Materialforschung: Biokatalytische Schäume mit enormer Haltbarkeit und Aktivität

Presseinformation des KIT (Karlsruher Institut für Technologie) vom 27.07.2023

Forschende des KIT entwickeln aus Enzymen eine neue Material-Klasse für Biokatalyse-Prozesse

Die industrielle Biokatalyse mit Enzymen gilt als „Gamechanger“ bei der Entwicklung einer nachhaltigen chemischen Industrie. Mithilfe von Enzymen kann eine eindrucksvolle Bandbreite an komplexen Molekülen wie pharmazeutische Wirkstoffe unter umweltfreundlichen Bedingungen synthetisiert werden. Forschende des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) haben nun eine neue Klasse von Materialien entwickelt, indem sie Enzyme als Schäume hergestellt haben, die eine enorme Haltbarkeit und Aktivität besitzen. Über ihre Ergebnisse berichten die Forschenden in der Fachzeitschrift Advanced Materials. Das neuartige Herstellungsverfahren der Enzym-Schäume wurde bereits zum Patent angemeldet.

Um das Gebiet der industriellen Biokatalyse, die vor allem bei der Herstellung von Pharmazeutika und Spezialchemikalien zum Einsatz kommt, weiterzuentwickeln, arbeiten Forschende intensiv an neuen Prozesstechnologien. Bei der Biokatalyse beschleunigen Enzyme statt chemischer Katalysatoren die Reaktionen, damit lassen sich Rohstoffe und Energie einsparen. Ziel ist es nun, Enzym-Biokatalysatoren unter möglichst schonenden Bedingungen kontinuierlich und in großen Mengen bereitzustellen. Damit effiziente Stoffumwandlungen realisierbar sind, werden die Enzyme in mikrostrukturierten Durchflussreaktoren immobilisiert. Sie sind dabei räumlich fixiert und an ein reaktionsträges Material gebunden und somit eingeschränkt mobil, was zu einer höheren Konzentrierung der Enzyme und damit verbunden zu einer höheren Produktivität führt.

Aufgeschäumte Mikrotröpfchen aus selbstorganisierenden Enzymen

Normalerweise verändern Enzyme beim Verschäumen ihre Struktur und verlieren damit ihre biokatalytische Aktivität. Die neuen Proteinschäume haben aber eine enorme Haltbarkeit und Aktivität. Die Aktivität ist ein Maß für die Wirksamkeit des Enzyms, das dafür sorgt, dass Ausgangsstoffe möglichst schnell miteinander reagieren. Für die Herstellung der Proteinschäume werden zwei Dehydrogenase-Enzyme gemischt, die zueinander passende Verknüpfungsstellen tragen, sodass sie spontan ein stabiles Proteinnetzwerk ausbilden können. „Dieses Gemisch wird dann in einem mikrofluidischen Chip mit einem Gasstrom versetzt, damit sich kontrolliert mikroskopische Blasen einheitlicher Größe bilden“, erklärt Professor Christof Niemeyer vom Institut für Biologische Grenzflächen-1 den Prozess. Der so hergestellte Schaum mit einheitlicher Blasengröße wird direkt auf Kunststoffchips aufgebracht und getrocknet, wodurch die Proteine polymerisieren und ein stabiles, hexagonales Gitter ausbilden.

„Es handelt sich dabei um monodisperse „Voll-Enzym-Schäume“, also dreidimensionale, poröse Netzwerke, die ausschließlich aus biokatalytisch aktiven Proteinen bestehen“, charakterisiert Niemeyer die Zusammensetzung der neuen Materialien. Die stabile hexagonale Wabenstruktur der Schäume besitzt einen mittleren Porendurchmesser von 160 µm und einer Lamellendicke von 8 µm und wird aus den frisch hergestellten, etwa gleich großen kugelförmigen Blasen nach wenigen Minuten gebildet.

