Kameras aus dem Salzstreuer

Mediendienst der Fraunhofer-Gesellschaft vom März 2011

Handschuhe und Rasierer für den einmaligen Gebrauch gibt es seit langem. Künftig wird es auch Einmal-Endoskope geben – für minimalinvasive Eingriffe in den menschlichen Körper. Eine neue Mikrokamera macht’s möglich. Sie ist so groß wie ein Salzkorn, liefert gestochen scharfe Bilder und lässt sich sehr kostengünstig herstellen.

Die Endoskopie hat sich in den vergangenen Jahren rasant weiterentwickelt. Mikrokameras in der Spitze von Endoskopen liefern Bilder vom Innern des menschlichen Körpers in immer höherer Auflösung. Dadurch können Tumore oft frühzeitig erkannt werden. Bisherige Endoskope haben jedoch einige Nachteile: Sie sind teuer und müssen aufgrund ihrer mehrfachen Verwendung nach jedem Gebrauch aufwändig gereinigt werden. Hilfe verspricht eine neue Mikrokamera, die das Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM in Berlin gemeinsam mit der Awaiba GmbH und mit Unterstützung des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Optik und Feinmechanik IOF in Jena entwickelt hat. »Mit unserer Technologie können Mikrokameras so preiswert produziert werden, dass Mediziner die Endoskope nach einmaligem Gebrauch entsorgen können«, sagt Martin Wilke, Wissenschaftler am IZM. Möglich wird das durch einen neuartigen Herstellungsprozess.

Digitale Kamerasysteme bestehen aus zwei Komponenten: einer Optik und einem Sensor, der das Bild in elektrische Signale umwandelt. Elektrische Kontakte am Sensor ermöglichen den Zugang zu diesen Signalen und somit zur Bildinformation. Die Kontakte liegen herstellungsbedingt zwischen Sensor und Optik. Wie auch Computerchips werden Sensoren in großen Stückzahlen gleichzeitig gefertigt. »Man muss sich das wie einen Bogen Briefmarken vorstellen«, sagt Wilke. »Viele tausend Briefmarken werden in einem Arbeitsschritt gedruckt. Wenn man sie verwenden will, muss man sie voneinander trennen. Statt einem Papierbogen hat man bei Bildsensoren eine kreisförmige Scheibe Silizium, einen Wafer.« Auf einen Wafer passen etwa 28 000 Bildsensoren. Die wurden bislang einzeln ausgesägt, verdrahtet und an die noch fehlende Optik montiert. Das heißt also 28 000 Mal verdrahten und noch einmal genauso oft montieren.

Diesen Prozess haben die Forscher des IZM optimiert, indem sie einen neuen Zugang zu den elektrischen Kontakten entwickelten. Das Verdrahten geht jetzt schneller und das gesamte Kamerasystem ist kleiner. Der Clou: Die Kontakte werden nicht mehr bei jedem einzelnen Bildsensor über die Seite, sondern bei allen Sensoren gleichzeitig über ihre Rückseite erreicht, während sie noch als Wafer zusammenhängen. Dadurch muss man die Optiken auch nicht mehr einzeln montieren, sondern kann sie als Optik-Wafer mit dem Bildsensor-Wafer verbinden. Erst danach wird der Wafer-Stapel in einzelne Mikrokameras zersägt. Ein weiterer Vorteil: gestochen scharfe Bilder auch bei sehr dünnen Endoskopen. Bislang mussten die darin integrierten Kamerasysteme aufgrund ihrer »Größe« geteilt werden. Die Optik befand sich an der Endoskopspitze und der Sensor am anderen Ende des Glasfaserstrangs. Die neue Mikrokamera ist klein genug für die Endoskopspitze. Sie hat eine Auflösung von 25 000 Pixel und sendet die Bildinformation über ein elektrisches Kabel durch das Endoskop. »Mit 0,7 mal 0,7 mal 1,0 Millimeter ist die Kamera so klein wie grob gemahlenes Salz – die kleinste uns derzeit bekannte Kamera«, sagt Stephan Voltz, Geschäftsführer der Awaiba GmbH.

