Kundschafter im blauen Rauschen

Pressemeldung der Universität Erlangen-Nürnberg vom 06.10.2011

Brownsche Bewegung unter eingehender Beobachtung

Das leiseste Zittern genügt, um etwas mitzuteilen. Kleine Teilchen, die in einer Flüssigkeit gelöst sind, registrieren, was in ihrem Umfeld vor sich geht, und reagieren darauf. Ohne ausgetüftelte Messanordnung und ein hochpräzises Instrumentarium ist nicht zu entziffern, wie ihre Botschaft lautet, doch wenn es gelingt, warten erstaunliche Auskünfte auf die Dechiffrierexperten. Mit Hilfe einer Kombination aus theoretischem Unterbau und sehr diffizilen Experimenten konnten Physiker und Physikerinnen aus Erlangen, Lausanne und Basel erstmals beobachten, wie sich kleine Partikel in einem Lösungsmittel verhalten. Was sich dabei ergibt, wirkt zunächst fantastisch: Der Bewegung eines Teilchen kann eine Farbe zugeordnet werden.

Thomas Franosch, Professor am Institut für Theoretische Physik der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU), stuft das Ergebnis sachlicher ein. „Damit hat sich eine Annahme bestätigt, die in Fachkreisen seit fünfzig Jahren gilt“, erklärt der Erstautor der Studie zu diesem Thema, die am heutigen Donnerstag in der Fachzeitschrift „Nature“ erscheint (doi:10.1038/nature10498). „Bis jetzt war es allerdings nicht möglich, das Spektrum der Kräfte, die auf die Partikel wirken, direkt zu messen.“ Der Forschergruppe gelang dies, indem sie starke optische Fallen einsetzte, in denen ein einzelnes Teilchen festgehalten werden kann.

Chaos im Kaffee

Eine der Säulen der modernen theoretischen Physik ist die „Brownsche Molekularbewegung“. Wer Partikel in einer Lösung, beispielsweise Kaffeepulver in heißem Wasser, unter dem Mikroskop betrachtet, sieht eine Breakdance-Vorstellung im Miniaturformat. Unter der reglos erscheinenden Oberfläche tobt das Chaos. Das Zucken und Zappeln jedes einzelnen Teilchens lässt sich grundsätzlich nicht vorhersagen. Diese Bewegung ist nach dem schottischen Botaniker Robert Brown benannt, der Pollenkörnchen in Wassertropfen studierte und deren „Tanzfiguren“ zuerst als Hinweis auf ihre Lebenskraft wertete.

Was im 19. Jahrhundert noch vorstellbar war, wurde längst durch eine prosaische Erklärung ersetzt: Wassermoleküle stoßen ständig von allen Seiten gegen die größeren, sichtbaren Pollen. Dasselbe gilt für die Teilchen anderer Lösungen. Die Bewegung nimmt mit steigender Temperatur zu; die hier wirksamen Kräfte werden dementsprechend als thermisch bezeichnet. 1905 legte Albert Einstein seine Doktorarbeit vor. In diesem berühmten Werk bestimmte er näherungsweise eine Kennzahl, die proportional zur Temperatur ist und den enger Zusammenhang zwischen der Reibung eines in einer Flüssigkeit gelösten Partikels und den zufallsbedingten Stößen der Flüssigkeitsteilchen wiedergibt.

Ins Blaue hinein

Eine bildhafte Vorstellung der Vorgänge in einer Flüssigkeit gelingt durch den Vergleich mit zwei Sinneswahrnehmungen: Hören und Sehen. Wie die Überlagerung von Radiowellen wird das unregelmäßige Zappeln der Moleküle als „Rauschen“ bezeichnet. Da alle Strahlungen mit unterschiedlichen Frequenzen einander ebenfalls überlagern können, „rauschen“ auch Lichtwellen. „Kommt hier, wie beim Sonnenlicht, das vollständige Spektrum zusammen, entsteht Weiß. Fehlt ein Teil des Spektrums, sehen wir Farben“, erläutert Prof. Franosch. Einstein kam zu einer näherungsweisen Beschreibung, die auf der Annahme basierte, die Brownsche Molekularbewegung werde durch weißes Rauschen angetrieben. Durch neuartige Messgeräte und Weiterentwicklungen der Mathematik kamen leichte Abweichungen zu Tage. Die deutsch-schweizerische Forschungsgruppe stellte nun fest: Das Spektrum zeigt eine Verschiebung ins Blaue.

