Eine Glasfaser, die Atome zählt

Presseaussendung der TU Wien vom 07.12.2011

Eine extrem empfindliche Methode zum Detektieren von Atomen wurde an der Technischen Universität (TU) Wien entwickelt.

Glasfaserkabel sind heute unverzichtbare Informationsleitungen für das Internet – nun dienen sie auch als Quanten-Labor. Das Atominstitut der TU Wien ist derzeit die einzige Forschungseinrichtung weltweit, an der einzelne Atome kontrolliert an das Licht in ultradünnen Glasfasern angekoppelt werden können. Spezielle Lichtwellen werden so präpariert, dass sie schon auf eine kleine Anzahl von Atomen sensibel reagieren. Damit lassen sich hochempfindliche Detektoren bauen, mit denen man winzige Stoffmengen nachweisen kann. Das Team um Professor Arno Rauschenbeutel, der eine von sechs Forschungsgruppen des Vienna Center for Quantum Science and Technology leitet, stellt seine Methode in der aktuellen Ausgabe des Fachjournals „Physical Review Letters“ vor. Die Arbeit entstand in Kooperation mit der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, von der Rauschenbeutel im vergangenen Jahr nach Wien übersiedelt ist.

Ultradünne Glasfasern

Die Glasfasern, die Arno Rauschenbeutel für seine Experimente verwendet, sind nur fünfhundert Millionstel eines Millimeters dick – und damit dünner als die Wellenlänge des sichtbaren Lichts. „Die Lichtwelle passt also eigentlich nicht vollständig in die Glasfaser, sie reicht noch ein Stück aus der Glasfaser heraus“, erklärt Rauschenbeutel. Genau darin liegt der große Vorteil: Die Lichtwelle registriert Atome, die sich außen in der Nähe der Glasfaser befinden. „Zuerst fangen wir Atome ein, sodass sie sich knapp oberhalb und unterhalb an der Glasfaser aufreihen, wie Perlen einer Kette“, erzählt Rauschenbeutel. Die Lichtwelle, die durch die Glasfaser geschickt wird, kommt dann mit jedem einzelnen der Atome in Kontakt. Wenn man genau misst, wie sich die Lichtwelle verändert, lässt sich herausfinden, wie viele Atome sich angelagert haben.

Atome ändern die Geschwindigkeit des Lichts

Meist gehen auf der mikroskopischen Ebene sehr folgenschwere Prozesse vor sich, wenn man in der Quantenphysik Atome und Licht untersucht: Lichtteilchen können von den Atomen absorbiert und später in eine andere Richtung wieder ausgesandt werden, Atome werden dadurch beschleunigt und von ihrem Ursprungsort weggeschleudert. Bei den Glasfaser-Experimenten an der TU Wien reicht allerdings eine vergleichsweise sanfte Wechselwirkung zwischen Licht und Atomen aus: „Durch die Atome an der Glasfaser bewegt sich die Lichtwelle nicht mehr so schnell wie sonst, sondern etwas langsamer“, erklärt Arno Rauschenbeutel. Wenn die Lichtwelle genau nach oben und unten in Richtung der Atome schwingt, werden Wellenberge und Wellentäler dadurch ein kleines Bisschen verschoben. Eine andere Lichtwelle, in deren Schwingungsebene keine Atome liegen, wird hingegen kaum verzögert. Man sendet also Lichtwellen unterschiedlicher Schwingungsrichtung durch die Glasfaser und misst ihre relative Verschiebung aufgrund ihrer unterschiedlichen Ausbreitungsgeschwindigkeiten. Kennt man diese Verschiebung, dann weiß man auch, von wie vielen Atomen das Licht verzögert wurde.