Neben der Medizintechnik interessiert sich auch die Automobilindustrie für den Kamera-Winzling. Aktuell wird daran geforscht, mit Mikrokameras Außenrückspiegel von Fahrzeugen zu ersetzen: Auf diese Weise ließe sich der Strömungswiderstand reduzieren und der Energieverbrauch senken. Eingebaut in Armaturen könnte die Kamera außerdem die Augenbewegungen des Fahrers berechnen und so dem Sekundenschlaf vorbeugen. Stephan Voltz freut sich über die vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten: »Mit dem Fraunhofer-Know-how können wir ab 2012 Einmal-Endoskope für nur wenige Euro auf den Markt bringen. Der Prototyp liegt bereits vor.«

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UV-transparente Schicht für Bildsensoren

Mediendienst der Fraunhofer-Gesellschaft vom Februar 2011

Bildsensoren, wie sie in Handys verbaut werden, sind in manchen Bereichen farbenblind. Das liegt an der Schicht, die UV-Licht nicht durchlässt. Daher eignen sich diese CMOS-Chips bislang nicht für die Spektroskopie. Ein neuer Fertigungsprozess macht die Schicht transparent – und die Sensoren für Spezialanwendungen tauglich.

In der Unterhaltungselektronik sind sie längst Standard – und ihr Vormarsch in weitere Anwendungsbereiche ist nicht mehr zu stoppen: CMOS-Bildsensoren werden nicht mehr nur in Handy- und Digitalkameras verbaut. Die Automobilindustrie etwa hat das Potenzial der optischen Halbleiterchips entdeckt und setzt sie zunehmend als Fahrerassistenzsysteme ein; von der Einparkhilfe über die Fahrspurerkennung bis hin zum Totwinkel-Warner. Doch die Sensoren, die Lichtsignale in elektrische Impulse verwandeln, müssen bei Spezialanwendungen jede Menge aushalten können – beispielsweise hohe Umgebungstemperaturen oder Feuchtigkeit.

Deshalb sind CMOS-Bauelemente mit einer Siliziumnitrid-Schicht abgedeckt. Diese chemische Verbindung bildet harte Schichten, die den Sensor vor mechanischen Einflüssen und dem Eindringen von Feuchtigkeit und Ionen schützen. Die Schutzschicht erhält der Sensor im letzten Schritt des CMOS-Halbleiterverfahrens. Experten nennen das Passivierung. Diese ist seitens der Industrie vorgeschrieben. Doch bisher gibt es mit der Passivierung ein Problem: Die Siliziumnitrid-Schicht setzt den optischen Anwendungsbereichen Grenzen, denn sie ist für Licht im UV- und blauen Spektralbereich nicht durchlässig – CMOS-Sensoren für Industrie- oder Spezialkameras sind deshalb teilweise farbenblind.

Forscher des Fraunhofer-Instituts für Mikroelektronische Schaltungen und Systeme IMS in Duisburg haben für dieses Problem jetzt eine Lösung gefunden: »Wir haben einen neuen Prozessschritt entwickelt«, sagt Werner Brockherde, Abteilungsleiter am IMS. »Mit diesem kommen wir zu einer Schutzschicht, die für blaues und UV-Licht durchlässig ist, aber dennoch die gleichen Eigenschaften besitzt.« Letztendlich besteht der Trick darin, den Stickstoffanteil in der Schicht zu erhöhen. »Dadurch haben wir die sogenannte Bandlücke erhöht«, erklärt Brockherde. Das führt vereinfacht gesagt dazu, dass das Licht eine höhere Energie als die des UV-Lichts benötigt, um vom Material absorbiert zu werden – der Sensor ist somit für den blauen und den UV-Bereich transparent geworden. »Die CMOS-Bildsensoren sind dadurch auch in Wellenlängenbereichen bis hinunter zu 200 Nanometer einsetzbar«, sagt Brockherde. »Mit der Standard-Passivierung war bei etwa 450 Nanometer Schluss.« Um die Struktur des Siliziumnitrids zu verändern, mussten die Fraunhofer-Forscher die Abscheideparameter wie Druck oder Temperatur bei der Herstellung der Schicht optimal anpassen.

Dank dieser Prozessentwicklung haben die Experten das Anwendungsspektrum der CMOS-Bildtechnologie erweitert: Sie könnte vor allem UV-spektroskopische Methoden, die aus kaum einem Labor der Welt wegzudenken sind, revolutionieren und deren Genauigkeit deutlich verbessern. Ebenso können CMOS-Bildsensoren künftig in der professionellen Mikroskopie wie etwa in Fluoreszenzmikroskopen zum Einsatz kommen – und Wissenschaftlern auf diese Weise noch detailreichere Bilder liefern.

