Roboter mit Fingerspitzengefühl

Mediendienst der Fraunhofer-Gesellschaft vom Dezember 2010

Zwei Arme, drei Kameras, Fingerspitzengefühl und Mimik – das sind die Kennzeichen des pi4-Workerbot. Da er ähnliche Proportionen wie ein Mensch hat, lässt sich der Roboter an jedem modernen Arbeitsplatz der industriellen Fertigung einsetzen. Der Workerbot soll helfen, die Produktion in Europa wettbewerbsfähig zu halten.

Vorsichtig nimmt der Roboter das Zahnrad in die eine und das Gehäuse in die andere Hand. Dann steckt er die beiden Teile zusammen. Da sie nicht gleich einrasten, unterbricht er seine Bewegung. Langsam dreht er das Zahnrad ein kleines Stück zurück. Jetzt lässt es sich ohne Widerstand in der Halterung bewegen. Lächelnd legt er die erfolgreich zusammengesteckte Verbindung auf das Laufband. Dem pi4-Workerbot gelingt motorisch vieles, was normale Roboter nicht können. Er ist das Glanzstück des mit europäischen Mitteln geförderten PISA-Projekts. Ziel des Forschungsvorhabens ist es, mit Hilfe von Robotern bei Montageaufgaben einer industriellen Massenfertigung flexibler zu sein.

Wer in Deutschland produziert, braucht eine Technologie, die anpassungsfähig ist – an unterschiedliche Produktvarianten und schwankende Stückzahlen. Weil je nach Auftragslage auch der Bedarf an Arbeitskräften variiert, sollen Hersteller den Roboter sogar leasen können. »Wir haben den Workerbot so entwickelt, dass er ähnliche Proportionen wie ein Mensch hat«, sagt Dr.-Ing. Dragoljub Surdilovic, Arbeitsgruppenleiter am Fraunhofer-Institut für Produktionsanlagen und Kons-truktionstechnik IPK in Berlin. So lässt sich der Hightech-Helfer an jedem modernen Stehsitzarbeitsplatz der industriellen Fertigung einsetzen.

Der Roboter ist mit drei Kameras ausgestattet. Die Umgebung erfasst er mit einer hochmodernen 3D-Kamera in der Stirn. Zu Inspektionszwecken dienen die beiden anderen Kameras. Die Bandbreite seiner Fähigkeiten ist groß: »Er kann Gegenstände vermessen oder unterschiedliche Oberflächen inspizieren«, sagt Matthias Krinke, Geschäftsführer von pi4-Robotics, dem Unternehmen, das den Workerbot auf den Markt bringt. Über die Reflektion des Lichts auf dem Material erkennt der Roboter, ob die Chromschicht auf einem Werkstück makellos aufgetragen wurde. »Wenn man zwei unterschiedliche Kameras einsetzt, kann er mit dem linken Auge einen anderen Aspekt prüfen als mit dem rechten«, sagt Krinke. Zudem ist der Workerbot in der Lage, Bauteile 24 Stunden lang zu inspizieren. Das ist in Bereichen, in denen es auf Präzision ankommt, besonders wichtig: Etwa in der Medizintechnik, wo ein fehlerhaftes Teil im schlimmsten Fall das Leben von Menschen in Gefahr bringen kann.

Eine weitere Besonderheit des pi4-Workerbot: Er verfügt über zwei Arme. »Das erlaubt neue Arten von Bewegungsabläufen«, sagt Surdilovic. »Die Roboter können ein Werkstück von einer Hand in die andere reichen.« Etwa, um kompliziert gebaute Teile aus allen Winkeln zu betrachten. »Konventionelle Roboterarme haben meist nur ein einziges Drehgelenk in der Schulter, alle anderen Gelenke sind Knickgelenke. Das heißt, sie verfügen über sechs Freiheitsgrade und nicht über sieben wie der menschliche Arm.« Der Workerbot hat neben dem Drehgelenk in der Schulter eine zusätzliche Drehmöglichkeit, die dem Handgelenk beim Menschen entspricht. Die Arbeitsgruppe von Surdilovic arbeitete die Steuerung aus. »Eine besondere Herausforderung war es, das Zusammenspiel der beiden Arme zu ermöglichen – etwa wenn sie gemeinsam ein Werkstück inspizieren oder zwei Bauteile zusammenbauen«, erläutert der Fraunhofer-Forscher. »Dazu bedarf es einer zusätzlichen Sensorik.«