Einzelne Atome messbar machen

Derzeit positioniert das Quantenphysik-Team von Arno Rauschenbeutel hunderte bis tausende Atome in einem Abstand von weniger als einem Tausendstel Millimeter zur Glasfaser. Mit den Lichtstrahlen kann dann ihre Anzahl auf wenige Atome genau bestimmt werden. „Im Prinzip ist unsere Methode so präzise, dass sie schon auf zehn bis zwanzig einzelne Atome ansprechen kann“, meint Arno Rauschenbeutel. „Wir arbeiten noch an weiteren technischen Tricks – etwa an der Verringerung des Abstandes zwischen der Glasfaser und den Atomen. Wenn uns das gelingt, sollte es möglich sein, sogar einzelne Atome zuverlässig nachzuweisen.“

Sanfte Quanten-Messung

Nicht nur für die Entwicklung von Sensoren, auch für die quantenphysikalische Grundlagenforschung ist die Glasfaser-Methode wichtig. „Normalerweise geht bei einer Messung der quantenphysikalische Zustand eines Systems verloren, weil der Messvorgang einen starken Einfluss auf das Quanten-Objekt hat“, erklärt Arno Rauschenbeutel. „Unsere Glasfasern eröffnen die Möglichkeit, Quantenzustände zerstörungsfrei nach Belieben zu kontrollieren.“ Zum Beispiel kann mit Hilfe der Atome an der Glasfaser die Schwingungsrichtung von einzelnen Lichtteilchen genau gesteuert werden. Zu welchen technologischen Anwendungen das führen könnte, ist heute noch gar nicht absehbar. „Die Quantenoptik ist heute eine weltweit aufmerksam beachtete und äußerst innovative Disziplin – und die Wiener Forschungsgruppen in diesem Bereich spielen hier auf höchstem internationalen Niveau mit“, sagt Arno Rauschenbeutel. (Florian Aigner)

Externer Link: www.tuwien.ac.at

Heidelberger Forscher erzeugen „gequetschtes“ Quantenvakuum gefüllt mit Atomen

Pressemitteilung der Universität Heidelberg vom 02.12.2011

Basis ist eine neuartige Nachweismethode zur Messung bisher nicht zugänglicher Größen atomarer Gase

Die Quantentheorie ist bekannt für ihre befremdlichen Gesetzmäßigkeiten, die den fundamentalen Prinzipien der klassischen Physik zu widersprechen scheinen. Wissenschaftlern der Universität Heidelberg ist es nun gelungen, im Experiment einen besonderen Quantenzustand zwischen zwei mesoskopischen Gasen mit rund 500 Atomen zu erzeugen. Dabei handelt es sich um ein sogenanntes „gequetschtes“ Vakuum, bei dem die Messung an einem Gas die Ergebnisse der Messungen an dem anderen Gas festlegt. Für den Nachweis musste das Team von Prof. Dr. Markus Oberthaler am Kirchhoff-Institut für Physik eine neuartige Nachweismethode zur Messung bisher nicht zugänglicher Größen atomarer Gase entwickeln. Die Forschungsergebnisse wurden in der Fachzeitschrift „Nature“ veröffentlicht.

Der von den Heidelberger Wissenschaftlern beobachtete Quantenzustand ist von besonderem Interesse, seit er 1935 von Einstein, Podolsky und Rosen (EPR) im Rahmen eines Gedankenexperiments benannt wurde. Die drei Forscher wollten damit zeigen, dass die Quantenmechanik nicht verträglich ist mit der Existenz lokaler Eigenschaften physikalischer Systeme, die sich experimentell beobachten lassen. Ein EPR-Szenario bezieht sich auf einen Zustand von zwei Systemen, die quantenverschränkt sind: Dabei wirkt sich die Messung des einen Systems unmittelbar auf das Ergebnis der Messung in dem anderen System aus – ein Fakt, der nach der traditionellen Denkweise unserer Alltagswelt nicht zu verstehen ist, denn hier existieren Gesetzmäßigkeiten der Physik unabhängig davon, ob sie beobachtet werden oder nicht.

