Lotuseffekte lasern

Presseinformation (Forschung Kompakt) der Fraunhofer-Gesellschaft vom 01.02.2022

In Oberflächen lassen sich jetzt im Handumdrehen Nano- und Mikrostrukturen per Laser einarbeiten. Die Technologie wird von der jungen Dresdner Firma Fusion Bionic entwickelt und vertrieben – einer Ausgründung aus dem Fraunhofer-Institut für Werkstoff- und Strahltechnik IWS. Bei der Laserstrukturierung sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt. Ihr Vorteil: Sie ist schnell und deutlich vielseitiger als Beschichtungen.

Oberflächen von Produkten lassen sich durch viele verschiedene Effekte veredeln. Beim Lotuseffekt zum Beispiel sorgt eine Mikrostruktur dafür, dass Schmutz nicht anhaftet, sondern beim nächsten Regen einfach abgewaschen wird. Die feinen Rippeln der Haifischhaut wiederum verbessern die Strömung an der Außenseite von Flugzeugen und Schiffen, was Treibstoff spart. Bislang werden viele solcher naturinspirierter Effekte erzeugt, indem man die Oberfläche beschichtet oder mit Folien beklebt, in die Mikrostrukturen eingeprägt sind. Doch Beschichtungen und Folien können sich abnutzen, sodass der gewünschte Effekt mit der Zeit nachlässt. Forscher am Fraunhofer IWS und an der Technischen Universität Dresden haben in den vergangenen Jahren eine alternative Methode zur Marktreife gebracht, mit der man Oberflächen dauerhaft mit Nano- und Mikrostrukturen versehen kann: die Direkte Laserinterferenz-Strukturierung (Direct Laser Interference Patterning, DLIP). Bei diesem Verfahren wird die Nano- oder Mikrostruktur per Laser direkt in die Oberfläche eingeschrieben, um biomimetische Effekte zu erzeugen. Bemerkenswert ist die hohe Geschwindigkeit des Verfahrens, das aktuell pro Minute eine Fläche von bis zu einem Quadratmeter bearbeiten kann. Die neue Technologie ist so vielversprechend, dass in diesem Jahr die Firma Fusion Bionic aus dem Fraunhofer IWS ausgegründet wurde. Fusion Bionic entwickelt und vertreibt DLIP-Systemlösungen für die biomimetische Oberflächenveredelung, führt im Auftrag von Kunden aber auch selbst Oberflächenfunktionalisierungen durch.

Schnell genug für große Flächen

»Im Vergleich zum Beschichten oder Bekleben galt der Laser lange Zeit als viel zu langsam, um große Oberflächen zu veredeln«, sagt Fusion-Bionic-Geschäftsführer Dr. Tim Kunze, der das Unternehmen zusammen mit drei Partnern gegründet hat. »Mit dem DLIP-Verfahren aber haben wir den Schritt zur schnellen Bearbeitung großer Flächen geschafft.« Klassischerweise stellt man sich einen Laserstrahl als einen einzelnen feinen Strahl vor. Wollte man damit wie mit einer Nadel ein Muster in eine Oberfläche einarbeiten, verlöre man viel zu viel Zeit. Das DLIP-Verfahren funktioniert anders. Dabei wird zunächst ein Laserstrahl in mehrere Strahlenbündel aufgeteilt. Um ein Muster in die Oberfläche einzubringen, werden die vielen Laserstrahlen kontrolliert überlagert, sodass ein sogenanntes Interferenzmuster entsteht. Dieses Muster lässt sich dabei auf einer größeren Fläche verteilen, was eine großflächige und schnelle Bearbeitung möglich macht.

