Exotische Quantenzustände: Neuer Forschungsansatz

Presseinformation der Universität Innsbruck vom 03.10.2011

Ein neues Konzept zur Erzeugung exotischer, sogenannter topologischer Quantenzustände in Vielteilchensystemen schlagen Theoretiker der Universität Innsbruck in der Fachzeitschrift Nature Physics vor. Sie verbinden Ideen aus der Quantenoptik mit Konzepten der Festkörperphysik und liefern damit einen neuen Ansatz für den Bau eines störungsunempfindlichen Quantencomputers.

Vor drei Jahren hat ein Team um Sebastian Diehl und Peter Zoller einen ganz neuen Weg zur Herstellung von Quantenzuständen in Vielteilchensystemen präsentiert. Sie bedienten sich dazu eines physikalisches Phänomens, das normalerweise den Grad der Unordnung in einem System dramatisch erhöht: Dissipation. In der klassischen Physik beschreibt Dissipation beispielsweise die Bildung von Wärmeenergie durch Reibung, sie bringt also Unordnung in ein System. Überraschender Weise lässt sich in der Quantenwelt damit auch Ordnung herstellen und ein perfekt reiner Vielteilchenzustand erzeugen. Im Frühjahr haben Experimentalphysiker um Rainer Blatt im Labor in Innsbruck gezeigt, dass sich mit diesem Ansatz bestimmte Quanteneffekte gezielt erzeugen und verstärken lassen. Nun machen die Theoretiker des Instituts für Theoretische Physik der Universität Innsbruck und des Instituts für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften einen neuen Vorschlag, wie Dissipation vielversprechend eingesetzt werden könnte. Sie schlagen dabei eine Brücke von der Quantenoptik zur Festkörperphysik.

Gegenüber Störungen unempfindlich

In der Festkörperphysik gewinnt in jüngster Zeit ein neues Paradigma für die Beschreibung von Ordnung in Vielteilchensystemen zunehmend an Bedeutung: die topologische Ordnung. Beispiele für topologische Phänomene sind der in den 1980er-Jahren nachgewiesene Quanten-Hall-Effekt sowie topologische Isolatoren, die sich im Inneren als elektrischer Isolator verhalten während sie gleichzeitig auf ihrer Oberfläche die Bewegung von Ladungen erlauben. Die Innsbrucker Theoretiker um Sebastian Diehl und Peter Zoller schlagen nun vor, mit einer dissipativen Dynamik in einem Quantensystem sogenannte Majorana-Fermionen zu erzeugen. Dieses nach dem italienischen Physiker Ettore Majorana benannte topologische Phänomen beschreibt Teilchen, die gleichzeitig ihre eigenen Antiteilchen sind. „Wir zeigen nun einen neuen Weg auf, wie solche Majorana-Fermionen in einem Quantensystem gezielt erzeugt werden können“, erklärt Sebastian Diehl, „und nutzen dazu eine dissipative Dynamik, die das System gerichtet in diesen Zustand treibt und bei jeder Störung wieder dahin zurückzwingt.“ Durch diesen Ansatz verbinden Diehl und sein Team die Vorteile der Dissipation mit jenen der topologischen Ordnung, denn beide Ansätze zeichnen sich durch hohe Robustheit gegenüber kleinen Störungen aus. Ihr Vorschlag, in einem atomaren Quantendraht Majorana-Fermionen mittels Dissipation zu erzeugen, ist deshalb für die experimentelle Umsetzung von besonderem Interesse und könnte beim Bau eines zukünftigen Quantencomputers zum Einsatz kommen, bei denen die elementaren Recheneinheiten aus den Majorana-Fermionen bestehen. In den Quantendrähten sind einzelne Atome nebeneinander aufgereiht und werden von einem mit Laserlicht erzeugten optischen Gitter daran gehindert, aus der Reihe zu tanzen. Die Majorana-Fermionen werden an den beiden Enden der atomaren Kette erzeugt.