Die Besonderheit des Quantenzustands, der von Prof. Oberthaler und seinem Team entdeckt und erzeugt wurde, liegt in der Quantenverschränkung von kontinuierlichen Variablen. Dies bedeutet, dass jeweils einzelne Messungen an beiden Gasen viele verschiedene Werte prinzipiell zufällig ergeben. Nach der Messung an einem Gas aber lassen sich alle weiteren Messungen am zweiten – verschränkten – Gas exakt vorhersagen. Um ein „gequetschtes“ Quantenvakuum mit seinen besonderen Eigenschaften im Labor realisieren und nachweisen zu können, arbeiteten die Wissenschaftler mit einem Bose-Einstein-Kondensat. Beschrieben wird damit ein extremer Aggregatzustand eines Systems ununterscheidbarer Teilchen, die sich überwiegend im selben quantenmechanischen Zustand befinden. Eingesetzt wurde ein Kondensat aus Rubidium-Atomen bei ultrakalten Temperaturen von 0,0000001 Kelvin über dem absoluten Temperaturnullpunkt.

„Unser Versuchsaufbau musste außerordentlich stabil sein, da wir Messungen über viele Tage hinweg non-stop durchgeführt haben, um mit den Daten die Erzeugung einer Quantenverschränkung belegen zu können“, erläutert Prof. Oberthaler. Dazu mussten die Wissenschaftler die Stabilität von Magnetfeldern gewährleisten, die 10.000 Mal kleiner ist als die des Magnetfeldes der Erde. Eine weitere Voraussetzung war die Realisierung eines Gases, das aus 500 Atomen mit einer Fehlertoleranz von weniger als acht Atomen besteht, denn das Teilchenrauschen diente als Signal für eine erfolgreich generierte Verschränkung. Prof. Oberthaler: „Bei Experimenten ist Rauschen üblicherweise unerwünscht, doch in unseren Forschungsarbeiten lieferte die sorgfältige Untersuchung des Rauschens den Beleg für das Vorhandensein einer Quantenverschränkung.“ Für die Heidelberger Wissenschaftler bestand die Herausforderung darin, das technische Rauschen so weit zu unterdrücken, dass das Quantenrauschen beobachtbar wurde.

Von den Forschungsergebnissen erhoffen sich Prof. Oberthaler und sein Team eine Anwendung für präzise Atominterferometrie, sehen die Erkenntnisse aber auch als wichtigen Schritt zur Untersuchung fundamentaler Fragen über quantenmechanische Verschränkung von massiven Teilchen.

Originalpublikation:
C. Gross, H. Strobel, E. Nicklas, T. Zibold, N. Bar-Gill, G. Kurizki and M.K. Oberthaler: Atomic homodyne detection of continuous variable entangled twin-atom states. Nature online, 30. November 2011, doi: 10.1038/nature10654

Externer Link: www.uni-heidelberg.de

Die Größe macht´s

Pressemitteilung der Universität Stuttgart vom 24.11.2011

Ladungstrennung in einem Molekül aus zwei gleichen Molekülen

Physiker des 5. Physikalischen Instituts der Universität Stuttgart erbringen den ersten experimentellen Nachweis eines Moleküls aus zwei gleichen Atomen, das trotz hoher Symmetrie eine räumliche Ladungstrennung aufweist. Diese Beobachtung widerspricht der klassischen Lehrbuchmeinung, wie sie in vielen Physik- und Chemielehrbüchern beschrieben wird. Der von den Stuttgartern erbrachte Nachweis verbessert nicht nur das Verständnis von polaren Molekülen. Zukünftig könnten mit ultrakalten polaren Molekülen auch chemische Reaktionen einzelner Moleküle studiert und kontrolliert werden. Die Arbeit wurde in der renommierten Zeitschrift Science veröffentlicht.

Ein dipolares Molekül entsteht durch eine Verschiebung des Ladungsschwerpunktes der negativ geladenen Elektronenwolke relativ zum positiven Kern, wodurch ein permanentes elektrisches Dipolmoment auftritt. Üblicherweise ist die Ursache dieser Ladungstrennung eine unterschiedlich starke Anziehungskraft der Kerne unterschiedlicher Elemente auf die negativen Elektronen. Daraus folgt, dass homonukleare Moleküle, also Moleküle aus gleichen Atomen, nach gängigem Verständnis aus Symmetriegründen kein Dipolmoment besitzen.