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Radiometer spürt Brandherde auf

Mediendienst der Fraunhofer-Gesellschaft vom Januar 2011

Waldbrände breiten sich meist rasend schnell und unkontrolliert aus. Feuer mit starker Rauchentwicklung fordern die Einsatzkräfte besonders heraus, denn die Brandherde lassen sich nur schwer ausfindig machen. Ein neuer radiometrischer Sensor lokalisiert die Ausbruchsstellen selbst bei eingeschränkter Sicht.

Die Anzahl und das Ausmaß von Waldbränden hat in den vergangenen Jahrzehnten drastisch zugenommen. Unvergessen sind Fernsehbilder von Flammeninfernos, die im Sommer in Russland, Australien und Kalifornien kilometerweit Flächen verwüsteten. Auch in Deutschland sind viele Regionen aufgrund des Klimawandels betroffen – Brandenburg etwa gehört zu den stark gefährdeten Gebieten in Europa.

Oftmals lassen sich die Feuer nur aus der Luft eindämmen. Um Brandherde gezielt bekämpfen zu können, müssen Löschflugzeuge präzise eingewiesen werden. Ein erprobtes Hilfsmittel hierfür sind Infrarot-Kameras (IR), da Feuer im Infrarotbereich am intensivsten strahlt. Die IR-Kameras messen die Wärmestrahlung und können so Brandherde lokalisieren. Zudem liefern sie hochaufgelöste Bilder. Allerdings können diese Bildaufnehmer Ausbruchsstellen nicht bei starker Rauchentwicklung finden, da Infrarotstrahlen durch Partikel von Staub und Rauch zu stark gedämpft werden.

Eine Lösung des Problems kennen die Forscher des Fraunhofer-Instituts für Hochfrequenzphysik und Radartechnik FHR in Wachtberg. Sie haben ein Radiometer entwickelt, das Brände auch bei eingeschränkter Sicht überwachen kann: Der radiometrische Sensor arbeitet im Mikrowellenbereich zwischen 8 und 40 GHz. Bei diesen niedrigen Frequenzen fällt die Streuung der Strahlen an Staubpartikeln deutlich geringer aus als bei den hohen IR-Frequenzen. »Bei unseren Testmessungen bei 22 GHz war die Dämpfung zu vernachlässigen. Partikel aus Staub und Rauch sind im Mikrowellenbereich quasi transparent. Dennoch ist die Strahlungsleistung ausreichend hoch, um Brandnester zu erkennen. Aus einer Höhe von 100 Metern konnten wir bei eingeschränkten Sichtverhältnissen ein Feuer mit einer Fläche von fünf mal fünf Metern detektieren«, sagt Dipl.-Ing. Nora von Wahl, Wissenschaftlerin am FHR. Für die Testflüge montierten die Forscherin und ihr Team den Mikrowellensensor an der Unterseite eines unbemannten Luftschiffs der FernUniversität Hagen. »Bestandteil des Radiometers sind neben der Sensorik eine Kalibrierungseinheit, eine planare Gruppenantenne und Software, um Daten aufzuzeichnen und zu visualisieren«, sagt die Expertin. Die Auflösung des Systems wird durch den Öffnungswinkel der Antenne bestimmt und hängt somit von Antennengröße, Frequenz und Entfernung zum Boden ab. Bei einer Antennengröße von 20 Zentimeter Kantenlänge, einer Frequenz von 22 GHz und in einer Höhe von 30 Metern löste das Radiometer 2,6 Meter große quadratische Zellen auf. »Zwar erreichen wir mit dem Radiometer nicht die Detailgenauigkeit von Infrarot-Kameras. Wir vergrößern die Antenne und können dadurch die Auflösung erhöhen«, sagt die Forscherin. Mit dem radiometrischen Sensor sind die Wissenschaftler sogar in der Lage, Brandnester durch Blattwerk hindurch zu bestimmen. Und: »Nach einem Waldbrand entfachen sich oft neue Feuer unter der Erde. Um diese zu entdecken, haben Feuerwehrleute den Boden bisher mit Haken per Hand umgegraben. Unser Radiometer kann Ausbruchsstellen unter der obersten Erdschicht erkennen«, erklärt Nora von Wahl. Das System lasse sich hauptsächlich beim Brandschutz mit Löschflugzeugen einsetzen. Denkbar sei auch, mit dem Radiometer Industrieanlagen zu überwachen, etwa um Schwelbrände in Müllverbrennungsanlagen frühzeitig zu orten.

Das 105 mal 150 mal 73 Millimeter große Radiometer liegt als Prototyp vor. Ziel der Wissenschaftler ist es, das Gerät noch kleiner zu konstruieren. Auch die Antenne wollen die Ingenieure optimieren. Künftige Modelle sollen sich zudem durch ihre chipbasierte Bauweise auszeichnen.