Checkliste abgearbeitet

START-Preisträger Sebastian Diehl und sein Team verbinden in diesem Konzept das Wissen der Festkörperphysik mit jenem der Quantentheorie. „Wir arbeiten hier an der Schnittstelle zwischen diesen beiden Disziplinen, was aufregende neue Möglichkeiten schafft“, sagt Diehl. Dazu war es notwendig, zweifelsfrei nachzuweisen, dass sich das Konzept der topologische Ordnung überhaupt auf den dissipativen Kontext übertragen lässt. „Wir haben die vollständige topologische Checkliste abgearbeitet und gezeigt, dass deren Voraussetzungen auch in einem System mit dissipativer Dynamik gelten.“ Den mathematischen Nachweis haben die Physiker nun in der Fachzeitschrift Nature Physics veröffentlicht.

Publikation:
Topology by Dissipation in Atomic Quantum Wires. S. Diehl, E. Rico, M. A. Baranov, P. Zoller. Nature Physics. 2. Oktober 2011 DOI: 10.1038/nphys2106

Externer Link: www.uibk.ac.at

Der kürzeste Film der Welt

Presseaussendung der TU Wien vom 27.09.2011

Teilchenphysiker der Technischen Universität (TU) Wien forschen an ultraheißen Materiezuständen und visualisieren ihre Ergebnisse in einem Video, das Abläufe auf unvorstellbar kurzen Zeitskalen darstellt.

Hunderttausend mal heißer als das Zentrum der Sonne ist Quark-Gluon-Plasma – ein Materiezustand, bei dem selbst Protonen und Neutronen in ihre Bestandteile aufgeschmolzen werden. An der TU Wien wurden in aufwändigen Computersimulationen nun einige der Geheimnisse dieses exotischen Materiezustandes untersucht. Die Ergebnisse lassen das Phänomen der sogenannten „Plasma-Instabilitäten“ sichtbar und sogar hörbar werden. In Originalgeschwindigkeit abgespielt würde der Film nur einige Quadrilliionstel Sekunden dauern.

Berechnungen zu Experimenten am CERN

Sekundenbruchteile nach dem Urknall bestand das gesamte Universum aus Quark-Gluon-Plasma. Selbst für Protonen und Neutronen war es noch zu heiß. Die Elementarteilchen, aus denen sie aufgebaut sind – Quarks und Gluonen – konnten sich frei untereinander bewegen. Heute lässt sich dieser Materiezustand im Miniaturformat an großen Teilchenbeschleunigern reproduzieren. Nach wie vor gibt das Quark-Gluon-Plasma der Wissenschaft große Rätsel auf: So ist bis heute nicht genau geklärt, warum ein Quark-Gluon-Plasma gewissermaßen eine perfekte Flüssigkeit darstellt. Seine Viskosität – ein Maß für die Zähigkeit einer Substanz – ist niedriger als bei allen Flüssigkeiten, die wir kennen. Außerdem ist unklar, wie die Teilchen ihre Geschwindigkeiten und Richtungen in kürzester Zeit ganz ungeordnet untereinander verteilen, auch wenn ihnen anfangs eine bevorzugte Startrichtung vorgegeben wird.

Videoclip in Yoctosekunden-Länge

Ein Schlüssel zum Verständnis dieses exotischen Materiezustands könnten die „Plasma-Instabilitäten“ sein – spontan auftretende Ströme im Plasma: „Man kann sich das vorstellen wie elektrische Ströme – allerdings gibt es im Quark-Gluon-Plasma gleich acht verschiedene Sorten davon“, erklärt Andreas Ipp vom Institut für Theoretische Physik der TU Wien, der gemeinsam mit  Professor Anton Rebhan und dem amerikanischen Physiker Mike Strickland (Gettysburg) an Quark-Gluon-Plasma forscht. Ähnlich wie elektrischer Strom mit elektromagnetischen Feldern zusammenhängt, sind die Ströme im Plasma mit Gluonen-Feldern gekoppelt. In aufwändigen Computersimulationen konnten die TU-Forscher nun erstmals visualisieren, wie sich  „gluonische“ Plasma-Instabilitäten entwickeln. „Die Computersimulation, die wir hier bei uns am Vienna Scientific Cluster durchführen konnten, nahmen Wochen an Rechenzeit in Anspruch – der simulierte Prozess selbst dauert nur einige Yoctosekunden“, erkärt Andreas Ipp. Eine Yoktosekunde (10^-24 Sekunden) ist ein Millionstel eines Milliardstels einer Milliardstelsekunde.

