TH Ingolstadt plant IT-System für größten Surfpark der Welt

Pressemitteilung der TH Ingolstadt vom 30.05.2022

Bei der Umsetzung der begleitenden Geschäftsprozesse hilft das Verfahren des „Prozessgesteuerten Ansatzes“ von THI-Professor Dr. Volker Stiehl

Mit dem Doppelprojekt SURFWRLD/SCNCWAVE entsteht im westfälischen Werne in den kommenden Jahren der größte Surf Park und die größte Hydrodynamikanlage der Welt. Dies setzt nicht nur sportliche und wissenschaftliche Maßstäbe, auch bei der Umsetzung der begleitenden Geschäftsprozesse geht das Vorhaben neue Wege. In Zusammenarbeit mit der Technischen Hochschule Ingolstadt (THI) implementiert ein Studierendenteam im Rahmen ihres Semesterprojektes Kernprozesse wie die Buchung von Surf-Zeiten nach einem innovativen Verfahren, das ausschließlich an der THI sowohl theoretisch im Bachelor-Studiengang Wirtschaftsinformatik als auch praktisch im neuen Master-Studiengang Business Information Systems Engineering vermittelt wird.

Dieses Verfahren, der „Prozessgesteuerte Ansatz“, wurde von Prof. Stiehl (THI) entwickelt. Es unterscheidet sich grundsätzlich von herkömmlichen Verfahren zur Umsetzung von Geschäftsprozessen, da Prozesse nicht mehr programmiert, sondern modelliert und auf Basis dieser Modelle auch ausgeführt werden, wie Prof. Dr. Volker Stiehl erklärt. Neben einer deutlich reduzierten Umsetzungszeit von Prozessen garantiere der Ansatz qualitativ hochwertige Software bei gleichzeitig voller Transparenz während der Ausführung: „Wie in einer Leitstelle bei komplexen Produktionsanlagen erhält der Betreiber eine Art Armaturenbrett (Dashboard), auf dem er die Zustände der Prozesse in Echtzeit nachvollziehen kann. Diese vollständige Transparenz in Echtzeit ist einmalig in der Entwicklung von Unternehmensanwendungen und wird die Softwareentwicklung nachhaltig verändern.“

Prozesse sind nötig, die man nicht von der Stange kaufen kann

Dass die TH Ingolstadt und SURFWRLD/SCNCWAVE zusammenarbeiten, ist einem glücklichen Zufall zu verdanken: Die Eltern von Prof. Dr. Volker Stiehl leben in Werne. So kam er mit dem Doppelprojekt in Kontakt. Prof. Stiehl: „Ich las über SURFWRLD in der lokalen Presse und mir war sofort klar, dass dieses Projekt Prozesse benötigt, die man so nicht einfach von der Stange kaufen kann. Dazu sind die Anforderungen einfach zu speziell. Also muss das Projektteam über individuelle Lösungen nachdenken und genau hier passt der prozessgesteuerte Ansatz wie der berühmte Deckel auf dem Topf.“

Die Projektentwickler- und Betreibergesellschaft SW war sofort begeistert. Geschäftsführer Dr. Michael Detering: „Der prozessgesteuerte Ansatz hilft uns in beiden Bereichen enorm. Wir haben so direkten Zugriff auf die IT-Landschaft, sind sehr flexibel und langfristig unabhängig von Anbietern. Dies bedeutet nicht, dass SW als Bauherr und Betreiber alle Vorgänge zukünftig selbst verwalten muss. Bei der Zusammenarbeit mit Partnern, Dienstleistern und IT-Firmen bleiben wir aber deutlich flexibler.“

Die Strukturen betreffen Sport, Freizeit und Wissenschaft

Die ersten Prozesse, die die THI-Studierenden und SW zunächst ins Auge fassen, betreffen beide Projektbereiche. Zum einen wird ein vernetztes System zum Surfbetrieb und zur Distribution aufgesetzt. Zum anderen sind die Strukturen auch für die Planungen und Verwaltung im Forschungsbereich gedacht. So müssen beispielsweise die Beckenauslastung und der auslastungsabhängige Personaleinsatz frühzeitig geplant werden, ebenso das Wassermanagement. Diese Beispiele verdeutlichen eines sehr schön, so Stiehl: „Den enormen Bedarf nach Prozessen, die stark miteinander verflochten und in dieser Form in keiner Standardsoftware vorzufinden sind. Genau hier spielt der prozessgesteuerte Ansatz seine Stärken aus und eröffnet SW die Flexibilität und Effizienz, die zum Betrieb dieses ehrgeizigen Projektes erforderlich sind.“

