Ultraschall-Technologie nach Maß

Presseinformation (Forschung Kompakt) der Fraunhofer-Gesellschaft vom 05.01.2015

Das Einsatzspektrum von Ultraschall ist riesig – dementsprechend unterscheiden sich die eingesetzten Technologien. Mit einem neuen modularen System decken Forscher nun eine große Anwendungsbandbreite ab: Vom Sonarsystem über medizinische Ultraschallverfahren bis hin zum Hochfrequenzbereich, etwa für die Werkstoffprüfung.

Ultraschall-Verfahren machen sichtbar, was unserem bloßen Auge verborgen bleibt: Ärzte untersuchen mithilfe von Sonographie Gewebsveränderungen in unserem Körper, U-Boote orientieren sich mit Sonarsystemen in der Dunkelheit der Tiefsee und in der Werkstoff- und Bauteileprüfung bietet Ultraschall eine zerstörungsfreie Alternative zu teuren, nicht echtzeitfähigen Verfahren. Je nach Anwendung kommen dabei unterschiedliche Technologien zum Einsatz. »Meist werden anhand der Kundenanforderungen komplette Spezialsysteme entwickelt. Vor dem Hintergrund, dass sich diese nur für einen sehr eingeschränkten Bereich nutzen lassen, ist der Entwicklungsaufwand jedoch recht hoch«, erklärt Steffen Tretbar vom Fraunhofer-Institut für Biomedizinische Technik IBMT in St. Ingbert.

Tretbar und sein Team gehen deshalb einen neuen Weg: Die Wissenschaftler haben eine mehrkanalige Ultraschallplattform mit modularem Aufbau entwickelt, die sich an ganz unterschiedliche Anwendungen wie z. B. die Echtzeit-Therapiekontrolle anpassen lässt. »Damit können wir auf Kundenanfragen für verschiedenste Anwendungen nicht nur schnell reagieren, sondern auch kostensparende Lösungen anbieten«, sagt Tretbar. Das System nutzt Basiskomponenten wie Main Board, Spannungsversorgung sowie Steuerungssoftware, die immer gleich bleiben. »Die anwendungsspezifischen Komponenten, die Front-End Boards, setzen wir dann in dieses Main Board ein – wie bei einem Baukastensystem«, erläutert Tretbar.

Um ein System an eine Anwendung anzupassen, ist der Frequenzbereich der Ultraschallwellen eine zentrale Stellschraube: Sonarsysteme bewegen sich typischerweise im niederfrequenten Bereich (vom Kilohertz-Bereich bis etwa 2 MHz). Damit erhält man zwar keine hohe Ortsauflösung der Bilder, kann jedoch bis zu mehrere hundert Meter weit »sehen«. Anders beim Einsatz in der Medizin: Hier benötigt der Arzt möglichst hochaufgelöste Aufnahmen. Die Schallwellen müssen dazu jedoch keine weiten Strecken zurücklegen, sondern nur ein paar Zentimeter in den Körper eindringen. Daher bewegt sich medizinischer Ultraschall meist in einem Frequenzbereich zwischen 2 bis 20 MHz. Sehr hohe Frequenzen bis in den 100 MHz-Bereich ermöglichen Auflösungen im µm-Bereich, z. B. für die Werkstoffprüfung oder die Bildgebung von Kleintieren, die bei der Entwicklung von neuen Verfahren erforderlich ist. Für alle drei Bereiche haben die Forscher entsprechende Front-End Boards entwickelt.

Schnelle Schnittstellen zum Rechner

Um das System feinzujustieren, muss dann lediglich noch die Software entsprechend konfiguriert werden. »Wir haben sehr schnelle Schnittstellen zum PC realisiert. Damit können wir die Systeme in Echtzeit steuern, eine sehr rasche Signalverarbeitung mit Wiederholraten im kHz-Bereich ermöglichen und einfach neue für unterschiedliche Applikationen angepasste Softwarealgorithmen implementieren«, erläutert Tretbar. Ein weiterer Vorteil der Ultraschallplattform: Die Wissenschaftler können nicht nur auf klassische Bilddaten zurückgreifen, sondern auf die unverarbeiteten Rohsignale jedes Elements eines Ultraschallarrays. Damit lassen sich völlig neue Verfahren entwickeln.