Dazu war es erforderlich, höchst präzise Messgeräte mit äußerst wirksamen Fallen zu kombinieren. Ein Laserstrahl hält ein gelöstes Teilchen aufgrund seiner optischen Eigenschaften fest. Auf den eingefangenen Partikel werden Detektoren mit einer Ortsauflösung eingesetzt, die unterhalb des Nanometerbereichs liegt. Zugleich kann die Messung Zeiträume bis hin zu Mikrosekunden sichtbar machen. „Sowohl verfälschende Einflüsse der Umgebung als auch Fehler, die durch einen starken Laserstrahl ausgelöst werden könnten, müssen ausgeschlossen bleiben“, umreißt die Projektleiterin Dr. Sylvia Jeney die größte Schwierigkeit im Aufbau solcher Experimente. „Dann kann das Teilchen einen Report über die thermischen Kräfte liefern, die in der Flüssigkeit wirken.“ Ist das aber angesichts der Größenverhältnisse nicht so, als würde ein Schwarm Kaulquappen versuchen, ein Nilpferd im Schlamm herumzuschubsen? „So dickhäutig ist der Partikel nicht, dass er die Stöße der Flüssigkeitsteilchen nicht registriert“, versichert Thomas Franosch. Hier kommt das sogenannte Hydrodynamische Gedächtnis ins Spiel, das das Schwimmen von Teilchen in einem Lösungsmittel verzögert. Wer Milch im Kaffee bevorzugt, kennt den Effekt: Die Zugabe verteilt sich von selbst nur langsam, darum liegt der Löffel zum Umrühren neben der Tasse.

Möglicherweise wird das Hydrodynamische Gedächtnis auf der Grundlage der Ergebnisse des Forscherteams für völlig neuartige Messverfahren nutzbar. Als Kernstück nanomechanischer Sensoren könnten von Lasern eingefangene Teilchen in Werkstoffwissenschaften oder Biomedizin Dienst tun, zum Beispiel als Kundschafter im Blut.

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Drahtlose Fensterkontakte – wartungsfrei und energieautark

Mediendienst der Fraunhofer-Gesellschaft vom September 2011

Fensterkontakte melden uns, welche Fenster im Haus offen oder geschlossen sind. Forscher haben jetzt ein besonders komfortables und ausfallsicheres System entwickelt, das ohne Kabel oder Batterien auskommt. Ihre Betriebsenergie gewinnen die Sensoren aus Funkstrahlung in der Umgebung.

07:30 Uhr morgens: Höchste Zeit, das Haus zu verlassen, um 08:00 Uhr steht ein wichtiger Termin an. Trotzdem will sich die junge Frau noch schnell vergewissern, dass alle Fenster geschlossen sind, denn für den Nachmittag sind Gewitter angekündigt. Später im Auto fällt ihr ein, dass sie einen Raum bei ihrem Kontrollgang vergessen hat. Fensterkontakte sorgen in solchen Situationen für mehr Komfort und Sicherheit: Die elektronischen Helfer werden an den Fenstergriffen platziert. Anhand der Griffstellung erkennen sie, ob ein Fenster geöffnet, gekippt oder geschlossen ist und übermitteln diese Information zu einer Basisstation. So sieht der Hausbesitzer auf einen Blick, welche Fenster offen stehen.

Forscher am Fraunhofer-Institut für Mikroelektronische Schaltungen und Systeme IMS haben jetzt eine besonders komfortable und zuverlässige Variante entwickelt, die ohne Kabel oder Batterie auskommt. »Unsere drahtlosen Fensterkontakte beziehen ihre gesamte Energie aus Funkstrahlen in der Umgebung«, erklärt Dr. Gerd vom Bögel, Wissenschaftler am IMS. Bislang waren drahtlose Modelle entweder auf Batterien oder Solarzellen angewiesen. Nachteile hat beides: Batterien müssen regelmäßig ausgetauscht werden, sonst funktioniert der Fensterkontakt nicht mehr. Dieses Problem haben solarbetriebene Systeme zwar nicht, doch auch sie sind fehleranfällig. Wird die Solarzelle unbemerkt abgeschattet, fehlt der Energienachschub. Darüber hinaus leidet die Ästhetik, da ein Modell mit Solarzelle nicht versteckt am Fenster platziert werden kann. Bleibt noch die klassische Variante: Kabelgebundene Fensterkontakte, die seit Jahren auf dem Markt erhältlich sind. Deren Manko ist jedoch der enorme Installationsaufwand – und ein Nachrüsten bei Bestandsbauten ist oftmals gar nicht möglich.

