Neue Erfindung: Die Sauerstoff-Ionen-Batterie

Presseaussendung der TU Wien vom 22.03.2023

An der TU Wien wurde eine neuartige Batterie erfunden: Die Sauerstoff-Ionen-Batterie soll extrem langlebig sein, ohne seltene Elemente auskommen und das Problem der Brandgefahr lösen.

Lithium-Ionen-Batterien sind heute allgegenwärtig – vom Elektroauto bis zum Smartphone. Das heißt aber nicht, dass sie für alle Einsatzbereiche die beste Lösung sind. An der TU Wien gelang es nun, eine Sauerstoff-Ionen-Batterie zu entwickeln, die einige wichtige Vorteile aufweist. Sie ermöglicht zwar nicht ganz so hohe Energiedichten wie die Lithium-Ionen-Batterie, aber dafür nimmt ihre Speicherkapazität im Lauf der Zeit nicht unwiderruflich ab: Sie lässt sich regenerieren und ermöglicht damit eine extrem lange Lebensdauer.

Außerdem kann man Sauerstoff-Ionen-Batterien herstellen, ohne dafür seltene Elemente zu benötigen, und sie besteht aus unbrennbaren Materialien. Die neue Batterie-Idee wurde zusammen mit Kooperationspartnern aus Spanien bereits zum Patent angemeldet. Für große Energiespeicher, etwa zum Aufbewahren elektrischer Energie aus erneuerbaren Quellen, könnte die Sauerstoff-Ionen-Batterie eine ausgezeichnete Lösung sein.

Keramische Materialien als neue Lösung

„Wir haben schon seit längerer Zeit viel Erfahrung mit keramischen Materialien gesammelt, die man für Brennstoffzellen verwenden kann“, sagt Alexander Schmid vom Institut für Chemische Technologien und Analytik der TU Wien. „Das brachte uns auf die Idee, zu untersuchen, ob solche Materialien vielleicht auch dafür geeignet wären, eine Batterie herzustellen.“

Die keramischen Materialien, die das Team der TU Wien untersuchte, können doppelt negativ geladene Sauerstoff-Ionen aufnehmen und abgeben. Wenn man eine elektrische Spannung anlegt, wandern die Sauerstoff-Ionen von einem keramischen Material zum anderen, danach kann man sie wieder zurückwandern lassen und so elektrischen Strom erzeugen.

„Das Grundprinzip ist eigentlich sehr ähnlich wie bei der Lithium-Ionen-Batterie“, sagt Prof. Jürgen Fleig. „Aber unsere Materialien haben einige wichtige Vorteile.“ Keramik ist nicht brennbar – Brandunfälle, wie sie bei Lithium-Ionen-Batterien immer wieder vorkommen, sind damit also praktisch ausgeschlossen. Außerdem kommt man ohne seltene Elemente aus, die teuer sind oder nur auf umweltschädliche Weise gewonnen werden können.

„In diesem Punkt ist die Verwendung von keramischen Materialien ein großer Vorteil, weil sie sehr gut angepasst werden können“, sagt Tobias Huber. „Man kann relativ problemlos bestimmte Elemente, die nur schwer zu bekommen sind, durch andere ersetzen.“ Der Prototyp der Batterie verwendet noch Lanthan – ein zwar nicht seltenes aber doch nicht völlig alltägliches Element. Doch auch Lanthan soll noch durch etwas Billigeres ersetzt werden, Forschungen daran laufen bereits. Auf Kobalt oder Nickel, die in vielen Batterien verwendet werden, kann man völlig verzichten.

Sehr lange Lebensdauer möglich

Der vielleicht wichtigste Vorteil der neuen Batterietechnik ist aber ihre potentielle Langlebigkeit: „In vielen Batterien hat man das Problem, dass sich die Ladungsträger irgendwann nicht mehr bewegen können“, sagt Alexander Schmid. „Dann können sie nicht mehr zur Stromerzeugung genutzt werden, die Kapazität der Batterie sinkt. Nach vielen Ladungszyklen kann das zum ernsten Problem werden.“

Die Sauerstoff-Ionen-Batterie hingegen lässt sich problemlos regenerieren: Wenn Sauerstoff durch Nebenreaktionen verloren geht, dann kann der Schwund einfach durch Sauerstoff aus der Umgebungsluft ausgeglichen werden.