Zudem haben die Forscher ihn mit Fingerspitzengefühl versehen. »Wenn man die Greifkräfte richtig einstellt, nimmt er ein Ei, ohne es zu zerquetschen«, sagt Surdilovic. Der Roboter kann sich sogar mit Mimik ausdrücken. Läuft die Arbeit reibungslos, lächelt er zufrieden. Sieht er gelangweilt aus, wartet er auf Arbeit, und der Produktionsleiter weiß, dass der Produktionsprozess beschleunigt werden kann.

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Brandpilze und Maispflanzen rüsten auf

Presseinformation der Max-Planck-Gesellschaft vom 09.12.2010

Max-Planck-Wissenschaftler entschlüsseln Genom von Mais-Schädling

Pilze sind bedeutende Pflanzenschädlinge, die weltweit für immense Ertragsverluste an Kulturpflanzen wie Mais und anderen Getreidesorten verantwortlich sind. Regine Kahmann vom Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie in Marburg und Jan Schirawski, inzwischen an der Universität Göttingen, haben zusammen mit Wissenschaftlern des Helmholtz Zentrums in München das Erbgut von Sporisorium reilianum analysiert, eines wichtigen Mais-Schädlings. Durch einen Vergleich mit dem Genom einer verwandten Pilzart haben sie neue Gene identifiziert, die für den Befall von Mais wichtig sind. (Science, 10. Dezember 2010)

Die Brandpilze Ustilago maydis und Sporisorium reilianum sind Parasiten von Maispflanzen. Ustilago maydis verursacht die so genannte Mais-Beulenbrandkrankheit. Dabei bilden sich große tumorartige Strukturen an Blättern, Kolben und männlicher Blüte, in denen sich der Pilz vermehrt und Sporen produziert. Auch Sporisorium reilianum befällt Maispflanzen, bewirkt aber eine Infektion der gesamten Pflanze, bei der sich die Symptome nur in den männlichen und weiblichen Blüten zeigen. Diese Krankheit wird deshalb auch als Maiskopfbrand bezeichnet.

Wie diese Schädlinge Pflanzen befallen können, ist bislang kaum bekannt. Vor vier Jahren war es unter Federführung der Marburger Gruppe gelungen, die Genomsequenz von Ustilago maydis zu entschlüsseln. Damals hatten sie gezeigt, dass die Gene einer großen Zahl gänzlich neuartiger, vom Pilz ausgeschütteter Proteine auf den Chromosomen in Gruppen angeordnet sind, so genannten Genclustern. Diese Proteine steuern die Kolonisierung der Wirtspflanze.

Ähnlich und doch verschieden

Zunächst konnten die Forscher die Proteine nur in Ustilago maydis nachweisen. „Wir konnten uns jedoch nicht vorstellen, dass diese für den Befall so wichtigen Proteine nur im Genom eines einzigen Brandpilzes vorkommen. Deshalb haben wir auch die Genomsequenz von Sporisorium reilianum ermittelt“, sagt Regine Kahmann vom Marburger Max-Planck-Institut. Tatsächlich kommen mehr als 90 Prozent der ausgeschütteten Proteine aus Ustilago maydis auch in Sporisorium reilianum vor. Allerdings unterscheiden sich viele dieser Proteine stark zwischen den beiden Arten und sind daher auf Gen-Ebene nur schwer nachzuweisen. „Überraschenderweise sind jedoch nahezu alle Gene der beiden Organismen in der gleichen Reihenfolge angeordnet. Daher konnten wir die zwei Genome wie Blaupausen übereinanderlegen und auf diese Weise die Unterschiede sichtbar machen“, sagt Kahmann.