Das neue System lässt sich dagegen ohne großen Aufwand und zudem fürs Auge kaum sichtbar einbauen. Neben den Fensterkontakten wird dazu in jedem Zimmer ein Raumcontroller installiert. Dieses aktiv funkende Modul empfängt nicht nur die Daten der einzelnen Fensterkontakte, sondern versorgt die Sensoren durch seine Funkstrahlung auch mit Energie. Darüber hinaus übermittelt der Raumcontroller die empfangenen Daten an eine zentrale Basisstation im Gebäude, über die der Nutzer den Status aller Fenster abrufen kann. Das funktioniert bei entsprechender Konfiguration auch als Fernabfrage – beispielsweise auf das Smartphone des Nutzers. Voraussetzung ist lediglich ein DSL-Anschluss, mit dem die Basisstation verbunden wird.

Knackpunkt bei der Entwicklung war das Energiemanagement: »Auch die Raumcontroller unterliegen ja bestimmten Grenzwerten hinsichtlich ihrer Funkabstrahlung. Gerade in großen Räumen ist es daher gar nicht so einfach, alle Fensterkontakte ausreichend mit Energie zu versorgen«, gibt vom Bögel zu bedenken. »Wir haben aber alle Sensormodule, Antennen und Komponenten zur Energieaufbereitung so exakt aufeinander abgestimmt, dass das System auch über größere Reichweiten zuverlässig funktioniert«.

Ein erster Prototyp existiert bereits. Für die Zukunft haben die Duisburger Forscher weitere Entwicklungen im Blick: So wollen sie auch andere Sensoren nach dem gleichen Prinzip in das System integrieren – etwa zur Wärmeregulierung. Bislang sind die Thermostate meist am Rand eines Raumes angebracht. Steht nun etwa die Tür offen, herrschen dort niedrigere Temperaturen als im Inneren des Zimmers. Der Thermostat regelt dann die Temperatur nach oben, obwohl das gar nicht nötig wäre. Mit dem neuen System ließe sich ein Temperatursensor unauffällig exakt dort platzieren, wo eine bestimmte Temperatur tatsächlich erreicht werden soll – beispielsweise an der Vitrine neben dem Esstisch.

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Sensor-Chip überwacht Tumor

Pressemitteilung der TU München vom 23.08.2011

Ein implantierter Chip könnte bald schwer operable oder langsam wachsende Tumoren überwachen. Medizintechniker der Technischen Universität München haben einen elektronischen Sensor-Chip entwickelt, der den Sauerstoffgehalt in Gewebsflüssigkeit bestimmen kann. Die Daten können per Funk an den behandelnden Arzt geschickt werden, der damit eine wichtige Entscheidungshilfe für eine Therapie erhalten wird. Denn wenn der Sauerstoffgehalt in Tumornähe sinkt, droht der Tumor sein Wachstum zu beschleunigen und aggressiv zu werden.

Eine Operation gehört meist zu den ersten Therapieschritten in der Bekämpfung einer Krebskrankheit. Doch manche Tumoren wie zum Beispiel Hirntumore lassen sich nur schwer operieren, wenn dabei umliegendes Nervengewebe geschädigt würde. Andere Krebsgeschwulste wie zum Beispiel viele Prostatakarzinome wachsen nur sehr langsam, eine Operation bei den zumeist älteren Patienten verschlechtert oft deren Lebensqualität, ohne ihr Leben merklich zu verlängern.

Medizintechniker des Teams um Prof. Bernhard Wolf, Heinz Nixdorf-Lehrstuhl für Medizinische Elektronik der TUM, haben jetzt einen Sensor-Chip entwickelt, der in die Nähe des Tumors implantiert werden kann. Der Sensor-Chip misst die Konzentration an gelöstem Sauerstoff im Gewebe und gibt diese Informationen per Funk an ein Empfangsgerät weiter, das der Patient bei sich trägt. Das Empfangsgerät kann die Daten an den behandelnden Arzt weiterleiten, der damit die Tumorentwicklung verfolgen und Behandlungen wie Chemotherapie oder Operation einleiten kann. So würde der Tumor ständig überwacht, und gleichzeitig müsste der Patient seltener zu Kontrolluntersuchungen in die Praxis oder Klinik kommen.