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Kunststoffe mit Kohlendioxid imprägnieren

Mediendienst der Fraunhofer-Gesellschaft vom Januar 2011

Kohlendioxid gilt als Klimakiller Nummer 1. Doch das Gas hat auch positive Eigenschaften. Forscher imprägnieren jetzt sogar Kunststoffe mit komprimiertem CO2. Die Einsatzmöglichkeiten des neuen Verfahrens sind vielfältig ­- sie reichen von gefärbten Kontaktlinsen bis hin zu antibakteriell ausgestatteten Türklinken.

CO2 ist mehr als nur ein Abfallprodukt. Es lässt sich vielseitig einsetzen. Die chemische Industrie verwendet das farblose Gas etwa zum Herstellen von Harnstoff, Methanol und Salicylsäure. Harnstoff dient als Düngemittel, Methanol als Kraftstoffzusatz. Salicylsäure ist Bestandteil des Medikaments Aspirin.

Einen neuen Ansatz verfolgen die Forscher des Fraunhofer-Instituts für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT in Oberhausen: Sie prüfen, ob sich Kohlendioxid zum Imprägnieren von Kunststoffen nutzen lässt. Bei Temperaturen von 30,1 Grad Celsius und einem Druck von 73,8 bar geht CO2 in einen überkritischen Zustand über, in dem es ein lösemittelähnliches Verhalten zeigt. Es eignet sich in diesem Zustand als »Transportmittel«, um beispielsweise Farbe, Additive und medizinische Wirkstoffe aufzulösen und in Polymere einzuschleusen. »Wir pumpen flüssiges Kohlendioxid in einen Hochdruckbehälter mit den zu imprägnierenden Kunststoffteilen und erhöhen Temperatur und Druck so lange, bis das Gas den überkritischen Zustand erreicht. Anschließend steigern wir den Druck. Bei 170 bar löst sich pulverförmiger Farbstoff vollständig im CO2 auf und diffundiert mit dem Gas im Kunststoff. Dieser Vorgang dauert nur wenige Minuten. Beim Öffnen des Hochdruckbehälters entweicht das Gas aus der Oberfläche, die Farbe bleibt im Polymer. Sie lässt sich auch nachträglich nicht mehr abwischen«, erläutert Dipl.-Ing. Manfred Renner, Wissenschaftler am UMSICHT.

In Tests ist es den Forschern sogar gelungen, Polycarbonat mit Nanopartikeln zu imprägnieren und antibakteriell auszustatten. Auf die Oberfläche aufgebrachte E-Coli-Bakterien wurden bei den Versuchen im institutseigenen Hochdrucklabor komplett abgetötet. Somit lassen sich beispielsweise Türklinken hervorragend mit Nanopartikeln imprägnieren. Auch Tests mit dem entzündungshemmenden Arzneistoff Flurbiprofen und mit Siliziumdioxid waren erfolgreich. »Unser Verfahren eignet sich zum Imprägnieren von teilkristallinen und amorphen Polymeren. Dazu zählen etwa Nylon, TPE, TPU, PP und Polycarbonat. Auf kristalline Polymere lässt es sich nicht anwenden«, schränkt Renner ein.

Das Verfahren birgt großes Potential, denn Kohlendioxid ist nicht brennbar, nicht toxisch und kostengünstig. Es zeigt zwar ein lösemittelähnliches Verhalten, hat aber nicht die Nebenwirkungen der gesundheits- und umweltschädigenden Lösemittel, die beispielsweise beim Lackieren verwendet werden. Auch sind lackierte Oberflächen schnell beschädigt und nicht kratzbeständig. Konventionelle Verfahren, um Kunststoffe zu funktionalisieren und zu imprägnieren, weisen zahlreiche Nachteile auf. So können beim Spritzguss keine hitzeempfindlichen Substanzen wie Brandschutzmittel und UV-Stabilisatoren ins Material eingebracht werden. Viele Farben ändern sich, aus Purpurrot wird Schwarz. »Mit unserer Methode lassen sich hochwertige Kunststoffbauteile und Lifestyle-Produkte wie Handyschalen kundenspezifisch ändern. Der Clou: Farbe, Additive und Wirkstoffe werden ohne den Einsatz von aggressiven Lösemitteln umweltschonend weit unterhalb der Schmelztemperatur in oberflächennahe Schich ten eingebracht«, sagt Renner. Das Verfahren biete sich etwa zum Färben von Kon taktlinsen an: Man könne die Sehhilfen auch mit pharmazeutischen Wirkstoffen an reichern, die über den Tag verteilt kontinuierlich ans Auge abgegeben würden. Dies könne eine Alternative zur kurzfristigen Stoßtherapie mit Augentropfen sein, wie sie beim Grünen Star angewendet wird. Das Anwendungsspektrum der neuen Imprägnier-Methode ist sehr vielfältig.

