Hotspots für die Bildung kleiner RNA-Moleküle in Pflanzenzellen entdeckt

Pressemitteilung der Universität Heidelberg vom 14.03.2012

Heidelberger Wissenschaftler untersuchen die Feinabstimmung der Proteinproduktion

Pflanzen bilden während ihrer Lebensdauer Blätter und seitliche Wurzeln heraus. Die Gemeinsamkeit dieser zwei Arten von Organen besteht darin, dass ihre Entwicklung durch kleine regulatorische RNA-Moleküle, die trans-acting short interfering RNAs (ta-siRNAs) genannt werden, feinabgestimmt wird. Die Wissenschaftler Dr. Alexis Maizel und Virginie Jouannet vom Centre for Organismal Studies der Universität Heidelberg konnten zeigen, wo und wie innerhalb der Pflanzenzelle diese ta-siRNAs gebildet werden. Ihnen ist es gelungen, Hotspots für die Bio­genese dieser speziellen RNA-Moleküle zu identifizieren. Die Ergebnisse ihrer Studie wurden im „EMBO Jour­nal“ veröffentlicht.

Die Bildung von Pflanzenorganen ist gekoppelt an Proteine, die es Zellen erlauben, sich zu teilen und neue Formen und Charakteristika anzunehmen. Der unmittelbare Weg zur Proteinproduktion beginnt, wenn Gene aktiviert und in Botenstoff-RNAs transkribiert werden. Diese Botenstoff-RNAs werden dann in Proteine übersetzt. Die Zellen passen jedoch oft das Vorkommen von Proteinen an, indem sie für die Feinabstimmung der Proteinpopulation kurz eingreifende RNAs produzieren: Diese sogenannten short interfering RNAs (siRNAS) – zu denen die trans-acting short interfering RNAs gehören – sind kleine regulatorische Moleküle, die sich an die Botenstoff-RNAs andocken und bei ihnen bewirken, dass sie abgebaut werden, bevor sie für die Proteinproduktion benutzt werden können. Forscher haben bereits herausgefunden, dass ta-siRNAs die Bildung von Blättern und das Wachstum von seitlichen Wurzeln feinabstimmen, indem sie die Produktion bestimmter Proteine blockieren. Wo genau in der Pflanzenzelle die ta-siRNAs gebildet werden, war jedoch bislang unbekannt.

Die ta-siRNAs werden aus längeren RNA-Molekülen geschaffen, die durch einen Komplex anderer Moleküle ver­kürzt werden. Eine wesentliche Komponente dieser Kürzungsvorrichtung ist ein Protein namens AGO7. Die Heidel­berger Wissenschaftler haben nun entdeckt, dass sich AGO7 in punktartigen Strukturen (foci) ansammelt. Bei diesen foci handelt es sich um die siRNA-Körper, die sich im Zellplasma der Zelle befinden. Dabei enthalten diese siRNA-Körper neben AGO7 alle anderen Enzyme, die erforderlich sind für die Erzeugung von ta-siRNAs. „Daher sind diese foci Hotspots für die Bildung der siRNAs, also kleiner regulatorischer RNA-Moleküle“, erklärt Virginie Jouan­net, Doktorandin in der Arbeitsgruppe von Dr. Maizel. Zusätzlich konnten die Forscher zeigen, dass AGO7 nicht mehr seine Funktionen erfüllt, wenn es von den siRNA-Körpern abgelöst wird, was zu Problemen in der Entwick­lung der Pflanze führt.