Das Prinzip der Interferenz ist schnell erklärt: Licht breitet sich wellenförmig aus. Überlagert man zwei Lichtstrahlen, können sich ihre Wellentäler und Wellenberge gegenseitig auslöschen oder verstärken. Dort, wo Licht auf die Oberfläche trifft, wird durch die Laserenergie Material abgetragen beziehungsweise verändert. Die dunklen Bereiche bleiben unberührt. »Wir können damit nahezu alle erdenklichen Strukturen herstellen«, sagt Tim Kunze. »Lotuseffekt, Haifischhaut, Mottenauge und vieles mehr.«

Noch zu seiner Zeit am Fraunhofer IWS entwickelte sein Team in enger Zusammenarbeit mit Prof. Andrés Lasagni von der Technischen Universität Dresden mit Airbus eine Mikrostruktur, die während des Flugs verhindert, dass sich Eis auf den Tragflächen anlagert. Bei herkömmlichen Jets wird das verhindert, indem warme Abluft aus den Triebwerken in die Tragflächen geleitet wird. Damit geht den Triebwerken allerdings Energie verloren. Das Projekt hat ergeben, dass sich der Energiebedarf eines Eisschutzsystems um 80 Prozent verringert, wenn die Tragfläche zusätzlich über eine DLIP-Mikrostruktur verfügt. »Vor allem auch für künftige elektrisch betriebene Flugzeuge wäre das eine Lösung, weil bei diesen keine Abwärme aus den Triebwerken zur Verfügung steht«, sagt Tim Kunze. In anderen Projekten wurden Implantate wie etwa Hüftgelenkprothesen und Zahnimplantate bearbeitet, sodass ihre Oberflächen besonders biokompatibel sind oder antibakteriell wirken.

Förderung durch Fraunhofer-AHEAD-Programm

Den Anstoß zur DLIP-Entwicklung gab vor gut zehn Jahren der Laserexperte Prof. Andrés Fabián Lasagni, als er von der Universität Saarbrücken ans Fraunhofer IWS wechselte und die Technik in den Fokus nahm. DLIP war damals ein eher akademisches Grundlagenthema. Lasagni, der heute die Professur für die Laserstrukturierung großer Oberflächen an der TU Dresden inne hat, war aber klar, dass darin ein großes Potenzial steckte. Er baute am Fraunhofer IWS ein leistungsstarkes Team auf, das unter seinem Nachfolger Tim Kunze ab 2017 weiter anwuchs. Aufbauend auf Lasagnis wegweisenden Vorarbeiten entwickelten beide zusammen industrietaugliche DLIP-Optiken, die mittlerweile weltweit bei zahlreichen Pilotkunden installiert wurden. Ab 2020 wurde deutlich, dass die Kommerzialisierung der DLIP-Technologie auf eine neue Stufe gehoben werden muss. »Unsere Lösungen bieten einen völlig neuen Freiheitsgrad bei der Oberflächengestaltung mit einer noch nie dagewesenen Geschwindigkeit, was neuartige Produkte und Prozesse ermöglicht«, erläutert Tim Kunze.

Durch Förderung im Rahmen des AHEAD-Programms, mit dem die Fraunhofer-Gesellschaft Spin-offs ermöglicht, wurde jetzt Fusion Bionic gegründet. »Es gibt einen großen Bedarf für die Funktionalisierung von Oberflächen«, resümiert Lasagni. »Jede Branche hat da ihre eigenen Herausforderungen, sei es die Haftung von Eiscreme an Behälterwänden oder die Verringerung von Reibung. Insofern wird uns die Arbeit so schnell nicht ausgehen.«

Um die Entwicklung von innovativen Oberflächen zu beschleunigen, arbeitet Fusion Bionic mit Unterstützung seines Investors Avantgarde Labs Ventures an einer Vorhersageplattform auf der Grundlage Künstlicher Intelligenz. Mit dieser sollen fortschrittliche Laserfunktionalitäten realisiert werden. Parallel wird am Fraunhofer IWS eine »AI Test Bench« aufgebaut, ein Multisensor-Teststand zur Laserbearbeitung, auf dem sich mithilfe von Künstlicher Intelligenz die optimale Oberflächenstruktur für jedes Problem schnell vorhersagen und erzeugen lässt.

