit von Forschenden aus der Schweiz, Brasilien, Schweden, Deutschland und den Niederlanden und wurden in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift «Nature Communications» veröffentlicht.

Originalbeitrag:
Sylwia Nowakowska, Aneliia Wäckerlin, Shigeki Kawai, Toni Ivas, Jan Nowakowski, Shadi Fatayer, Christian Wäckerlin, Thomas Nijs, Ernst Meyer, Jonas Björk, Meike Stöhr, Lutz H. Gade & Thomas A. Jung
Interplay of weak interactions in the atom-by-atom condensation of xenon within quantum boxes
Nature Communications (2015) | doi: 10.1038/ncomms7071

Externer Link: www.unibas.ch

Physiker sehen Proteinkristallen beim Wachsen zu

Pressemitteilung der Universität Tübingen vom 20.01.2015

Entstehung über einen Zwischenschritt aus einem vorläufigen Aggregat

Um die Struktur von Proteinen zum Beispiel bei der Wirkstoffsuche in der Arzneimittelforschung präzise zu bestimmen, benötigen Wissenschaftler diese in Form von Kristallen. Doch das Züchten von Proteinkristallen ist keine Routineangelegenheit, sondern häufig der sprichwörtliche Flaschenhals bei den Untersuchungen. Daher haben Andrea Sauter, Fajun Zhang und Professor Frank Schreiber vom Institut für Angewandte Physik der Universität Tübingen nun in Zusammenarbeit mit Kollegen aus Oxford und Grenoble einen wichtigen Schritt in der Keimbildung und dem Wachstum von Proteinkristallen beobachtet. Anders als bei der klassischen Theorie, nach der sich von Beginn an ein Keim in der endgültigen Form des Kristalls bildet, haben die Forscher einen Zwischenschritt bei der Kristallbildung beobachtet. Sie können nun die Dynamik der Proteinkristallisation genauer beschreiben, als dies bisher möglich war. Ihre Ergebnisse veröffentlichten die Physiker in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Journal of the American Chemical Society.

Für das Züchten eines Kristalls bringen die Forscher den reinen Stoff in eine übersättigte Lösung. Darin bilden sich Keime, an die sich wie bei einem dreidimensionalen Puzzle aus lauter gleichen Teilen immer mehr Stoffmoleküle an die vorgegebene Passform anlagern können. So wächst der Kristall schließlich zu einer Größe, die auch für das menschliche Auge sichtbar sein kann. Die Tübinger Physiker haben vor allem die erste Phase der Bildung eines Proteinkristallkeims mittels Röntgenstrahlen und optischer Mikroskopie in Echtzeit untersucht. „Zunächst lagern sich die Proteinmoleküle zu Aggregaten zusammen“, berichtet Andrea Sauter. Sie hätten jedoch noch nicht die Form des späteren Kristalls. „Je mehr des Proteins in diese Zwischenphase eintritt, desto schneller bilden sich die Keime.“

Die Wachstumsgeschwindigkeit der neuen Kristalle sei in diesem Schritt jedoch gering, was mit der geringen Mobilität der Proteine im Aggregat zusammenhängen könnte. Dieser erste Schritt dauert an, bis das Aggregat aufgebraucht ist. Danach wächst der Kristall schneller. Beweglichere Proteinmoleküle aus der gelösten, flüssigen Phase können direkt an der Wachstumsfront des Kristallkeims andocken. Zu dieser Zeit bilden sich neue Keime jedoch deutlich langsamer. „All diese Beobachtungen deuten darauf hin, dass die Proteinaggregate als Vorläufer der Kristalle eine wichtige Rolle in dem zweistufigen Prozess spielen“, fasst die Wissenschaftlerin zusammen. Möglicherweise lassen sich aus dem tieferen Verständnis der Vorgänge verbesserte Techniken für die Praxis der Kristallzüchtung und damit für wichtige Fragestellungen der Arzneimittelforschung und der Strukturbiologie ableiten.

Originalveröffentlichung:
Andrea Sauter, Felix Roosen-Runge, Fajun Zhang, Gudrun Lotze, Robert M. J. Jacobs, Frank Schreiber: Real-Time Observation of Nonclassical Protein Crystallization Kinetics. Journal of the American Chemical Society, DOI: 10.1021/ja510533x.

Externer Link: www.uni-tuebingen.de

Verbesserte Schnittstelle für Quanten-Internet

Medieninformation der Universität Innsbruck vom 15.01.2015

Ein Quantennetzwerk benötigt effiziente Schnittstellen, über die Information von Materie auf Licht und umgekehrt übertragen werden kann. Wie dieser Informationstransfer unter Ausnutzung eines kollektiven Quantenphänomens optimiert werden kann, zeigen Innsbrucker Physiker um Rainer Blatt und Tracy Northup nun in der Fachzeitschrift Physical Review Letters.