Erweiterung zum Energiemanagement möglich

Über die bisherigen Strukturen hinaus ist im Doppelprojekt für den prozessgesteuerten Ansatz auch ein weiteres Feld interessant. Die Anlage wird nicht nur mit nachhaltigen Baustoffen errichtet, sondern auch mit regenerativen Energien betrieben. SW plant hierzu Erzeugungskapazitäten mit Fotovoltaik und einer eigenen neuen Wasserkraftanlage in der benachbarten Lippe. Über das Jahr gesehen wird zwar mehr elektrische Energie erzeugt und ins Netz eingespeist, als das Doppelprojekt selbst benötigt. Erzeugung und Bedarf sind jedoch nicht gleichmäßig, sondern schwanken. Hinzu kommen E-Ladesäulen für Besucher und Beschäftigte. Auch diese werden in das Energie-Management eingebunden und sind zu fakturieren. Als Folge davon ist eine Vielzahl begleitender, höchst individueller Prozesse zu implementieren, für die der prozessgesteuerte Ansatz prädestiniert ist. Doch nicht nur das: Der prozessgesteuerte Ansatz trägt auch zur Nachhaltigkeit in der Softwareentwicklung bei und unterstützt somit die ehrgeizigen Nachhaltigkeitsziele des gesamten Projektes. Detering: „Es wäre mir nach den bisherigen Erfahrungen am liebsten, wenn wir auch dies über einen prozessgesteuerten Ansatz umsetzen würden.“

Externer Link: www.thi.de

Quantensysteme und Bienenflug

Medieninformation der Universität Innsbruck vom 12.05.2022

Quantensimulator liefert Einblicke in die Dynamik komplexer Quantensysteme

Mehr als zwei Billiarden verschiedene Zustände kann ein Quantensystem mit nur 51 geladenen Atomen einnehmen. Sein Verhalten zu berechnen, ist für einen Quantensimulator ein Kinderspiel. Doch nachzuprüfen, ob das Ergebnis stimmt, ist selbst mit aktuellen Supercomputern kaum noch zu schaffen. Ein Forschungsteam der Universität Innsbruck und der Technischen Universität München (TUM) hat nun gezeigt, wie solche Systeme sich mit im 18. Jahrhundert entwickelten Gleichungen überprüfen lassen.

Auf den ersten Blick erscheint ein System aus 51 Ionen überschaubar. Doch selbst wenn man jedes dieser geladenen Atome nur zwischen zwei Zuständen hin und her schaltet, ergeben sich mehr als zwei Billiarden verschiedene Anordnungen, die das System einnehmen kann.

Mit herkömmlichen Computern ist das Verhalten eines solchen Systems daher kaum mehr zu berechnen. Zumal eine einmal ins System eingebrachte Anregung sich auch sprunghaft weiterbewegen kann. Sie folgt einer als Lévy-Flug bekannten Statistik.

Charakteristisch für solche Bewegungen ist, dass neben den zu erwartenden kleineren Sprüngen immer wieder auch wesentlich größere auftreten. Auch beim Flug von Bienen und bei heftigen Börsenbewegungen kann man dieses Verhalten beobachten.

Simulation der Quantendynamik: klassisch ein schwieriges Problem

Während die Simulation der Dynamik eines komplexen Quantensystems selbst für klassische Superrechner eine harte Nuss ist, ist sie für Quantensimulatoren ein Kinderspiel. Doch wie soll man die Ergebnisse eines Quantensimulators überprüfen, wenn man sie nicht nachrechnen kann?

Beobachtungen an Quantensystemen legten nahe, dass sich zumindest das längerfristige Verhalten solcher Quantensysteme eventuell mit Gleichungen beschreiben lassen könnte, wie sie schon die Gebrüder Bernoulli im 18. Jahrhundert zur Beschreibung des Verhaltens von Flüssigkeiten entwickelt hatten.

