Künstliche Intelligenz: Erfolge auf dem Weg zur vollautomatisierten Baustelle

Presseinformation des KIT (Karlsruher Institut für Technologie) vom 22.09.2023

Forschende des KIT haben eine Plattform entwickelt, die mittelständischen Unternehmen hilft, Dokumente zu digitalisieren und zu strukturieren

Künstliche Intelligenz ermöglicht ein digitales und vernetztes Datenmanagement in der Bauwirtschaft. Wie nützlich dies vor allem für kleinere und mittlere Unternehmen ist, zeigt das vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) koordinierte Projekt „SDaC – Smart Design and Construction“. Das auf eine verlustfreie Informationsweitergabe zwischen Organisationen und Softwaresystemen gerichtete Projekt bildet einen wichtigen Forschungsbeitrag zur Mensch-Maschine-Kollaboration. Bei einem Abschlussevent stellten die Forschenden die Ergebnisse vor.

Wie kann Künstliche Intelligenz (KI) Menschen in der Bauwirtschaft unterstützen? Welche Aufgaben können Maschinen lernen? Diesen Fragen widmete sich das vom KIT koordinierte Projekt „SDaC – Smart Design and Construction“. „Wir haben eine Plattform entwickelt, auf der sich unter anderem Dokumente aus Projekten, beispielsweise PDF-Lieferscheine, digitalisieren und strukturieren lassen“, sagt der wissenschaftliche Leiter von SDaC, Professor Shervin Haghsheno vom Institut für Technologie und Management im Baubetrieb (TMB) des KIT. Außerdem entstanden gemeinsam mit den Projektpartnern neun KI-Demonstratoren, die Organisationen der Bauwirtschaft bei der Bauplanung und -realisierung unterstützen sollen. „Dabei haben wir vor allem Wert auf Transparenz und Erklärbarkeit gelegt“, so Haghsheno weiter. Die Demonstratoren sind auf der Plattform für Interessierte einsehbar und lassen sich testen, um die Mehrwerte von KI für die Bauwirtschaft zu erleben. Das TMB betreibt die aufgebaute Plattform und die entwickelten Demonstratoren über den Projektabschluss hinaus in einem Netzwerk weiter, um den Wissens- und Praxisaustausch zum Thema KI in der Bauwirtschaft zu unterstützen.

„Die Ergebnisse des Projekts bilden einen wichtigen Baustein in unserer Forschung zur Digitalisierung in der Bauwirtschaft, besonders zur Mensch-Maschine-Kollaboration“, sagt Shervin Haghsheno. Bei der Bauwirtschaft handele es sich um ein stark fragmentiertes Ökosystem mit vielen Schnittstellen, erklärt Projektleiterin Svenja Lauble vom TMB. „Daher ist eine verlustfreie Informationsweitergabe zwischen Organisationen und Softwaresystemen häufig nur schwer möglich. Mit SDaC haben wir die Mehrwerte von KI gezeigt, vor allem für kleine und mittlere Unternehmen. Gerade diese haben mit vielen Datenformaten zu tun, die häufig nicht digital und strukturiert vorliegen.“

Plattform ermöglicht Digitalisierung von Dokumenten

Zusätzlich haben die Projektbeteiligten in SDaC eine Übersicht von 230 Softwareunternehmen erstellt, die sich mit KI für die Bauwirtschaft befassen. Auf einer Seite können KI-Expertinnen und Experten ihre Leistungen für Bau- oder Bausoftwareunternehmen anbieten. Schulungen und Netzwerkveranstaltungen werden ebenfalls organisiert. Auf der Basis des Demonstrators „Lieferscheine digitalisieren“ haben die Forschenden zudem eine App realisiert, die ab Herbst 2023 in den App-Stores zum Download bereitsteht. Jede Baustelle erhält Lieferscheine im Papierformat, die zur Rechnungsprüfung und Dokumentation manuell aufbereitet werden müssen – die App bietet eine einfache Möglichkeit, sie zu digitalisieren.

Folgeprojekt befasst sich mit intelligenten Sanierungsmaßnahmen

Einzelne in SDaC entstandene Demonstratoren werden im Folgeprojekt „NaiS – Nachhaltige intelligente Sanierungsmaßnahmen“ weiterentwickelt, das ebenfalls vom KIT koordiniert wird. Das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) geförderte Projekt verknüpft Daten aus verschiedenen Quellen mithilfe von KI-Technologien auf einer digitalen Plattform, um Sanierungsmaßnahmen objektiv zu bewerten und zu optimieren.