Zu den Gründungsmitgliedern von Fusion Bionic gehören Dr. Sabri Alamri, Laura Kunze, Dr. Tim Kunze und Benjamin Krupop.

Externer Link: www.fraunhofer.de

Optik und Photonik: Dünnster optischer Diffusor für neue Anwendungen

Presseinformation des KIT (Karlsruher Institut für Technologie) vom 22.12.2021

Neuartige optische Komponente auf der Basis von Metamaterialien aus Silizium-Nanopartikeln – Publikation in Advanced Materials

Die Miniaturisierung von optischen Komponenten ist eine Herausforderung in der Photonik. Forschenden des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) und der Friedrich-Schiller-Universität Jena ist es gelungen, einen Diffusor – eine optische Streuscheibe – auf der Basis von Silizium-Nanopartikeln zu entwickeln. Damit können sie Richtung, Farbe und Polarisation von Licht gezielt steuern. Anwendungen kann die neuartige Technologie etwa in transparenten Bildschirmen oder in der Augmented Reality finden. Über ihre Ergebnisse berichten die Forschenden in der Zeitschrift Advanced Materials. (DOI: 10.1002/adma.202105868)

Die Photonik, die Wissenschaft von der Erzeugung, Ausbreitung und Detektion von Licht, gilt als Treiber bei der Entwicklung von Technologien für das 21. Jahrhundert. Eine Herausforderung für die Forschung besteht darin, traditionelle optische Komponenten wie Linsen, Spiegel, Prismen oder Diffusoren zu miniaturisieren oder ihre Merkmale um Eigenschaften zu ergänzen, die erst durch die Nanophotonik zugänglich sind. Dies führt zu neuen Anwendungen wie miniaturisierten Sensoren in autonom fahrenden Fahrzeugen oder integrierten photonischen Quantencomputern.

Diffusoren sind Streuscheiben, die einfallendes Licht mithilfe kleiner Streuzentren beeinflussen und etwa gleichmäßig in alle Richtungen verteilen. Um eher massive traditionelle Diffusoren zu ersetzen, brachten Forschende des KIT und der Friedrich-Schiller-Universität Jena eine Schicht spezieller Silizium-Nanopartikel auf ein Substrat auf. Dabei verteilten sie die Partikel in einer ungeordneten, aber sorgfältig geplanten Weise. Die Nanopartikel sind hundertmal dünner als ein menschliches Haar und wechselwirken mit bestimmten einstellbaren Wellenlängen des Lichts. Richtung, Farbe und Polarisation von Licht können mit diesen Meta-Oberflächen gezielt gesteuert werden.

„Sweet Spot“ für die perfekte Diffusion

„Das Forschungsteam ging zwei grundlegenden Fragen nach: Wie stark können wir den optischen Diffusor verkleinern und wie genau muss die Unordnung in der räumlichen Struktur der Nanopartikel sein?“, so Aso Rahimzadegan, Doktorand am KIT und einer der beiden Hauptautoren der Studie. „Bemerkenswerterweise haben wir einen ‚Sweet Spot‘ für die Unordnung gefunden, der zu einer perfekten Diffusion führt.“ Dennis Arslan, Doktorand an der Universität Jena und ebenfalls Hauptautor dieser Publikation, erläutert: „Wir haben Meta-Oberflächen-Diffusoren hergestellt, die, wenn man sie mit bloßem Auge betrachtet, aus allen Richtungen gleich hell erscheinen. Das Bemerkenswerte daran ist, dass dies alles in einer Schicht mit einer Dicke von nur 0,2 Mikrometern geschieht. Die Diffusoren streuen Licht einer bestimmten Farbe und lassen andere Wellenlängen ungestört passieren.” Diese Eigenschaft sei beispielsweise für wissenschaftliche Anwendungen nützlich, aber auch Konsumartikel wie transparente Bildschirme, die von beiden Seiten betrachtet werden könnten, holografische Projektoren oder Augmented-Reality-Headsets profitierten davon. Nur durch die Kombination experimenteller und theoretischer Expertise beider Partner war es möglich, Antworten auf die anspruchsvollen Fragen zu finden.