Um diese Hypothese zu testen, nutzte das Team ein Quantensystem, das die Dynamik von Quantenmagneten simulierte. An diesem konnten sie nachweisen, dass das System nach einer Anfangsphase, in der quantenmechanische Effekte dominieren, tatsächlich mit Gleichungen beschrieben werden kann, wie sie aus der Fluiddynamik bekannt sind.

Darüber hinaus zeigten sie, dass dieselben Lévy-Flug-Statistiken, die die Suchstrategien von Bienen beschreiben, auch die fluiddynamischen Prozesse in diesem Quantensystem beschreiben.

Gefangene Ionen als Plattform für kontrollierte Quantensimulationen

Der Quantensimulator wurde am Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften am Campus der Universität Innsbruck aufgebaut. „Unser System simuliert effektiv einen Quantenmagneten, indem es den Nord- und Südpol eines Elementarmagneten durch zwei Energieniveaus der Ionen darstellt“, sagt Manoj Joshi, Wissenschaftler am IQOQI Innsbruck.

„Unser größter technischer Fortschritt bestand darin, dass es uns gelungen ist, jedes der 51 Ionen individuell ansteuern zu können“, erläutert Manoj Joshi. „Dadurch konnten wir die Dynamik beliebiger Anfangszustände untersuchen, was notwendig war, um die Entstehung der Fluiddynamik zu zeigen.“

„Während die Anzahl der Qubits und die Stabilität der Quantenzustände derzeit noch begrenzt ist, gibt es Fragen, für die wir die enorme Rechenleistung von Quantensimulatoren bereits heute nutzen können“, sagt Michael Knap, Professor für Kollektive Quantendynamik an der Technischen Universität München.

„In naher Zukunft werden Quantensimulatoren und Quantencomputer ideale Plattformen für die Erforschung der Dynamik komplexer Quantensysteme darstellen“, erläutert Michael Knap weiter. „Nun wissen wir, dass diese Systeme ab einem bestimmten Zeitpunkt den Gesetzmäßigkeiten der klassischen Fluiddynamik folgen. Gibt es starke Abweichungen davon, ist dies ein Indiz dafür, dass der Simulator nicht funktioniert.“

Originalpublikation:
Observing emergent hydrodynamics in a long-range quantum magnet. M. K. Joshi, F. Kranzl, A. Schuckert, I. Lovas, C. Maier, R. Blatt, M. Knap, C. F. Roos. Science, 13.05.2022

Externer Link: www.uibk.ac.at

Zug um Zug – neues Prüfverfahren entwickelt

Presseaussendung der TU Wien vom 16.05.2022

Forschende der TU Wien haben ein Zugprüfverfahren entwickelt, das für die mechanische Zugprüfung von Mikro- und Nanofasern geeignet ist. Das Besondere: Die Proben können reversibel an den Kraftsensor an- und abgekoppelt werden.

Möchte man die Steifigkeit oder Zugfestigkeit von Fasern im Nano- bis Mikrobereich testen, ist dies meist sehr aufwändig, denn die Proben müssen an beiden Seiten mit Klebstoff fixiert werden. Einerseits kostet die Trocknung des Klebstoffes Zeit, andererseits lässt sich der Sensor, an den die Faser angeklebt wird, nicht wiederverwenden.

Den TU-Forschern Mathis Nalbach, Philipp Thurner und Georg Schitter ist es nun gelungen, ein Testsystem zu entwickeln, das ebendiese Hürden überwindet. Das Funktionsprinzip ist wie folgt: Eine magnetische Kugel, die an die Nanofaser angebracht wird, lässt sich mit einer magnetischen Pinzette aufgreifen. So kann die Kugel in die an einen Kraftsensor angebrachten Gabel eingelegt und dadurch an den Sensor angekoppelt werden. Da sich die magnetische Kugel mittels der magnetischen Pinzette auch wieder aus der Gabel entfernen lässt, kann man umgehend eine weitere Nanofaser aufgreifen. Dadurch wird der Probendurchsatz signifikant erhöht. Das zum Patent angemeldete Zugprüfgerät „NanoTens“ stellten die Forschenden jüngst in der Zeitschrift „Review of Scientific Instruments“ vor.