Aus dem Projekt SDaC heraus hat sich außerdem das Start-up Valoon in Dortmund gegründet. Sein Ziel ist, Informationen aus bestehenden Kommunikationskanälen wie WhatsApp intelligent aufzubereiten und zu strukturieren.

Mehr als 40 Projektpartner aus Wissenschaft und Wirtschaft waren an SDaC beteiligt. Das Projekt wurde in einem bundesweiten Innovationswettbewerb zur Anwendung von Künstlicher Intelligenz ausgezeichnet und vom BMWK über 3,5 Jahre mit rund 9 Millionen Euro gefördert. (or)

Externer Link: www.kit.edu

Forscher entwickeln fermionischen Quantenprozessor

Medienmitteilung der Universität Innsbruck vom 23.08.2023

Wissenschaftler aus Österreich und den USA haben einen neuartigen Quantencomputer entwickelt, der fermionische Atome zur Simulation komplexer physikalischer Systeme verwendet. Der Prozessor verwendet neutrale Atome in optischen Pinzetten und ist in der Lage, fermionische Modelle auf effiziente Weise mit fermionischen Gattern zu simulieren. Das Team um Peter Zoller zeigt, wie der neue Quantenprozessor fermionische Modelle aus der Quantenchemie und Teilchenphysik effizient simulieren kann.

Fermionische Atome sind Teilchen, die dem Pauli-Prinzip gehorchen; zwei von ihnen können gleichzeitig nie denselben Quantenzustand einnehmen. Das macht sie ideal für die Simulation von Systemen, in denen fermionische Eigenschaften eine entscheidende Rolle spielen, wie etwa Moleküle, Supraleiter und Quark-Gluon-Plasmen. „In Quantencomputern, die auf Qubits basieren, müssen zusätzliche Ressourcen eingesetzt werden, um diese Eigenschaften zu simulieren, in der Regel in Form von weiteren Qubits oder umfangreicheren Quantenschaltkreisen“, erklärt Daniel Gonzalez Cuadra aus der Forschungsgruppe um Peter Zoller am Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und am Institut für Theoretische Physik der Universität Innsbruck.

Quanteninformation in Fermionen speichern und verarbeiten

Ein fermionischer Quantenprozessor besteht aus einem fermionischen Register und einer Abfolge von fermionischen Quantengattern. „Das Register besteht aus einer Reihe von fermionischen Zuständen, die entweder leer oder von einem einzelnen Fermion besetzt sein können, und diese beiden Zustände bilden die lokale Einheit der Quanteninformation“, erläutert Daniel Gonzalez Cuadra. „Der Zustand des Systems, das wir simulieren wollen, z. B. ein aus vielen Elektronen bestehendes Molekül, wird im Allgemeinen eine Überlagerung vieler Besetzungsmuster sein, die direkt in dieses Register kodiert werden können.“ Diese Informationen werden dann in einem fermionischen Quantenschaltkreis verarbeitet, der beispielsweise die zeitliche Entwicklung eines Moleküls simulieren soll. Jede solche Operation kann in eine Folge von nur zwei Arten von fermionischen Gattern zerlegt werden, einem Tunnelgatter und einem Wechselwirkungsgatter.

Die Forscher schlagen vor, fermionische Atome in einer Anordnung optischer Pinzetten einzufangen. Das sind hochfokussierte Laserstrahlen, die Atome mit hoher Präzision halten und bewegen können. „Die benötigten fermionischen Quantengatter können auf dieser Plattform einfach implementiert werden: Tunnelgatter durch die Kontrolle des Tunnelns eines Atoms zwischen zwei optischen Pinzetten, Wechselwirkungsgatter, indem die Atome zunächst zu Rydberg-Zuständen angeregt werden, die ein starkes Dipolmoment haben“, sagt Gonzalez Cuadra.