Für Smartphones oder Elektroautos ist das neue Batterie-Konzept nicht gedacht, denn die Sauerstoff-Ionen-Batterie erreicht nur rund ein Drittel der Energiedichte, die man von Lithium-Ionen-Batterien gewohnt ist und läuft bei Tempersturen zwischen 200 und 400 °C. Höchst interessant aber ist die Technologie zum Speichern großer Energiemengen. „Wenn man etwa einen großen Energiespeicher benötigt, um Solar- oder Windenergie zwischenzuspeichern, wäre die Sauerstoff-Ionen-Batterie eine hervorragende Lösung“, glaubt Alexander Schmid. „Wenn man ohnehin ein ganzes Gebäude mit Energiespeicher-Modulen errichtet, spielt die geringere Energiedichte und erhöhte Betriebstemperatur keine entscheidende Rolle. Die Stärken unserer Batterie wären gerade dort aber besonders wichtig: Die lange Lebensdauer, die Möglichkeit, große Mengen dieser Materialien ohne seltene Elemente herzustellen, und die Tatsache, dass es bei diesen Batterien keine Brandgefahr gibt.“ (Florian Aigner)

Originalpublikation:
A. Schmid, M. Krammer, Jürgen Fleig; Rechargeable Oxide Ion Batteries Based on Mixed Conducting Oxide Electrodes, to be published in: Advanced Energy Materials (2023).

Externer Link: www.tuwien.at

App reduziert CO2: Alumnus gewinnt Ecodesign-Preis

Pressemitteilung der Hochschule Coburg vom 19.12.2022

Er hatte eine Idee. Und als Sascha Greilinger dann an der Hochschule Coburg Integriertes Produktdesign studierte, setzte er sie um: Seine Bachelorarbeit widmete er der App „PeakPick“. Dafür wurde er jetzt mit dem bundesweiten Ecodesign-Preis ausgezeichnet.

Der Anteil erneuerbarer Energien im Stromnetz ist stark von Wetter und Tageszeit abhängig. Die App PeakPick ist ein Saisonkalender für grünen Strom, der hilft, den Verbrauch an die Erzeugung durch Wind- und Solaranlagen anzupassen. In der Industrie wird dies bereits mit sogenannter „Lastverschiebung“ praktiziert. PeakPick aktiviert dieses Potential auch in Privathaushalten und ermöglicht einen Einstieg in den flexiblen Stromverbrauch. „Mittags steht die Sonne im Zenit, da wird am meisten Solarstrom erzeugt“, sagt Sascha Greilinger. „Bei schönem Wetter mittags kochen, abends kalt essen und CO2 sparen!“ Oder die Waschmaschine dann laufen lassen, wenn der Wind weht. Indem das Einschalten von Geräten in einen Zeitraum mit hohem Anteil an regenerativer Erzeugung verschoben wird, kann jeder einen wertvollen Beitrag zur Energiewende leisten.

Das Projekt profitierte von einem interdisziplinären Ansatz: Professor Michael Markert aus dem Produktdesign betreute Greilingers Arbeit und gab ihm den Tipp, wegen der Programmierung bei Prof. Dr. Thomas Wieland in der Fakultät für Elektrotechnik und Informatik nachzufragen. Das Ergebnis überzeugte nun auch die Jury des Bundespreises Ecodesign: „Die klar und nutzerfreundlich gestaltete Anwendung informiert aktuell und lokal darüber, wann grüner Strom reichlich zur Verfügung steht und wann nicht“, erklärt Prof. Matthias Held, Juryvorsitzender und Prorektor für Forschung und Transfer an der Hochschule für Gestaltung Schwäbisch Gmünd. „Nutzer:innen werden so für die Thematik sensibilisiert; ihr Verbrauchsverhalten wird geschult bis sich der Service, durchaus beabsichtigt, durch die erlangte Routine selbst überflüssig macht.“