Die Forschung, die zu diesen Ergebnissen führte, wurde in dem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Schwerpunktprogramm „Tailored Disorder“ durchgeführt und war am KIT in das Exzellenzcluster 3D Matter Made to Order integriert. (jh)

Externer Link: www.kit.edu

Einzelne Atome verankern

Presseaussendung der TU Wien vom 31.08.2021

Wie lassen sich Einzelatome für die Katalyse verwenden? Forschende aus Wien entwickeln eine neue Methode, um Einzelatome auf Trägermaterialien zu verankern.

Oft heißt es „never change a running system“. Dabei können neue Methoden den alten weit überlegen sein. Während chemische Reaktionen bislang vor allem mit größeren Materialmengen, bestehend aus mehreren hundert Atomen, beschleunigt werden, liefern Einzelatome einen neuen Ansatz für die Katalyse.

Ein internationales Forschungsteam fand nun unter Führung der TU Wien eine Möglichkeit, einzelne Atome kontrolliert und stabil auf einer Oberfläche zu verankern. Dies ist ein wichtiger Schritt zur Katalyse mit Einzelatomen. Die neue Methode präsentierten die Forschenden um Bernhard C. Bayer in der Fachzeitschrift ACS Nano.

Einzelatome lösen Nanopartikel ab

Moderne Katalysatoren bestehen bereits aus Nanopartikeln und sind somit sehr klein. Betrachtete man ihre Größe jedoch auf atomarer Skala, sind sie mit mehreren hundert Atomen weit größer als Katalysatoren, die aus nur einem Einzelatom bestehen. Gelingt es, chemische Reaktionen mit weit kleineren als den bislang eingesetzten Materialmengen zu beschleunigen, eröffnet dies gänzlich neue Möglichkeiten. Denn die Katalyse mit Einzelatomen ist nicht nur nachhaltiger und energieeffizienter, sie ist auch selektiver und erzielt eine bessere Ausbeute.

Bei der neu entwickelten Methode dienen Siliziumatome als „Anker“ für metallische Einzelatome. Siliziumatome selbst kommen oft als Verunreinigung im Trägermaterial aus Kohlenstoff vor. An das Silizium werden Indiumatome gebunden, die als Katalysator fungieren können. „Die Indiumatome binden gezielt an die Silizium-Anker im Kohlenstoff-Kristallgitter“, sagt Bernhard C. Bayer vom Institut für Materialchemie an der TU Wien. „Damit verbleiben die Indium-Einzelatome stabil an ihren Plätzen und verklumpen nicht“, fährt der Leiter der Forschungsarbeiten fort. „Was die neue Technologie besonders spannend macht, ist, dass die Verankerung der Indiumatome durch die Siliziumatomen im Kohlenstoff selbstständig passiert, wenn die Reaktionsbedingungen stimmen. Dies macht den Prozess potenziell skalierbar“, ergänzt Kenan Elibol von der Universität Wien und dem Trinity College Dublin sowie Erstautor der Studie.

Das Verfahren bringt aber auch Herausforderforderungen mit sich, denen das Forschungsteam erfolgreich begegnete. Besonders das Aufbringen von Einzelatomen auf festen Trägeroberflächen gestaltet sich schwierig. Der Grund: Einzelne Atome entfernen sich schnell von ihren Plätzen und fügen sich zu größeren Partikeln zusammen. Atomar feines Indium zum Beispiel verklumpt sich normalerweise auf Kohlenstoffoberflächen schnell zu großen Nanopartikeln – die Vorteile der Einzelatom-Katalyse werden folglich aufgehoben.