Anwendungen von der Quantenchemie bis zur Teilchenphysik

Ein fermionischer Quantenprozessor ist besonders nützlich, um die Eigenschaften von Systemen zu simulieren, die aus vielen wechselwirkenden Fermionen bestehen, wie z. B. Elektronen in einem Molekül oder in einem Material oder Quarks in einem Proton, und könnte daher in vielen Bereichen Anwendung finden, von der Quantenchemie bis zur Teilchenphysik. Die Forscher zeigen, wie ihr fermionischer Quantenprozessor fermionische Modelle aus der Quantenchemie und der Gittereichtheorie effizient simulieren kann, zwei wichtige Bereiche der Physik, die mit klassischen Computern nur schwer zu lösen sind. „Da die Quanteninformation direkt in Fermionen verarbeitet wird, sind einige Eigenschaften des simulierten Systems auf Hardware-Ebene schon vorhanden, was bei einem Quantencomputer auf Qubit-Basis zusätzliche Ressourcen erfordern würde“, sagt Daniel Gonzalez Cuadra. „Ich bin sehr gespannt auf die Zukunft dieses Gebiets und möchte weiterhin dazu beitragen, indem ich die vielversprechendsten Anwendungen für die fermionische Quantenverarbeitung identifiziere und maßgeschneiderte Algorithmen entwerfe, die in bald verfügbaren Geräten laufen können.“

Die aktuellen Ergebnisse wurden in den Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) veröffentlicht. Finanziell unterstützt wurde die Forschung unter anderem vom österreichischen Wissenschaftsfonds FWF, der Europäischen Union und der Simons Foundation.

Originalpublikation:
Fermionic quantum processing with programmable neutral atom arrays. D. Gonzalez-Cuadra, D. Bluvstein, M. Kalinowski, R. Kaubruegger, N. Maskara, P. Naldesi, T. V. Zache, A. M. Kaufman, M. D. Lukin, H. Pichler, B. Vermersch, Jun Ye, and P. Zoller. PNAS 2023

Externer Link: www.uibk.ac.at

Weltweit erster Chip mit österreichischer Quantenarchitektur im Einsatz

Medieninformation der Universität Innsbruck vom 06.07.2023

Der japanische IT-Konzern NEC hat den ersten Quantenprozessor basierend auf der ParityQC Architektur gebaut. Die Parity-Technologie wurde an der Universität Innsbruck erfunden und wird vom Spin-off ParityQC weiterentwickelt und vermarktet. NEC macht den auf Optimierungsprobleme spezialisierten Quantencomputer nun über die Cloud für die Wissenschaft zugänglich.

In aller Welt arbeiten Wissenschaft und Unternehmen fieberhaft am Bau von Quantencomputern. Diese neuen Rechenmaschinen werden viele Probleme rascher und effizienter lösen als bisherige Technologien. Gerade bei der Suche nach optimalen Lösungen für komplexe Fragestellungen versprechen Quantentechnologie sehr bald schon praxistaugliche Anwendungen. Basis dafür sind Quantum-Annealing-Systeme oder adiabatische Quantencomputer, die nicht wie klassische Computer mit Gatteroperationen arbeiten. Sie nutzen die Quanteneigenschaft vielmehr zur Suche eines optimalen Zustands in einem physikalischen System. In entsprechende Algorithmen verpackt, lassen sich diese Systeme nutzen, um optimale Lösungen für viele Fragestellungen zu finden.

Japanischer Quanten-Chip mit österreichischem Know-how

Nun hat der IT-Konzern NEC einen 8-Bit-Quanten-Annealer gebaut, der auf der Architektur des Innsbrucker Spin-offs ParityQC basiert. Der erste Parity-Quantenchip besteht aus supraleitenden Parametron-Qubits und wird von NEC nun über die Cloud der Wissenschaft zugänglich gemacht. „Das ist eine eindrucksvolle Bestätigung der eigentlichen Vorteile, die der ParityQC-Ansatz bietet: Unempfindlichkeit gegen Rauschen und Skalierbarkeit zu einem vollständig verschalteten Quantencomputer unter Beibehaltung langer Kohärenzzeiten“, zeigt sich Hermann Hauser, Mitbegründer von Amadeus Capital und Acorn Computers, begeistert. „Die Übernahme der ParityQC-Architektur durch NEC, einem der weltweit führenden Supercomputer-Unternehmen, ist ein außergewöhnlicher Erfolg für das vier Jahre alte Spin-off der Universität Innsbruck. Es macht ParityQC zum weltweit ersten Unternehmen für QC-Architekturen mit einer erprobten, funktionierenden Anwendung. Die Vorteile dieses Ansatzes werden dazu führen, dass das ParityQC-Design von vielen anderen Hardware-Herstellern übernommen wird. Eine Reihe von kürzlich erfolgten Ankündigungen von QC-Konsortien in Europa belegen dies bereits“, so Hauser weiter. „NEC war das erste Unternehmen, das in den 90er-Jahren ein supraleitendes Qubit vorstellte. Wir sind sehr stolz darauf, dass ihr Quantenprozessor, der nun erstmals für die externe Nutzung verfügbar sein wird, auf unserer Architektur basiert“, freuen sich Wolfgang Lechner und Magdalena Hauser, Co-Geschäftsführer von ParityQC.

