Simuliertes Gehirn-Modell erstmals zum Sehen gebracht

Presseaussendung der TU Graz vom 02.11.2022

Forscher der TU Graz haben erstmals auf einem detaillierten Modell des Gehirns der Maus die Funktion des Sehens nachgebildet. Bisher konnten Gehirn-Strukturen zwar modelliert werden, es war aber nicht möglich, gezielte Funktionen auszuführen.

„Das bahnbrechende an unserem neuesten Modell ist, dass wir unsere Gehirn-Simulation erstmals bestimmte Funktionen – in unserem Fall Sehen – ausführen lassen können“, erklärt TU Graz-Neuroinformatiker Wolfgang Maass, der gemeinsam mit seinen PostDocs Guozhang Chen und Franz Scherr gerade das wissenschaftliche Paper „A data-based large-scale model for primary isual cortex enables brain-like robust and versatile visual processing“ veröffentlicht hat. Als Ergebnis ihrer Arbeit erwarten sich die Forschenden nun eine neue wissenschaftliche Methode, die künftig in der Forschung zum Einsatz kommt.

Zentrale Funktion in künstlichen neuronalen Netzwerken

Die Sehfunktion haben die Forschenden deswegen als Forschungsgegenstand ausgewählt, weil sie eine der zentralen Funktionen künstlicher Intelligenz ist – etwa im autonomen Fahren oder der Bildverarbeitung müssen die Algorithmen die mittels Sensoren erfassten Daten über ihre Umgebung interpretieren und aus ihnen lernen. Die Arbeit des TU Graz-Teams baut auf jahrzehntelangen Studien des renommierten Allen Institute for Brain Science in Seattle auf, das sich wissenschaftlich unter anderem der Entschlüsselung des visuellen Cortex von Mäusen verschrieben hat. „Wir haben diese Daten in ein simuliertes Netzwerk von biologischen Neurone – also in ein Computer-Modell von einem Teil des Gehirns – übersetzt und konnten mit diesem biologischen Modell die Sehfunktion nachbilden“, so Maass. Das so simulierte neuronale Netzwerk kann die wichtigsten visuellen Aufgaben einer Maus erfüllen und ist gegenüber Störungen äußerst robust. Ein nächster Schritt wird nun sein, die Unterschiede zwischen der biologischen Sehfunktion der Simulation und der Sehfunktion von künstlichen neuronalen Netzwerken zu untersuchen.

Dass sich Forschende das Gehirn zum Vorbild nehmen, ist nicht neu, aber umso effektiver. Neuronale Netze des Gehirns sind nicht nur besonders leistungsfähig, sondern auch enorm energieeffizient. Neurone sind nicht ständig aktiv, sondern „feuern“ nur, wenn sie für eine Aufgabe gebraucht werden. Künstliche neuronale Netzwerke bilden dieses Vorgehen nach. Sie sind allerdings nur „gehirninspiriert“ und sowohl deren Neurone als auch die Architektur des Netzwerks sind ganz anders als im Gehirn. Daher sind biologische Simulations-Modelle wichtig, mit denen Forschende das Gehirn besser verstehen wollen. Diese Erkenntnisse wiederrum können aber in der Computertechnik eingesetzt werden, wie Wolfgang Maass anmerkt: „Wir starten gerade einen Pilotversuch mit dem Prozessorhersteller Intel und bauen unsere biologischen Modelle in seine neuromorphen Chips ein, um zu beobachten, ob sie dadurch wirklich energieeffizienter werden.“

Detailliertes Modell statt Approximation

Bisher wurden Funktionsweisen lediglich an kleinen Modellen – Approximationen des Gehirns mit geringer Detailtreue – nachgebildet. Dank großzügiger Rechenzeit an einem von Europas leistungsfähigsten Supercomputern in Jülich und Fortschritten im Chipdesign sowie der Software konnten die Grazer Forscher aber mit dem detaillierten biologischen Modell rechnen. „Wir haben gezeigt, dass dies mit dem heutigen Stand der Technik möglich ist und erwarten uns davon einen neuen Trend in der Forschung, der uns einen Schritt näher zum Verstehen des Gehirns bringt.“ (Birgit Baustädter)

Originalpublikation:
A data-based large-scale model for primary visual cortex enables brain-like robust and versatile visual processing
Chen Guozhang, Franz Scherr, Wolfgang Maass, TU Graz
Science Advances
DOI: 10.1126/sciadv.abq7592

Externer Link: www.tugraz.at

technologiewerte.de – MOOCblick November 2022

Spannende Themen, herausragende Dozenten und flexible Lernmöglichkeiten tragen zum wachsenden Erfolg der Massively Open Online Courses (MOOCs) bei – offene, internetgestützte Kurse mit einer Vielzahl an Teilnehmern rund um den Globus.