Der dumpfe Sound des Quark-Gluon-Plasmas

Die Ergebnisse der Simulation wurden  zur Unterstützung der mathematischen Analysen auch als Video mit Ton aufbereitet: Die Stärke der Gluonen-Felder sind graphisch durch Pfeile dargestellt, ihre verschiedenen Ladungen durch Farben dargestellt, und die Wellenlängen wurden in hörbaren Ton umgewandelt. Ließe man das Video in Originalgeschwindigkeit laufen, würde man freilich nichts hören: Frequenzen im Yoctosekunden-Bereich lägen mindestens 71 Oktaven über dem Kammerton a‘ – und wären daher um viele Größenordnungen höher als alles, was wir wahrnehmen können.

Am Anfang des Videos bauen sich die Plasma-Instabilitäten auf – benachbarte Feld-Pfeile zeigen meist in dieselbe Richtung, die langen Wellenlängen der Plasma-Instabilität sind als tiefes Brummen hörbar. Später führen komplizierte Wechselwirkungen der Gluonen dazu, dass sich Turbulenzen ausbilden, die die Regelmäßigkeit auflösen, wodurch die Felder an unterschiedlichen Orten in völlig unterschiedliche Richtungen zeigen und der gleichmäßige Ton zum wirren Rauschen wird. Von der detaillierten Analyse dieser Turbulenzen erhoffen sich die Physiker Erklärungen für die experimentellen Beobachtungen, die bei Schwerionenkollisionen am CERN gemacht werden. (Florian Aigner)

Externer Link: www.tuwien.ac.at

Wie Fische auf Wellen: Elektronen surfen

Presseinformation der Ruhr-Universität Bochum vom 22.09.2011

RUB-Forscher in Nature: Transport einzelner Elektronen geglückt

Auf dem Weg zum komplexen Quantenbit und dem Computer von morgen

Ein entscheidender Schritt zu erheblich leistungsfähigeren Computern ist Physikern der RUB zusammen mit Forschern aus Grenoble und Tokyo gelungen: Aus dem Schwarm an Elektronen in elektrischen Leitern und Halbleitern konnten sie mit Hilfe einer Schallwelle ein einzelnes Elektron herauspicken und transportieren. Wie ein Fisch auf einer Welle „surft“ das Elektron von einem Quantenpunkt zum nächsten. Ein einzelnes Elektron auf diese Weise zu manipulieren erlaubt es in Zukunft, statt klassischer Bits („0“- und „1“-Zustände) auch die wesentlich komplexeren Quantenbits zu kombinieren. Über ihre Ergebnisse berichten die Forscher in der internationalen Top-Zeitschrift „Nature“.

Halbleiterphysik: Der Traum eines Anglers

Elektronen sind in elektrischen Leitern (Metallen) und Halbleitern wie Silizium (Si) oder Galliumarsenid (GaAs) frei beweglich wie Fische im Wasser. Allerdings können sie nicht von selbst „schwimmen“, sondern bewegen sich durch elektrische Spannungen (Felder). In einem Metall kommen sie als gewaltiger Fischschwarm vor, der das gesamte Wasservolumen ausfüllt. In Halbleitern sind diese Schwärme weniger dicht, die Abstände zwischen den Fischen sind viel größer. Der Schwarm lässt sich durch äußere elektrische Spannungen zu einer dünnen Schicht nahe der Oberfläche zusammenziehen. Dieser „Traum eines Anglers“ geht für Halbleiterphysiker jetzt in Erfüllung, möglich macht das die neue Methode, die das internationale Forscherteam entwickelt hat: Die Elektronen“fische“ liegen alle in einer Ebene und sind von der Oberfläche aus gut einzeln zugreifbar.