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Leberzellen aus embryonalen und adulten Stammzellen unterscheiden sich kaum

Presseinformation der Max-Planck-Gesellschaft vom 21.12.2010

Induzierte pluripotente Stammzellen aus fötalen Hautzellen und embryonale Stammzellen besitzen vergleichbares Potenzial zur Bildung von Leberzellen

Viele Patienten mit chronischen Lebererkrankungen können derzeit nicht ausreichend behandelt werden, da es nicht genügend Spenderorgane für Transplantationen gibt. Eine Alternative könnten in Zukunft Leberzellen aus induzierten pluripotenten Stammzellen (iPS-Zellen) sein. Forscher vom Max-Planck-Institut für molekulare Genetik in Berlin haben Leberzellen aus embryonalen Stammzellen mit Leberzellen aus iPS-Zellen verglichen und festgestellt, dass die Genaktivität bei beiden sehr ähnlich ist. Allerdings ist knapp die Hälfte der Gene im Vergleich zu „echten“ Leberzellen unterschiedlich stark aktiv. Die Genaktivität von Leberzellen aus iPS-Zellen muss also noch angepasst werden, bevor sie zur Behandlung von Lebererkrankungen eingesetzt werden können. (Stem Cells and Development, 20. Dezember 2010)

Induzierte pluripotente Stammzellen können aus verschiedenen Zelltypen gebildet werden und besitzen denselben genetischen Hintergrund wie die Zellen, aus denen sie ursprünglich hervorgingen. iPS-Zell-basierte Leberzellen sind deshalb ein idealer Ausgangspunkt für zukünftige regenerative Therapien, denn immunologische Abstoßungsreaktionen zwischen Spender- und Empfängerzellen können so umgangen werden.

In ihrer Studie haben die Berliner Max-Planck-Wissenschaftler Leberzell-ähnliche Zellen aus iPS-Zellen und embryonalen Stammzellen mit „echten“ Leberzellen früher und später Entwicklungsstadien verglichen. „Nur so können wir feststellen, welche Unterschiede zwischen diesen Zelltypen tatsächlich bestehen und welche Mängel die „künstlichen“ Leberzellen eventuell noch aufweisen“, erklärt Justyna Jozefczuk vom Max-Planck-Institut für molekulare Genetik. Die Forscher konnten zeigen, dass die Ähnlichkeit der Stammzellen aus Embryos und iPS-Zell-basierten Leberzellen in Bezug auf ihre Genaktivität bei etwa 80 Prozent liegt. Im Vergleich dazu liegt die Übereinstimmung der Genexpression im Vergleich zu isolierten Zellen der fötalen menschlichen Leber jedoch nur bei etwa 53 Prozent.

Leberzell-ähnliche Zellen aus iPS und embryonalen Stammzellen aktivieren viele der typischen Lebergene, z.B. Albumin, Alpha-Fetoprotein und Cytokeratin 18. Die „künstlichen“ Leberzellen können darüber hinaus wie die „echten“ Leberzellen auch Glykogen speichern oder Harnstoff produzieren. Außerdem können sie Fremdmoleküle aufnehmen und abbauen. Dagegen sind die Gene rund um das Enzym Cytochrom P450 bei iPS und echten Leberzellen unterschiedlich stark aktiv. Diese Enzyme verstoffwechseln unter anderem Medikamente und Fremdstoffe. „Mit diesem Wissen verstehen wir nicht nur die Ursachen von Lebererkrankungen besser, wir können auch effizientere Medikamente entwickeln, die individuelle Unterschiede zwischen den Patienten berücksichtigen“, sagt James Adjaye vom Max-Planck-Institut für molekulare Genetik.

Originalveröffentlichung:
Jozefczuk J, Prigione A, Chavez L, and Adjaye J
Comparative analysis of human Embryonic Stem Cell and induced Pluripotent Stem Cell-derived hepatocyte-like cells reveals current drawbacks and possible strategies for improved differentiation.
Stem Cells and Development, 20. Dezember 2010, doi:10.1089/scd.2010.0361.

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