Federleicht

Presseaussendung der TU Wien vom 18.11.2013

Weg mit überflüssigen Kilos: In der Industrie ist Masseeinsparung ein wichtiges Thema. An der TU Wien ersetzt man daher bei der Federherstellung massiven Stahl durch leichte Faserwerkstoffe.

Sie sind in der Armbanduhr und im Autofahrwerk genauso wichtig wie bei Messgeräten oder Raumfahrzeugen: Federn sind allgegenwärtig und werden auf den ersten Blick manchmal als technische Trivialität betrachtet. Zu Unrecht, wie Richard Zemann von der TU Wien weiß. Bei ihrer Herstellung gibt es viel zu verbessern. Sein Team fand einen Weg, kompliziert geformte Federn aus Faser-Kunststoff statt aus Stahl zu erzeugen. Das spart Gewicht und bringt ein hervorragendes Materialverhalten.

Kohlenstoff und Harz

Karbonfasern sind extrem belastbar. Nur einige Mikrometer dick sind die Filamente, die das Forschungsteam von Richard Zemann am Institut für Fertigungstechnik und Hochleistungslasertechnik der TU Wien verwendet, doch ihre Länge kann in die Kilometer gehen. Bündelt man diese dünnen Fasern, erhält man eine leichte aber extrem steife Struktur. Damit die Fasern in Form bleiben, bettet man sie in einer Matrix ein, zum Beispiel in Epoxidharz. „Das Harz selbst nimmt im optimalen Fall keine Kräfte auf, aber es bindet die Kohlenstofffasern aneinander und sorgt so für die nötige Stabilität“, erklärt Richard Zemann.

Dass die Eigenschaften dieser Fasermaterialien für ihren Einsatz bei der Herstellung von Federn sprechen, ist recht offensichtlich: Ihre Dichte ist extrem gering – sie beträgt weniger als ein Viertel der Dichte von Stahl – und gleichzeitig übertreffen Faser-Kunststoff-Verbunde Stahl teilweise in ihrer Steifigkeit.

Trotzdem wurden Faserverbundwerkstoffe bisher nur für vergleichsweise einfache Blattfedern eingesetzt, weil die Herstellungsverfahren für kompliziertere spiralförmige oder schraubenförmige Formen fehlten. Das Team der TU Wien konnte allerdings mit dem Projektpartner, der Federnfabrik Tmej, einen Prozess entwickelt, der die Herstellung aller wichtigen Federgestalten erlaubt. Wie das genau funktioniert, will Richard Zemann derzeit noch nicht verraten. „Wir stellen jedenfalls zuerst einen dicken Draht her, der danach zu einer schraubenförmigen Feder umgeformt werden kann“, sagt er.

100.000 Belastungen und kein bisschen müde

Die Resultate können sich jedenfalls jetzt schon sehen lassen: Erste Spiralfedern konnten 100.000 Belastungszyklen unbeschadet überstehen. „Wir haben den Versuch dann einfach abgebrochen – die Federn zeigten überhaupt keine Ermüdung und hätten sicher noch eine viel größere Zahl von Belastungen ausgehalten“, sagt Richard Zemann.

Der Herstellungsprozess wird nun noch für die Serienanwendung verbessert. Forschungsbedarf gibt es noch hinsichtlich der Harz- bzw. Kunststoffkomponente: Die Kohlenstofffasern halten die oftmalige Belastung zwar problemlos aus, aber die Matrix rundherum könnte irgendwann doch geringfügig ihre Form ändern. An der TU Wien werden derzeit noch Ideen zur Verbesserung der Kunststoffkomponente untersucht.

Die neuartigen Federn sind äußerst korrosions- und chemikalienbeständig. Der entscheidende Vorteil ist allerdings die Gewichtsersparnis. Bei gleicher Steifigkeit reduziert sich die Masse um siebzig bis achtzig Prozent verglichen mit herkömmlichen Stahlfedern. Gerade in der Automobilindustrie ist man sehr auf Gewichtseinsparungen bedacht – eine geringere Masse bedeutet letztlich auch weniger Treibstoffverbrauch. Ganz entscheidend ist das Thema Gewicht natürlich im Luft- und Raumfahrtbereich.

„Zunächst werden sich Karbon-Faser-Verbund-Federn sicher im gehobenen Marktsegment durchsetzen“, prognostiziert Richard Zemann, „doch langfristig soll die neue Technologie auch in Massenprodukten verwendet werden – das ist unser erklärtes Ziel.“ (Florian Aigner)

Externer Link: www.tuwien.ac.at