Die verschiedenen Module sind einsatzreif – vor allem Unternehmen aus dem medizinischen Bereich haben Interesse an den Entwicklungen signalisiert. Um die Technologie in konkrete Produkte zu implementieren, bieten die Experten vom IBMT zwei Vorgehensweisen an: Entweder stellen sie zu den Ultraschallsystemen Software-Schnittstellen zur Verfügung, die direkt in das System des Kunden integriert werden. Die zweite Möglichkeit ist, die Anwendung des Kunden in die Software des Ultraschallsystems einzubinden und dann eine Software für die Gesamtapplikation zu realisieren. Im Rahmen der Forschungsplattform deckt die Entwicklungskompetenz des IBMT sämtliche Technologiekomponenten ab – vom Ultraschallwandler über neue Ultraschallverfahren bis hin zu Komplettsystemen und deren Zertifizierung bzw. Zulassung als Medizinprodukt.

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Sichere Häfen durch Mobilfunk-Radar

Presseinformation (Forschung Kompakt) der Fraunhofer-Gesellschaft vom 01.12.2014

Viele Küstengebiete und Häfen sind kaum gegen Terrorangriffe gesichert. Mit einem neuen Sensorsystem, das Echos von Mobilfunkmasten nutzt, lassen sich künftig selbst kleine Boote von Angreifern schnell aufspüren. Dieses Mobilfunk-Radar schützt auch Flugzeuge vor Kollisionen mit Windrädern.

Flughäfen werden heute streng überwacht, anders als viele Küsten- und Hafenstädte. Denn nicht überall gibt es Radaranlagen, die kleine Boote erfassen können. Für Terroristen wäre es ein Leichtes, sich den Küsten mit Speedbooten zu nähern, um Sprengstoff an Land zu bringen. Forscher vom Bonner Fraunhofer-Institut für Kommunikation, Informationsverarbeitung und Ergonomie FKIE entwickelten ein Antennensystem, mit dem sich küstennahe Meeresgebiete überwachen lassen: die Passive Coherent Location (PCL). Dabei nutzen sie die kontinuierlich ausgestrahlten Funksignale von Mobilfunksendemasten, um verdächtige Boote zu entdecken und durch Fusion mit elektrooptischen oder Infrarot-Systemen zu klassifizieren. Dazu gehören auch Schnellboote, mit denen sich Piraten Frachtschiffen nähern.

Die Funktionsweise des neuen Verfahrens ähnelt der von Radaranlagen. Diese senden elektromagnetische Signale und fangen das von Objekten zurückgestrahlte Echo auf. Entsprechend fängt die PCL-Antenne die von Objekten reflektierte Mobilfunkstrahlung auf, um Boote zu detektieren. Doch im Vergleich zu einer Radaranlage ist die Verwertung von Mobilfunksignalen deutlich komplexer. Eine Radarantenne sendet eigene wohl definierte Signale in einem begrenzten Sektor aus. Echos lassen sich leicht deuten. Der neue Sensor hingegen nutzt Mobilfunksignale, die aus verschiedenen Richtungen von verschiedenen Basisstationen ausgesendet werden. Er empfängt einen chaotischen Echomix, aus dem Objekte mühsam herausgerechnet werden müssen. »Ein Problem besteht darin, dass unser Sensorsystem zunächst die starken Signale der Mobilfunkstationen wahrnimmt«, sagt Reda Zemmari, Projektleiter am FKIE. »Die von Booten auf dem Wasser zurückgestrahlten Echos sind sehr viel schwächer.«