Dabei entdeckten die Wissenschaftler 43 so genannte Divergenzregionen, in denen die Gene der Pilze besonders unterschiedlich waren. Darunter befanden sich alle bereits vor vier Jahren identifizierten Gencluster, deren Gene eine wichtige Rolle bei der Infektion der Wirtspflanzen spielen. Darüber hinaus beeinflussen vier von sechs zufällig ausgewählten Divergenzbereichen die Infektionsstärke von Ustilago maydis. Allerdings enthalten die Divergenzregionen nicht immer Gene für ausgeschüttete Proteine. In einer Region kamen ausschließlich Gene für Proteine vor, die vom Pilz nicht nach außen abgegeben werden. „Dies deutet darauf hin, dass noch weitere, bislang unentdeckte Moleküle das Verhältnis zwischen Pilz und Pflanze steuern“, vermutet Jan Schirawski.

Evolutionärer Wettlauf zwischen Mais und Pilz

Es unterscheiden sich also gerade die Gene zwischen den beiden Pilzen, die für den Befall der Maispflanzen wichtig sind. Vermutlich hatte die unterschiedliche Lebensweise von Ustilago maydis und Sporisorium reilianum zur Folge, dass die Pilze im Laufe der Evolution jeweils artspezifische Genvarianten gebildet haben, z. B. um die pflanzliche Immunantwort zu unterdrücken. Die Maispflanzen wiederum haben die Zielmoleküle der Pilzproteine verändert. Für jedes von den Pilzen ausgeschüttete Protein bilden Maispflanzen offenbar mindestens ein Protein zur Abwehr. „Wir sehen hier die Spuren eines sehr langen Kampfes zwischen verteidigender Pflanze und angreifenden Parasiten. Denn die Vielfalt an Angriffs- und Verteidigungswaffen sind das Ergebnis eines Rüstungswettlaufs zwischen Pflanze und Pilz. Jede Veränderung auf der einen Seite, wurde durch eine Anpassung der anderen Seite gekontert“, sagt Schirawski. Die Marburger Forscher hoffen, dass sich auf der Basis der über ihre Verschiedenheit entdeckten Moleküle langfristig neue Strategien zur Bekämpfung dieser wichtigen Pilzgruppe entwickeln lassen.

Originalveröffentlichung:
Jan Schirawski, Gertrud Mannhaupt, Karin Münch, Thomas Brefort, Kerstin Schipper, Gunther Doehlemann, Maurizio Di Stasio, Nicole Rössel, Artemio Mendoza-Mendoza, Doris Pester, Olaf Müller, Britta Winterberg, Elmar Meyer, Hassan Ghareeb, Theresa Wollenberg, Martin Münsterkötter, Philip Wong, Mathias Walter, Eva Stukenbrock, Ulrich Güldener and Regine Kahmann
Pathogenicity determinants in smut fungi revealed by genome comparison
Science, 10. Dezember 2010

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Vorkoster in der Wasserleitung

Mediendienst der Fraunhofer-Gesellschaft vom Dezember 2010

Trinkwasser ist eines der am strengsten überwachten Lebensmittel. Dennoch ist auch das Versorgungsnetz nicht gegen Unfälle, Verschleiß oder gezielte Anschläge gefeit. Ein minutenschnelles Warnsystem für Gifte und andere gesundheitsschädliche Stoffe im Wasser könnte künftig sofort Alarm schlagen, wenn Gefahr droht.

Farblos soll es sein, kühl, geruchslos und geschmacklich einwandfrei. Es darf keine Krankheitserreger enthalten und die Gesundheit nicht schädigen. Trinkwasser wird deshalb in regelmäßigen Abständen einer Reihe von Screenings unterzogen. Ergänzend zu diesen Tests entsteht derzeit im Projekt »AquaBioTox« ein System für eine ständige Trinkwasserüberwachung in Echtzeit.