In dem seit 2012 jährlich ausgelobten Wettbewerb werden innovative Produkte, Dienstleistungen und Konzepte ausgezeichnet, die aus Umwelt- und Designsicht überzeugen. Der Preis wurde überreicht von Bundesumweltministerin Steffi Lemke und Prof. Dr. Dirk Messner, Präsident des Umweltbundesamtes. Der Coburger Alumnus Sascha Greilinger wurde in der Kategorie „Nachwuchs“ ausgezeichnet. „Ich hoffe“, sagt er, „dass die Notwendigkeit der Transformation auf gesellschaftlicher Ebene sowie der Nutzen für die Energiewende erkannt werden und das Projekt entsprechend gefördert wird.“

Externer Link: www.hs-coburg.de

THI-Studierende konstruieren innovative Agri-Photovoltaikanlage

Pressemitteilung der TH Ingolstadt vom 27.10.2022

Projekt zeigt gute Wirtschaftlichkeit der vertikalen Agri-Photovoltaikanlage (PV) mit bifacialen Modulen.

Neun Studierende der Technischen Hochschule Ingolstadt (THI) haben in einem Pilotprojekt eine vertikale Agri-PV-Anlage konstruiert und untersucht – in Kooperation mit Schletter Solar aus Kirchdorf sowie den Energieanbietern E.ON Deutschland und LEW Lechwerke aus Augsburg. Verwendet wurden für das Semesterprojekt bifaciale, also zweiseitige Module. Sie können auch Sonnenlicht, welches auf die Modulrückseite einstrahlt, in Strom umwandeln.

Bei einer vertikalen Agri-PV-Anlage werden diese Module als senkrechte Wand montiert, die in Nord-Südrichtung verläuft. Die eine Modulseite ist dadurch nach Osten ausgerichtet und erzeugt ab früh morgens bis zum späten Vormittag Strom, die Rückseite der Module liefert vom frühen Nachmittag bis abends ihren Beitrag. „In Summe kann eine solche Anlage sogar mehr Strom als eine übliche, nach Süden ausgerichtete Freiflächen-Photovoltaikanlage gleicher Leistung produzieren“, sagt Sigrid del Rio, PV-Projektleiterin bei LEW Lechwerke, die bereits seit letztem Jahr eine Testanlage ähnlicher Bauart betreiben. Thomas Pellkofer, Leiter Solarprojekte bei E.ON Deutschland, fügt hinzu: „Vertikale Agri-PV-Anlagen mit Nord-Süd-Ausrichtung können eine sinnvolle Ergänzung für die Stromversorgung sein, weil sie vor allem morgens und abends Strom erzeugen, während klassische Südsolaranlagen ihr Ertragsmaximum mittags erreichen. Morgens und abends produzierter Sonnenstrom trifft daher auch oft auf eine höhere Nachfrage an der Strombörse.“

Das zeigen auch die Berechnungen der Studierenden, wie Prof. Dr. Peter Weitz, Betreuer der Studierenden an der Technischen Hochschule Ingolstadt, berichtet: „Im Jahresmittel ergeben sich fast zehn Prozent Mehrerlös für den mit dieser Anlage zu Tagesrandzeiten erzeugten Strom. Dieser Mehrerlös wird in der Zukunft durch den geplanten Zubau klassischer PV-Anlagen und dem damit verbundenen größeren Angebot von Solarstrom zur Tagesmitte sogar noch steigen“, ist sich Prof. Dr. Peter Weitz sicher.

Da die Flächen zwischen den Modulreihen weiter landwirtschaftlich genutzt werden können – bevorzugt für Futterwiesen und Weiden, wie die Studierenden herausgefunden haben –, erhalten solche vertikalen Agri-PV-Anlagen durch die EEG-Novelle 2022 auf fast allen landwirtschaftlichen Flächen in Deutschland eine EEG-Vergütung. „Die ausgeklügelte Konstruktion der Studierenden ist geringfügig teurer als eine übliche Südanlage, auch durch die hohen Windlasten und eine aufwändigere Verkabelung,“ erklärt Dr. Cedrik Zapfe, CTO bei Schletter. Seiner Ansicht nach überkompensiert der höhere Verkaufspreis des Stroms die Mehrkosten deutlich, sodass sich eine bessere Wirtschaftlichkeit ergibt. Schletter Solar wird daher nächstes Jahr die Unterkonstruktion für eine vertikale PV-Anlage im Markt anbieten; die Nachfrage steigt deutlich.