Aktive und stabile Voll-Enzym-Schäume effizient einsetzen

Um Enzyme effizient für Stoffumwandlungen nutzen zu können, müssen sie in großen Mengen unter möglichst schonenden Bedingungen immobilisiert werden, um ihre Aktivität zu erhalten. Bisher wurden Enzyme auf Polymeren oder Trägerpartikeln immobilisiert, allerdings wird hierfür wertvoller Reaktorraum benötigt und die Aktivität kann beeinträchtigt werden. „Im Vergleich zu unseren bereits entwickelten „Voll-Enzym-Hydrogelen“ entsteht bei den neuen Materialien auf Schaumbasis eine deutlich größere Oberfläche, an der die gewünschte Reaktion stattfinden kann“, beschreibt Niemeyer die wesentliche Verbesserung. Im Gegensatz zu theoretisch erwarteten Ergebnissen zeigen die neuen Schäume überraschenderweise eine auffallend hohe Haltbarkeit, mechanische Widerstandsfähigkeit und katalytische Aktivität der Enzyme, was bisher beim Schäumen von Proteinen nicht gelungen war.

Die Stabilität kommt, so vermuten die Forschenden, durch die zueinander passenden Verknüpfungsstellen zustande, mit der die Enzyme ausgestattet sind. Hierdurch können sie sich von selbst zusammenfügen und so während des Trocknens ein hochvernetztes Gitter bilden, das dem neuen Material eine einzigartige Stabilität verleiht. „Erstaunlicherweise sind die neu entwickelten Enzymschäume nach der Trocknung für vier Wochen deutlich stabiler als die gleichen Enzyme ohne Schäume“, erläutert Niemeyer die Vorteile, „dies ist für die Vermarktung von großem Interesse, da hierdurch Vorratsproduktion und Versand erheblich vereinfacht werden.“

Die neuen Biomaterialien eröffnen vielseitige Wege für Innovationen in der industriellen Biotechnologie, den Materialwissenschaften oder auch für die Lebensmitteltechnologie. So könnten die Proteinschäume in biotechnologischen Prozessen eingesetzt werden, um wertvolle Verbindungen effizienter und nachhaltiger herzustellen. Das Forschungsteam konnte zeigen, dass mithilfe der Schäume der industriell wertvolle Zucker Tagatose hergestellt werden kann, der eine vielversprechende Alternative zu raffiniertem Zucker als Süßungsmittel darstellt. (sfo)

Originalpublikation:
Julian S. Hertel, Patrick Bitterwolf, Sandra Kröll, Astrid Winterhalter, Annika J. Weber, Maximilian Grösche, Laurenz B. Walkowsky, Stefan Heißler, Matthias Schwotzer, Christof Wöll, Thomas van de Kamp, Marcus Zuber, Tilo Baumbach, Kersten S. Rabe, Christof M. Niemeyer: Biocatalytic Foams from Microdroplet-Formulated Self-Assembling Enzymes. Advanced Materials, 2023. DOI: 10.1002/adma.202303952

Externer Link: www.kit.edu

CuNex: Erfolgreiche Gründung mit THI-Beteiligung

Pressemitteilung der TH Ingolstadt vom 05.07.2023

Die Firma von Doktoranden Sri Krishna Bhogaraju und Prof. Gordon Elger entwickelt neuartige Kupfersinterpasten, die in einem breiten Spektrum von Anwendungen, insbesondere im Bereich der Elektromobilität, eingesetzt werden können.

Das Geschäftsmodell der CuNex GmbH beruht auf dem Verkauf von Kupfersinterpasten und der Beratung bei der Entwicklung von Sinterprozessen. Das Verbindungsmaterial wird in der Opto- und Hochleistungselektronik genutzt und ist unter anderem aufgrund des rasanten Wachstums der E-Mobilität äußerst gefragt. Die Kupfersinterpaste wurde innerhalb von verschiedenen öffentlich geförderten Forschungsprojekten in der Gruppe „Microelectronis Packaging“ am Institut für Innovative Mobilität entwickelt.

