JKU entwickelt in Kooperationsprojekt Knochenschrauben bei Kreuzbandrissen

Pressemeldung der JKU Linz vom 08.11.2023

Egal ob beim Sport oder einfach bei einer unglücklichen Bewegung: Kreuzbandrisse kommen extrem häufig vor.

In einem Kooperationsprojekt mit der Firma surgebright und dem Bezirkskrankenhaus Schwaz in Tirol wurden an der Johannes Kepler Universität Linz neuartige Knochenschrauben entwickelt, die bald die bisher verwendeten Schrauben ersetzen sollen.

Die Kreuzbandrekonstruktion mit Interferenzschrauben ist eine weit verbreitete Operationsmethode. Normalerweise bestehen diese Schrauben aus Metall (vor allem Titan) oder bioresorbierbaren Materialien wie Kunststoff oder Keramik. In beiden Fällen handelt es sich um Fremdkörper, die Probleme bereiten können.

„Wir versorgen allein in unserem Krankenhaus jedes Jahr hunderte Patient*innen mit Kreuzbandrissen. Sehr weit verbreitet sind Schrauben aus Kunststoffen, die sich später auflösen sollen. Durch diesen Auflöseprozess bleiben oft große Defekte im Knochen, sogenannte Osteolysen, zurück. Reißt das Kreuzband dann erneut, stehen Patient*innen und Chirurg*innen vor schwer zu lösenden Problemen. Durch diese Knochendefekte hält das neue Kreuzband nicht mehr“, so Prim. Dr. Markus Reichkendler vom Bezirkskrankenhaus Schwaz. Eine Alternative: Schrauben aus Knochen, wie sie die Firma surgebright aus Lichtenberg (OÖ) anbietet.

Knochenmaterial wird in den Körper eingebaut

„Schrauben aus menschlichen Knochen werden von körpereigenen Knochenzellen besiedelt und in körpereigenen Knochen umgewandelt. Osteolysen sind damit Geschichte. Dieser Vorgang bei der sogenannten Shark-Screw konnte bereits in einigen Publikationen in internationalen Topp-Fachzeitschriften nachgewiesen werden“, erklärt Surgebright-Geschäftsführer Thomas Pastl. Um maximale Patient*innensicherheit gewährleisten zu können, werden die Knochenschrauben sterilisiert. „Diese österreichische Entwicklung ist ein großer Meilenstein für Chirurg*innen und Patient*innen und nicht zuletzt für das weltweite Gesundheitswesen“, so Pastl.

Dass Schrauben aus Knochen hervorragend funktionieren, ist längst bekannt und wird im klinischen Alltag jährlich tausendfach verwendet – allerdings gab es bislang keine Knochenschrauben, die technisch für Kreuzbandrisse geeignet waren. Sie waren entweder zu klein und hielten dem Drehmoment nicht stand oder waren so groß, dass der Schraubenkopf im Körper abgesägt werden musste.

Hier kam das Institut für Medizin- und Biomechatronik der JKU ins Spiel. „Wir haben das Problem gemeinsam erörtert und dann Schrauben mit einer speziellen Konstruktion entwickelt. Die Schrauben- und Gewindeform erlaubt es endlich, diese Schrauben auch zur Befestigung von Kreuzbandplastiken nach einem Kreuzbandriss zu verwenden“, so Institutsleiter Univ.-Prof. Dr. Werner Baumgartner. Notwendig waren dazu sowohl umfangreiche Berechnungen als auch zahlreiche praktische Experimente.

„Am Ende haben wir es geschafft – in den Tests hat sich die neue Schraube bestens bewährt“, freut sich DI Sebastian Lifka (Institut für Medizin- und Biomechatronik der JKU).

Klinische Studie geplant

Die neuen Schrauben sind somit speziell für die Behandlung von Kreuzbandrissen geeignet, sind für den Körper verträglicher und heilen schneller. Das neue Verfahren für die speziellen Schrauben wurde bereits im renommierten Fachmagazin „Bioengineering“ publiziert. Die bessere Wirksamkeit der Schrauben soll demnächst in einer klinischen Studie wissenschaftlich analysiert werden, um schon bald Patient*innen mit Kreuzbandriss zur Verfügung zu stehen.