Mobiles System ist flexibel einsetzbar

Die Forscher mussten daher Algorithmen entwickeln, die diese Schwächen ausgleichen. So ist die Software unter anderem in der Lage, die starken, direkt von den Mobilfunkmasten eintreffenden Funksignale zu unterdrücken. »Von Vorteil ist«, sagt Zemmari, »dass verschiedene Mobilfunkmasten mit unterschiedlichen Frequenzen senden«. Damit kann die Software die verschiedenen Signale und Echos besser voneinander unterscheiden. Darüber hinaus erkennt das System fahrende Boote anhand ihrer Bewegung und der dadurch bewirkten Frequenzverschiebungen. »Unser System überprüft dabei permanent, ob es die Signale richtig zuordnet und die Bewegung des Objekts richtig interpretiert«, sagt Zemmari. Bei Versuchen vor Eckernförde und vor Fehmarn ist es den Forschern bereits gelungen, nur wenige Meter lange Speedboote in einer Entfernung von vier Kilometern zu verfolgen. »Unsere Anlage kann auf einem kleinen Anhänger transportiert werden und ist damit flexibel einsetzbar«, sagt Zemmari. Einzige Voraussetzung: Die Gebiete müssen von Mobilfunkstationen abgedeckt sein. Der Wissenschaftler betont, dass das PCL-System keineswegs Daten von Mobilfunknutzern ausliest. »Wir verwenden ausschließlich das Betriebssignal der Sendestation, das keine Datenpakete von Kunden enthält.«

Die Technologie eignet sich nicht nur für die Terrorabwehr. Derzeit arbeiten die Forscher an einer Variante für Windräder. Hohe Windmasten müssen nachts mit Blinklichtern befeuert werden, damit Hubschrauber- und Flugzeugpiloten gewarnt sind. Das Blinken aber stört viele Menschen. Windräder sollen daher mit Flugzeugdetektoren ausgestattet werden, die die Lichter nur dann einschalten, wenn sich ein Flugzeug nähert. Zwar gibt es bereits Detektoren, die auf die Funksignale von Flugzeugen ansprechen. »Aber für den Fall, dass diese ausfallen, brauchen wir ein redundantes System – und dafür eignet sich die PCL-Technik sehr gut«, sagt Zemmari.

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Spin-off der TU Wien bringt optisches Mikrofon zur Marktreife

Presseaussendung der TU Wien vom 12.11.2014

Unempfindlich gegenüber Wind und Vibrationen, hochpräzise in einem extrem weiten Frequenzbereich: Das Lasermikrofon von Xarion vereint viele Vorteile.

Mit Licht Schallwellen messen – das klingt vielleicht auf den ersten Blick merkwürdig, könnte die akustische Mess- und Aufnahmetechnik aber in vielen Bereichen verändern. An der TU Wien erfand Balthasar Fischer im Rahmen seiner Dissertation am Institut für Photonik (Fakultät für Elektrotechnik und Informationstechnik) ein Lasermikrofon, mittlerweile entwickelt er seine patentierte Erfindung in der Startup-Firma Xarion weiter. Dass sich mittlerweile sowohl internationale Großkonzerne als auch Nobelpreisträger für die Erfindung interessieren, ist kein Wunder. Die Schallmessung mit Laserlicht hat viele entscheidende Vorteile.

Lichtwellen statt Membran

In herkömmlichen Mikrofonen wird eine Membran vom Schall in Schwingung versetzt, und diese Schwingung wird dann aufgezeichnet. Dadurch ist das Mikrofon aber auch anfällig für äußere Vibrationen oder Wind und kann akustische Signale manchmal verzerren. Das Mikrofon von Balthasar Fischer kommt ganz ohne Membran aus.

Schallwellen sind nichts anderes als kleine Luftdruckschwankungen. Ändert sich der Luftdruck im Mikrofon, dann ändert sich dort auch die Wellenlänge des Lichts ein kleines bisschen. „Wir verwenden ein ausgeklügeltes Spiegelsystem, das die Lichtwellen eines Laserstrahls nur in einem sehr engen Wellenlängen-Bereich durchlässt. So kann man minimale Wellenlängenänderungen präzise messen“, erklärt Balthasar Fischer.

