Blutgefäße gezielt und schnell vergrößern

Presseinformation des KIT (Karlsruher Institut für Technologie) vom 23.10.2020

Nature Communications: Forschende des KIT stimulieren gezielte Vergrößerung von Endothelzellen in Arteriolen – Grundlagen für eine bessere Behandlung von Herzinfarkten und Schlaganfällen

Bei Herzinfarkten und Schlaganfällen muss die Blutversorgung möglichst schnell sichergestellt werden, um größere körperliche Schäden zu vermeiden. Zoologen des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) setzen auf einen neuen Mechanismus, um die Endothelzellen zu vergrößern und damit binnen Stunden den Blutdurchfluss zu verbessern. Das Team hat die Ergebnisse in der Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht. (DOI: 10.1038/s41467-020-19008-0).

„Wir verfolgen einen völlig neuen Ansatz“, betont Professor Ferdinand le Noble, Leiter der Abteilung Zell- und Entwicklungsbiologie am Zoologischen Institut (ZOO) des KIT. „Unser Fokus richtet sich nicht darauf, die Anzahl an Blutgefäßen zu erhöhen. Wir wollen die bereits vorhandenen Arterien erweitern, damit sie mehr Blut durchlassen“. Bereits kleine Veränderungen des Gefäßdurchmessers haben immense Auswirkungen auf den Blutfluss. Hierzu werden natürliche Prozesse genutzt, die dafür sorgen, dass im Laufe der Entwicklung aus kleinen Arterien größere Arterien entstehen. Typischerweise wird diese Entwicklung durch physikalische Prozesse, also den Blutfluss, ausgelöst und dauert relativ lange. Bis, zum Beispiel nach einem Gefäßverschluss, neue Blutgefäße nachgewachsen sind, braucht es in der Regel mehrere Tage. „Diese Zeit hat kein Kardiologe, der einen akuten Herzinfarkt behandeln muss“, erklärt le Noble.

Um den röhrenförmigen Innenraum der Blutgefäße schneller zu erweitern, sind prinzipiell zwei Mechanismen denkbar. Zum einen die vermehrte Produktion von Endothelzellen und zum zweiten die Vergrößerung bereits vorhandener Endothelzellen. Um nach einem Gefäßverschluss die Blutgefäße zu erweitern, sollten die Mechanismen strömungsunabhängig sein.

Das Protein VEGF ist als Schlüsselprotein in der Gestaltung und Ausbildung des Gefäßsystems bekannt. Gezielte Gefäßerweiterungen setzen voraus, dass VEGF nur lokal, also dort, wo es wirken soll, aktiv ist. Die Expertinnen und Experten am ZOO zeigen einen Mechanismus, mit dem sich die lokale Menge an VEGF dosieren lässt. VEGF gibt das Signal für eine gezielte Vermehrung der Endothelzellen und für eine Neumodellierung des endothelialen Zytoskeletts, in deren Folge sich der Durchmesser der Arterie erweitert. Die Neumodellierung des Zytoskeletts ist insofern entscheidend, als mit einer Größenzunahme der Endothelzellen auch eine Veränderung der Stabilität dieser Zellen einhergehen muss. Damit sie sich nicht nur schnell, sondern auch stabil ohne Verletzungen oder Ausstülpungen ausdehnen können, kommt mit Trio ein weiteres Protein zum Einsatz. Es sorgt als „Masterregulator“ dafür, dass der Umbau des endothelialen Gerüstes an den richtigen Stellen stattfindet.

„Wir hoffen, dass wir mit unserer Forschung langfristig zu einer Verbesserung der Behandlung akuter Herz-Kreislauf-Erkrankungen beitragen können“, betont le Noble. An Zebrafischembryonen und Modellen von Endothelzellen erfolgreich nachgewiesen soll der neue Mechanismus jetzt weiter präklinisch erprobt werden. Perspektivisch könnten die Ergebnisse der Forschungen am ZOO in die Entwicklung von Wirkstoffen einfließen, die zum einen mittels VEGF in Arteriolen selektiv Wachstumsprozesse anregen, zum anderen das Protein Trio aktivieren und deaktivieren. An der vierjährigen Studie waren neben dem KIT auch das Deutsche Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) mit seinen Standorten Heidelberg, Göttingen und München sowie Forschungskollegen aus den Niederlanden und Finnland beteiligt. (sur)