Externer Link: www.jku.at

TU Graz-Forschende erzeugen Pseudouridin mittels biokatalytischer Synthese

Pressemeldung der TU Graz vom 25.04.2023

Effizienter, nachhaltiger und kostengünstiger als die bisher eingesetzte chemische Synthese ist die neue und patentierte Methode zur Herstellung des wichtigen mRNA-Impfstoffbestandteils Pseudouridin.

Forschende des Instituts für Biotechnologie und Bioprozesstechnik der TU Graz sowie des Austrian Centre of Industrial Biotechnology (acib) haben eine neuartige Methode zur Herstellung zentraler Bestandteile von mRNA-Impfstoffen entwickelt und diese zum Patent angemeldet. In einem in der Fachpublikation „Nature Communications“ veröffentlichten Artikel legen Bernd Nidetzky, Martin Pfeiffer und Andrej Ribar dar, wie sie den wesentlichen Impfstoffbestandteil Pseudouridin mittels biokatalytischer Synthese erzeugen und damit eine Alternative zur bisherigen Methode der chemischen Synthese geschaffen haben.

Ein Prozessschritt genügt

Diese Alternative bietet einige entscheidende Vorteile: Bei der chemischen Synthese von Pseudouridin kommen nicht nur toxische Reagenzien und seltene Rohstoffe zur Anwendung, sondern sie ist aufgrund der notwendigen vier bis acht Prozessschritte und der Kühlung auf minus 20 Grad sehr energie- und zeitaufwendig. Bei der Biokatalyse hingegen ist nur ein Prozessschritt mit vier parallellaufenden Reaktionen erforderlich, die bei Raumtemperatur stattfinden. Zudem braucht es als Katalysatoren nur vier Enzyme (Uridin Phosphorylase, Phosphopentose Mutase, Pseudouridin Monophosphate Glycosidase, Phosphatase), die recht einfach mit E.coli Bakterien hergestellt werden können. Bei der Biokatalyse fallen auch keine Abfallstoffe an, der einzige Abfall ist Phosphat, das aber während des Katalyseprozesses wieder rezykliert wird.

Ein weiterer gewichtiger Vorteil ist die Effizienz. Da bei der chemischen Herstellung von Pseudouridin, verkürzt gesagt, das für Impfstoffe weniger effiziente, natürlich vorkommende Uridin umgewandelt wird, gibt es während des Umwandlungsprozesses keine hundertprozentige Ausbeute. Mit der biokatalytischen Synthese gelingt aufgrund der geringeren Anzahl an Prozessschritten allerdings eine Ausbeute von 92 bis 95 Prozent, während es bei den bisher publizierten chemischen Prozessen gerade einmal 40 bis 50 Prozent sind.

Inspiration aus der Natur

Um dieses neue Verfahren zu entwickeln, haben die Forschenden auf eine ihrer früheren Studien aufgebaut, bei der sie das Enzym YeiN als Biokatalysator für die Herstellung von C-Nukleotiden entdeckt hatten. Da Pseudouridin das C-Nukleoside des RNA-Bausteins Uridin ist, hatten sie die Idee, das mittels bakterieller Fermentationen in großen Mengen herstellbare Uridin als Rohstoff zu nehmen und die Bindung zwischen dessen Grundbausteinen neu zu knüpfen. Die Inspiration dafür kam aus der Natur.

So hat Uridin, im Gegensatz zu Pseudouridin, eine N-glykosidische Bindung, die beim natürlichen Abbau in den Zellen mittels des Enzyms Uridin Phosphorylase in Ribose-1-phosphat (Zucker) und Uracil gespalten wird. Danach kommt das Enzym Phosphopentose Mutase zum Einsatz, welches das Ribose-1-phosphat zu Ribose-5-phosphat umlagert, das in den Zellen verstoffwechselt wird. Es folgt die Anwendung des YeiN-Enzyms, mit dem die Verknüpfung des Ribose-5-phosphats und des Uracils zu Pseudouridin-5-phosphat erfolgt. Mittels Phosphatase wird das Phosphat noch vom Pseudouridin abgespalten und man ist am Ziel. Da das Pseudouridin noch dazu wesentlich weniger wasserlöslich ist als Uridin, kristallisiert es im Laufe der Reaktion einfach aus und lässt sich daher unkompliziert durch Abfiltern des Reaktionsüberstandes gewinnen.