Die beiden Forscher haben zwei weitere wichtige Beobachtungen gemacht. Danach sind die siRNA-Körper eng mit dem Netzwerk von Membranen verbunden, die die Zelle benutzt, um Proteine zu transportieren und abzusondern. „Außerdem beherbergen diese punktartigen Strukturen interessanterweise auch Viren, und Pflanzen verteidigen sich mit siRNAs gegen Viren“, erläutert Dr. Maizel. „Diese Ergebnisse verweisen zum einen auf eine bisher unbe­kannte Rolle von Membranen bei der Biogenese von RNA und deuten zum anderen darauf hin, dass die Bildung von siRNA nur in bestimmten Orten in der Zelle stattfinden kann.“

Dr. Maizel leitet eine unabhängige Forschungsgruppe am Centre for Organismal Studies der Universität Heidelberg und ist Mitglied im Exzellenzcluster CellNetworks der Ruperto Carola. Die Forschungsarbeiten wurden zusammen mit Wissenschaftlern des Institut des Sciences du Végétal am Centre National de la Recherche Scientifique (CNRS) in Gif-sur-Yvette sowie des Institut Jean-Pierre Bourgin am Institut National de la Recherche Agronomique (INRA) in Versailles (Frankreich) durchgeführt.

Originalpublikation:
V. Jouannet, A.B. Moreno, T. Elmayan, H. Vaucheret, M.D. Crespi & A. Maizel: Cytoplasmic Arabidopsis AGO7 accu­mulates in membrane-associated siRNA bodies and is required for ta-siRNA biogenesis, The EMBO Journal, 10 February 2012, doi:10.1038/emboj.2012.20

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Optogenetisches Werkzeug entschlüsselt

Presseinformation der Ruhr-Universität Bochum vom 27.02.2012

RUB-Forscher erklären Kanalrhodopsin

Die Öffnung des Ionenkanals mit Licht

Nervenzellen mit Hilfe von Licht kontrollieren: das ermöglicht die Optogenetik. Sie erlaubt mit bisher unerreichter räumlicher und zeitlicher Präzision beispielsweise neurobiologische Prozesse zu untersuchen. Das Schlüsselwerkzeug der Optogenetik ist das lichtaktivierbare Kanalrhodopsin. Biophysiker aus Bochum und Berlin haben in einem interdisziplinären Ansatz jetzt den Schaltmechanismus aufklären können. Über ihre Ergebnisse berichten die Forscher im „Journal of Biological Chemistry“.

Umverteilung von Wassermolekülen

Bisher war wenig über die Funktionsweise des Proteins bekannt – insbesondere darüber, wie sich der Kanal öffnet. Ein tieferes Verständnis ist jedoch Voraussetzung, um das lichtgesteuerte Protein für neurobiologische Anwendungen gezielt einsetzen zu können. In einem neuen, fachübergreifenden Ansatz haben die Bochumer Wissenschaftler um Prof. Dr. Klaus Gerwert (Lehrstuhl für Biophysik an der RUB) und ihre Berliner Kooperationspartner den Schaltmechanismus herausgearbeitet. Das Ergebnis: Die durch Licht induzierte Veränderung der Aminosäure Glutamat 90 (E90) löst ein verstärktes Eindringen von Wassermolekülen aus, so dass das Protein nun gezielt Ionen durch die Zellmembran leiten kann.

Drei Methoden kombiniert

Die RUB-Biophysiker Jens Kuhne und Dr. Erik Freier konnten mittels zeitaufgelöster Infrarot-Spektroskopie erstmals zeigen, dass der Kanal durch die Deprotonierung der Aminosäure Glutamat 90 (E90) geöffnet wird. Ergänzend bestätigen elektrophysiologische Experimente der Berliner Forscher, dass eine Mutation der Aminosäure zu einer veränderten Ionendurchlässigkeit des Proteins führt. Anstelle von Schutzbrille und Laborkittel nutzten die beiden Biophysiker Kirstin Eisenhauer und Dr. Steffen Wolf am Biophysik-Lehrstuhl Hochleistungsrechner, um zu simulieren wie der Protonierungswechsel des Glutamats den Kanal öffnet und Wassermoleküle eindringen lässt.