Vom Elektrotechnik-Forschungslabor zur eigenen Firma

Am Institut für Photonik an der Fakultät für Elektrotechnik und Informationstechnik der TU Wien entwickelte Fischer seinen ersten Mikrofon-Prototypen. Unterstützt von der österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) gründete er 2012 gemeinsam mit seinem Kollegen Leonhardt Bauer die Firma Xarion, um seine Idee weiterzuentwickeln und zu vermarkten. Inzwischen arbeiten zehn Leute bei dem jungen Startup-Unternehmen und das erste Produkt ist bereits marktreif.

Im September 2014 hat sich Hans-Peter Porsche finanziell am Unternehmen beteiligt, als Vorsitzenden des Scientific Advisory Board konnte Xarion den deutschen Nobelpreisträger und Laser-Spezialisten Prof. Theodor Hänsch gewinnen. „Die Beteiligung von Porsche war für uns sehr wichtig, um Planungssicherheit zu haben. Hänsch als Berater bringt uns fachlich natürlich immer wieder unglaubliche Vorteile“, sagt Balthasar Fischer.

Leistungsstark bis zum Ultraschall-Bereich

Gewöhnlichen Mikrofonen geht es mit hohen Tönen so ähnlich wie uns Menschen: Mit steigender Frequenz sinkt die Empfindlichkeit, und ab einer gewissen Tonhöhe nimmt man gar nichts mehr wahr. Das Laser-Mikrofon kann dieses Problem beheben. Es zeigt eine gleichbleibend lineare Empfindlichkeit bis in den Ultraschallbereich. „Das ist in der akustischen Messtechnik ganz unerlässlich, zum Beispiel bei der Messung von Lärmimmissionen, aber auch in Bereichen wie der zerstörungsfreien Materialprüfung oder in der Medizintechnik“, sagt Balthasar Fischer.

Das Mikrofon ist mechanisch sehr stabil, es ist unempfindlich gegenüber Wind und Vibrationen, es funktioniert sogar in Flüssigkeiten und es kann seine Signale optisch über ein Glasfaserkabel weitergeben. „Gerade die elektrischen Kabelstrecken, die man sonst in der akustischen Messtechnik benötigt, sind oft ein Problem“, sagt Fischer. Dort können durch elektromagnetische Strahlung von außen Störungen entstehen. Bei einer optischen Datenübertragung ist das kein Problem, da kann man bedenkenlos auch lange Kabelstrecken verwenden.

Eine erste Version des optischen Mikrofons gibt es bei Xarion nun bereits zu kaufen, an weiteren Modellen wird laufend gearbeitet. „Es ging gut voran in diesen zwei Jahren. Es ist aufregend mitzuerleben, wie rasant sich so eine technische Idee entwickeln kann“, sagt Balthasar Fischer. „An neuen Ideen und möglichen Marktnischen mangelt es uns jedenfalls nicht.“ (Florian Aigner)

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Miniaturkamera verspricht weniger Unfälle

Presseinformation (Forschung Kompakt) der Fraunhofer-Gesellschaft vom 01.10.2014

Nur wenige Kubikmillimeter misst ein neuartiges Mikrokameramodul, das bald in künftige Fahrerassistenzsysteme integriert werden könnte, um Autofahrer in kritischen Situationen zu unterstützen. Der Winzling lässt sich platzsparend ins Fahrzeug einbauen. Dank einer speziellen Verkapselung arbeitet er besonders zuverlässig.