Die Idee zur Gründung wurde vor mehr als zwei Jahren geboren, als Industriepartner sehr positive Rückmeldungen bei der Evaluierung der Sinterpaste gaben. Als Sri Krishna Bhogaraju gemeinsam mit Maximilian Schmid 2021 den Rotary Forschungspreis Ingolstadt gewann, wurde die Gründungsidee schließlich Schritt für Schritt realisiert. In enger Abstimmung mit dem Center of Entreprenuership und THI-Präsidenten Prof. Walter Schober wurde der Vertrag zur Übernahme der in öffentlich geförderten Forschungsprojekten erarbeiteten Patente ausgehandelt.

Die THI selbst hält Anteile an der Firma. CuNex hat zudem bereits Kapital von der Schlenk SE eingeworben, einem Familienunternehmen mit einer 150-jährigen Geschichte im Bereich der Forschung und der Produktion von Kupferpartikeln und -folien. Die Zusammenarbeit mit dem in Roth-Barnsdorf ansässigen Unternehmen ermöglicht es, die weltweit erste Kupfersinterpaste „made in Germany“ bzw. „made in Bavaria“ anzubieten.

Das Center of Entrepreneurship unterstützt als erste Anlaufstelle Start-up-Aktivitäten von allen THI-Angehörigen, indem es den gesamten Gründungsprozess beratend begleitet.

Externer Link: www.thi.de

Energiewende mit Wasserstoff vom Dach

Presseinformation des KIT (Karlsruher Institut für Technologie) vom 21.06.2023

Forschende des KIT optimieren künstliche Fotosynthese für die Massenanwendung

Wasserstoff, Kraftstoffe und sogar Trinkwasser effizient auf Dachflächen oder in Solarparks produzieren – das wollen Forschende des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) und ihre kanadischen Partner mit kostengünstigen Fotoreaktormodulen ermöglichen. Dabei sind ihnen jetzt wichtige Fortschritte gelungen. Über ihre Ergebnisse berichten sie in der Fachzeitschrift Joule.

Bei der künstlichen Fotosynthese werden chemische Reaktionen mithilfe von Sonnenlicht durchgeführt. Wie beim natürlichen Vorbild werden Photonen dabei von einem fotokatalytisch aktiven Material so absorbiert, dass ihre Energie direkt eine chemische Reaktion antreibt. „Inzwischen sind unterschiedliche Fotokatalysatoren bekannt. Mit ihnen lässt sich zum Beispiel Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff spalten, es lassen sich aber auch klimaneutrale Kraftstoffe aus Wasser und Kohlendioxid herstellen“, sagt Paul Kant vom Institut für Mikroverfahrenstechnik (IMVT) des KIT. Bislang war die Technologie allerdings vor allem im Labor zu finden, weil die Kosten einer Produktion von solarem Wasserstoff schlicht zu hoch waren. Mit einem Konzept für hocheffiziente Fotoreaktorpaneele, die in kostengünstigen Modulen verbaut werden können, ist der Forschungsgruppe nun aber ein entscheidender Schritt in Richtung Praxis gelungen. Den großflächigen Einsatz solcher neuartiger Fotoreaktormodule auf Hausdächern oder in Solarfarmen zur Herstellung von Wasserstoff oder Kraftstoffen hält Kant für eine der großen technologischen Chancen der Menschheit im Kampf gegen die Klimakrise: „Das könnte den Einsatz fossiler Energieträger schlichtweg überflüssig machen.“ Kant leitete die Forschungsarbeiten federführend während seiner Promotion bei Professor Roland Dittmeyer am IMVT. Sie sind Teil des Helmholtz-Programms Materials and Technologies for the Energy Transition.