Derzeit beschränken sich die in der Trinkwasserverordnung vorgeschriebenen Untersuchungen auf Stichproben, die oft erst nach Stunden Ergebnisse liefern und stets auf bestimmte Substanzen zugeschnitten sind. Herzstück des AquaBioTox-Systems ist hingegen ein Bio-Sensor, der auf ein breites Spektrum potenziell gefährlicher Substanzen reagiert und bereits nach wenigen Minuten anspricht. Er arbeitet nach dem Vorkoster-Prinzip: Von der Hauptleitung wird etwas Trinkwasser in einer abzweigenden Fallstrecke durch den Sensor geleitet, der zwei verschiedene Bakterienstämme sowie Säugetierzellen enthält. Während die mikroskopisch kleinen Bakterien durch ihre große Oberfläche einen raschen Stoffaustausch gewährleisten und innerhalb von Minuten auf toxische Substanzen reagieren, sichern die Säugetierzellen durch ihre Verwandtschaft zum menschlichen Organismus das Ergebnis ab und erweitern gleichzeitig das Reaktionsspektrum. »Wir haben verschiedene Stoffklassen getestet, die im Wasser vorkommen könnten, dies aber nicht tun sollten, und bislang hat unser Sensor auf jede dieser Substanzen reagiert«, berichtet Dr. Iris Trick vom Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB in Stuttgart, die den Bio-Sensor gemeinsam mit ihrer Kollegin Dr. Anke Burger-Kentischer entwickelt hat.

Die Mikroorganismen im Sensor wurden so verändert, dass sie ein rot fluoreszierendes Protein erzeugen. Kommen sie mit toxischen Stoffen in Berührung, verändert sich die Fluoreszenz. Ein am Karlsruher Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung IOSB entwickeltes, hochsensitives Kamerasystem mit Auswerteeinheit registriert selbst kleinste Veränderungen der Fluoreszenz und bewertet diese automatisch. »Die Überwachungseinheit lernt mittels maschineller Lernverfahren aus historischen Daten, welche Schwankungen der physikalischen, chemischen und biologischen Parameter normal sind. Zeigt sich ein auffälliges Muster in den Signalen, schlägt es Alarm«, erklärt Dr. Thomas Bernard, Gruppenleiter vom IOSB. Der Bio-Sensor reagiert auf kleinste Mengen gefährlicher Substanzen. »Unser Sensor kann sehr geringe Konzentrationen nachweisen«, sagt Trick. Klassische Gifte wie Cyanid oder Rizin, aber auch Pflanzenschutzmittel oder toxische Stoffwechselprodukte von Bakterien können in Konzentrationen von Nanogramm pro Liter tödlich sein.

Um den Bio-Sensor dauerhaft betreiben zu können, müssen optimale Lebensbedingungen für die Mikroorganismen sichergestellt werden. Die Forscher vom IOSB haben dafür ein System entwickelt, das automatisch wichtige Parameter wie Temperatur und Nährstoffzufuhr überwacht und regelt. Weiterer Bestandteil des Aqua-BioTox-Systems ist ein Daphnien-Toximeter des Kieler Projektpartners bbe Moldaenke – die Wasserflöhe reagieren besonders sensibel auf Nervengifte. Das Monitoringsystem wird derzeit in einer stillgelegten Leitungsstrecke auf dem Gelände der Berliner Wasserbetriebe getestet – einem weiteren Projektpartner. Ziel ist es, das System so klein und kostengünstig zu machen, dass sich ein miteinander kommunizierendes Netzwerk aus Sensoreinheiten an sensiblen Stellen über das Trinkwassernetz verteilt installieren lässt.

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Geteiltes Elektron blitzt im Streifflug auf

Presseinformation der Max-Planck-Gesellschaft vom 11.11.2010

Ultrakurze Laserpulse lassen sich vielleicht auf vielfältigere Weise erzeugen als gedacht

Physikern könnte sich künftig ein neuer Blick in Atome und Moleküle bieten. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Kernphysik haben nämlich einen neuen Weg vorgeschlagen, mit ultrakurzen Laserpulsen Information über Materie zu gewinnen. Sie haben berechnet, dass gerade der Mechanismus, durch den die Lichtpulse entstehen, auch in die Tiefe von Atomen und Molekülen blicken lässt. (Physical Review Letters, 11. November 2010)

Ein verknackster Fuß oder ein unbequem sitzender Weisheitszahn, geröntgt wurde wohl jeder schon einmal. Beim Röntgen durchleuchtet sehr energiereiche Strahlung das Knochengewebe und offenbart dessen Struktur. Doch auch Wissenschaftler sind auf verschiedene Arten von Strahlung angewiesen, wenn sie Materialien oder Prozesse in Molekülen analysieren. Dabei schneiden sie die Eigenschaften ihrer Lichtquellen auf das jeweilige Experiment zu und versuchen ständig, diese zu optimieren.