Oft sind es nur Bruchteile von Sekunden, die über Autounfälle entscheiden: Ein kurzer Moment des Abgelenktseins, Übermüdung oder Unaufmerksamkeit – es gibt viele Gründe, warum die Zahl der Unfälle in Deutschland vor allem auf Autobahnen hoch ist. Laut Angaben des Statistischen Bundesamts stieg die Zahl der Todesopfer auf deutschen Autobahnen 2013 im Vergleich zum Vorjahr um mehr als acht Prozent. Fahrerassistenzsysteme könnten viele dieser Unglücke vermeiden helfen oder zumindest reduzieren. Mikrokameras sind unverzichtbare Helfer: Sie registrieren mögliche Gefahren bereits dann, wenn der Fahrer sie noch gar nicht wahrgenommen hat, und können ihn so frühzeitig warnen.

Forscher des Fraunhofer-Instituts für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM in Berlin entwickelten ein Mikrokameramodul, das dies leisten soll. Die Kamera erkennt beispielsweise Verkehrsschilder, die gerade auf der Autobahn leicht übersehen werden und so zu schwerwiegenden Unfällen führen können. Eine Besonderheit des Systems: Im Gegensatz zu auf dem Markt üblichen Fahrerassistenzsystemen erfolgt die Verarbeitung des Bildmaterials und somit die Interpretation der Verkehrsschilder direkt in der Kamera, da sie mit einem integrierten Prozessor zur Bildverarbeitung ausgestattet ist. Nachdem der eingebaute Imagesensor die Bilder aufgenommen hat, wertet der Prozessor die Frames aus. »Das Video selbst muss nicht mehr, wie bisher üblich, ausgelesen und durch ein zwischengeschaltetes System analysiert werden. Stattdessen werden nur noch die entsprechenden Signale übertragen«, sagt Andreas Ostmann, Diplomphysiker und Gruppenleiter am IZM. Der Vorteil für die Verkehrszeichenerkennung: Das zu übertragende und zu verarbeitende Datenvolumen fällt um ein Vielfaches kleiner aus. Da sich die Erkennung der Zeichen an alle landestypischen Verkehrsschilder anpassen lässt, gibt es hinsichtlich des Einsatzgebietes keinerlei Beschränkungen: Stopp-Schilder erkennt die Mikrokamera ebenso wie Geschwindigkeitsbegrenzungen, Überholverbote oder Einbahnstraßenschilder. Beispielsweise durch eine Anzeige im Armaturenbrett könnte sie den Fahrer informieren und dadurch den Fahrkomfort und die Sicherheit verbessern.

Mit einer Größe von nur 16x16x12 Kubikmillimetern inklusive Optik und 16x16x4,6 Kubikmillimetern ohne Optik ist das Mikrokameramodul kleiner als aktuell verbaute Assistenzsystemkameras mit Kantenlängen von 20x20x20 Kubikmillimetern (ohne Optik). Möglich wurde diese Miniaturisierung durch die Expertise der IZM-Forscher im Bereich der Aufbau- und Verbindungstechnik. Insgesamt 72 passive und 13 aktive Komponenten wie LEDs, Gleichspannungswandler, Speicherchip, Imagesensor und Imageprozessor mussten besonders platzsparend in dem Modul platziert werden. Dies ist den Forschern gelungen: Das Volumen der Kamera konnte auf gerade einmal 3 Kubikzentimeter mit Optik und auf 1,2 Kubikzentimeter ohne Optik reduziert werden.

Ein weiterer Vorteil des neu entwickelten Moduls: Alle Bauteile sind direkt in die Leiterplatte aus Glasfaser und Epoxidharz integriert. Experten nennen diese Aufbautechnik »Embedding«. Durch diese Verkapselung der elektronischen Komponenten ist die Mikrokamera unempfindlich gegenüber Rüttlern auf unebenen Straßen.