Optimiertes Reaktorkonzept für den Massenmarkt

Ein effizientes Fotoreaktormodul für die praktische Anwendung muss im Wesentlichen zwei Komponenten aufweisen: Zum einen muss ein geeigneter Fotokatalysator zur Verfügung stehen, der die eigentliche chemische Reaktion antreibt. Zum anderen muss ein Fotoreaktor vorhanden sein, also ein „Behältnis“ für den Fotokatalysator sowie die Ausgangsstoffe der chemischen Reaktion. „Der Fotoreaktor sollte einfallendes Sonnenlicht idealerweise verlustarm zum Fotokatalysator leiten, egal aus welcher Richtung es einfällt, beziehungsweise egal wo am Himmel die Sonne steht“, erklärt Kant. „Wichtig ist außerdem, dass der Fotoreaktor durch seine Struktur und das verwendete Material optimale Betriebsbedingungen für den Fotokatalysator gewährleistet, etwa die richtige Temperatur oder die passende Intensität bei der Absorption von Licht am Fotokatalysator.“ Das von dem Forschungsteam vorgestellte Fotoreaktorkonzept adressiert genau diese doppelte Herausforderung: Es besteht aus mikrostrukturierten Polymerpaneelen, die für eine hohe Reflektivität mit Aluminium beschichtet werden und ermöglicht sowohl optimale Betriebsbedingungen als auch einen effizienten Transport von Licht zum Fotokatalysator über den gesamten Tagesverlauf. Die Forschenden haben das System mithilfe computergestützter Geometrieoptimierung sowie einem fotokatalytischen Modellsystem entwickelt und konnten es bereits im Labormaßstab demonstrieren.

Kostensenkung durch preiswerte Module

Auf Grundlage einer allgemeingültigen Richtlinie, die von den Forschenden auf Basis einer detaillierten Analyse ihres Reaktorkonzepts erarbeitet wurden, können zukünftige Fotoreaktormodule nun für unterschiedliche Einsatzzwecke verhältnismäßig einfach auf maximale Effizienz ausgelegt werden. Eine hohe Effizienz bei der chemischen Reaktion ist allerdings nur ein Teil der Herausforderung, um die künstliche Fotosynthese als eine wirtschaftliche Technologie zu etablieren. Für relevante Produktmengen müssen extrem große Flächen mit Fotoreaktorpaneelen bedeckt werden. „Um die Kosten zu senken verwenden wir kostengünstige Materialien sowie Geometrien, die in etablierten Massenfertigungsverfahren hergestellt werden können“, sagt Kant. Nach ersten Berechnungen schätzen die Forschenden den Preis auf ungefähr 22 US-Dollar pro Quadratmeter Fotoreaktormodul.

In weiterführenden Arbeiten unter der Federführung von Anselm Dreher wird in den nächsten Schritten nun am IMVT in Karlsruhe und in der Arbeitsgruppe um Professor Geoffrey Ozin in Toronto ein geeigneter Fotokatalysator entwickelt, der effizient Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff spaltet. Der Fotokatalysator wird anschließend in die vorgestellten Fotoreaktoren integriert. Ferner umfassen aktuelle Arbeiten Untersuchungen zur Massenproduktion der vorgestellten Paneele. (mhe)

Originalpublikation:
Paul Kant, Shengzhi Liang, Michael Rubin, Geoffrey Alan Ozin, Roland Dittmeyer: Low-cost photoreactors for highly photon/energy-efficient solar-driven synthesis. Joule, 2023.

Externer Link: www.kit.edu

Chemiker entwickeln Methode, um gefährliche Substanzen nachhaltig aus dem Wasser zu entfernen

Pressemitteilung der Universität des Saarlandes vom 23.06.2023

PFAS – Per- und polyfluorierte Chemikalien – sind wahre Alleskönner. Die fett-, wasser- und schmutzabweisenden Chemikalien kommen in tausenden Varianten vor, zum Beispiel in Kochgeschirr, in Funktionskleidung, in Kosmetika und als Feuerlöschmittel. Leider sind sie auch ein massives Problem für die Umwelt. Denn sie können nicht auf natürlichem Weg abgebaut werden. Polymerchemiker aus dem Saarland und den USA haben nun eine Methode gefunden, wie man PFAS nachhaltig aus dem Wasser entfernen kann.