Folgender Kurs – zu finden auf der MOOC-Plattform edX – sollte einen Blick wert sein:

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Laure Itard (TU Delft)
Start: flexibel / Arbeitsaufwand: 28-42 Stunden

Externer Link: www.edx.org

THI-Studierende konstruieren innovative Agri-Photovoltaikanlage

Pressemitteilung der TH Ingolstadt vom 27.10.2022

Projekt zeigt gute Wirtschaftlichkeit der vertikalen Agri-Photovoltaikanlage (PV) mit bifacialen Modulen.

Neun Studierende der Technischen Hochschule Ingolstadt (THI) haben in einem Pilotprojekt eine vertikale Agri-PV-Anlage konstruiert und untersucht – in Kooperation mit Schletter Solar aus Kirchdorf sowie den Energieanbietern E.ON Deutschland und LEW Lechwerke aus Augsburg. Verwendet wurden für das Semesterprojekt bifaciale, also zweiseitige Module. Sie können auch Sonnenlicht, welches auf die Modulrückseite einstrahlt, in Strom umwandeln.

Bei einer vertikalen Agri-PV-Anlage werden diese Module als senkrechte Wand montiert, die in Nord-Südrichtung verläuft. Die eine Modulseite ist dadurch nach Osten ausgerichtet und erzeugt ab früh morgens bis zum späten Vormittag Strom, die Rückseite der Module liefert vom frühen Nachmittag bis abends ihren Beitrag. „In Summe kann eine solche Anlage sogar mehr Strom als eine übliche, nach Süden ausgerichtete Freiflächen-Photovoltaikanlage gleicher Leistung produzieren“, sagt Sigrid del Rio, PV-Projektleiterin bei LEW Lechwerke, die bereits seit letztem Jahr eine Testanlage ähnlicher Bauart betreiben. Thomas Pellkofer, Leiter Solarprojekte bei E.ON Deutschland, fügt hinzu: „Vertikale Agri-PV-Anlagen mit Nord-Süd-Ausrichtung können eine sinnvolle Ergänzung für die Stromversorgung sein, weil sie vor allem morgens und abends Strom erzeugen, während klassische Südsolaranlagen ihr Ertragsmaximum mittags erreichen. Morgens und abends produzierter Sonnenstrom trifft daher auch oft auf eine höhere Nachfrage an der Strombörse.“

Das zeigen auch die Berechnungen der Studierenden, wie Prof. Dr. Peter Weitz, Betreuer der Studierenden an der Technischen Hochschule Ingolstadt, berichtet: „Im Jahresmittel ergeben sich fast zehn Prozent Mehrerlös für den mit dieser Anlage zu Tagesrandzeiten erzeugten Strom. Dieser Mehrerlös wird in der Zukunft durch den geplanten Zubau klassischer PV-Anlagen und dem damit verbundenen größeren Angebot von Solarstrom zur Tagesmitte sogar noch steigen“, ist sich Prof. Dr. Peter Weitz sicher.

Da die Flächen zwischen den Modulreihen weiter landwirtschaftlich genutzt werden können – bevorzugt für Futterwiesen und Weiden, wie die Studierenden herausgefunden haben –, erhalten solche vertikalen Agri-PV-Anlagen durch die EEG-Novelle 2022 auf fast allen landwirtschaftlichen Flächen in Deutschland eine EEG-Vergütung. „Die ausgeklügelte Konstruktion der Studierenden ist geringfügig teurer als eine übliche Südanlage, auch durch die hohen Windlasten und eine aufwändigere Verkabelung,“ erklärt Dr. Cedrik Zapfe, CTO bei Schletter. Seiner Ansicht nach überkompensiert der höhere Verkaufspreis des Stroms die Mehrkosten deutlich, sodass sich eine bessere Wirtschaftlichkeit ergibt. Schletter Solar wird daher nächstes Jahr die Unterkonstruktion für eine vertikale PV-Anlage im Markt anbieten; die Nachfrage steigt deutlich.

Neben der Wirtschaftlichkeit stand auch der Beitrag zur Energiewende im Fokus des Projektes. Prof. Dr. Peter Weitz zeigt den Zusammenhang auf: „Die Solarstromerzeugungslücke morgens und abends von südausgerichteten PV-Anlagen könnte mit Stromspeicherung geschlossen werden.“ Es ist viel nachhaltiger, Strom zu diesem Zeitpunkt direkt mit vertikalen Agri-PV-Anlagen zu erzeugen; kostbare und teure Speicherkapazitäten werden so für die Nachtstunden reserviert. Eine erfolgreiche Energiewende verlangt auch, Erzeugung und Verbrauch zeitlich anzugleichen. Dies bedeutet Lastverschiebung – wie Elektroautos tagsüber zu laden –, aber ebenso die Verschiebung des Erzeugungszeitpunkts.