Neben der Wirtschaftlichkeit stand auch der Beitrag zur Energiewende im Fokus des Projektes. Prof. Dr. Peter Weitz zeigt den Zusammenhang auf: „Die Solarstromerzeugungslücke morgens und abends von südausgerichteten PV-Anlagen könnte mit Stromspeicherung geschlossen werden.“ Es ist viel nachhaltiger, Strom zu diesem Zeitpunkt direkt mit vertikalen Agri-PV-Anlagen zu erzeugen; kostbare und teure Speicherkapazitäten werden so für die Nachtstunden reserviert. Eine erfolgreiche Energiewende verlangt auch, Erzeugung und Verbrauch zeitlich anzugleichen. Dies bedeutet Lastverschiebung – wie Elektroautos tagsüber zu laden –, aber ebenso die Verschiebung des Erzeugungszeitpunkts.

Externer Link: www.thi.de

Stromversorgung: Instabile Netze verstehen

Presseinformation des KIT (Karlsruher Institut für Technologie) vom 29.09.2022

Neue Leitungen können Stabilität verringern – Forschende präsentieren Vorhersageinstrument in der Zeitschrift Nature Communications

Eine nachhaltige Energieversorgung erfordert den Ausbau der Stromnetze. Neue Leitungen können aber auch dazu führen, dass Netze nicht wie erwartet stabiler, sondern instabiler werden. Das Phänomen nennt sich Braess-Paradoxon. Dieses hat nun ein internationales Team, an dem auch Forschende des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) beteiligt sind, erstmals für Stromnetze im Detail simuliert, in größerem Maßstab demonstriert und ein Vorhersageinstrument entwickelt. Es soll Netzbetreiber bei Entscheidungen unterstützen. Die Forschenden berichten in der Zeitschrift Nature Communications.

Die nachhaltige Transformation des Energiesystems erfordert einen Ausbau der Netze, um regenerative Quellen einzubinden und Strom über weite Strecken zu transportieren. Dieser Ausbau verlangt große Investitionen und zielt darauf ab, die Netze stabiler zu machen. Durch das Aufrüsten bestehender oder das Hinzufügen neuer Leitungen kann es aber auch geschehen, dass das Netz nicht stabiler, sondern instabiler wird und es zu Stromausfällen kommt. „Wir sprechen dann vom Braess-Paradoxon. Dieses besagt, dass eine zusätzliche Option anstatt zur Verbesserung zur Verschlechterung der Gesamtsituation führt“, sagt Dr. Benjamin Schäfer, Leiter der Forschungsgruppe Datengetriebene Analyse komplexer Systeme (DRACOS) am Institut für Automation und angewandte Informatik des KIT.

Benannt ist das Phänomen nach dem deutschen Mathematiker Dietrich Braess, der es erstmals für Straßenverkehrsnetze erörterte: Unter bestimmten Bedingungen kann der Bau einer neuen Straße die Fahrzeit für alle Verkehrsteilnehmenden verlängern. Dieser Effekt wurde in Verkehrssystemen beobachtet und für biologische Systeme diskutiert, für Stromnetze aber bisher nur theoretisch prognostiziert und in sehr kleinem Maßstab dargestellt.

Forschende simulieren Stromnetz in Deutschland einschließlich geplanter Ausbauten

Das Phänomen haben die Forschenden um Schäfer nun erstmals im Detail für Stromnetze simuliert sowie in größerem Maßstab demonstriert. Sie nahmen eine Simulation des Stromnetzes in Deutschland einschließlich geplanter Verstärkungen und Ausbauten vor. Bei einem Versuchsaufbau im Labor, der das Braess-Paradoxon in einem Wechselstromnetz zeigt, beobachteten die Forschenden das Phänomen in der Simulation sowie im Experiment. Wesentlich dabei war eine Betrachtung von Kreisflüssen. Denn diese sind entscheidend, um das Braess-Paradoxon zu verstehen: Eine Leitung wird verbessert, indem beispielsweise der Widerstand verringert wird, und kann daraufhin mehr Strom transportieren. „Aufgrund von Erhaltungssätzen gibt es dadurch effektiv einen neuen Kreisfluss, und in manchen Leitungen fließt mehr, in anderen weniger Strom“, erläutert Schäfer. „Zum Problem wird dies, wenn die schon am meisten belastete Leitung nun noch mehr Strom führen muss, die Leitung damit überlastet wird und stillgelegt werden muss. Dadurch wird das Netz instabiler und bricht schlimmstenfalls zusammen.“