Ihre Methode haben sie im Fachjournal ACS Applied Materials & Interfaces veröffentlicht.

PFAS sind unglaublich vielfältige Stoffe. Die fluorhaltigen organischen Moleküle sorgen unter anderem dafür, dass Regen von Outdoor-Jacken abperlt, sie stecken in Pappschachteln, in denen Essen verpackt wird, oder sie sind Bestandteil von Löschmitteln und Feuerschutzkleidung. In den 1940er Jahren erstmals eingesetzt, traten die Alleskönner ihren Siegeszug an und durchdringen inzwischen unser gesamtes Leben.

Das ist praktisch. Und belastend für die Natur und den Menschen. Denn die fluorierten Chemikalien sind in der Natur nicht abbaubar. Nachgewiesen sind sie inzwischen überall auf der gesamten Erde – im Wasser, im Boden, in der Luft, in Pflanzen, Tieren und, am Ende der Nahrungskette, im Menschen. Wie schädlich sie sind, ist bisher noch nicht genau klar. Erste Studien in Tierversuchen zeigen aber eine Fortpflanzungsgefährdung. Fest steht jedoch, dass diese Verbindungen in der Natur und in Organismen nichts zu suchen haben, so dass es sinnvoll ist, ihre Dosis möglichst gering zu halten.

Aber los wird man die organischen Moleküle nur mit großem Aufwand, der darüber hinaus die Umwelt und das Klima belastet. Weiterhin muss man diese cleveren Moleküle erst einmal nachweisen. Schon sehr geringe Konzentrationen können in Anwendungen (z.B. als Beschichtung) eine sehr große Wirkung haben. Aus dem Wasser beispielsweise kann man PFAS bisher nur mit speziellen Membranen oder mit der deutlich günstigeren Aktivkohle effektiv herausfiltern. Diese muss man dann allerdings verbrennen oder relativ harschen Bedingungen aussetzen, um die Stoffe endgültig zu vernichten, da man die PFAS nicht mehr aus den Filtern herauslösen kann.

Bis jetzt. Denn Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um Markus Gallei, Professor für Polymerchemie an der Universität des Saarlandes, und Xiao Su aus Illinois sowie ihren Doktoranden Frank Hartmann (Uni Saar) und Paola Baldaguez (Illinois) haben eine Methode gefunden, wie man PFAS aus dem Wasser entfernen kann und sie im Anschluss gleich wieder freisetzen kann. So können die fluorierten Substanzen nicht nur gesammelt, sondern auch gezielt untersucht und vernichtet werden, und zwar, ohne gleich den Filter verbrennen zu müssen.

Das Geheimnis dahinter ist eine elektrochemische Methode, in der eine bestimmte Gruppe metallhaltiger Polymere, so genannte Metallocene, die Hauptrolle spielen. Die älteste dieser Verbindungen, Ferrocen auf Eisenbasis, wurde 1951 entdeckt, im Anschluss folgten viele weitere Varianten. Frank Hartmann, Markus Gallei und ihr internationales Team haben nun herausfinden können, dass Elektroden aus Ferrocen und – noch viel effektiver – aus einem Cobaltocen, das Frank Hartmann hergestellt hat, die PFAS-Moleküle selbst in winzigsten Mengen aus dem Wasser herausfiltern können.

Der Clou dabei ist jedoch ein anderer: Wenn man Ferro- oder Cobaltocen „schaltet“, also eine elektrische Spannung anlegt, geben sie die PFAS-Moleküle wieder effizient ab. „Und das kann Cobalt deutlich besser als Eisen“, konnte Frank Hartmann beobachten. „Das bedeutet nichts anderes, als dass wir eine Methode gefunden haben, wie man PFAS zum einen aus dem Wasser entfernen kann und darüber hinaus, wie man sie wieder freisetzen kann, so dass man die Elektrode vielfach nutzen kann. Anders als den Aktivkohlefilter, den ich vernichten muss, nachdem die PFAS-Moleküle in ihm hängengeblieben sind, kann ich die Metallocene tausendmal schalten, wenn ich will“, fasst Markus Gallei die Bedeutung der Forschungsarbeit zusammen.