International die Nase vorn gehabt

Die Arbeit bekommt gerade jetzt eine besondere Bedeutung, weil japanische Forscher kurz nach der Bochumer Vorab-Veröffentlichung im Internet die dreidimensionale Struktur eines Kanalrhodopsins in „Nature“ ebenfalls online veröffentlichten. „Die Strukturarbeit bestätigt eindrucksvoll unsere biomolekularen Simulationen und die Schlüsselrolle der Aminosäure E90 für das Schalten des Kanals“, sagt Prof. Klaus Gerwert. „Wir sind daher besonders stolz darauf, in diesem international sehr kompetitiven Feld die Nase vorn gehabt zu haben.“ Die Optogenetik wurde 2010 in „Nature Methods“ als „Method of the year“ ausgezeichnet. Forschern ist es mit dieser Methode z. B. gelungen, bei blinden Mäusen die Sehkraft wiederherzustellen. (Jens Wylkop)

Titelaufnahme:
K. Eisenhauer, J. Kuhne, E. Ritter, A. Berndt, S. Wolf, E. Freier, F. Bartl, P. Hegemann, K. Gerwert,: In channelrhodopsin-2 E90 is crucial for ion selectivity and is deprotonated during the photocycle, The Journal of Biological Chemistry, Vol. 287, Issue 9, 6904-6911, 2012, DOI: 10.1074/jbc.M111.327700

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Kristallstruktur des Immunoproteasoms aufgeklärt

Pressemitteilung der TU München vom 16.02.2012

Grundlage für die Entwicklung neuer Medikamente gegen Autoimmunerkrankungen

Ähnlich einem „Schredder“ zerlegt das Immunoproteasom Eiweiße in kleine Bruchstücke, die dann an der Oberfläche der Zelle präsentiert werden. Werden diese Eiweißteile als „körperfremd“ erkannt, vernichtet das Immunsystem die Zelle. Bei Autoimmunerkrankungen ist dieser Prozess gestört. Helfen könnte dagegen, das Immunoproteasom zu hemmen. Biochemikern der Technischen Universität München (TUM) gelang es nun erstmals, die Kristallstruktur des Immunoproteasoms aufzuklären und Angriffsstellen für neue Medikamente aufzuzeigen. Ihre Ergebnisse präsentieren sie in der renommierten Fachzeitschrift „Cell“.

Das Proteasom, ein großer, zylinderförmiger Eiweißkomplex, spielt in den Zellen des Körpers eine lebenswichtige Rolle. Ähnlich einer Recyclinganlage zerlegt es nicht mehr benötigte Proteine in kleinere Stücke, so dass diese wiederverwertet werden können. Auf diese Weise steuert das Proteasom essentielle Funktionen der Zelle: Es reguliert Zellwachstum sowie Zellteilung und baut überflüssige oder defekte Proteine ab.

Eine spezialisierte Form des Proteasoms, die es nur in höheren Lebewesen wie Säugern gibt, ist das Immunoproteasom. Es unterscheidet sich vom normalen, so genannten „konstitutiven“ Proteasom in den enzymatisch aktiven Untereinheiten. Als wichtiger Partner des Immunsystems schneidet das Immunoproteasom die Proteine so, dass die Eiweißbruchstücke gut an den MHC-I Rezeptorkomplex binden können. Dieser bringt die Eiweißbruchstücke als sogenannte „Antigene“ an die Zelloberfläche und präsentiert sie dort. Handelt es sich dabei um ein Fragment eines körperfremden Eiweißes – etwa von einem zuvor eingedrungenen Virus, wird die infizierte Zelle vom Immunsystem vernichtet.

Auf Grund ihrer bedeutenden Rolle für Zellregulation und Immunabwehr stellen die beiden Proteasomtypen einen guten Ansatzpunkt für Medikamente dar. Hemmt man das Proteasom, so begehen beispielsweise Blutkrebszellen Selbstmord. Das erste Medikament, das diese Strategie verfolgt, Bortezomib, erzielt inzwischen einen Umsatz von mehr als 1 Milliarde US-Dollar im Jahr.