Weitere Testungen folgen

Mit einem hochauflösenden Elektronenmikroskop an der Universität Wien konnte das Forschungsteam die Herstellungsmechanismen der Silizium-verankerten Indium-Einzelatome schließlich beobachten. „Wir konnten damit nachweisen, wie die Verankerung der Indiumatome davon abhängt, wie die Silizium-Anker im Kohlenstoff-Kristallgitter eingebaut sind“, sagt Toma Susi von der Universität Wien, der die Anker-Strukturen mittels modernster Computermethoden weiter entschlüsseln konnte. „Solch kontrollierte und bei Raumtemperatur stabile Verankerung von Einzelatomen auf festen Oberflächen wurde noch nicht in diesem Detail berichtet und eröffnet spannende Perspektiven für katalytische Anwendungen im Bereich Energie und Umwelt“, ergänzt Dominik Eder von der TU Wien und Experte für Katalyse.

Damit die Methode der Wiener Forschenden auch industriell eingesetzt werden kann, folgen weitere Experimente: „Die mit der neuen Methode platzierten Einzelatome sollen nun ausführlich als Katalysatoren für verschiedene chemische Reaktionen getestet werden“, so Bernhard C. Bayer.

Die beschriebene Forschung wurde unter anderem durch die Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) unter Projekt 860382-VISION und vom Europäischen Forschungsrat (ERC) im Rahmen des Forschungs- und Innovationsprogramms Horizon 2020 der Europäischen Union (756277-ATMEN) gefördert. (Sarah Link)

Originalpublikation:
K. Elibol et al., Single Indium Atoms and Few-Atom Indium Clusters Anchored onto Graphene via Silicon Heteroatoms, ACS Nano, 2021

Externer Link: www.tuwien.at

Carbon Black aus Autoreifen recyceln

Presseinformation (Forschung Kompakt) der Fraunhofer-Gesellschaft vom 01.07.2021

Altreifen werden bislang vorwiegend zur Gewinnung von Energieträgern genutzt: Das darin enthaltene Carbon Black wird nur zu geringen Anteilen recycelt, da es etwa 20 Prozent mineralische Asche enthält. Mit einem neuen Verfahren des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik IBP lässt sich diese Asche nahezu vollständig abtrennen – und so sowohl das Carbon Black als auch die Mineralien aus der Asche erneut nutzen.

Etwa drei Kilogramm Carbon Black – auch Industrieruß genannt – stecken in einem üblichen PKW-Reifen. Das Problem dabei: Für die Herstellung einer Tonne Carbon Black braucht man etwa 1,5 Tonnen fossile Rohstoffe und große Mengen Wasser, es entstehen bis zu drei Tonnen Kohlenstoffdioxid. Es wäre daher äußerst sinnvoll, das in Altreifen enthaltene Carbon Black zu recyclen. Das in ihnen enthaltene Rohstofflager ist riesig: Etwa vier Milliarden Altreifen haben sich bereits auf Deponien angesammelt, jährlich kommen etwa 1,8 Milliarden Reifen dazu. Bislang gewinnt man aus den Altreifen – ebenso wie aus technischen Gummimaterialien – jedoch vor allem Öle, mit denen wiederum Energie für industrielle Prozesse gewonnen wird oder die als Rohstoff in Raffinerien eingesetzt werden. Das Recovered Carbon Black dagegen, das bei dem Pyrolyse-Verfahren entsteht, bleibt größtenteils ungenutzt: Es enthält bis zu 20 Prozent mineralische Asche, die aus den bei der Reifenherstellung genutzten Additiven besteht – vor allem aus silikatischen Verbindungen und Zinkkomponenten.

Purifiziertes Carbon Black aus Altreifen

Forscherinnen und Forscher des Fraunhofer IBP in Valley haben im Auftrag der RCB Nanotechnologies GmbH aus München ein Entmineralisierungsverfahren entwickelt, über das sich das recycelte Carbon Black von seiner mineralischen Last befreien lässt. »Das so behandelte Recoverd Carbon Black ist nahezu frei von mineralischen Reststoffen, es lässt sich beispielsweise zu 100 Prozent für die Seitenteile von Reifen einsetzen – also ohne Beimischung von primärem Carbon Black. Es kann die ursprünglichen Industriematerialien somit vollständig ersetzen«, sagt Dr. Severin Seifert, Gruppenleiter am Fraunhofer IBP. Zum Vergleich: Ohne die Entmineralisierung lassen sich gerade einmal zehn Prozent des recycelten Carbon Blacks zum Primärmaterial zumischen. Dazu kommt: Bei dem Entmineralisierungsverfahren entsteht nicht nur hochwertiger Industrieruß. Auch die Mineralstoffe werden mit großer Reinheit wiedergewonnen und können industriell weiterverwendet werden.