Frank Hartmann, Markus Gallei und ihre Kolleginnen und Kollegen der University of Illinois in den USA könnten damit die Grundlage für weitere Entwicklungen in größerem Maßstab gelegt haben, um die unerwünschten Chemikalien effizient aus dem Wasser der Flüsse und Ozeane herausfiltern zu können.

Originalpublikation:
Investigating the Electrochemically Driven Capture and Release of Long-Chain PFAS by Redox Metallopolymer Sorbents
Paola Baldaguez Medina, Valentina Ardila Contreras, Frank Hartmann, Deborah Schmitt, Angelique Klimek, Johannes Elbert, Markus Gallei, and Xiao Su
ACS Applied Materials & Interfaces 2023 15 (18), 22112-22122

Externer Link: www.uni-saarland.de

Beschädigte Kakaobohnen für Kosmetikprodukte

Presseinformation (Forschung Kompakt) der Fraunhofer-Gesellschaft vom 02.05.2023

Kakao ist ein wichtiger Bestandteil der brasilianischen Landwirtschaft. Die Kakaofrucht ist jedoch anfällig für Pilzkrankheiten. Erst in den 1990er Jahren ließ eine Pilzepidemie die Produktion in dem südamerikanischen Land massiv einbrechen. Weltweit sorgt der Schädlingsbefall für Ernteverluste von bis zu 40 Prozent. In Zusammenarbeit mit der Universität Campinas, Brasilien, wollen Forschende des Fraunhofer-Instituts für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV im Projekt »Damaged Beans« neue Verwertungswege für die beschädigten Kakaofrüchte etablieren. Insbesondere für die Herstellung von Kosmetika könnten die von Pilzen befallenen, beschädigten Kakaobohnen einen wertvollen Rohstoff darstellen und potenziell gesundheitsschädliche Stoffe wie Acrylate und mineralölbasierte Rohstoffe ersetzen.

Eine wichtige Säule der Wirtschaft in Mittel- und Südamerika ist der Anbau von Kakao, der vor allem für die Herstellung von Schokolade verwendet wird. Der Kakaoanbau leidet jedoch schwer unter den Folgen der Pilzkrankheiten Hexenbesen und Black Pod Disease, die sich in den 1990er Jahren epidemisch verbreiteten und in Brasilien zu einem drastischen Einbruch der Kakaoproduktion führten. Trotz aller Bemühungen gibt es nach wie vor keinen Erfolg bei der Bekämpfung der Krankheiten. In der Schokoladenproduktion müssen beschädigte Kakaofrüchte daher weggeworfen werden.

Hier setzt das CORNET-Projekt (Collective Research Networking) »Damaged Beans« an. Ziel ist es, Verwertungspfade für kranke Kakaobohnen zu etablieren. Eingesetzt werden könnten die beschädigten Kakaofrüchte z. B. für die Herstellung von Produkten, wie Kosmetika, aber auch für Schmierstoffe und Reinigungsmittel. Das Fraunhofer IVV in Freising entwickelt daher im Projekt Damaged Beans gemeinsam mit der Universität Campinas spezifische Methoden, um unterschiedliche Pilzkontaminationen zu erkennen, zu klassifizieren und neue Anwendungen für minderwertige Kakaobohnen zu identifizieren. Dieser Ansatz hat das Potenzial, die gesamte Kakao-Wertschöpfungskette zu optimieren. Landwirte werden in der Lage sein, einen größeren Anteil ihrer Ernte zu vermarkten. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) fördert das vom Fraunhofer IVV koordinierte Vorhaben. Ein Konsortium aus 19 Industriepartnern begleitet das Projekt.