Herstellung bald im größeren Maßstab

„Unsere Arbeit zeigt, dass die Biokatalyse eine potente Alternative zur chemischen Synthese von C-Nukleotiden wie Pseudouridin darstellt“, erklärt Bernd Nidetzky, der Leiter des Instituts für Biotechnologie und Bioprozesstechnik der TU Graz. „Wir hoffen, die Herstellung bald im größeren Maßstab umzusetzen und so Pseudouridin nachhaltig und billig in größeren Mengen zur Verfügung zu stellen. Das könnte mittelfristig eventuell auch die Herstellung von mRNA-Impfstoffen günstiger machen, da potenzielle Partner aus der Industrie unsere Anwendung recht zeitnah implementieren könnten.“ (Falko Schoklitsch)

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Geschmeidige Gefäße

Pressemeldung der TU Graz vom 17.01.2023

B-Vitamine tragen wesentlich zu reibungslosen Stoffwechselprozessen bei, sorgen für Hormon- und Blutbildung sowie gesunde Nerven. Grazer Forscherinnen und Forscher haben nun herausgefunden, dass B-Vitamine auch unsere Blutgefäße „geschmeidig“ halten.

Bislang galt ein hoher Cholesterinspiegel, der zur Bildung atherosklerotischer Plaques und dadurch zur Verengung der Arterien führt, oft als einziger treibender Faktor bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Grazer Wissenschafter*innen haben festgestellt, dass sich auch ein Mangel an B-Vitaminen negativ auf die Gefäße auswirkt. „Sind zu wenig B-Vitamine vorhanden, werden die Arterien steifer. Trifft ein B-Vitamin-Defizit auf erhöhtes Cholesterin, macht dies die Gefäßwände der Arterien noch dicker und verengt die Gefäße noch mehr. Außerdem können sich die Gefäße dann nicht mehr gut zusammenziehen und entspannen“, fasst die Biochemikerin Oksana Tehlivets von der Universität Graz die Ergebnisse des Forschungsteams von Med Uni Graz, TU Graz und Uni Graz zusammen.

Hierzu wurde im Vorfeld ein Forschungsmodell zur maschinell kontrollierten Erzeugung von atherosklerotischen Gefäßwandverdickungen von Gerd Hörl, Peter Opriessnig und Gunter Almer, Erstautor der Publikation, gemeinsam entwickelt. Auf der Expertise der drei an der Med Uni Graz tätigen Forscher wurde dann die Idee zur Erforschung atherosklerotischer Grundlagen mit Oksana Tehlivets aufgebaut. Gerhard Sommer von der TU Graz steuerte biomechanische Untersuchungen von arteriellem Gewebe bei.

Warum gerade B-Vitamine eine so entscheidende Rolle für die Gefäßgesundheit spielen, hängt möglicherweise mit einer ihrer Aufgaben zusammen. Sie sind nämlich am Abbau des Zellgiftes Homocystein beteiligt, das im Zuge der natürlichen Zellfunktionen entsteht. „Wenn dieser Abbau nicht stattfindet, stoppt Homocystein andere wichtige zelluläre Prozesse“, erläutert Tehlivets eine der negativen Folgen einer Unterversorgung mit B-Vitaminen. Homocystein ist seit langem als unabhängiger Risikofaktor für Atherosklerose bekannt und wird mit verschiedenen Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Verbindung gebracht. Wie es dazu beiträgt, ist noch nicht vollständig geklärt. „Es ist aber wichtig, diese Rolle zu verstehen, da erhöhte Homocysteinspiegel im Alter vermehrt auftreten“, schildert Tehlivets.

Die meisten B-Vitamine sind übrigens sowohl in tierischen als auch in pflanzlichen Lebensmitteln enthalten, zum Beispiel in grünem Blattgemüse, Hülsenfrüchte, Vollkornprodukten, Nüssen und Samen. Vitamin B12 ist dagegen in ausreichenden Mengen ausschließlich in tiereschen Produkten wie Fisch, Fleisch, Eiern, Milch und Milchprodukten zu finden.