Bei manchen Krebsarten sowie bei Autoimmunerkrankungen wie Rheuma, Diabetes Typ I und Multipler Sklerose ist das Gleichgewicht zwischen den beiden Proteasomarten zu Gunsten des Immunoproteasoms verschoben. Blockiert man das Immunoproteasom, kann das korrekte Gleichgewicht wieder hergestellt und die Krankheit behandelt werden. Deshalb suchen Wissenschaftler mit großem Einsatz nach alternativen Wirkstoffen, die spezifisch nur das Immunoproteasom angreifen. Da jedoch dessen atomare Struktur bislang nicht bekannt war, gestaltete sich die Suche sehr schwierig.

Nun gelang Wissenschaftlern um Professor Michael Groll, Inhaber des Lehrstuhls für Biochemie am Department Chemie der TU München und seiner Mitarbeiterin Eva Maria Huber in Zusammenarbeit mit Professor Marcus Groettrup, Inhaber des Lehrstuhls für Immunologie der Uni Konstanz und Leiter des Biotechnologie Instituts Thurgau (BITg) in Kreuzlingen, ein wesentlicher Durchbruch: Mit Hilfe der Röntgenstrukturanalyse bestimmten sie erstmals die Kristallstruktur, und somit den exakten atomaren Aufbau sowohl des Immunoproteasoms als auch des konstitutiven Proteasoms der Maus.

Beide Strukturen bestimmten die Wissenschaftler jeweils ohne und mit einem gebundenen Hemmstoff, dem Wirkstoff PR-957 (ONX 0914). PR-957 ist ein vielversprechender Proteasomhemmer, der spezifisch nur das Immuno- und nicht das konstitutive Proteasom hemmt. Warum der Wirkstoff dies jedoch tut war nicht bekannt – bis jetzt. „Wir konnten nun zum ersten Mal auf atomarer Ebene beobachten, wie und wo der Hemmstoff an beiden Proteasomtypen angreift und so erklären warum er nur das Immunoproteasom blockiert“, erklärt Groll. „Auf dieser Basis können wir nun neue, spezifischere Hemmstoffe entwickeln – das ist ein großer Fortschritt.“

An Hand der Kristallstruktur des Immunoproteasoms konnten die Forscher um Groll und Huber die molekulare Ursache identifizieren, die dafür sorgt, dass PR-957 nur den einen der beiden Proteasomtypen hemmt. Es handelt sich dabei um eine einzige Aminosäure, einen Methioninrest, der sich in einer Tasche des Proteasoms befindet, die für das exakte Zerschneiden der Eiweiße verantwortlich ist. Beide Proteasomtypen besitzen hier fast identische Aminosäuresequenzen. Kleine Unterschiede in der Umgebung des Methionins sorgen jedoch dafür, dass diese Aminosäure im Immunoproteasom anders gedreht ist als im normalen Proteasom. „Dieser geringe Unterschied macht sehr viel aus“, erklärt Eva Maria Huber. „Er vergrößert die Tasche am Immunoproteasom, sodass große Aminosäurereste hinein passen und der Hemmstoff binden kann. Beim konstitutiven Proteasom ist die Tasche kleiner, und der Wirkstoff passt nicht hinein.“

Der feine Unterschied zwischen beiden Proteasomtypen ist ein wichtiger Schritt zur Entwicklung neuer Medikamente gegen Autoimmunerkrankungen. Bei diesen Krankheiten ist das Immunoproteasom zu aktiv, sodass das Immunsystem fälschlicherweise eigenes Gewebe angreift. Mit Hilfe der neuen Erkenntnisse zur genauen Struktur des Immunoproteasoms können Wissenschaftler nun neue Wirkstoffe entwickeln, die das Immunoproteasom gezielt hemmen, ohne das konstitutive Proteasom, das die korrekte Funktion aller Zellen aufrecht erhält, dabei zu stark mit zu beeinflussen.

Die Arbeiten wurden mit Mitteln der Deutschen Forschungsgemeinschaft (SFB595/TP A11), des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (ProNet-T3/TP To-03), des Schweizer Nationalfonds (31003A_138451) sowie des Exzellenzclusters Center for Integrated Protein Science Munich (CIPSM) unterstützt. Die Messungen wurden an der PXI- und PXIII-Beamline des Paul Scherrer Instituts (Villigen, Schweiz) durchgeführt.