Einen aus der Masse fischen

„Allerdings gibt es keine ‚dicken‘ Fische, denn alle Elektronen sind genau gleich groß und sogar prinzipiell identisch“, erläutert Prof. Dr. Andreas Wieck, Physiker an der RUB. Das Verfahren der Forscher aus Deutschland, Frankreich und Japan ermöglicht es dennoch, aus dem Schwarm einzelne Elektronen „herauszufischen“, über eine bestimmte Strecke zu bewegen und sie dann am Zielpunkt wieder nachzuweisen. Die Strecke betrug im Experiment vier Mikrometer (μm) – das ist zwanzigmal länger als ein hochintegrierter Transistor. Der gezielte Transport einzelner Elektronen trotz der Masse des Schwarms gelingt, indem zuerst zwischen den Spitzen von vier Elektroden ein kleiner Schwarm zu einem nulldimensionalen Objekt, einem „Quantenpunkt“, eingepfercht wird. Dann senden die Wissenschaftler durch eine ineinandergreifende Doppelkamm-Elektrode, an die sie Radiofrequenz anlegen, eine Welle durch den Halbleiterkristall – der ist vergleichbar mit dem Wasser für die Fische. Das Verfahren funktioniert umgekehrt wie der Spannungsblitz in einem „Piezo“-Feuerzeug: Dort wird ein Kristall deformiert, um eine Spannung zu erzeugen; hier deformieren die Forscher den Kristall durch das Anlegen der Spannung, was bei regelmäßiger Wiederholung zu einer Welle führt.

Der Fisch surft auf der Welle

Diese Welle fegt in einer vorgefertigten Probe beispielsweise von links nach rechts mit Schallgeschwindigkeit durch den Mini-Schwarm im Quantenpunkt – im Kristall mit drei Kilometern pro Sekunde. In ihrer Höhe wird sie so eingestellt, dass sie nur genau einen „Fisch“ daraus mitnimmt, der dann auf der Welle im eindimensionalen Kanal „surft“. 4μm rechts davon entfernt befindet sich ein weiterer Quantenpunkt, in dem der „Fisch“ ankommt. Durch die Wiederholung von Wellenpaketen und Messungen konnten die Forscher eine gute Statistik aufbauen, um die Sicherheit des Verfahrens zu messen. Ein einzelnes Elektron mit der Welle herauszupicken, funktionierte in den ersten Experimenten mit einer Wahrscheinlichkeit von 96 Prozent; es wiederzufinden mit 92 Prozent.

Der Clou: Die Ausrichtung der Fische

Die Elektronen“fische“ sind zwar nicht unterscheidbar, können aber ausgerichtet werden, weil sie wie kleine Kreisel eine Drehrichtung („Spin“) haben. Das ist so, als ob man einen Fisch zum Beispiel mit „Kopf nach oben“ ausrichtet, ihn von der Welle mitreißen lässt und ihn im Ziel-Quantenpunkt auch mit „Kopf nach oben“ wiederfindet. Dadurch, dass die Überlebenszeit dieser Spin-Orientierung länger ist als die Surf-Zeit auf der Welle, geschieht das mit hoher Sicherheit. Auch die Quantenbits der Zukunft bestehen aus solchen spin-polarisierten Elektronen. Ihre Forschungsergebnisse erzielten die Wissenschaftler mit Proben, die am Lehrstuhl für Angewandte Festkörperphysik der Ruhr-Universität Bochum durch so genannte Molekularstrahl-Epitaxie hergestellt, in Tokyo strukturiert und schließlich in Grenoble vermessen wurden. Nicht nur die Proben, sondern auch die Konzepte kommen aus Bochum: Prof. Wieck hat bereits vor 21 Jahren die Vision eines Elektronen-Richtkopplers publiziert, den die Forschergruppe jetzt realisiert hat. Dazu erscheint in Kürze eine weitere Veröffentlichung. (Jens Wylkop)

Titelaufnahme:
Sylvain Hermelin, Shintaro Takada, Michihisa Yamamoto, Seigo Tarucha, Andreas D. Wieck, Laurent Saminadayar, Christopher Bäuerle and Tristan Meunier: Electrons surfing on a sound wave as a platform for quantum optics with flying electrons. DOI: 10.1038/nature10416

Externer Link: www.ruhr-uni-bochum.de

Kürzestes je von Menschen aktiv beherrschtes Zeitintervall realisiert

Pressemitteilung der Universität Kassel vom 05.09.2011

Einen Vorstoß in völlig neue Zeitbereiche und ein neuer Rekord bezüglich des kürzesten jemals von Menschen aktiv beherrschten Zeitintervalls gelang jetzt Kasseler Physikern:

Sie realisieren optische Messungen mit einer zeitlichen Präzision von 300 Zeptosekunden.