Für den Körper unsichtbar

Labortests mit Zell- und Gewebekulturen hat der Sensor-Chip bereits bestanden. Die besondere Herausforderung: Der Sensor muss lange und vollkommen autonom funktionieren. Deshalb darf er bei einer Verschmutzung durch Proteine oder Zellreste nicht ausfallen oder falsche Messwerte liefern. Und er muss für den Körper „unsichtbar“ sein, damit der Körper ihn nicht als Fremdkörper erkennt und mit einer Gewebekapsel umschließt.

„Wir haben den Sensor-Chip so konstruiert, dass er sich in Messpausen selber an einer definierten Gelöstsauerstoffkonzentration kalibriert“, erläutert der Ingenieur und Projektleiter Sven Becker. „Außerdem haben wir den Sensor-Chip zusammen mit Auswerte-Elektronik, Funkeinheit und Batterien in ein Gehäuse aus biokompatiblem Kunststoff gesteckt.“

Klein ist der Sensor-Chip samt Elektronik schon, kaum doppelt so groß wie ein Daumennagel, doch bevor er über eine minimalinvasive Operation in Krebspatienten implantiert werden kann, muss er noch kleiner werden. Gleichzeitig sollen weitere Sensoren auch noch Säuregehalt und Temperatur messen. Außerdem haben die TUM-Forscher noch eine Miniatur-Medikamentenpumpe in Entwicklung, die zusammen mit dem Sensor-Chip implantiert werden und bei Bedarf Chemotherapeutika in unmittelbarer Tumornähe abgeben könnte. Im nächsten Schritt muss sich der Sensor-Chip allerdings erst einmal in der Behandlung von Tieren bewähren. In Zukunft, so hoffen die Forscher, wird er Krebstherapien bei Patienten gleichzeitig schonender und zielgerichteter machen können.

Das Projekt „IntelliTuM – Intelligentes Implantat zum Tumor-Monitoring“ wurde von der Heinz Nixdorf Stiftung unterstützt und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit 500.000 Euro gefördert.

Externer Link: www.tu-muenchen.de

Unfallschutz in der Frontscheibe

Mediendienst der Fraunhofer-Gesellschaft vom Juli 2011

Fahrerassistenzsysteme helfen Unfälle zu vermeiden. Denn je mehr ein Auto über seine Umgebung weiß, desto intelligenter kann es auf sie reagieren. Forscher haben jetzt einen optischen Sensor für die Frontscheibe entwickelt, der sogar Nebel von Dämmerlicht unterscheidet. Das System wird auch für Kleinwagen verfügbar sein.

Die Zahl der Verkehrstoten in Deutschland ist in den vergangenen Jahren stetig gesunken. Wie Studien belegen, ist dies auch den vielen neuen Fahrerassistenzsystemen zu verdanken, die schneller reagieren als der Mensch. Sie erkennen Risiken, warnen vor Gefahren und unterstützen den Fahrer in kritischen Situationen. Radarsensoren etwa scannen den umgebenden Verkehr und überwachen den toten Winkel oder wahren den Sicherheitsabstand zum Vorausfahrenden. Infrarotdetektoren verbessern die Nachtsicht und Müdigkeitssensoren schlagen bei drohendem Sekundenschlaf Alarm.

Um die Umgebung während der Fahrt zu überwachen, kommen inzwischen auch komplexe Systeme zum Einsatz. Sie sind nicht nur mit einer Kamera, sondern zudem mit Sensoren ausgestattet. Diese Systeme erfassen schwer einsehbare Fahrzeugbereiche – etwa beim Einparken – und werten die Kamerabilder automatisiert aus. Sie sind zwischen der Frontscheibe und dem mittleren Rückspiegel angebracht. Neben den bildgebenden Daten liefern sie Informationen über die Lichtverhältnisse der Umgebung, beispielsweise unterscheiden sie zwischen Dämmerung und Nebel. Die Sensoren interpretieren die optischen Daten und analysieren die Wetterbedingungen. Allerdings finden sich solche Hightechsysteme bisher nur in hochpreisigen Fahrzeugen, für Mittelklasse- und Kleinwagen waren sie zu teuer. Der Grund: Bei herkömmlichen Komponenten kommt es im Dauereinsatz zu Messungenauigkeiten – die integrierten LEDs verändern mit der Zeit ihre Leuchtstärke, die erforderlichen Lichtdetektoren ihre Sensibilität. Nur teure Komponenten konnten diese Effekte bislang ausgleichen.