Kakaobutter kann Acrylate ersetzen

»Aus den Kakaobohnen wird Kakaopulver und Kakaobutter hergestellt. Kakaobutter hat aufgrund der durch die Pilzkrankheiten Hexenbesen und Black Pod Disease verursachten chemischen Veränderungen ein anderes Schmelzverhalten und ist daher bei Raum-/Körpertemperatur weicher. Für kosmetische Anwendungen kann das von Vorteil sein, vor allem für fetthaltige Naturkosmetika wie Lippenstifte, Bodylotions und Cremes«, erläutert Dominic Wimmer, wissenschaftlicher Mitarbeiter und Projektleiter am Fraunhofer IVV. Eine veränderte Zusammensetzung der Aminosäuren und Proteine erhöht die Gelier- und Verdickungseigenschaften. Das könnte die Zutaten aus beschädigten Kakaobohnen zu einem idealen Ersatz für gesundheitsschädliche Acrylate machen, die als Gelbildner bzw. Quellmittel in konventioneller Kosmetik eingesetzt werden, aber auf der Haut Allergien auslösen können.

Nachhaltigkeit in der Prozesskette

Doch um die von Pilzen beschädigten Kakaobohnen für einen Einsatz außerhalb der Lebensmittelindustrie zu erschließen, entwickelt die Universität Campinas zunächst Untersuchungsmethoden auf Grundlage von Nahinfrarotspektroskopie (NIR), um den Grad der Schädigung und die physikalisch-chemische Qualität der pilzbefallenen Kakaobohnen zu ermitteln. Anschließend etabliert das Fraunhofer IVV ein mehrstufiges Kaskadenextraktionsverfahren, um so nach der Fettabtrennung Kakaobutter, Proteine und sekundäre Pflanzenstoffe (SPS) wie Polyphenole für Anwendungen in der kosmetischen und chemischen Industrie zu gewinnen. Dabei werden Proteine und sekundäre Pflanzenstoffe mit Hilfe verschiedener Lösungsmittel extrahiert. »Aufgrund des Pilzbefalls sind die Inhaltsstoffe und die sensorischen Eigenschaften der Proteine und der SPS verändert. Neben Kakaobutter eignen sie sich aber trotz ihrer divergenten Struktur ggf. für technische Anwendungen wie biobasierte Reinigungs- und Desinfektionsmittel sowie Schmierstoffe und bieten die Möglichkeit im Sinne der Nachhaltigkeit, mineralölbasierte Ressourcen durch natürliche Inhaltsstoffe zu ersetzen«, so der Forscher.

Um an die wertvollen Inhaltsstoffe der Kakaobohnen zu kommen, sind teils aufwendige Verfahren nötig. Daher prüfen Wimmer und sein Team, inwieweit man im Extraktionsverfahren auf zeit- und energieintensive Fermentations- und Trocknungsprozesse oder die Röstung verzichten kann, wenn das Endprodukt nicht in Lebensmitteln zum Einsatz kommen soll.

Zudem will das Forschendenteam die Kakaobutter nicht durch Abpressen in einer Fettpresse gewinnen, sondern mithilfe von organischen Lösemitteln wie etwa Ethanol und überkritischem CO2 extrahieren – eine besonders schonende Methode. Um Proteine und SPS zu gewinnen, werden die festen Bestandteile mit wässrigen Extraktionen behandelt. Durch Variation von Druck und Temperatur kann die Löslichkeit auf die gewünschten sekundären Pflanzeninhaltsstoffe und Proteine eingestellt und somit eine spezifische Extraktion erreicht werden.

Bessere Lebensgrundlage für kleine Farmen

»Durch unser Kaskadenextraktionsverfahren können beschädigte Bohnen weiterverarbeitet werden; den betroffenen Farmen erschließen sich neue Wertschöpfungswege mit großem finanziellen Potenzial. Weltweit sind 40 bis 50 Millionen Menschen in der Kakaoproduktion beschäftigt, 80 bis 90 Prozent davon in kleinen Betrieben«, resümiert Wimmer. »Darüber hinaus stehen der Schokoladenindustrie dadurch mehr reine lebensmitteltaugliche Rohstoffe zur Verfügung«.

Externer Link: www.fraunhofer.de