Intuitives Verständnis ermöglicht schnelle Entscheidungen

Die meisten Stromnetze verfügen über ausreichende Reservekapazitäten, um dem Braess-Paradoxon standzuhalten. Beim Bau neuer Leitungen und während des Betriebs prüfen die Netzbetreiber alle möglichen Szenarien. Wenn allerdings kurzfristig Entscheidungen zu treffen sind, beispielsweise um Leitungen stillzulegen oder Kraftwerksleistungen zu verschieben, genügt die Zeit nicht immer, um alle Szenarien durchzurechnen. „Dann bedarf es eines intuitiven Verständnisses von Kreisflüssen, um einschätzen zu können, wann das Braess-Paradoxons auftritt und so schnell die richtigen Entscheidungen zu treffen“, sagt Schäfer. Zusammen mit einem internationalen und interdisziplinären Team hat der Wissenschaftler deshalb ein Vorhersageinstrument entwickelt, das Netzbetreiber dabei unterstützt, das Braess-Paradoxon bei ihren Entscheidungen zu berücksichtigen. Die Ergebnisse der Forschung ermöglichten nun das theoretische Verständnis des Braess-Paradoxons und lieferten praktische Leitlinien, um Netzerweiterungen sinnvoll zu planen und die Stabilität des Netzes zu unterstützen, so Schäfer. (or)

Originalpublikation:
Benjamin Schäfer, Thiemo Pesch, Debsankha Manik, Julian Gollenstede, Guosong Lin, Hans-Peter Beck, Dirk Witthaut, and Marc Timme: Understanding Braess‘ Paradox in power grids. Nature Communications, 2022. DOI: 10.1038/s41467-022-32917-6

Externer Link: www.kit.edu

Grüne Klebstoffe aus Molke

Presseinformation (Forschung Kompakt) der Fraunhofer-Gesellschaft vom 01.09.2022

Fraunhofer-Forschende haben gemeinsam mit der TU Dresden ein Verfahren entwickelt, bei dem aus Molke wertvolles Ethylacetat in hoher Reinheit gewonnen wird. Dieses kann beispielsweise für die Herstellung umweltfreundlicher Klebstoffe verwendet werden und ersetzt damit das herkömmliche Ethylacetat aus fossilen Rohstoffen. Auch die aufwendige Entsorgung der bei der Molke-Verarbeitung entstehenden Melasse wird damit überflüssig.

In der Milchindustrie fallen täglich große Mengen Molke als Nebenprodukt an. Allein in Deutschland sind das Jahr für Jahr 12,6 Millionen Tonnen. So entstehen bei der Herstellung eines Kilogramms Käse beispielsweise neun Kilogramm Molke. Sie wird teilweise weiterverarbeitet, etwa zu Trinkmolke mit Fruchtzusatz oder anderen Mischgetränken. Trennt man die in der Molke enthaltene Laktose sowie die Proteine ab, lassen sich diese ebenfalls nutzen, etwa als Rohstoff in der Pharmazie oder auch in Babynahrung. Doch nach Abtrennung von Proteinen und Laktose bleibt eine Melasse zurück. Deren Entsorgung ist aufgrund des relativ hohen Salzgehalts äußerst aufwendig und teuer.

Forscherinnen und Forscher des Fraunhofer-Instituts für Keramische Technologien und Systeme IKTS in Hermsdorf haben nun gemeinsam mit der Technischen Universität Dresden ein Verfahren entwickelt, bei dem aus der Melasse wertvolles Ethylacetat (Essigsäureethylester) – ein farbloses Lösungsmittel – gewonnen wird. Dieses kommt vielfach bei der Herstellung von Klebstoffen, Druckfarben oder Lacken zum Einsatz und kann auch zur Reinigung von Oberflächen eingesetzt werden.