Österreichische Erfolgsgeschichte

ParityQC wurde 2020 in Innsbruck gegründet und vermarktet eine Technologie, die auf einer inzwischen patentierten Idee beruht, die Quantenphysiker Wolfgang Lechner in den 2010-er Jahren gemeinsam mit Peter Zoller und Philipp Hauke an der Universität Innsbruck und dem Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften entwickelt hat. Die Ausgründung erfolgte über die Transferstelle Wissenschaft – Wirtschaft – Gesellschaft der Universität Innsbruck. „Es zeigt sich nun immer mehr, dass unsere Ersteinschätzung dieser Technologie im Zuge der Erfindungsmeldung 2015 richtig war und die Basiserfindung das Potential hat, zum Standard in der Quantencomputer-Technologie zu werden. Die Verwertung dieser Forschungsergebnisse über die Gründung eines Spin-offs ermöglicht es, die Technologie in Europa weiterzuentwickeln und somit maximalen Einfluss auf die Entwicklung dieser Branche zu nehmen und dabei gleichzeitig die Wertschöpfung in Europa zu halten. Ein großes Kompliment an die beiden Geschäftsführer dafür, wie vorausschauend und umsichtig sie ihre Entwicklungspartner auswählen“, sagt Transferstellen-Leiterin Sara Matt.

Externer Link: www.uibk.ac.at

Online-Prozesse – wenn der Avatar verhandelt

Presseinformation (Forschung Kompakt) der Fraunhofer-Gesellschaft vom 03.07.2023

Seit der Corona-Pandemie gehören Videokonferenzen in vielen Berufen zum Alltag. Auch Online-Gerichtsverhandlungen gewinnen weltweit immer mehr an Bedeutung. In großflächigen Staaten wie Kanada und Australien machen virtuelle Gerichtstermine schon seit längerem weite Anreisen überflüssig. Ein Forscherteam von Fraunhofer Austria entwickelt derzeit eine Software, die die digitalen Gerichtsprozesse auf eine neue Stufe heben soll: Virtuelle Avatare repräsentieren künftig die Prozessbeteiligten im Online-Gerichtssaal. Mimik und Augenbewegungen der Verhandelnden werden per Webcam erfasst und auf die Avatare übertragen. Auf diese Weise können alle miteinander in Blickkontakt treten, was eine persönlichere Kommunikation ermöglicht.

Online-Gerichtsverhandlungen gewinnen immer mehr an Bedeutung. Seit der Corona-Krise arbeiten Gerichte zunehmend an der Einführung digitaler Gerichtsprozesse. Die Vorteile: Gerichtsverfahren können zügiger durchgeführt werden und lange Anreisen der Beteiligten entfallen. Neben dem flüssigeren und effizienteren Gerichtsbetrieb sprechen Kosten- und Zeitersparnisse für die virtuellen Prozesse. Kritiker hingegen verweisen auf die noch nicht ausgereifte, notwendige Technik und auf verfahrensrelevante Fragen: Wie lassen sich einwandfreie Video-Übertragungen gewährleisten? Wie kann der Prozess mit seinen detaillierten Verhaltensregeln ins Digitale übertragen werden? Diesen Fragestellungen widmen sich Forschende der Fraunhofer Austria Research GmbH. Unterstützt werden sie dabei unter anderem von Prof. David Tait, Forscher an der Western Sydney University. Mit dem Virtual Court-System entwickeln sie eine Software, mit der sich der Einsatz von Videotechnik in der Ziviljustiz optimieren und ausbauen lassen soll. Vorgesehen ist das Setting in virtuellen Gerichtssälen zunächst für kleinere Delikte wie Nachbarschaftsstreitigkeiten.