An die Realbedingungen angepasst

Während man mit dem Rasterkraftmikroskop die mechanischen Eigenschaften einer Faser durch eine Nano-Eindringprüfung untersuchen kann, ermöglicht der NanoTens die Materialprüfung unter der für Fasern bedeutsameren mechanischen Belastung, der Zugbelastung. Philipp Thurner vom Forschungsbereich Biomechanik erklärt dies wie folgt: „Man kann sich die Vorrichtung wie einen mikroskopischen Gabelstapler vorstellen. Die magnetische Kugel, die an die Faser angeklebt wird, wird in die Gabel des Gabelstaplers eingelegt. Durch eine Auf- bzw. Abbewegung der Gabel kann man die Faser nun unter Zugbelastung testen. Diese Belastungsart ist vor allem für biologische Fasern wie z. B. Kollagenfibrillen relevant. Diese werden physiologisch hauptsächlich unter Zug belastet, und daher sind die mechanischen Eigenschaften unter eben dieser Belastung besonders relevant.“

Die Biomechaniker Nalbach und Thurner untersuchen zumeist natürliche Fasern wie Kollagen. Da deren mechanischen Eigenschaften stark von äußeren Bedingungen abhängen, ist es wichtig, diese auch bei der Zugprüfung zu berücksichtigen. „Dies gelingt uns, da mit dem NanoTens Zugversuche in unterschiedlichen Medien durchgeführt werden können. Eine trockene Kollagenfaser ist beispielsweise viel spröder und steifer als eine feuchte. Auch nimmt ihr Durchmesser signifikant ab, wenn sie ausgetrocknet wird“, sagt Mathis Nalbach, Erstautor der Studie.

Qualität und Quantität steigen

Den Forschenden gelingt es mit ihrer Methode nicht nur, physiologische Bedingungen zu simulieren, auch gewinnen die mit NanoTens generierten Ergebnisse an Validität. Denn um aussagekräftige Ergebnisse über biologische Materialien wie Kollagenfibrillen zu erhalten, bedarf es einer Vielzahl von Messungen. „Herkömmliche Verfahren erlauben uns nur, ein bis zwei Proben pro Woche zu untersuchen. Das macht es quasi unmöglich, statistisch aussagekräftige Studien durchzuführen“, schildert Nalbach das Problem. Philipp Thurner ergänzt: „Die neue Methode erlaubt ein schnelles An- und Abkoppeln der Fasern. Dadurch – und da der Sensor wiederverwendet wird – können wir nicht nur die Anzahl der Zugversuche auf bis zu 50 Messungen pro Woche, sondern auch die Präzision der Messung erhöhen.“

Die Zugversuche können – je nach Wahl – über einen großen Kraftbereich und zudem über eine Regelung auch kraftkontrolliert durchgeführt werden. Dies ist wichtig, da Zugprüfverfahren normalerweise davon ausgehen, dass das Material linear elastische Eigenschaften hat. Bei biologischen Geweben, wie beispielsweise Kollagenfibrillen, ist das jedoch nicht der Fall: Sie sind viskoelastisch. Durch kraftkontrollierte Zugversuche wird die Untersuchung eben dieser Viskoelastizität ermöglicht.

Von der Erfindung zum Produkt

NanoTens wurde bereits von der TU Wien international zum Patent angemeldet. Auch die Machbarkeit der Methode konnte nachgewiesen werden (TRL 6), wie in der Studie von Nalbach et al. nachzulesen ist. „Der nächste Schritt wäre, sich mit industriellen Partnern zusammenzuschließen. Wir hoffen, mit Hilfe des Forschungs- und Transfersupports eine_n Lizenznehmer_in zu finden. Wir sind an Kooperationen mit der Industrie zu diesem Thema interessiert“, sagt Mathis Nalbach. NanoTens ist dabei so konstruiert, dass es sich generell in jedes Eindrucksmessgerät oder auch Rasterkraftmikroskop integrieren lässt. Neben der Materialwissenschaft findet die Zugprüfung auch – unter anderem – in den Biowissenschaften, der Halbleitertechnik sowie der Elektronik Anwendung. (Sarah Link)

Externer Link: www.tuwien.at