Originalpublikation:
Klems, A., van Rijssel, J., Ramms, Anne S., Wild, R., Hammer, J., Merkel, M., Derenbach, L. Préau, L., Hinkel, R., Suarez-Martinez, I., Schulte-Merker, S., Vidal, R., Sauer, S., Kivelä, R., Alitalo, K., Kupatt, C., van Buul, J. D., le Noble, F. (2020): The GEF Trio controls endothelial cell size and arterial remodeling downstream of Vegf signaling in both zebrafish and cell models. Nature Communications, 2020, DOI: 10.1038/s41467-020-19008-0

Externer Link: www.kit.edu

Bessere Laserstrahlen durch neuen Lichtstreuungs-Trick

Presseaussendung der TU Wien vom 19.10.2020

Eine völlig neue Methode, extrem kurze und energiereiche Laserpulse herzustellen, wurde an der TU Wien entwickelt.

Laserpulse mit extrem hoher Energie spielen in der heutigen Forschung eine wichtige Rolle – Anwendungen reichen von der Atomphysik bis zur Untersuchung der Atmosphäre. Allerdings braucht man für viele Anwendungen Laserstrahlen mit einer höheren Wellenlänge als man sie mit herkömmlichen Festkörperlasern erzeugen kann. Schon lange forscht man daher an speziellen Tricks, mit denen sich die Wellenlänge eines Laserstrahls erhöhen lässt.

Einen ganz neuen Ansatz verfolgte nun ein Team der TU Wien, mit Unterstützung aus Kanada und Russland. Der Laserstrahl wird durch ein dünnes Rohr geschickt, das mit Stickstoff gefüllt ist. Wenn ein Photon des Laserstrahls in Kontakt mit einem Stickstoff-Molekül kommt, kann es dabei ein kleines bisschen Energie verlieren, dadurch wird die Wellenlänge größer. So kann durch viele kleine Lichtstreuungen die Wellenlänge des Lasers angepasst werden ohne einen großen Teil der Lichtintensität zu verlieren. Aus diesem Licht lassen sich dann kurze, extrem kräftige Laserpulse erzeugen. Die neue Methode wurde nun im Fachjournal „Optica“ präsentiert.

Verschiedene Wellenlängen, zum Puls überlagert

Ein gewöhnlicher Laserpointer, der durchgehend leuchtet, hat nur eine ganz bestimmte Wellenlänge. Bei kurzen Laserpulsen ist das allerdings anders. „Einen kurzen Puls kann man nur erzeugen, wenn man unterschiedliche Wellenlängen auf die richtige Weise überlagert“, erklärt Paolo Carpeggiani vom Institut für Photonik der TU Wien. „Daher sucht man nach Methoden, das Laserlicht so zu verändern, dass es aus vielen unterschiedlichen Wellenlängen besteht. Besonders günstig ist der Mikrometer-Bereich – also Wellen, die deutlich länger sind als man sie etwa mit gewöhnlichen Saphir-Lasern erzeugen kann.“

Spezielle Tricks, mit denen man die Wellenlängen eines Laserstrahls in diesem Bereich einstellen kann, wurden bereits getestet – die sogenannten „Optical Parametric Amplifiers“. „Sie sind sehr flexibel in Bezug auf das Wellenlängenspektrum, das sie erzeugen können, aber sie haben auch Nachteile“, sagt Paolo Carpeggiani. „Sie sind extrem kompliziert, kosten viel Geld und ein großer Teil der Laserenergie geht dabei verloren.“

Moleküle als Energie-Absorber

Das Team der TU Wien setzte daher auf einen in der Atomphysik wohlbekannten Effekt – die sogenannte Raman-Streuung. Ein Photon wird an einem Molekül gestreut, und ein kleiner Teil seiner Energie wird dabei an das Molekül abgegeben. Wenn das Photon das Molekül verlässt, hat es daher eine geringfügig größere Wellenlänge als zuvor.

Man verwendete daher eine hohle Glasfaser mit einem Durchmesser von einem Millimeter und einer Länge von mehr als fünf Metern. Die Faser wurde mit Stickstoff gefüllt und der Laserstrahl wird durchgeschickt. „Indem wir den Druck des Stickstoffgases im Inneren der Faser verändern, können wir bestimmen, wie häufig es im Inneren zu Streuprozessen kommt. So können wir kontrollieren, wie stark sich die Wellenlänge des Laserlichts erhöhen soll“, erklärt Paolo Carpeggiani.

Weil nicht alle Photonen auf ihrem Weg durch die Glasfaser exakt gleich viel Energie verlieren, hat man danach einen Laserstrahl, der sich aus vielen unterschiedlichen Wellenlängen zusammensetzt – und der eignet sich ausgezeichnet, um daraus ultrakurze und extrem energiereiche Pulse zu erzeugen.