Seit einigen Jahren sind Quantencomputer keine reine Theorie mehr. Im Labor haben Forscher die ersten Bausteine eines zukünftigen Quantenrechners bereits realisiert und erfolgreich getestet. Über ein Dutzend unterschiedliche Technologien kommen dabei zum Einsatz. Der am weitesten fortgeschrittene Ansatz sind Ionenfallen, in denen einzelne geladene Atome mit Hilfe von Lasern sehr gut kontrolliert werden können. Diese Idee wurde von Ignacio Cirac und Peter Zoller entwickelt und von einem Team um den Innsbrucker Experimentalphysiker Rainer Blatt federführend in die Realität umgesetzt. Die Gruppe am Institut für Experimentalphysik der Universität Innsbruck hat 2013 auch erstmals die Quanteninformation eines in einer Ionenfalle gespeicherten Atoms gezielt auf ein Photon übertragen und damit den Grundbaustein für eine Schnittstelle zwischen Quantenprozessoren und Lichtleitern geschaffen. Nun haben die Physiker um Blatt dieses Interface noch einmal verbessert, indem sie sogenannte superradiante Zustände ausnutzen.

Zuverlässige Schnittstelle

„Will man ein Quantennetzwerk mit gefangenen Ionen realisieren, benötigt man ein effizientes Interface, über das die Quanteninformation von Teilchen auf Photonen übertragen werden kann“, erklärt Projektleiterin Tracy Northup aus dem Team von Rainer Blatt. „In unserer Schnittstelle positionieren wir zwei Ionen zwischen zwei stark reflektierenden Spiegeln. Dann verschränken wir die Teilchen und koppeln sie beide an den optischen Resonator.“ Die kollektive Wechselwirkung zwischen den Teilchen und dem Resonator kann nun so eingestellt werden, dass die Erzeugung von Photonen verstärkt wird. „Diesen Zustand nennt man superradiant“, erläutert Bernardo Casabone, der Erstautor der aktuellen Arbeit. Um die Eignung für die Quanteninformationsverarbeitung zu demonstrieren, schreiben die Forscher einen Quantenzustand in die verschränkten Teilchen ein und übertragen diesen auf das Photon. Aufgrund der superradianten Wechselwirkung wird das Photon fast doppelt so rasch erzeugt wie im früheren Experiment. „Durch die Ausnutzung der Superradianz wird der Informationstransfer von den Teilchen auf das Photon wesentlich zuverlässiger“, freut sich Casabone über das gelungene Experiment. Damit verringern sich auch die technischen Voraussetzungen für den Bau solcher Schnittstellen.

Schreib-Lese-Einheit für Quantenspeicher

In ihrem Experiment konnten die Innsbrucker Physiker über die Wechselwirkung zwischen den Teilchen und dem optischen Resonator auch subradiante Zustände erzeugen. Dabei wird die Emission von Photonen unterdrückt statt verstärkt. „Auch diese Zustände sind interessant, weil die Quanteninformation dadurch für den Resonator unsichtbar wird und so geschützt werden kann“, sagt Tracy Northup. Damit ist es sogar denkbar, durch ein Hin- und Herschalten zwischen sub- und superradianten Zuständen die Quanteninformation in den Teilchen gezielt abzufragen. In einem zukünftigen Quantencomputer könnten so adressierbare Lese- und Schreib-Operationen an einem Quantenregister realisiert werden.

Unterstützt werden die Physikerinnen und Physiker der Universität Innsbruck und des Instituts für Quantenoptik und Quanteninformation der Österreichischen Akademie der Wissenschaften bei ihren Forschungen zu einer Quanten-Schnittstelle vom österreichischen Wissenschaftsfonds FWF, der europäischen Union und der Tiroler Industrie.

Publikation:
Enhanced quantum interface with collective ion-cavity coupling. B. Casabone, K. Friebe, B. Brändstatter, K. Schüppert, R. Blatt, and T. E. Northup. Phys. Rev. Lett. 114, 023602 DOI: 10.1103/PhysRevLett.114.023602

Externer Link: www.uibk.ac.at

Nährboden für Innovationsgeist

Medienmitteilung der ETH Zürich vom 06.01.2015

22 neue Firmen haben Forschende der ETH Zürich im Jahr 2014 gegründet. Die Spin-offs zählen zu den erfolgreichsten der Schweiz. Glanzlicht des Jahres war Covagen, das für über 200 Millionen Franken aufgekauft wurde. Die neusten Zahlen zeigen auch, dass die Hochschule mit ihren Förderprogrammen auf gutem Weg ist.