Bei den in der Gruppe von Prof. Tilman Pfau entdeckten homonuklearen Molekülen mit permanentem Dipolmoment handelt es sich um schwach gebundene Rydberg Moleküle, mit deren erstmaligen Erzeugung die Arbeitsgruppe 2009 weltweit für Aufsehen sorgte. Die Moleküle setzen sich aus zwei gleichen Atomen des Elements Rubidium zusammen, von denen sich eines in einem hoch angeregten elektronischen Zustand befindet, einem sogenannten Rydberg-Zustand. Die ungewöhnliche Bindung wird einzig durch das hochangeregte Rydberg-Elektron des angeregten Atoms vermittelt, das am zweiten Atom gestreut wird. Durch die Streuung des Rydberg-Elektrons am gebundenen Atom ändert sich jedoch die Aufenthaltswahrscheinlichkeit des Rydberg-Elektrons leicht, was zu einer Störung der Kugelsymmetrie führt und ein Dipolmoment erzeugt. Aufgrund bisheriger theoretischer Behandlungen wurde kein Dipolmoment erwartet.

Ein normalerweise auftretender Austausch der Anregung zwischen den Atomen, der die Asymmetrie in der negativen Elektronenwolke aufheben würde, wird durch die für zweiatomige Moleküle riesige Größe (1000 mal größer als ein Sauerstoffatom) unterdrückt. Diese Moleküle erreichen nämlich die Größe eines Virus. Die Wahrscheinlichkeit, dass die elektronische Anregung von einem zum anderen Atom übergeht, ist daher so klein, dass sie statistisch nur einmal seit Bestehen des Universums stattgefunden hätte. Als Folge zeigen die homonuklearen Moleküle ein Dipolmoment. Zusätzlich muss die Molekülachse im Raum ausgerichtet sein, um ein gerichtetes Dipolmoment zu erzeugen. Aufgrund seiner Größe rotiert das Molekül so langsam, dass sich das Dipolmoment für einen Beobachter durch die Drehung auch nicht wieder zu null mittelt.

Der experimentelle Nachweis gelang den Stuttgarter Physikern in einer extrem kalten Atomwolke, indem sie die Energieverschiebung des dipolaren Moleküls im elektrischen Feld laserspektroskopisch gemessen haben. Zusammen mit theoretischen Physikern des Max-Plank-Instituts für Physik komplexer Systeme in Dresden und des Harvard-Smithonian Center for Astrophysics in Cambridge, USA, konnte das physikalische Phänomen auch theoretisch bestätigt werden.

Publikation:
W. Li, T. Pohl, J. M. Rost, Seth T. Rittenhouse, H. R. Sadeghpour, J. Nipper, B. Butscher, J. B. Balewski, V. Bendkowsky, R. Löw, T. Pfau: A Homonuclear Molecule with a Permanent Electric Dipole Moment. Science 25 November 2011, 334 (6059): 1110-1114. DOI: 10.1126/science.1211255

Externer Link: www.uni-stuttgart.de

Plasma in Tüten

Mediendienst der Fraunhofer-Gesellschaft vom 01.11.2011

Geschlossene Plastikbeutel lassen sich mit Hilfe von Plasmen bei Atmosphärendruck so verändern, dass an ihren Wänden menschliche Zellen anhaften und sich vermehren können. Solche Zellkulturbeutel stellen ein wichtiges Hilfsmittel für Forschung und Klinik dar und könnten vielleicht eines Tages die heutigen Petrischalen ablösen.