Die Arbeit wurden vom österreichischen Wissenschaftsfond FWF sowie von BioTechMed-Graz, dem Zusammenschluss von Uni Graz, Med Uni Graz und TU Graz zur gemeinsamen Forschung für Gesundheit, gefördert. (BioTechMed-Graz)

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Designer-Immunzellen für Arzneimittelherstellung und -sicherheit

Presseinformation (Forschung Kompakt) der Fraunhofer-Gesellschaft vom 01.12.2022

Um Tierversuche zu vermeiden und Therapeutika noch präziser testen zu können, greift die Pharmaindustrie zunehmend auf menschliche Immunzellen zurück. Deren Verfügbarkeit war bisher jedoch begrenzt. Fraunhofer-Forschenden ist es gelungen, die Herstellung von maßgeschneiderten Immunzellen vom Labormaßstab auf die industrielle Fertigung zu übertragen.

Ob für neue Krebstherapien oder die Entwicklung und Prüfung neuer Medikamente – in der modernen Medizin spielen humane Immunzellen und Immunzellpräparate eine immer größere Rolle. Um sie für die Gesundheitsforschung zu gewinnen, war die Industrie lange auf menschliche Spender angewiesen oder sie nutzte Zelllinien verschiedener Krebsarten. Das Problem: Die Prozesse ließen sich damit nicht standardisieren, da jeder Mensch und jede Krebszelle einzigartig ist. Ein Gamechanger war eine Entdeckung zweier Stammzellforscher aus Japan und Großbritannien: Ihnen gelang es 2006, reife Hautzellen in sogenannte induzierte pluripotente Stammzellen (iPSC) umzuwandeln, die sich anschließend wieder in verschiedene Zelltypen weiterentwickeln können. Dafür erhielten Yamanaka und Gurdon 2012 den schnellsten Nobelpreis der Medizingeschichte.

Diese iPSC – und ihre Eigenschaft, sich unbegrenzt zu teilen und zu differenzieren – machen sich Prof. Nico Lachmann und sein Team am Fraunhofer-Institut für Toxikologie und Experimentelle Medizin ITEM und der Medizinischen Hochschule Hannover MHH zunutze. Die Forschenden haben ein bisher einmaliges Verfahren entwickelt, um aus diesen iPSC kontinuierlich spezifische, reife Immunzellen herzustellen – und zwar in skalierbaren Systemen, vom kleinen Maßstab bis hin zur industriellen Verwendung. Dies geschieht in einem Gerät, das an eine große Schneekugel erinnert. Die Stammzellen werden in eine Lösung hineingegeben und stetig in Bewegung gehalten. Mittels neuartiger Bioprozesse produzieren sie dann kontinuierlich die Immunzellen. Erst nach etwa drei Monaten müssen die iPSC erneuert werden, um eine gleichbleibende Qualität zu gewährleisten.

Immunzellen im großen Maßstab

Der Clou an dem Verfahren: Es ist in 3D, statt bisher in 2D am Boden einer Petrischale, konzipiert. So können deutlich größere Mengen der Designer-Immunzellen hergestellt werden. Der Maßstab ist dabei beliebig erweiterbar. Prof. Lachmann betont: »Wir haben drei Jahre daran geforscht, welches Medium, welcher Winkel, welche Geschwindigkeit optimal sind für die standardisierte Herstellung von Immunzellen aus iPSC und viele Parameter immer wieder angepasst. Die so optimierte Methode ist ein großer Gewinn für die Erforschung und Bewertung von Arzneimittelkandidaten, denn wir können ihre Wirksamkeit und Sicherheit direkt an den menschlichen Zielstrukturen testen, ohne dafür den Umweg über Tierversuche nehmen zu müssen.«

Spezialisiert hat sich seine Gruppe zunächst auf Makrophagen, also Fresszellen, die als wichtiger Teil der menschlichen Immunantwort zum Beispiel Bakterien bekämpfen. Im nächsten Schritt wollen Prof. Lachmann und sein Team sogenannte zellbasierte Potency-Assays (z.B. für Krebsmedikamente) aufbauen. Diese Prüfsysteme können die Wirkstärke biologischer und biotechnologischer Arzneimittel messen und spielen eine wesentliche Rolle bei der Qualitätskontrolle und Freigabe von Wirkstoffen und Arzneimitteln. Basierend auf ihrer Schlüsseltechnologie zur kontinuierlichen Produktion von Makrophagen wollen die Forschenden auch neue Herstellungsverfahren für unterschiedliche voll standardisierte Immunzellprodukte und zellbasierte Immuntherapien entwickeln und damit weitere Anwendungen erschließen.