Bisher wird Ethylacetat aus Erdgas und Erdölderivaten erzeugt. Das Ethylacetat aus der Molke ist dagegen ein Produkt, das wegen seiner leichten mikrobiellen Abbaubarkeit den umweltschädlichen Lösungsmitteln deutlich überlegen und zudem unabhängig von den Preisschwankungen bei Erdgas und Erdöl ist. Ein weiterer Vorteil: Das von der TU Dresden und dem Fraunhofer IKTS entwickelte Verfahren macht die aufwendige Entsorgung der Melasse überflüssig. Das abgeschiedene Ethylacetat bietet einen hohen Reinheitsgrad von 97,5 Prozent und lässt sich damit ohne weitere Bearbeitungsschritte sofort als Rohstoff nutzen.

Fermentieren der Melasse und Trennung in der Membran

Der Trennungsprozess ist grundsätzlich nicht kompliziert. Im ersten Schritt wird die Melasse im Bioreaktor fermentiert. Der Reaktor wird dabei belüftet, um aerobe Bedingungen einzustellen. Es entsteht ein Gas-Dampf-Gemisch, das als Bestandteil Ethylacetat enthält. Dieses wird dann durch spezielle Kompositmembranen abgetrennt. »Als Abfallprodukt bleibt ein Gas-Wasserdampf-Gemisch zurück, das problemlos in die Umwelt abgegeben werden kann«, sagt Dr. Marcus Weyd, Leiter der Gruppe Membranverfahrenstechnik und Modellierung.

Bei der Entwicklung der Membran konnten die Forschenden des Fraunhofer IKTS ihre jahrzehntelange Expertise im Bereich Materialien, insbesondere der Membrantechnologien einbringen. Bei der für das Verfahren neu entwickelten Kompositmembran werden Polymere mit anorganischen Partikeln auf Basis von Zeolith (Silikalith-1) kombiniert. »Als Polymer verwenden wir flüssigen Siliconkautschuk, der mit Zeolith vermischt und anschließend auf ein stützendes Polyestervlies aufgebracht und ausgehärtet wird. Die Membran ist insgesamt nur 10 µm dick, die Porengröße liegt bei 0,5 nm«, erläutert Dr. Thomas Hoyer, Spezialist für den Bereich Zeolithmembranen und Nanokomposite.

Auch wenn die Membran mit Poren ausgestattet ist, verläuft der eigentliche Trennvorgang nicht wie bei einem Sieb. Die Trennwirkung entsteht vielmehr durch eine chemische Wechselwirkung zwischen Zeolith und Ethylacetat. »Die Moleküle werden durch den Zeolith adsorbiert, gleiten an den Porenoberflächen entlang und diffundieren so durch die Kompositmembran«, erklärt Hoyer. Es ist auch nicht nötig, hohen Druck anzulegen, um das Ethylacetat gewissermaßen durch die Membran zu pressen. »Es genügt eine gewisse Partialdruckdifferenz, um die chemische Wechselwirkung und die anschließende Diffusion zu initiieren.«

Verwertungsmöglichkeiten für Melasse gesucht

Entstanden ist die Idee aus einer Initiative der Technischen Universität Dresden, die nach Verwertungsmöglichkeiten für die Melasse suchte und sich dabei an das Fraunhofer IKTS wandte. Das Team der TU beschäftigte sich mit dem Fermentationsprozess, das Fraunhofer-Team kümmerte sich um die Entwicklung und Optimierung der Membrantechnik. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) hat das Vorhaben im Rahmen Projektes AIF 20311 BR unterstützt.

»Uns ist es gelungen, mit einem relativ einfachen und kostengünstigen Verfahren eine hochentwickelte Membran mit extrem kleinen Poren herzustellen«, fasst Weyd zusammen. Ein praktischer Vorteil für Industrieunternehmen liegt in dem nur einstufigen Abtrennprozess, für den dementsprechend nur wenige Membran- und Steuerungsmodule benötigt werden. Wenn die Prozessparameter bei Fermentation und Trennung richtig eingestellt sind, läuft der Trennvorgang von allein und stabil.

Im nächsten Schritt wollen die Forschenden die Größe der Membranmodule skalieren, um so die Technologie für den industriellen Einsatz zur Verfügung stellen zu können. Die Technologie ist nicht nur für die Gewinnung von Ethylacetat aus Melasse geeignet. Sie könnte überall da zum Einsatz kommen, wo es darum geht, Gasgemische zu separieren oder leichtflüchtige Komponenten wie Kohlenwasserstoffe abzutrennen.

Externer Link: www.fraunhofer.de