Ärzte setzen bei Therapien immer häufiger lebende Zellen ein: bei der Bluttransfusion ebenso wie bei Knochenmarkstransplantationen, bei Stammzelltherapien oder nach schweren Verbrennungen. Zellen, die vom Patienten selbst stammen, sind ideal, um verbrannte Haut zu ersetzen, Immundefekte zu beheben, degenerierte Knorpel zu reparieren oder verletzte Knochen zu heilen, denn sie werden vom Immunsystem nicht abgestoßen. Dazu ist es nötig, solche Zellen patientenspezifisch aufzubewahren, zu züchten, zu vermehren oder gar zu verändern. Problematisch ist jedoch die Haltbarkeit der verwendeten Zelllösungen. Da sie leicht durch Keime infiziert werden, lassen sie sich in den heute üblichen Gefäßen meist nur wenige Tage lagern. Das Verbundprojekt InnoSurf sollte da Abhilfe schaffen: Wissenschaftler aus fünf Forschungseinrichtungen haben mit Partnern aus der Industrie neuartige Kunststoffoberflächen und Messverfahren zur effizienten Gewinnung von humanen Zellen für diagnostische und therapeutische Anwendungen entwickelt. Die Arbeiten wurden vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig koordiniert.

Die Idee ist, die Zellen in geschlossenen, sterilen Kunststoffbeuteln zu kultivieren. Dazu muss man die innere Oberfläche der Beutel so verändern, dass sie Zellen gute Überlebensbedingungen bieten. Ein Team um Dr. Michael Thomas am Fraunhofer-Institut für Schicht- und Oberflächentechnik IST in Braunschweig hat dafür nun ein plasmatechnisches Verfahren bei Atmosphärendruck entwickelt. »Wir befüllen die Beutel mit einem spezifischen Gasgemisch und legen eine elektrische Spannung an«, erklärt die wissenschaftliche Mitarbeiterin Dr. Kristina Lachmann. »So entsteht im Inneren für kurze Zeit ein Plasma – also ein leuchtendes, ionisiertes Gas -, das die Kunststoffoberfläche chemisch verändert.« Bei diesem Prozess bleibt der Beutel steril, da Plasmen auch eine desinfizierende Wirkung besitzen. »Der Vorteil des Verfahrens ist, dass es bei Atmosphärendruck arbeitet und damit preiswert, schnell und flexibel ist«, betont Gruppenleiter Dr. Michael Thomas, der auf die Anwendung von solchen Atmosphärendruck-Plasmen zur Veränderung von Oberflächen spezialisiert ist.

Die neuartigen Beutel erleichtern den sterilen Umgang mit den Zellkulturen. Bisher mussten Forscher und Mediziner offene Petrischalen, Flaschen oder Bioreaktoren nutzen. Da diese Systeme zumindest zum Befüllen geöffnet werden müssen, kommt es leicht zu Verunreinigungen. Beim Verwenden geschlossener Beutelsysteme der neuen Technik hingegen wandern die Zellen direkt über eine Injektionsnadel oder durch angeschlossene Schlauchsysteme in den Beutel, ohne mit der Umgebung in Berührung zu kommen. Im sterilen Inneren der Beutel befinden sich das Nährmedium und keimfreie Luft oder ein geeignetes Gas, das man vorher zugegeben hat. Auch während des Kultivierungsprozesses muss man die Behältnisse nicht öffnen, und am Ende lassen sich die Zellen erneut über eine Injektionsnadel entnehmen.

Die Forscher wollen die Einwegsysteme vielleicht auch zum Züchten künstlicher Organe verwenden. Rüstet man die Beutel mit einer dreidimensionalen Struktur aus, könnten sich darauf Zellen festsetzen und künstliche Haut, Nerven, Knorpel oder Knochen bilden, die man dann dem Patienten als Prothesen einsetzen könnte. Bisher scheiterte deren Züchtung meist daran, dass sich die Stammzellen nicht auf räumlichen Gebilden festsetzen wollten. Das am IST entwickelte Plasmaverfahren könnte dieses Problem lösen. Das Städtische Klinikum Braunschweig will in Zusammenarbeit mit der Universität Tübingen aus Gewebeproben bestimmte Stammzellen isolieren und untersuchen, auf welchen der neuen Kunststoff-Oberflächen sie sich etwa zu Knochen oder Knorpel entwickeln. Für diese Entwicklung der Gruppe von Dr. Michael Thomas wurde das IST als »Ausgewählter Ort 2011« im »Land der Ideen« ausgezeichnet. Die Preisverleihung findet am 8. Dezember 2011 am IST in Braunschweig statt.