Während viele Videokonferenz-Anwendungen den Nutzern mittels VR-Brillen das Gefühl vermitteln, am selben Ort zu sein, setzen die Fraunhofer-Forschenden in diesem Projekt nicht auf VR. Vielmehr erfolgt die Bildausgabe über den Monitor. Die Prozessbeteiligten kommunizieren mit Hilfe von Avataren – 3D-Grafikfiguren, die die reale Person repräsentieren – im virtuellen Raum. Vor dem Start der Verhandlung im virtuellen Gerichtssaal wählen die Beteiligten die für sie entsprechende Rollenspezifikation wie Richter, Verteidiger, Staatsanwalt, Zeuge oder Angeklagter. Eine Webcam nimmt das Gesicht auf. Mittels Eyetracking erfasst die Software, die auf einer 3D-Grafikengine aufsetzt, in welche Richtung der Anwender sieht. Dieser Blick wird in eine Kopfbewegung des Avatars umgesetzt – ein direkter Blickkontakt zwischen den Gesprächspartnern wird simuliert. Dieser Augenkontakt fehlt aktuell noch in Videokonferenzen via MS Teams oder Zoom.

Video-Konferenzen auf Augenhöhe

»Für die virtuellen Gerichtsverhandlungen mit unserem System ist keine komplizierte technische Ausrüstung erforderlich. Die Prozessbeteiligten setzen sich entweder in einem öffentlichen Gebäude, einer Polizeistation oder im Homeoffice vor den Laptop mit Webcam. Das ist ausreichend, um am Virtual Court teilzunehmen«, sagt Dr. Volker Settgast, Wissenschaftler im Geschäftsbereich Visual Computing bei Fraunhofer Austria in Graz. In der virtuellen Repräsentation des Gerichtssaals sehen sich alle Anwender und erkennen dank des Eyetrackings, wer sie gerade ansieht. Die Webcam erfasst nicht nur die Augenbewegungen, sondern auch die Mimik. »Da die Webcam Mundbewegung und Gesichtsausdruck aufnimmt, sind Rückschlüsse auf den Gemütszustand der Teilnehmenden möglich«, so Settgast. »Bei klassischen Videokonferenzen wird das Videobild übertragen, dies entfällt bei unserem System durch den Einsatz der Avatare. Lediglich der Audiostream und die aus dem Eyetracking und der Mimikerkennung resultierenden Daten werden übertragen. Der zu transferierende Datenstrom ist daher reduziert.«

Geplant ist, die virtuellen Gerichtssäle länderspezifisch anzupassen, auch die Avatar-Animation soll verbessert werden. Beispielsweise wollen Settgast und sein Team die Hände der Teilnehmenden in die Gestenerkennung integrieren. Künftig soll die Software auch im Browser laufen. Erste Workshops und Anwendertests der Betaversion fanden bereits am Visualization Research and Teaching Laboratory Harvard University, Department of Earth & Planetary Sciences und an der Université de Montréal’s Cyberjustice Laboratory statt. »Letztendlich wollen wir das Gerichtssetting komplett in den virtuellen Raum verlagern und Video-Konferenzen auf Augenhöhe für Zivilgerichte realisieren. Da Augenbewegungen, Mimik und Gestik erkennbar sind, können künftig Gerichtsprozesse mit persönlichem Charakter auch digital durchgeführt werden«, so der Forscher.

Diese Vorlaufforschung wurde im Rahmen einer Projektförderung des Österreichischen Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft gefördert.

Externer Link: www.fraunhofer.de

Erstklassiger Klang für jedes Ohr

Presseinformation (Forschung Kompakt) der Fraunhofer-Gesellschaft vom 01.06.2023

Ein Audio-Device zu entwickeln, das allen Menschen ein optimales Klangerlebnis bietet, ist nicht einfach. Die große Herausforderung liegt darin, dass jeder Mensch individuelle Hörpräferenzen hat. Daher hat der Institutsteil Hör-, Sprach- und Audiotechnologie HSA des Fraunhofer-Instituts für Digitale Medientechnologie IDMT adaptive Algorithmen sowie intuitive Verfahren zur Einstellung des persönlichen Klangs entwickelt. Mit einem Kunden konnte die Technologie nun auch in Kopfhörer integriert werden.