Viele dieser Verfahren beruhen auf demselben einfachen Prinzip: Materie wird von einer passenden Lichtquelle bestrahlt oder durchleuchtet. Das reflektierte oder gestreute Licht liefert dann ein Abbild der Materiestruktur. Diese Methode stößt jedoch bei sehr kleinen, komplexen Objekten mit sich zeitlich sehr rasch ändernden Strukturen an ihre Grenzen. Ultrakurze Prozesse, die in der Tiefenstruktur einzelner Moleküle oder gar Atome ablaufen, lassen sich damit nicht mehr auflösen.

Vielleicht könnte dem bald Abhilfe geschaffen werden. Zumindest den Berechnungen zufolge, die Forscher um Thomas Pfeifer am Max-Planck-Institut für Kernphysik angestellt haben. Demnach können zwei freie Teilwellen ein und desselben Elektrons ultrakurze Laserblitze erzeugen, wenn sie Atome oder Moleküle nur streifen. Dabei spüren sie zwar das Potenzial der Teilchen, werden aber nicht von ihm eingefangen. Bisher waren die Forscher davon ausgegangen, dass das Elektron mit dem Atomrumpf rekombinieren muss, um diese Art der Strahlung freizusetzen. Außerdem muss das Atom oder Molekül, dessen Potenzial die freien Elektronenwellen durchlaufen, nicht einmal ionisiert sein, um diesen Effekt hervorzurufen.

„Dies eröffnet ganz neue Möglichkeiten zur Strukturanalyse von hochkomplexen Molekülen“, sagt Pfeifer. „Denn die emittierten ultrakurzen Laserblitze enthalten Informationen über den räumlichen Potenzialverlauf auch im tiefen Innern eines Atoms oder Moleküls.“ Die so erzeugte Strahlung könnten Forscher somit selbst schon als Sonde für die Potenzialstruktur verwenden, und dies, ohne in sie einzugreifen und diese womöglich zu verändern.

Ultrakurze Laserpulse erzeugen Physiker schon länger anhand einzelner Elektronen. Dabei machen sie sich die quantenmechanische Wellennatur dieser geladenen Teilchen zu Nutze. Sie erlaubt es ihnen, ein Elektron mit einem extrem starken Laserfeld teilweise von einem Atomrumpf zu lösen, während der restliche Teil desselben Elektrons am Atom verbleibt. Trifft der freie Anteil des Elektrons wieder auf sein Ion, interferiert dieser mit dem gebundenen Eleltronanteil und sendet einen ultrakurzen, kohärenten Lichtblitz aus. Dabei rekombiniert das Elektron wieder vollständig mit dem Ion.

Die so erzeugten Laserpulse von nur Femto- oder Attosekunden Länge (10-15 beziehungsweise 10-18 Sekunden) verwenden die Wissenschaftler, um zum Beispiel chemische Prozesse in Molekülen zu studieren. Allerdings erlaubt diese Methode bislang nur den Blick auf die äußersten elektronischen Schichten eines Moleküls. Der Einblick in tiefere Schichten bleibt noch verwehrt.

Die Berechnungen, die maßgeblich von Markus Kohler im Rahmen seiner Doktorarbeit am Max-Planck-Insitut für Kernphysik durchgeführt wurden, stellen nicht nur eine neue experimentelle Methode in Aussicht, die Aufschluss über die Tiefenstruktur von Molekülen geben könnte. Sie verallgemeinern auch das theoretische Verständnis, wie sich ultrakurze Laserpulse von zwei Wellenpaketen eines einzelnen Elektrons erzeugen lassen. [FM]

Originalveröffentlichung:
Markus C. Kohler, Christian Ott, Philipp Raith, Robert Heck, Iris Schlegel, Christoph H. Keitel, and Thomas Pfeifer
High Harmonic Generation Via Continuum Wave-Packet Interference
Physical Review Letters DOI:10.1103/PhysRevLett.105.203902

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Verband zeigt Infektionen an

Mediendienst der Fraunhofer-Gesellschaft vom November 2010

Wunden müssen regelmäßig kontrolliert werden. Nur so lassen sich Komplikationen beim Heilungsprozess frühzeitig erkennen. Ein neuartiges Material ermöglicht künftig die Wundkontrolle ohne Verbandswechsel: Im Fall einer Infektion ändert das Material seine Farbe.