Damit haben die Kasseler Forscher im Fachgebiet Experimentalphysik III – Femtosekunden-Spektroskopie unter Leitung von Prof. Dr. Baumert den bisherigen Rekord von 12 atto Sekunden um den Faktor 40 unterboten.

Der Vorstoß in den Mikro- und Nanokosmos ist nicht nur ein Vordringen zu immer kleineren Strukturen, er ist auch mit dem Vordringen zu immer kürzeren Zeitskalen verknüpft. Ein geeignetes Mittel zur Erforschung von zeitlichen Abläufen auf Molekül- und Atom-Ebene sind ultrakurze Laserpulse. Diese Lichtblitze mit einer Dauer im Bereich von wenigen Billiardstel-Sekunden ermöglichen z. B. das Filmen und die gezielte Manipulation chemischer Reaktionen sowie die Herstellung maßgeschneiderter Moleküle.

Forscher der Universität Kassel arbeiten erfolgreich auf dem Gebiet, solche Laserblitze speziell für ein bestimmtes Experiment zu designen, d.h. die Form und Eigenschaften der Lichtpulse an die jeweiligen experimentellen Anforderungen gezielt anzupassen. Kürzlich ist es den Physikern Jens Köhler, Matthias Wollenhaupt, Tim Bayer, Cristian Sarpe und Thomas Baumert gelungen, eine zeitliche Präzision bei der Erzeugung solch maßgeschneiderter Laserpulse von 300 Zeptosekunden, das sind 0,000 000 000 000 000 000 3 Sekunden, zu realisieren. Dies stellt einen Vorstoß in völlig neue Zeitbereiche dar und bedeutet einen neuen Rekord bzgl. des kürzesten jemals von Menschen aktiv beherrschten Zeitintervalls. Ein Gefühl für die Kürze dieses Zeitintervalls bekommt man, wenn man sich vor Augen führt, welche Strecke das Licht innerhalb dieser Zeit zurücklegt. In 300 Zeptosekunden durchläuft das Licht eine Strecke, die ungefähr dem Durchmesser eines Wasserstoff-Atoms entspricht, wohingegen es in einer Sekunde in etwa die Strecke von der Erde zum Mond zurücklegt.

Die Kasseler Wissenschaftler haben diese intensiven, maßgeschneiderten Laserpulse aber nicht nur höchstpräzise erzeugt, sondern auch bereits erfolgreich in einem Experiment eingesetzt. Energiezustände in einem aus Laserlicht und Atomen gebildeten System konnten aktiv manipuliert und ein Hin- und Herschalten zwischen diesen Zuständen mit einer zeitlichen Genauigkeit von weniger als 10 Trillionstel-Sekunden demonstriert werden.

Mittels der in den durchgeführten Experimenten realisierten Präzision könnte in Zukunft ein Zugang zur Beobachtung und Kontrolle von noch schnelleren als den hier beschriebenen Prozessen auf atomarer Ebene gegeben sein. Die Arbeit der Kasseler Physiker ist kürzlich unter dem Titel „Zeptosecond Precision Pulse Shaping“ in der renommierten Fachzeitschrift Optics Express, 19(12), 11638-11653 (2011) erschienen.

Externer Link: www.uni-kassel.de

Bauteile – der Natur nachempfunden

Mediendienst der Fraunhofer-Gesellschaft vom September 2011

Leicht und trotzdem stabil: Grashalme, Bambusstangen, Knochen oder Zähne erreichen eine hohe Belastbarkeit bei geringem Gewicht durch raffinierte innere Strukturen und einen ausgeklügelten Materialmix. Auf dieselbe Art lassen sich auch Kunststoffprodukte leichter und haltbarer gestalten.