Originalpublikation:
Immuno- and constitutive proteasome crystal structures reveal differences in substrate and inhibitor specificity, Eva M. Huber, Michael Basler, Ricarda Schwab, Wolfgang Heinemeyer, Christopher J. Kirk, Marcus Groettrup, Michael Groll, Cell, 17. Februar 2012

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Superlaser enthüllen die Struktur von Schlüsselproteinen

Pressemitteilung der Universität Tübingen vom 27.01.2012

Strukturbiologen aus Tübingen, Hamburg und Lübeck gehen neue Wege in der Erforschung von Proteinen in Krankheitserregern

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universitäten Tübingen, Hamburg und Lübeck haben in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Elektronen-Synchrotron DESY und weiteren Forschergruppen ein neues Experiment erfolgreich durchgeführt, das sie in der aktuellen online-Ausgabe der Fachzeitschrift „Nature Methods“ beschreiben: Sie züchteten erstmals Nanokristalle von Proteinen in ihrer natürlichen Umgebung in lebenden Zellen. Durch Bestrahlung dieser Kristalle mit einem Freien-Elektronen-Laser erhielten sie Daten zur räumlichen Struktur der Proteine mit hoher Auflösung.

Die dreidimensionale Struktur von Proteinen gibt Aufschluss darüber, welche Funktion sie bei der Steuerung einer Zelle in Organismen übernehmen. Wissen über die Struktur bietet somit beispielsweise die Grundlage für die Bekämpfung von Infektionen, die durch bakterielle Zellen oder Parasiten hervorgerufen werden. Ein wichtiges Anwendungsgebiet ist hierbei die Entwicklung neuer Wirkstoffe gegen Krankheitserreger, wie in diesem Fall gegen die Schlafkrankheit.

Bisher war zur Aufklärung der dreidimensionalen Struktur von Proteinen durch Röntgenstrukturanalyse ein aufwendiges Verfahren nötig, denn Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mussten von ausgewählten Proteinen Kristalle mit einer Kantenlänge von mindestens 100 Mikrometer in jede Richtung züchten.

Mit einem „Freien-Elektronen-Laser“ in Stanford, Kalifornien, konnte die Forschergruppe nun hochintensive Röntgenpulse nutzen und viel kleinere Kristalle, nämlich Nanokristalle, untersuchen. Die Züchtung von Proteinnanokristallen des Enzyms Cathepsin B aus dem Parasiten Trypanosoma brucei (dem Erreger der Schlafkrankheit) mit Abmessungen von nur wenigen Mikrometern, gelang den Strukturbiologen erstmalig in lebenden Insektenzellen.

Im Ergebnis erhielt das Forscherteam Daten zur Proteinstruktur in außergewöhnlich hoher Qualität. In dem Projekt hatten Professor Michael Duszenko und Professor Thilo Stehle von der Universität Tübingen sowie Professor Henry Chapman vom DESY mit der BMBF geförderten Nachwuchsgruppe „Strukturelle Infektionsbiologie unter Anwendung neuartiger Strahlungsquellen (SIAS)“ der Universitäten Hamburg und Lübeck und der Hamburg School for Structure and Dynamics in Infection (SDI) der Landesexzellenzinitiative Hamburg zusammengearbeitet.

Michael Duszenko, Leiter der Abteilung Molekulare Parasitologie an der Universität Tübingen: „Bei der Klonierung von Cathepsin B, eines Enzyms aus Trypanosomen, konnten wir zeigen, dass sich in vivo Kristalle bilden. Aufgrund der geringen Größe und Fragilität dieser Kristalle wäre es allerdings unmöglich gewesen, diese zur Strukturanalyse zu nutzen. Deshalb hat der glückliche Umstand, dass gerade jetzt die neuartige Lasertechnologie in Kalifornien verfügbar war, dieses Projekt ideal ergänzt und neue Türen in der Strukturbiologie geöffnet. Ohne die fruchtbare Kooperation zwischen Tübingen, Hamburg und Lübeck wären die Ergebnisse nicht möglich gewesen.“