Die Forschenden der ETH Zürich sind für ihren Innovationsgeist bekannt. Seit 1996 sind über 300 Spin-offs an der Hochschule entstanden, davon 22 im Jahr 2014. Die Gründungsrate liegt seit Jahren auf konstant hohem Niveau und bewegt sich immer im Bereich der Rekordjahre 2009 und 2013 mit 24 Neugründungen. Das Jahr 2014 zeichnet sich aus durch besonders viele Gründungen aus dem ICT-Bereich, der Elektrotechnik (je sechs ETH-Spin-offs) und dem Maschinenbau (fünf ETH-Spin-offs). Zwei neue Spin-offs befassen sich mit Mikro- und Nanotechnologie. Je eine Neugründung stammt aus dem Dienstleistungs- und Beratungsbereich, der Biotechnologie und aus dem Gebiet der Medizinaltechnik.

Vorbilder fördern Unternehmergeist

Acht der 2014 gegründeten Spin-offs entstammen den ETH-eigenen Förderprogrammen. Mit dem Programm «Pioneer-Fellowships» unterstützt die ETH Zürich Masterstudierende und Doktorierende mit Stipendien, die nach ihrem Abschluss eine innovative Geschäftsidee zu einem Produkt weiterentwickeln möchten. Zusätzlich existieren an der ETH zwei «Innovation and Entrepreneurship Labs» (ieLab), in denen junge Forschende erste Prototypen entwickeln und von erfahrenen Coaches  aus der Industrie beraten werden. Die neu lancierten ETH Founders Community sichert zudem den Austausch unter ETH-Spin-off-Gründern langfristig. «Ich bin überzeugt, dass der Unternehmergeist durch ein unterstützendes Umfeld und gute Vorbilder erst so richtig aufblüht», sagt Roland Siegwart, bis Ende 2014 Vizepräsident Forschung und Wirtschaftsbeziehungen der ETH Zürich. Seit 2010 hat die ETH 48 Pioneer Fellowships vergeben, daraus sind 17 Spin-offs entstanden.

Begehrte Übernahmekandidaten

Zahlreiche Auszeichnungen und Preise zeugen vom Erfolg der ETH-Spin-offs. Auf der Liste der «Top 100 Swiss Startups» des Instituts für Jungunternehmen rangierten 2014 18 ETH-Spin-offs, davon drei unter den besten zehn. Die Gründer von InSphero konnten sich gar über Platz 1 freuen. Seit 2010 produziert InSphero Tumor- und Lebergewebe, so klein wie ein Stecknadelkopf. Damit können Wissenschaftler beispielsweise testen, ob eine bestimmte Substanz die Leber angreift. Die Jury der Initiative Venture-Kick konnten drei Spin-offs der ETH überzeugen. Selfnation, Noonee und Bitsplitters gewannen die mit je 130’000 Franken dotierte Förderpreise. Während Selfnation mithilfe eines Algorithmus Frauen und Männern die Jeans auf den Leib schneidert, haben die Gründer von Noonee einen «stuhllosen Stuhl» entwickelt – eine Stehhilfe, welche die Beine entlastet und ein bequemes Sitzen und Gehen ermöglicht.  Bitsplitters überzeugten mit ihrem Sensor «Sunbeat», der an der Kleidung angebracht wird und UV-Strahlen misst.

ETH-Spin-offs sind immer wieder begehrte Übernahmekandidaten für Grossunternehmen. So wurde Covagen im letzten Jahr gemäss Medienberichten für über 200 Millionen Franken von einer Tochtergesellschaft von Johnson & Johnson aufgekauft. Das im Jahr 2007 von Doktoranden aus der Gruppe von ETH-Professor Dario Neri gegründete Spin-off, entwickelt neuartige Pharmazeutika für die Behandlung von Krebs und Entzündungskrankheiten.

2500 Jobs geschaffen

Die ETH Zürich investiert viel in eine lebendige Spin-off-Kultur. «Die Spin-offs leisten einen wesentlichen Beitrag zum Wissenstransfer von der Hochschule in die Praxis», ist Silvio Bonaccio, Leiter von ETH transfer, überzeugt. Gemäss einer internen Befragung unter ETH-Spin-offs erwirtschafteten diese alleine im Jahr 2013 einen Umsatz von 585 Millionen Franken. Weiter ergab die Umfrage, dass die Jungfirmen bis 2013 rund 2500 Stellen geschaffen haben.

Externer Link: www.ethz.ch