Externer Link: www.thi.de

Mit vereinten Kräften – Blitzschnelles 3D-Mikrodrucken mit zwei Lasern

Presseinformation des KIT (Karlsruher Institut für Technologie) vom 14.10.2022

Forschende des Exzellenzclusters „3D Matter Made to Order“ drucken Mikrostrukturen durch Kreuzen roter und blauer Laserstrahlen – Veröffentlichung in Nature Photonics

Objekte aus Kunststoff präzise, schnell und kostengünstig zu drucken, ist das Ziel vieler 3D-Druckverfahren. Geschwindigkeit und hohe Auflösung sind jedoch nach wie vor eine technologische Herausforderung. Ein Forschungsteam des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT), der Universität Heidelberg und der Queensland University of Technology (QUT) ist diesem Ziel ein großes Stück nähergekommen. Es entwickelte ein Laserdruckverfahren, mit dem mikrometergroße Teile innerhalb eines Wimpernschlags gedruckt werden können. Die Arbeit veröffentlichte das internationale Team in Nature Photonics.

Der 3D-Druck im Stereolithographie-Verfahren ist derzeit eines der beliebtesten additiven Fertigungsverfahren für Kunststoffe, sowohl für private als auch für industrielle Anwendungen. Bei der Stereolithografie werden die Schichten eines 3D-Objekts nacheinander in einen mit Harz gefüllten Behälter projiziert. Das Harz wird durch UV-Licht gehärtet. Bisherige Stereolithografie-Verfahren sind jedoch langsam und haben eine zu geringe Auflösung. Der von den Forschenden des KIT eingesetzte 3D-Lichtblattdruck (engl. Light-Sheet 3D Printing) ist eine schnelle und hochauflösende Alternative.

3D-Druck mit zwei Farben in zwei Stufen

Beim „Light-Sheet-3D-Druck“ wird blaues Licht in einen Behälter projiziert, der mit einem flüssigen Harz gefüllt ist. Durch das blaue Licht wird das Harz voraktiviert. In einer zweiten Stufe liefert ein roter Laserstrahl die zusätzliche Energie, die zum Aushärten des Harzes erforderlich ist. Schnell drucken lassen sich aber im 3D-Druck nur Harze, die rasch aus dem voraktivierten Zustand in ihren ursprünglichen Zustand zurückkehren. Erst dann kann die nächste Schicht gedruckt werden. Die Rückkehrzeit diktiert folglich die Wartezeit zwischen zwei aufeinander folgenden Schichten und damit die Druckgeschwindigkeit. „Bei dem Harz, das wir verwendet haben, betrug die Rückkehrzeit weniger als 100 Mikrosekunden, was hohe Druckgeschwindigkeiten ermöglicht“, so Erstautor Vincent Hahn vom Institut für Angewandte Physik (APH) des KIT.

Mikrometergroße Strukturen in nur einem Wimpernschlag

Um die Vorteile dieses neuen Harzes zu nutzen, haben die Forschenden einen speziellen 3D-Drucker gebaut. In diesem Drucker werden blaue Laserdioden verwendet, um Bilder mithilfe eines hochauflösenden Displays mit hoher Bildfrequenz in das flüssige Harz zu projizieren. Der rote Laser wird zu einem dünnen „Lichtblatt“-Strahl geformt und kreuzt den blauen Strahl senkrecht im Harz. Mit dieser Anordnung konnte das Team mikrometergroße 3D-Teile in wenigen hundert Millisekunden, also in einem Wimpernschlag, drucken. Dabei soll es jedoch nicht bleiben: „Mit empfindlicheren Harzen könnten wir sogar LEDs statt Laser in unserem 3D-Drucker einsetzen“, sagt Professor Martin Wegener vom APH. „Letztlich wollen wir zentimetergroße 3D-Strukturen drucken und dabei die Auflösung im Mikrometerbereich und die hohe Druckgeschwindigkeit beibehalten.“

Die Publikation entstand im Rahmen des gemeinsamen Exzellenzclusters „3D Matter Made to Order“ des KIT und der Universität Heidelberg. Beteiligt seitens der Universität Heidelberg war Juniorprofessorin Dr. Eva Blasco, Leiterin einer Arbeitsgruppe am Organisch-Chemischen Institut und am Institute for Molecular Systems Engineering and Advanced Materials. (rli)

Originalpublikation:
V. Hahn, P. Rietz, F. Hermann, P. Müller, C. Barner-Kowollik, T. Schlöder, W. Wenzel, E. Blasco, and M. Wegener: Light-sheet three-dimensional microprinting via two-colour two-step absorption. Nature Photonics, 2022. DOI: 10.1038/s41566-022-01081-0

Externer Link: www.kit.edu