Originalveröffentlichung:
„In vivo protein crystallization opens new routes in structural biology“; Michael Duszenko et al.; „Nature Methods“, Advance Online Publication; DOI: 10.1038/nmeth.1859

Externer Link: www.uni-tuebingen.de

Nützliche Schmarotzer

Pressemeldung der Universität Erlangen-Nürnberg vom 24.01.2012

Infektionsbiologen der FAU entdecken therapeutisches Potenzial von Wurmparasiten

Erlanger Infektionsbiologen haben neue Erkenntnisse darüber gewonnen, wie unser Körper besser vor Allergien und Autoimmunreaktionen geschützt werden kann: Eine Arbeitsgruppe um David Vöhringer, Professor für Infektionsabwehr und Toleranz an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) und Leiter der Infektionsbiologischen Abteilung am Mikrobiologischen Institut des Universitätsklinikums Erlangen, konnte einen positiven Effekt von Wurmparasiten auf bestimmte Formen von T-Helferzellen nachweisen. Ihre Ergebnisse veröffentlichten die Wissenschaftler vor Kurzem in dem renommierten Journal of Immunology. Ziel der Erlanger Forscher ist es nun herauszufinden, wie die Würmer das Immunsystem beeinflussen, um neue Ansätze zur Entwicklung wirksamer Medikamente zu liefern.

Das Immunsystem schützt uns vor einer Vielzahl von Krankheitserregern. Dabei spielen T-Helferzellen eine zentrale Rolle. Sie sind an der Aktivierung von Fresszellen und Bildung von Antikörpern beteiligt, die in den Körper eindringende Bakterien und Viren bekämpfen. Normalerweise also greifen T-Helferzellen körpereigenes Gewebe nicht an – bei Autoimmun-Erkrankungen wie beispielsweise Multipler Sklerose oder Typ-I-Diabetes liegt allerdings ein Verlust dieser Toleranz vor: Hier entwickeln sich T-Helferzellen des Typs Th1 und Th17, die beide eine starke Entzündungsreaktion auslösen.

Interessanterweise treten Autoimmunkrankheiten in Ländern mit geringen Hygienestandards seltener auf. „Eine Hypothese besagt, dass eine Infektion mit Wurmparasiten, die in diesen Ländern häufig vorkommen, vor ungewollten Reaktionen des Immunsystems wie Allergie und Autoimmunität schützen kann“, erklärt Prof. Vöhringer. Wie das genau geschieht, darüber ist bisher jedoch wenig bekannt.

Die Arbeitsgruppe um Prof. Vöhringer hat nun neue Erkenntnisse für einen möglichen Mechanismus gewonnen. Die Forscher konnten zeigen, dass bei Mäusen, die mit dem Wurmparasiten Nippostrongylus brasiliensis infiziert wurden, die für Autoimmunprozesse verantwortlichen Th1- und Th17-Zellen zu Th2-Zellen umprogrammiert werden können. Th2-Zellen schütten Botenstoffe aus, die einen hemmenden Einfluss auf Th1- oder Th17-vermittelte Immunreaktionen haben. „Damit ist uns erstmals ein konkreter Nachweis dafür gelungen, dass Wurmparasiten einen positiven Effekt auf die Umprogrammierung von T-Zellen und damit auf unser Immunsystem haben“, sagt Prof. Vöhringer.

Die Erlanger Infektionsforscher untersuchen nun, wie diese unerwartete Flexibilität von T-Zellen künftig therapeutisch genutzt werden kann. Dazu ist es zunächst notwendig, die verantwortlichen Komponenten der Parasiten zu isolieren. Mittelfristiges Ziel ist es, die Pharmaindustrie bei der Entwicklung wirksamer Medikamente gegen Autoimmun-Krankheiten zu unterstützen.

Externer Link: www.uni-erlangen.de