Vor allem ihrer Struktur verdanken biologische Konstrukte ihre hohe Belastbarkeit – Röhrenknochen etwa sind durch die schwammartige Substanz im Inneren ihrer kompakten Außenhülle besonders stabil. Um Produkte mit ähnlich idealen inneren Strukturen leicht, materialsparend und solide zu gestalten, arbeiten die Fraunhofer- Institute für Werkstoffmechanik IWM und für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT im Projekt »Bionic Manufacturing« zusammen. Die Wissenschaftler am IWM in Freiburg suchen ideale Innenstrukturen für Bauteile. »Unser Ziel ist es, so effizient wie die Natur zu arbeiten: Das fertige Bauteil soll nicht mehr wiegen als nötig und dabei trotzdem mechanisch zuverlässig funktionieren«, betont Dr. Raimund Jaeger vom IWM. Ein großer Pluspunkt dabei seien die gestalterischen Freiheiten: »Es ist möglich, sehr ästhetische Gebrauchsgegenstände wie einen Designerstuhl herzustellen«, erklärt Jaeger. Und sollte ein so ausgelegtes Stück durch eine Überbeanspruchung doch einmal versagen, dann auf »gutmütige« Weise – es zerbricht nicht in scharfe Splitter, sondern knickt weich zusammen.

Während sich die Natur über Generationen an optimale Konstruktionen herantastet, müssen Konstrukteure und Produktentwickler wesentlich schneller arbeiten. Die Freiburger Forscher haben darum eine neue Vorgehensweise entwickelt: Sie bauen im PC das komplette Werkstück entlang seiner Konturen zunächst aus nahezu identischen, quaderförmigen Elementarzellen auf. Stellt sich in der numerischen Simulation heraus, dass die Gitterstruktur nicht den Anforderungen entspricht, werden die betroffenen Zellwände oder Trabekel gezielt angepasst: »Wir gestalten sie dicker, wenn sie zu schwach sind, schlanker, wenn sie sich besser biegen sollen oder lassen ihre Wände entlang der Kraftlinien verlaufen, die bei einer Beanspruchung entstehen«, sagt Jaeger. Auf diese Weise lassen sich viele Formen mit einer Zellinnenstruktur auslegen, in der Simulation bewerten und optimieren. Begleitet werden die Simulationen durch »reale« Versuche, mit denen die Forscher die Strukturen mechanisch testen.

»Bei allen Werkstücken, die sich im Computer aus zweidimensionalen Grundstrukturen heraus in die gewünschte Form ziehen lassen, funktioniert diese Vorgehensweise bereits sehr gut«, berichtet Jaeger, »ebenso bei Teilen, die relativ regelmäßig geformt sind.« Alle Bauteile sind trotz ihrer Leichtbauweise sehr stabil und können auch härtere Stöße dämpfen. Anwendungsmöglichkeiten sieht der Wissenschaftler überall dort, wo mechanisch hochwertige und ästhetisch ansprechende Produkte gefragt sind, die leicht sein müssen – beispielsweise medizinische Orthesen oder individuell angepasste Schutzstrukturen für Sportler wie Rückenprotektoren für Schifahrer. Für die technische Umsetzung der biologischen Konstruktionsprinzipien ist das UMSICHT zuständig. Die Oberhausener Projektleiter setzen hierbei auf generative Fertigungsverfahren – in diesem Fall auf das selektive Lasersintern von Kunststoffen.  Das Verfahren ermöglicht, ein Werkstück Schicht um Schicht aus einem feinen Polyamidpulver wachsen zu lassen, das ein dünner Laserstrahl in Form schmilzt. So können komplexe innere Strukturen und zukünftig auch Bauteile mit räumlich variierenden Werkstoffeigenschaften – Experten nennen sie Gradientenwerkstoffe – hergestellt werden, also mit ähnlich optimalen Strukturen, wie man sie in der Natur beobachten kann.

Externer Link: www.fraunhofer.de