Ob ein kleiner Schnitt mit dem Obstmesser, eine Operationswunde oder eine größere Verletzung durch einen Sturz: das körpereigene Abwehr- und Reparatursystem wird sofort aktiv und versucht, die Wunde so schnell wie möglich zu schließen. Kleine Verletzungen verheilen meist innerhalb weniger Tage. Klaffen Wundränder jedoch auseinander, dauert der Heilungsprozess länger – es kann noch Tage später zu einer Infektion kommen. Ein Verband schützt die angegriffene Haut zwar, zur Wundkontrolle muss er jedoch entfernt werden. Dies kann für den Patienten nicht nur schmerzhaft sein, es besteht zudem die Gefahr, dass Keime in die Wunde gelangen. Forscher der Fraunhofer-Einrichtung für Modulare Festkörper-Technologien EMFT in München haben jetzt Verbandmaterialien und Pflaster entwickelt, welche krankhafte Veränderungen der Haut anzeigen: Liegt eine Infektion vor, sieht man einen Farbwechsel von gelb nach violett.

Dr. Sabine Trupp, Wissenschaftlerin am EMFT, erklärt die chemische Reaktion: »Wir haben einen eigens entwickelten Indikatorfarbstoff, der auf unterschiedliche pHWerte reagiert, in einen Verband und in ein Pfl aster integriert. Gesunde Haut und abgeheilte Wunden weisen in der Regel einen pH-Wert von unter 5 auf. Steigt dieser Wert, so bewegt er sich vom sauren in den alkalischen Bereich. Dies deutet auf Komplikationen bei der Wundheilung hin. Bei einem pH-Wert zwischen 6,5 und 8,5 liegt häufi g eine Infektion vor, der Indikatorfarbstreifen färbt sich violett.« Das intelligente Verbandmaterial ermöglicht somit eine regelmäßige Wundkontrolle von außen, die den Heilungsverlauf nicht störend beeinträchtigt.

Die Herstellung des Farbkontrollstreifens hat die Forscher vor hohe Anforderungen gestellt, schließlich sollte er gleich mehrere Voraussetzungen erfüllen: »Der Farbstoff muss chemisch stabil an die Fasern des Verbandmaterials beziehungsweise des Pflasters gebunden sein. Nur so ist gewährleistet, dass er nicht in die Wunde gelangt. Zugleich muss der Indikator eine deutliche Farbänderung anzeigen und darüber hinaus im richtigen pH-Bereich sensitiv reagieren«, sagt Trupp. All dies ist den Experten gelungen. Ein Prototyp des Verbands liegt bereits vor, erste Tests sind erfolgreich verlaufen. Auch über eine Weiterentwicklung ihres Produkts denken die Forscher bereits nach. Künftig sollen in den Verband integrierte optische Sensormodule den pH-Wert messen und die Ergebnisse am Display eines Lesegeräts anzeigen. Mit dieser Methode ließe sich der Wert präzise ablesen, ein Rückschluss auf den Wundheilungsprozess wäre möglich.

Doch wie geht es weiter? Als nächstes steht die klinisch-dermatologische Anwendung in der Klinik und Poliklinik für Dermatologie der Universität Regensburg an. Dr. med. Philipp Babilas wird das Projekt von medizinischer Seite betreuen: »Unsere bisherigen Studien zum pH-Wert in akuten wie auch in chronischen Wunden haben gezeigt, dass er eine zentrale Rolle in der Wundheilung spielt.« Derzeit sind Dr. Trupp und ihr Team auf der Suche nach einem Industriepartner, um den Verband kommerziell produzieren zu können.

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