Dies soll sich jetzt ändern: Forscher des Fraunhofer-Instituts für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM in Berlin haben im EU-Projekt »ADOSE« gemeinsam mit Centro Ricerche Fiat und dem Chiphersteller STMicroelectronics ein Sensorsystem entwickelt, das sich auch für Autos der Mittelklasse und für Kleinwagen preiswert fertigen lässt. »Unser multifunktionales System besteht aus einer kompletten Kamera, zwei mit Fresnel-Linsen ausgestatteten Sensoren zum Detektieren von Lichtsignalen und einer Infrarot-LED. Da Nebel und Dämmerung optisch identische Spektren aufweisen können, ist es schwierig, diese beiden Lichtphänomene voneinander zu unterscheiden. Deshalb sendet die Infrarot-LED Lichtwellen aus, die bei Nebel zurückgestreut werden, nicht aber bei Dämmerlicht«, erläutert Dr.-Ing. Henning Schröder, Gruppenleiter am IZM. »Besonders diffizil ist es, das Lichtsignal aus einem weiten Öffnungswinkel einzufangen, zu bündeln und über die Leiterplatte auf die vier Ecken des Kamerachips zu leiten. Denn die Mitte des Chips ist für die Aufnahme des Kamerabilds reserviert«, so Schröder. Um dies zu ermöglichen, haben der Forscher und sein Team im Heißprägeverfahren Lightpipes entwickelt. Das sind hohle, verspiegelte Röhrchen, die das Lichtsignal sogar um bis zu 90 Grad umlenken können. Bislang wurden Lichtleitfasern für die Signalübertragung verwendet. Diese brechen jedoch bei geringen Biegeradien, sind teuer und müssen in aufwändiger Handarbeit montiert werden. »Mit den Lightpipes ist es uns gelungen, die optische Signalübertragung effizienter zu gestalten, das komplette System zu verkleinern und somit die Kosten zu senken«, sagt der Forscher. Durch die Heißprägung lassen sich mehrere optische Kanäle in einem Durchgang fertigen, die Montage wird also deutlich vereinfacht. Der Clou: Das System der IZM-Wissenschaftler ist skalierbar, es lässt sich um weitere Lightpipes erweitern – etwa um Sonneneinstrahlung zu erfassen.

Die Experten vom IZM haben nicht nur die Lightpipes, sondern auch die Fresnel-Linsen entwickelt. Zudem zeichnen sie für das Design des Sensormoduls verantwortlich, das per Rapid Prototyping realisiert wurde. Ein Prototyp des Sensormoduls liegt bereits vor. Centro Ricerche Fiat prüft ihn derzeit in einem ersten Feldtest.

Externer Link: www.fraunhofer.de

Kraftwerke für die Flugzeughülle

Presseaussendung der TU Wien vom 14.06.2011

Wie ein Nervensystem sollen Netze von Sensoren in Zukunft Flugzeuge durchziehen – und durch eine Entwicklung der EADS Deutschland GmbH in Kooperation mit der Technischen Universität (TU) Wien ist dazu keine äußere Stromversorgung mehr nötig.

Ein Flugzeug regelmäßig rundherum zu warten ist aufwändig. Viel einfacher ist es, wenn das Flugzeug von sich aus meldet, wo Wartung nötig ist. Eine denkbar gute Lösung ist ein Sensor-System, das sich dabei auch noch selbst mit Strom versorgt und somit von Kabeln unabhängig ist – und genau das wurde nun von der EADS Deutschland GmbH in Kooperation mit dem Institut für Sensor- und Aktuatorsysteme der TU Wien entwickelt. Für jeden einzelnen Sensor erzeugt ein thermoelektrischer Generator mit einem kleinen wärmespeichernden Wasserbehälter Strom – und zwar einfach aus dem Temperaturunterschied zwischen der bodennahen Luft und der eisigen Kälte in großer Flughöhe. Die neue Sensortechnik könnte nicht nur die Wartung vereinfachen, sondern auch den Flugkomfort für die Passagiere steigern.