Doch wie gelingt es den Forschern, das Carbon-Black-Asche-Gemisch, das beim Pyrolyse-Verfahren entsteht, entsprechend aufzureinigen? »Wir nutzen dazu einen nasschemischen Prozess«, erläutert Christian Kaiser, Projektleiter am Fraunhofer IBP. »Vereinfacht gesagt: Wir geben das (Roh) Carbon Black-Asche-Gemisch zusammen mit verschiedenen Additiven in einen Reaktor, vermischen es mit Fluid und fahren eine definierte Druck- und Temperaturkurve. Dabei werden die einzelnen Stoffe selektiv aus dem Gemisch herausgelöst.« Was sich zunächst einfach anhört, hat es durchaus in sich: Die Parameter und Additive müssen derart eingestellt werden, dass sich jeweils nur ein bestimmtes Mineral möglichst sortenrein aus dem Gemisch herauslöst. Zudem müssen Temperatur und Druck dabei so moderat bleiben, dass das Verfahren auch technisch ohne größere Einschränkungen umsetzbar ist. Auch dürfen nicht zu viele Additive zugegeben werden – schließlich gilt es, die wirtschaftlichen Aspekte mit im Blick zu behalten und den Prozess nicht zu teuer werden zu lassen. Einen Teil der Additive gewinnen die Forscher und Forscherinnen daher zurück und schließen auch hier den Stoffkreislauf. Das Ergebnis des Entmineralisierungsverfahrens: Recyceltes Carbon Black mit hohem Reinheitsgrad für den Einsatz in Reifen und anderen Gummiprodukten sowie als Farbmittel (Masterbatch) für Kunststoffanwendungen, Silikate, die etwa in der Baustoffindustrie oder für Farben eingesetzt werden können, sowie Zinksalze für unterschiedlichste Anwendungen.

Industrielle Anlage bereits im Bau

Eine Pilotanlage mit einem Reaktorvolumen von 200 Litern existiert bereits – und wird die nächsten zwei Jahre am Fraunhofer IBP in Valley für die weiterführende Forschung aktiv im Betrieb sein. Ziel ist es, das Recovered Carbon Black auch für weitere industrielle Anwendungen nutzbar zu machen. Der Grundprozess ist ebenfalls bereits patentiert, mit der RCB Nanotechnologies GmbH als exklusivem Lizenznehmer. Derzeit arbeitet die Firma daran, den Prozess in den industriellen Maßstab zu überführen: Die Produktionshalle ist bereits gebaut, das Reaktorvolumen für einen Produktionsstrang soll jeweils bei 4000 Litern liegen. Das heißt: Ein Produktionsstrang wird pro Stunde 400 Kilogramm recyceltes Carbon Black von der Asche befreien – das sind 2500 Tonnen pro Jahr. In der finalen Ausbaustufe soll die gesamte Anlage eine Kapazität von knapp 30 000 Tonnen pro Jahr haben.

Längerfristig soll der Prozess zudem von einem Batch-Prozess in einen kontinuierlichen Prozess überführt werden. Auch Interessenten gibt es bereits: »Unsere Partner bekommen mittlerweile mehr Musteranfragen, als wir bedienen können«, sagt Kaiser. »Schließlich, stellt das so veredelte Recovered Carbon Black eine erste ernstzunehmende und nachhaltige Lösung für den Ersatz der technischen Industrierußen dar.«

Externer Link: www.fraunhofer.de

Quantenkryptographie: Neue Methode für abhörsichere Kommunikation

Pressemeldung der JKU Linz vom 15.04.2021

Die moderne Gesellschaft ist auf virtuellen Informationsaustausch aufgebaut. Quantentechnologie basierend auf Quantenlicht verspricht eine absolut sichere Kommunikation.