»Unser System lässt sich nicht nur einsetzen, um Verkehrszeichen zu detektieren. Wenn man die integrierte Software entsprechend programmiert, ist auch das Erkennen von Fahrbahnmarkierungen möglich. In dem Fall wird die Kamera mit einem Spurhalteassistenten kombiniert. Da sie auch die Bewegungserkennung beherrscht und Objekte wie Tiere, Personen und deren Position detektiert, ließe sie sich mit einem Bremsassistenten oder Fußgängerschutz koppeln«, führt Ostmann aus. Ein weiteres Szenario: Am Armaturenbrett montiert könnte das Miniatursystem den Innenraum von Fahrzeugen überwachen und vor Sekundenschlaf warnen. Stellt die Kamera fest, dass die Augen des Fahrers etwas länger als eine Sekunde geschlossen sind, wird Alarm ausgelöst. Weitere mögliche Anwendungen für die Miniaturkamera könnten Diebstahlschutz und Qualitätskontrolle sein. Hierfür müssen lediglich die Bildverarbeitungsalgorithmen entsprechend angepasst werden.

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Sensitiver Säuresensor steuert Insulinproduktion

Medienmitteilung der ETH Zürich vom 11.08.2014

ETH-Forscher des Departements Biosysteme in Basel (D-BSSE) entwickelten eine implantierbare Prothese, welche die Säurebildung im Körper bei Diabetes präzise überwacht und bei drohender Azidose Insulin produziert.

Viele Stoffwechselfunktionen im Menschen laufen nur einwandfrei, wenn der Säuregrad im Körper neutral und stabil bleibt. Für Menschen ist zum Beispiel ein Blut-pH-Wert zwischen 7,35 und 7,45 normal. Zum Vergleich: im nüchternen Magen ist es extrem sauer, der pH-Wert liegt bei 1,5.

Der enge pH-Bereich wird im Körper konstant überwacht und bei Abweichungen von den Soll-pH-Werten sehr rasch ausgeglichen. Denn werden wässrige Lösungen im Körper nur schon geringfügig saurer, können viele Proteine ihre Funktionen nicht mehr wahrnehmen. Sie werden instabil, verändern ihre Struktur oder die Wechselwirkungen zu anderen Proteinen. Dadurch versagen ganze Stoffwechselwege ihren Dienst.

Von Übersäuerungen besonders betroffen sind Personen, die an Diabetes-Typ-1 leiden. Ihnen fehlt Insulin, das Hormon, das den Blutzuckerspiegel reguliert, komplett. Körperzellen können darum keine Glukose aus dem Blut aufnehmen und müssen eine andere Energiequelle anzapfen: die Fettreserven. Dabei entsteht in der Leber die Säure Beta-Hydroxybutyrat, welche über den Blutkreislauf Muskeln und Gehirn mit Energie versorgt. Bei anhaltendem Verbrauch der Fettreserven entsteht jedoch so viel Säure, dass der pH-Wert des Blutes drastisch sinkt. Derweil zirkulieren die Zuckermoleküle ungenutzt im Blut. Wird der Insulinmangel nicht rechtzeitig bemerkt oder behandelt, können Diabetes-Typ-1-Patienten an einer sogenannten Ketoazidose – einem Überschuss an Beta-Hydroxybutyrat und dem daraus resultierenden Stoffwechselschock – sterben.

Sensor misst Säuregrad

Nun haben ETH-Bioingenieure des Departements Biosysteme (D-BSSE) in Basel eine neuartige molekulare Prothese entwickelt, die aus zwei Modulen besteht: einem Sensor, welcher konstant den Säuregrad des Blutes misst, und einem Genregelkreis, der die benötigte Menge an Insulin produziert. Die beiden Module sind aus biologischen Komponenten wie verschiedenen Genen und Proteinen konstruiert und wurden in kultivierte Nierenzellen eingebaut. Millionen dieser massgeschneiderten Zellen betteten die Forscher in Kapseln ein, welche als Implantat in den Körper eingesetzt werden können.