Jeder Mensch nimmt Klang anders wahr und hat seine eigenen, individuellen Hörvorlieben – auch unabhängig von Alter und Hörvermögen. Die Werkseinstellungen von Audiolösungen können dementsprechend nicht für jeden Hörenden gleichermaßen ansprechend sein. Auch die gängigen Einstellmöglichkeiten stoßen hier an ihre Grenzen. Der Oldenburger Institutsteil HSA des Fraunhofer IDMT hat ein Verfahren und Algorithmen entwickelt, um eine einfache und intuitive Einstellung der Klangvorlieben, abseits von komplexen und starren Equalizern, zu ermöglichen. Nutzerinnen und Nutzer wählen auf einer intuitiv bedienbaren Oberfläche entlang der Instrumentierung eines Beispielmusikstücks spielerisch den favorisierten Sound. Dazu fragt ein virtueller Assistent in wenigen Schritten nach Klangvorlieben für normale und leise Wiedergabelautstärken unterschiedlicher Instrumente. Einmal eingestellt, wirkt sich das Soundprofil positiv auf den Gesamtklang aus. Die Technologie kann sowohl in Geräte mit Audiowiedergabe wie Fernseher, Smartphones, Soundbars oder Infotainment-Systeme im Auto integriert werden, als auch auf Streaming- oder Medienplattformen.

Mehr als technisch perfekter Klang

Bei der Entwicklung der Klangpersonalisierung haben die Fraunhofer-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler insbesondere auf eine nutzerfreundliche Anwendung der Technologie geachtet. »Jeder Mensch hat eine persönliche Klangpräferenz. Gängige Einstellmöglichkeiten für Sound berücksichtigen nicht, wie sich das eigene Lautheitsempfinden auf diese Präferenzen auswirkt – oder sie wirken aufgrund ihrer Komplexität eher abschreckend auf Nutzerinnen und Nutzer und werden daher nicht genutzt. Diese Hürden haben wir reduziert, da unsere Technologie auch ohne Kenntnisse über Pegel und Frequenzen bedient werden kann und darauf abzielt, den individuell besten Klang bei jeder Wiedergabelautstärke herzustellen«, stellt Dr. Jan Rennies-Hochmuth, Gruppenleiter Persönliche Hörsysteme am Fraunhofer IDMT fest.

»Wir sind froh, die von uns auch als YourSound bezeichnete Technologie in der Produktkategorie Kopfhörer umgesetzt zu haben und damit einer breiteren Nutzerschaft zugänglich zu machen. Das technologische Konzept für die schnelle und individuelle Klanganpassung konnten wir zuvor erfolgreich für Multimedia-Systeme von Pkw adaptieren«, resümiert Dr. Jens-E. Appell, Institutsteilleitung Hör-, Sprach- und Audiotechnologie HSA.

Die Technologie zur Personalisierung des Klangs konnte mit der Sonova Holding AG nun erfolgreich in Consumer-Kopfhörer der Marke Sennheiser implementiert werden.

Hör-, Sprach- und Audiotechnologie HSA am Fraunhofer IDMT in Oldenburg

Der im Jahr 2008 unter der Leitung von Prof. Birger Kollmeier und Dr. Jens-E. Appell gegründete Institutsteil Hör-, Sprach- und Audiotechnologie HSA des Fraunhofer-Instituts für Digitale Medientechnologie IDMT steht für marktnahe Forschung und Entwicklung mit Schwerpunkten auf Sprach- und Ereigniserkennung, Klangqualität und Sprachverständlichkeit sowie mobile Neurotechnologie und Systeme für eine vernetzte Gesundheitsversorgung. Mit eigener Kompetenz in der Entwicklung von Hard- und Softwaresystemen für Audiosystemtechnologie und Signalverbesserung setzen die Mitarbeitenden am Standort Oldenburg wissenschaftliche Erkenntnisse in kundengerechte, praxisnahe Lösungen um. Über wissenschaftliche Kooperationen ist der Institutsteil eng mit der Carl von Ossietzky Universität, der Jade Hochschule und der Hochschule Emden/Leer verbunden. Das Fraunhofer IDMT ist Partner im Exzellenzcluster Hearing4all.

Externer Link: www.fraunhofer.de