Externer Link: www.fraunhofer.de

Spin-Laser auf der Überholspur

Presseinformation der Ruhr-Universität Bochum vom 28.10.2011

Datenübertragung für das Internet von morgen

RUB-Forscher entwickeln neues Konzept für ultraschnelle Laser

Bochumer Elektrotechnikern ist es gelungen, ein neues Konzept für ultraschnelle Halbleiterlaser zu entwickeln. Forscher der RUB nutzen dabei die Eigendrehbewegung von Elektronen, den sogenannten Spin, geschickt aus, um die bisherigen Barrieren für die Geschwindigkeit erfolgreich zu durchbrechen. Die neuen Spin-Laser haben das Potenzial zukünftig Modulationsfrequenzen deutlich über 100 GHz zu erreichen. Das ist ein entscheidender Schritt zur Hochgeschwindigkeitsdatenübertragung z.B. für das Internet von morgen. Über ihre Ergebnisse berichten die Forscher in der renommierten Zeitschrift „Applied Physics Letters“ des American Institute of Physics.

Optische Datenübertragung: Die Basis unserer Informationsgesellschaft

Die optische Datenübertragung durch Halbleiterlaser ist eine Grundvoraussetzung für die global vernetzte Welt und die heutige Informationsgesellschaft. Der immer größere Vernetzungsgrad und der Wunsch, größere Datenmengen austauschen zu können, bilden die Triebfeder für die Entwicklung immer schnellerer optischer Datenübertragungssysteme. Die maximale Geschwindigkeit herkömmlicher Halbleiterlaser war dabei lange ein begrenzender Faktor – typische Modulationsfrequenzen liegen derzeit bei Werten deutlich unter 50 GHz.

Über 100 GHz möglich: Eine Barriere wackelt

Durch Verwendung von Spin-Lasern konnten die Bochumer Forscher die bisherigen Grenzen für die Modulationsgeschwindigkeit überwinden. Während in konventionellen Lasern die Eigendrehrichtung der injizierten Elektronen völlig willkürlich ist, werden bei den Spin-Lasern nur Elektronen mit vorher festgelegtem Spinzustand verwendet. Durch die Injektion dieser spinpolarisierten Elektronen wird der Laser dazu gezwungen, auf zwei Lasermoden unterschiedlicher Frequenz gleichzeitig zu arbeiten. „Dieser Frequenzunterschied lässt sich leicht durch die sogenannte Doppelbrechung im Resonator einstellen, zum Beispiel indem man den Mikrolaser einfach verbiegt“, sagt Dr. Nils Gerhardt. Durch die Kopplung der beiden Lasermoden im Mikroresonator entsteht eine Schwingung mit neuer Frequenz, die theoretisch weit über 100 GHz erreichen kann. Ihre Ergebnisse erzielten die Forscher um Dr. Gerhardt im Sonderforschungsbereich 491 der Universitäten Bochum und Duisburg-Essen („Magnetische Heteroschichten: Spinstruktur und Spintransport“). (Jens Wylkop)

Titelaufnahme:
N.C. Gerhardt, M.Y. Li, H. Jähme, H. Höpfner, T. Ackemann, and M.R. Hofmann: „Ultrafast spin-induced polarization oscillations with tunable lifetime in vertical-cavity surface-emitting lasers“, Appl. Phys. Lett. 99, 151107 (2011), DOI: 10.1063/1.3651339

Externer Link: www.ruhr-uni-bochum.de