Energieversorgung mit dem „Energie-Harvester-Modul“

Schon kleinere Kollisionen können leicht Schäden in der Flugzeugwand hervorrufen. Bei herkömmlichen Aluminiumflugzeugen entsteht eine Delle, und der Schaden ist sofort sichtbar. Bei modernen Kohlefasermaterialien ist das schwieriger. Feine, unsichtbare Risse können sich bilden, deren Erkennung in der Wartung aufwendig und kostenintensiv ist. Mit geeigneten Sensoren direkt an der Flugzeugwand ließe sich das aber gut überwachen. „Ein Problem bei den Sensoren ist die Energieversorgung: Hunderte Sensoren an der Flugzeugwand zu verkabeln ist kompliziert und teuer“, erklärt Professor Ulrich Schmid vom Institut für Sensor- und Aktuatorsysteme der TU Wien. Aus diesem Grund entwickelte er gemeinsam mit Dominik Samson und Professor Thomas Becker von der EADS Deutschland GmbH die Idee des „thermoelektrischen Energieharvesters“ als zentrales Herzstück und Energiequelle, um weder auf Kabel noch auf Batterien angewiesen zu sein.

Temperaturunterschiede liefern elektrischen Strom

Wenn ein Flugzeug in eine Höhe von tausenden Metern aufsteigt, kühlt die Außenwand ab. „Aus dem Temperaturunterschied zwischen innen und außen können wir mit einem thermoelektrischen Generator direkt die elektrische Energie gewinnen, die ein Sensorelement benötigt“, erklärt Dominik Samson. Im Energie-Harvester-Modul befindet sich ein Wasserreservoir, das die Bodenwärme eine Weile speichert. Wasser ist dafür besonders gut geeignet, weil es eine hohe Energiemenge in Form von Wärme aufnehmen kann. Der Innenbereich des Moduls mit dem Wasserreservoir steht über den thermoelektrischen Generator in Kontakt mit der kalten Außenhaut. Das somit am Generator erzeugte Temperaturgefälle wird dort direkt zur Erzeugung einer elektrischen Spannung genutzt. Bei der Landung ist es genau umgekehrt: Das Flugzeug wärmt sich an der bodennahen Luft wieder auf, innen ist das Modul noch kalt – und wieder kann Strom erzeugt werden.

Wenn gerade keine Thermospannung entsteht, etwa unmittelbar beim Start und bei der Landung, regelt eine ausgeklügelte Elektronik die Speicherung und Abgabe der elektrischen Energie. Sowohl Elektronik als auch Komponenten für die Stromerzeugung und Energiespeicher haben nur einen geringen Platzbedarf: Sie passen bequem auf eine Handfläche und können somit problemlos in die Flugzeughülle eingebaut werden. Die genaue Größe lässt sich je nach Anwendung und Energiebedarf anpassen.

Ohne Kabel, ohne Batterie

Die gemessenen Daten kann der Sensor per Funk weitergeben – das macht ihn vollständig unabhängig von Verkabelung. Durch den Verzicht auf Kabel spart man nicht nur Wartungszeit, man minimiert auch Fehlerquellen und reduziert das Gewicht des Flugzeuges. Bei einem Flug kann der Energie-Harvester eine elektrische Energie von acht bis zehn Milliwattstunden bereitstellen, was für einen drahtlosen Sensorknoten völlig ausreicht. „Ein Flugzeug hat eine Lebensdauer von etwa dreißig Jahren. Würde man die Sensoren mit Batterien betreiben, bräuchte man für jeden von ihnen in dieser Zeit insgesamt etwa hundert Batterien“, rechnet Dominik Samson vor. Das würde bei einer großen Anzahl von Sensoren nicht nur Wartungsaufwand, sondern auch eine unnötig große Menge an Müll verursachen.

Die Idee, durch Temperaturunterschiede am Flugzeug Strom zu erzeugen, ließe sich auch noch auf andere Bereiche ausweiten: Sensoren könnten überwachen, ob die Passagiere angeschnallt oder die Tische hochgeklappt sind, oder per Funk könnte durch Knopfdruck der Flugbegleiter gerufen werden – und das alles ohne teure und komplizierte Verkabelung, betrieben nur aus der Körperwärme der Passagiere selbst. „Der erste, wichtige Schritt zur Bereitstellung von ausreichend Energie ist getan – wir sind zuversichtlich, dass die kabellose Sensortechnologie bald in vielen Flugzeugen mitfliegen wird“, meint Ulrich Schmid. (Florian Aigner)

Externer Link: www.tuwien.ac.at