Breites Anwendungsspektrum

Das Potenzial der Designer-Immunzellen ist riesig: So sind sie zum Beispiel genetisch so veränderbar, dass sie leuchten, wenn sie in Medikamenten Verunreinigungen detektieren. Diese sind bisher nur sehr aufwendig nachweisbar. Künstliche Hautgewebe, an denen heute schon Kosmetika getestet werden, könnten – angereichert um Immunzellen – die Reaktionen eines menschlichen Organismus noch besser abbilden. Denkbar wäre auch, die Luftqualität durch solche Zellen zu prüfen, denn beim Einatmen sind es Makrophagen und andere Immunzellen, welche zuerst auf Schadstoffe in der Luft reagieren. Und nicht zu vergessen die therapeutische Wirkkraft: In Zukunft könnten spezifisch angepasste, künstlich hergestellte Immunzellen sogar im Körper von Patientinnen und Patienten Krankheiten wie Krebs heilen.

Es verwundert also nicht, dass Pharmaunternehmen, Kosmetikhersteller, aber auch Forschungsorganisationen schon heute ein großes Interesse an dem Verfahren und an den Designer-Immunzellen haben. »Die Nachfrage bestätigt uns, dass die Technologie ein großes Potenzial zur praktischen Verwertung hat. Das eruieren wir im Moment«, freut sich Nico Lachmann.

Externer Link: www.fraunhofer.de

Neuer Gebärmutterhalskrebs-Test erkennt Krebsvorstufen Jahre im Voraus

Medieninformation der Universität Innsbruck vom 19.10.2022

Ein neu entwickelter Test erkennt frühe Krebsvorstufen am Gebärmutterhals. Dieses Verfahren funktioniert besser als derzeit verfügbare Methoden und erkennt die Veränderungen bereits Jahre vor der Krebsentstehung. Entwickelt wurde der Test unter der Leitung von Martin Widschwendter, Professor für Krebsprävention und Screening an der Universität Innsbruck. Der neue Test ist Teil eines Forschungsprogrammes welches ermöglichen soll, durch einen einzelnen Gebärmutterhalsabstrich das Erkrankungsrisiko für vier Krebsarten (Brust-, Eierstock-, Gebärmutterkörper- und Gebärmutterhalskrebs) vorherzusagen.

Die heute in der Fachzeitschrift Genome Medicine veröffentlichte Studie berichtet über eine neue, sensiblere und aussagekräftigere Methode der Gebärmutterhalskrebs-Früherkennung – den WID-CIN Test – mit der Krebsvorstufen des Gebärmutterhalses zuverlässig identifiziert oder vorhergesagt werden können. Aktuell besteht die Früherkennung des Gebärmutterhalskrebs in Österreich aus Untersuchung mikroskopischer Veränderungen der Zellen des Gebärmutterhalses. Der neue Test erkennt Krebsvorstufen jedoch bereits, wenn mikroskopisch noch keine Veränderungen sichtbar sind und könnte somit ein gezielteres Screening ermöglichen. Die Methode wurde von Martin Widschwendter, Professor für Krebsprävention und Screening an der Universität Innsbruck und dem University College London, seinem Team und Mitarbeiter*innen des Karolinska Instituts in Stockholm entwickelt.

Test untersucht DNA-Methylierung

Die Studie ist Teil eines umfassenden Forschungsprogramms, in dessen Rahmen ein Screeningtest für alle frauenspezifischen Krebserkrankungen anhand einer einzelnen Probe entwickelt wird. Dieser Test soll anhand verschiedener molekularer Signaturen somit das künftige Risiko für vier Krebsarten, Brust-, Eierstock-, Gebärmutterkörper- und Gebärmutterhalskrebs, vorhersagen.