Das Herzstück der molekularen Prothese ist der pH-Sensor. Dieser misst den Säuregrad des Blutes präzise und reagiert sensibel auf geringe Abweichungen vom Soll-pH-Wert. Sinkt der pH-Wert unter 7,35, sendet der Sensor ein Signal aus, um die Produktion von Insulin anzustossen. Ein derart tiefer pH-Wert ist spezifisch für Typ-1-Diabetes. Zwar sinkt der pH-Wert auch bei Alkoholmissbrauch oder sportlichen Aktivitäten aufgrund der Übersäuerung der Muskeln, doch unter 7,35 fällt der Wert bei diesen Azidosen nicht. Das Hormon Insulin sorgt dafür, dass die normalen Körperzellen Glukose wieder aufnehmen und ihren Stoffwechsel von Fett- auf Zuckernutzung umstellen. Der pH-Wert steigt dadurch wieder an. Ist der Soll-pH-Wert erreicht, schaltet sich der Sensor aus und die umprogrammierten Zellen stellen die Insulinproduktion ein.

Insulin-Pegel wieder normal

Bis anhin testeten die Forscher ihre Erfindung erst an Mäusen, die an Diabetes-Typ-1 und den damit verbundenen Azidosen leiden. Die Resultate lassen aufhorchen: Mäuse, denen die Kapseln implantiert wurden, produzierten den jeweiligen Säuremessungen entsprechende Mengen an Insulin. Der Hormonpegel im Blut war mit demjenigen von gesunden Mäusen, deren Insulinpegel auf natürliche Art reguliert wurde, vergleichbar. Das Implantat glich auch grössere Ausschläge des Blutzuckerspiegels wirkungsvoll aus.

«Auf diesem Prototypen basierende Anwendungen für Menschen sind denkbar, aber noch nicht entwickelt», sagt Martin Fussenegger, Professor für Biotechnologie und Bioingenieurwissenschaften. «Wir wollten vorerst einen Prototypen schaffen, um zu sehen, ob solche Feinabstimmungen von metabolischen Prozessen durch molekulare Prothesen überhaupt möglich sind». Ein entsprechendes Produkt zur Marktreife zu bringen, würde aber die personellen und finanziellen Ressourcen seines Instituts bei weitem übersteigen. Dies müsse in Zusammenarbeit mit einem Industriepartner weitergeführt werden.

Reiche Erfahrung bei metabolischen Krankheiten

Forscherinnen und Forscher um Martin Fussenegger ist es in der Vergangenheit schon mehrmals gelungen, mit solchen synthetischen Netzwerken Schlagzeilen zu machen. So entwickelten sie ein Implantat, dessen Gene mit Blaulicht angeschaltet werden können und in der Folge GLP-1 produzieren, welches die Bildung von Insulin regelt. Auch haben sie ein Netzwerk zusammengesetzt, welches das metabolische Syndrom beseitigt. Starten lässt sich dieses über einen zugelassenen Blutdrucksenker. Allen diesen Netzwerken ist gemeinsam, dass sie auf ein Signal hin reagieren und eine hormonaktive Substanz produzieren. Das Spezielle am neuen Regelkreis ist, dass das Signal im Körper selbst entsteht und dieses von einem Sensor wahrgenommen wird, welcher eine fein abgestimmte therapeutische Gegenreaktion auslöst.

An der vorliegenden Arbeit waren drei Gruppen des D-BSSE beteiligt. Fusseneggers Gruppe entwickelte das genetische Netzwerk, Andreas Hierlemann, Professor für Biosystems Engineering, und seine Mitarbeiter testeten den Säuresensor mithilfe von mikrofluidischen Plattformen und Jörg Stelling, Professor für computergestützte Systembiologie, modellierte es, um die Dynamik der Insulinbildung abschätzen zu können.

Publikation:
Ausländer D, Ausländer S, Charpin-El Hamri G, Sedlmayer F, Müller M, Frey O, Hierlemann A, Stelling J, Fussenegger M. A synthetic Multifunctional Mammalian pH Sensor and CO2 Transgene-Control Device. Molecular Cell, available online 10 July 2014. DOI: 10.1016/j.molcel.2014.06.007

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