„Damit diese Methode funktioniert, mussten wir ganz spezielle Ytterbium-Laser verwenden. Außerdem war es eine große technische Herausforderung, eine derart lange, perfekt gerade Faser herzustellen“, sagt Paolo Carpeggiani.

Vielversprechendes neues Werkzeug

„Die Grundidee ist einfach, aber dass diese Methode tatsächlich funktioniert, war zunächst alles andere als offensichtlich“, meint Paolo Carpeggiani. „Unsere experimentellen Ergebnisse waren viel besser als man zunächst mit einfachen theoretischen Modellen erklären konnte. Erst als in Moskau dann ein detailliertes dreidimensionales Simulationsmodell entwickelt wurde, war klar, warum die Methode so erfolgreich ist.“

Mit der neuen Glasfasermethode steht jetzt ein völlig neues Werkzeug zur Erzeugung von Laserpulsen zur Verfügung – in einem Wellenlängenbereich, der zuvor schwer zugänglich war, und mit einer extrem hohen Energie. „Es gibt unzählige Laseranwendungen, die einstellbare Wellenlängen bei hohen Laserintensitäten erfordern. Daher kann unsere Methode für viele verschiedene Forschungsbereiche von großem Nutzen sein“, sagt Paolo Carpeggiani. Die Laserpulse können auch verwendet werden, um Röntgenstrahlen für hochentwickelte Messungen in der Atomphysik zu erzeugen, oder sie können sogar als chemische Sensoren eingesetzt werden, die Spuren von Gasen in der Luft messen. (Florian Aigner)

Originalpublikation:
P.A. Carpeggiani et al., Extreme Raman red shift: ultrafast multimode nonlinear space-time dynamics, pulse compression, and broadly tunable frequency conversion, Optica 7, 10 (2020).

Externer Link: www.tuwien.at

Neue Lichtquellen für die virtuelle und erweiterte Realität

Pressemitteilung der Universität Kassel vom 20.10.2020

In der Freizeit und im Arbeitsleben werden zukünftig immer mehr Menschen die virtuelle Realität (= VR) oder erweiterte Realität (AR = augmented reality) nutzen – Kasseler Wissenschaftler haben eine neue Lichtquelle dafür entwickelt

Bereits jetzt interagieren Menschen mit Hilfe von ausgeklügelten Sensoren und 3-dimensionalen Bildern mit der virtuellen Welt. Das betrifft nicht nur Computerspieler, sondern auch Chirurgen oder Piloten sehen immer öfter Bilder einer durch Messdaten erweiterten Realität, beispielsweise durch spezielle Brillen. „Die Technik ist hier ein wertvolles Hilfsmittel, um sich in komplizierten Umgebungen sicher zurechtzufinden“, sagt Prof. Dr. Bernd Witzigmann, der an der Universität Kassel das Fachgebiet „Computational Electronics und Photonics (CEP)“ leitet.

„Für die Realisierung der aufwändigen Raum- und Bildvermessung sowie der 3-dimensionalen Bilddarstellung werden effiziente, leistungsstarke und kostengünstige Lichtquellen benötigt, die im infraroten oder sichtbaren Bereich arbeiten“, erklärt Witzigmann. Während Halbleiterlaser leistungsstark sind, und mit hoher Strahlqualität punkten können, sind LEDs (lichtemittierende Dioden) kostengünstig und erzeugen sogenanntes inkohärentes Licht. „Für die Bildgebung ist das ein großer Vorteil“, schildert Witzigmann.

An der Universität Kassel wurde nun mit dem Unternehmen Osram Opto Semiconductors eine neuartige Basistechnologie für eine Lichtquelle entwickelt, die die Vorteile der Strahleigenschaften und Leistungsdichte eines Lasers mit der Bildgebungsqualität und Kosteneffizienz einer LED vereint.

Basierend auf der kommerziellen LED-Technologie wurde eine sogenannte superlumineszente LED realisiert, die erstmals oberflächenemittierend ist und dadurch ähnlich einfach zu handhaben wie ein klassische LED. Die Details der Arbeit werden in einem Artikel in der Zeitschrift Compoundsemiconductor beschrieben, der im Oktober erschienen ist.