Bankgeschäfte, E-Mails, Handel – die moderne Gesellschaft ist auf virtuellen Informationsaustausch aufgebaut. Genau das macht sie angreifbar und Cyber-Security zu einem wesentlichen Faktor. Quantentechnologie basierend auf Quantenlicht verspricht eine absolut sichere Kommunikation.

Forscher*innen der Johannes Kepler Universität Linz ist es gemeinsam mit der Uni Wien gelungen, erstmalig eine neuartige Quantenlichtquelle für die Erzeugung von verschränkten Lichtteilchen aus Halbleiternanostrukturen für eine sichere Quantenkommunikation zu demonstrieren. Ein wesentlicher Vorteil dieser Lichtquellen ist die Rauscharmut und im Prinzip hörer Datenrate gegenüber bisher genutzen Lichtquellen.

Mit 85 Bit pro Sekunde ist die Übertragung zwar noch nicht praxistauglich, aber: „Die Quantenübertragung war nicht nur fehlerfrei – sie kann auch nicht mehr unbemerkt abgehört werden“, erklären die JKU Physiker DI Christian Schimpf und Prof. Armando Rastelli (Abteilung für Halbleiterphysik). Jeder Versuch würde die Verschränkung zwischen den Photonen stören – und somit auffallen, noch ehe die Übertragung stattfindet.

Gelungene Übertragung zwischen Gebäuden

Tatsächlich gelungen ist die Informationsübertragung zwischen dem Physikgebäude der JKU und dem Open Innovation Center des Linz Institute of Technology. „Damit ist die technische Machbarkeit nachgewiesen“.

Anders als bei vorherigen Demonstrationen stammen die Photonen erstmalig aus Halbleiternanostrukturen, sogenannten Quantenpunkten, die aus Materialien ähnlich wie herkömmliche Lichtquellen für die faserbasierte Kommunikation aufgebaut sind. Der Vorteil dieser Methode: „Zwar ist noch weitere Forschung notwendig, aber mit unserer Methode sind Übertragungsraten im Bereich von hunderten Megabit pro Sekunde durchaus möglich“, ist Rastelli sicher.

Ein weiterer Vorteil besteht in der Qualität der erzeugten Photonen. „Quantenpunkte erzeugen wirklich Photonen in einer Qualität, die bisher genutze Photonenquellen nicht erreichen“, so Philip Walther. Daher sind diese Art von Quellen nicht nur für die Quantenkommunikation von Interesse, sondern auch für optische Quantencomputer und Quantensimulatoren. Das Paper wurde gestern im renommierten Journal „Science Advances“ unter dem Titel „Quantum Cryptography with highly entangled photons from semiconductor quantum dots“ publiziert.

EU-Interesse an Forschung

Die Teams aus Linz und Wien sind durch die Partnerschaft in der Lage, ihr Wissen und ihre Erfahrung synergetisch zu kombinieren, um die Quanten-Verschlüsselung weiterzuentwickeln und an weiteren Anwendungen für die Quantenpunkte in den Bereichen Kommunikation, Sicherheit und Informationsverarbeitung zu forschen. Forschung in diesen Bereich wird vom Linz Institute of Technology (LIT) im Rahmen des Projektes „EQKD-QD – Entanglement-Based Quantum Key Distribution with On-Demand Photons Generated by Semiconductor Quantum Dots“, dem LIT Secure and Correct Systems Lab, die FWF Forschungsgruppe FG5 „Multiphoton Experiments with Semiconductor Quantum Dots“ (geleitet von der JKU und mit Partner*innen an der Universität Wien und der Universität Innsbruck) sowie der EU unterstützt. (Christian Savoy)

Externer Link: www.jku.at