Der neue WID-CIN Test ist Teil des überspannenden Tests und untersucht die DNA-Methylierung von Gebärmutterhalszellen. Bei der DNA-Methylierung handelt es sich um eine Veränderung des Erbguts, die von Umweltfaktoren beeinflusst werden kann. Diese teilt den Zellen mit, welche Teile des genetischen Codes sie ablesen sollen. Diese sogenannten epigenetischen Veränderungen können das Risiko für bestimmte Krankheiten wie Krebs erhöhen. Die Forscher*innen wollen damit nicht nur die Vorstufen von Krebs erkennen, sondern auch zukünftiges Krebsrisiko vorhersagen.

Wie Vorsorgeuntersuchungen in Österreich funktionieren

In Österreich können sich aktuell Frauen jährlich einer Gebärmutterhalsuntersuchung unterziehen. Bei diesem Screening wird vom Gebärmutterhals mit einer weichen Bürste ein Zellabstrich entnommen. Die in der Probe enthaltenen Zellen werden unter dem Mikroskop auf Veränderungen untersucht, die unbehandelt zu Krebs führen können. Mit diesem Test („Zytologie“, für Zelluntersuchung), werden abnorme Zellen am Gebärmutterhals erkannt. Frauen mit Zellveränderungen werden zu Folgeuntersuchungen eingeladen und von einem*er Spezialisten*in mit einem Kolposkop, einem Instrument, das die Ansicht des Gebärmutterhalses vergrößert, genau untersucht. Anders als in Österreich wird in anderen westlichen Ländern häufig zuerst ein Test auf das Gebärmutterhalskrebs verursachende Virus – das humane Papillomavirus (HPV) – durchgeführt. Bei positivem Ergebnis folgt dann eine Zytologie.

Falls Zellveränderungen (cervikale intraepitheliale Neoplasien – CIN) gefunden werden, wird der Grad der Veränderung bestimmt (1-3). Frühe Zellveränderungen (CIN1 und 2) bilden sich oft spontan zurück. Deswegen werden vorerst nur engmaschigere Untersuchungen durchgeführt, bis sich die Zellen wieder normalisiert haben oder eine Behandlung erforderlich ist. Bei hochgradigen Zellveränderungen (CIN3) werden bei betroffenen Frauen die veränderten Zellen mit einem Verfahren namens LLETZ („Large loop excision of the transformation zone“) entfernt, bei dem die abnormen Zellen entfernt werden, bevor sie sich zu einem invasiven Krebs entwickeln können.

Herkömmliche Methoden werden übertroffen

Der neu entwickelte WID-CIN Test übertraf die Zytologie und Ergebnisse deuten darauf hin, dass er auch andere neue, bereits verfügbare molekulare Tests zur Erkennung von Frauen mit CIN3 und Krebs an Genauigkeit übertrifft. Der WID-CIN Test stellt somit einen deutlichen Fortschritt in der Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs dar. Insbesondere erkannte der Test mehr als die Hälfte der HPV-infizierten Frauen (55%), die aktuell noch gar keine sichtbaren Zellveränderungen hatten, aber bei denen sich innerhalb der folgenden vier Jahre eine ausgeprägte Krebsvorstufe (CIN3) entwickelte. Im Rahmen der Studie untersuchten die Forscher*innen 1 254 Gebärmutterhals-Screening-Proben. Diese stammten aus dem Gebärmutterhals-Screening-Programm in der schwedischen Region Stockholm und wurden im Karolinksa Center for Cervical Cancer Elimination (Stockholm, Schweden) aufbewahrt. Die Proben stammten von Frauen mit Zellveränderungen von CIN1 bis CIN3, von Frauen mit HPV, aber ohne Zellveränderungen im Gebärmutterhals, und von Proben von Frauen ohne Zellveränderungen im Gebärmutterhals, die innerhalb von vier Jahren CIN3 entwickelten.

Das Forschungsteam geht nun in die nächste Phase der Studie, in der es die neue Technologie an Screening-Proben von Frauen, die gegen HPV geimpft wurden, testen wird. Durch die HPV-Impfung gegen krebsverursachende Subtypen wird zwar das Vorkommen von Gebärmutterhalskrebs drastisch reduziert. Allerdings können auch andere Subtypen Krebs verursachen, welche nicht durch aktuelle Tests erkannt werden. Der neue WID-CIN Test erkennt Krebsvorstufen anhand krebsassoziierter epigenetischer Veränderungen und könnte somit HPV-typenübergreifend alle Krebsvorstufen erkennen.

Externer Link: www.uibk.ac.at