Veröffentlichung:
Compoundsemiconductor, Vol. 26, Issue 7, S. 54

Externer Link: www.uni-kassel.de

IT zum Anziehen: Färbe-Verfahren verleiht Textilien elektronische Eigenschaften

Pressemitteilung der Universität des Saarlandes vom 13.10.2020

Ob im Fitnessbereich, in der Medizin oder in der Unterhaltungsbranche: Am Körper getragene IT-Geräte wie zum Beispiel Smartwatches werden immer beliebter. Anwendungen dieser Art profitieren davon, wenn sich das Eingabegerät möglichst natürlich an den Körper anpasst – etwa in Form von elektrosensitiven Stoffen, sogenannten E-Textilien. Informatiker der Saar-Universität zeigen, wie man diese Textilien vergleichsweise unkompliziert herstellen kann und eröffnen damit neue Nutzungs-Szenarien.

„Unser Ziel war es, interaktive Funktionen direkt in die Fasern von Textilien zu integrieren, anstatt nur elektronische Komponenten daran zu befestigen“, sagt Jürgen Steimle, Informatik-Professor der Universität des Saarlandes. Mit seiner Forschungsgruppe zu Mensch-Computer-Interaktion am Saarland Informatics Campus erforscht er, wie Computer und deren Bedienung möglichst nahtlos in die physische Welt integriert werden können. Darunter fällt auch der Einsatz elektro-interaktiver Stoffe.

Bisherige Ansätze zur Herstellung dieser Textilien sind aufwändig und beeinflussen das Tragegefühl des Materials. Die Methode der Saarbrücker Informatiker erlaubt, Textilien und Kleidungsstücke auch nachträglich in E-Textilien umzuwandeln, ohne deren ursprüngliche Trage-Eigenschaften zu beeinflussen – sie bleiben dünn, dehnbar und anschmiegsam. Damit schaffen sie die Möglichkeit, schnell und vielseitig mit neuen Formen von E-Textilien zu experimentieren und diese in IT-Geräte zu integrieren.

„Gerade für am Körper getragenen Geräte ist es wichtig, dass sie die Bewegung möglichst wenig einschränken und dennoch hochauflösend Eingabesignale verarbeiten können“, erklärt Paul Strohmeier, einer der Initiatoren des Projektes und Wissenschaftler in Steimles Forschungsgruppe. Um dies zu erreichen, nutzen die Forscher das Verfahren der In-Situ-Polymerisation. Die elektrischen Eigenschaften werden dabei in den Stoff „eingefärbt“: Ein Textil wird in einem Wasserbad einer chemischen Reaktion ausgesetzt, der sogenannten Polymerisation, wodurch es elektrisch leitfähig wird und empfindlich auf Druck und Dehnung reagiert, also sogenannte piezoresistive Eigenschaften erhält. Indem sie nur bestimmte Stellen eines Textils „einfärben“ oder einzelne Fäden polymerisieren, können die Saarbrücker Informatiker maßgeschneiderte E-Textilien produzieren.

In ihren Testläufen haben die Forscher so Handschuhe hergestellt, die Handbewegungen digital erfassen können, einen Reißverschluss, der je nach Öffnungsgrad verschiedene Spannungen überträgt, und Sport-Tapes, die sich zu einem am Körper befestigten Bedienelement verwandeln.

Auch andere Materialien als Textilien können mit dem Verfahren bearbeitet werden. Die Pariser Künstlerin Audrey Briot hat ein Abendkleid aus berührungsempfindlichen Federn hergestellt, die über einen Computer Töne erzeugen, wenn man sie anfasst. Die Federn hat sie nach der Methode der Saarbrücker Informatiker polymerisiert. Das Kleid wurde für den STARTS-Preis der Europäischen Kommission nominiert.

Eine wissenschaftliche Publikation zu dem Verfahren mit dem Titel „PolySense: Augmenting Textiles with Electrical Functionality using In-Situ Polymerization” entstand in der Forschungsgruppe zur Human-Computer-Interaction am Saarland Informatics Campus an der Universität des Saarlandes. Beteiligte Saar-Forscher waren: Prof. Dr. Jürgen Steimle, Dr. Paul Strohmeier, Dr. Marc Teyssier und Dr. Bruno Fruchard. Weiterhin beteiligt waren: Cedric Honnet (MIT Media Lab), Hannah Perner-Wilson (Kobakant) und Dr. Ana C. Baptista (CENIMAT/I3N, Neue Universität Lissabon). Der Fachaufsatz wurde 2020 im Rahmen der weltgrößten Konferenz des Forschungsbereiches, der ‚ACM Conference on Computer Human Interaction (CHI)‘, veröffentlicht.

Externer Link: www.uni-saarland.de