Ein Schritt in die Unabhängigkeit von fossilen Rohstoffen

Presseinformation der Fraunhofer-Gesellschaft vom 01.02.2018

Die Unabhängigkeit von fossilen Rohstoffen wird wohl nicht durch die eine große Entdeckung geschehen, sondern sich schrittweise vollziehen. Forschenden des Fraunhofer-Instituts für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung IFAM in Bremen ist es gelungen, einen weiteren Schritt in diese Richtung zugehen. Auf Basis von Lignin, das zum Beispiel aus Pflanzenresten gewonnen werden kann, stellen die Wissenschaftler eine Grundierung für Lacke her, die ohne petrochemische Rohstoffe auskommt und dadurch eine deutlich verbesserte CO2-Bilanz aufweist.

Fossile Rohstoffe sind begrenzt. Dennoch ist die Produktion zahlreicher Produkte abhängig von diesen endlichen – oft umweltschädlichen – Ressourcen. Entsprechend groß ist der Wunsch nach Rohstoffen, die nicht nur die petrochemischen Substanzen gleichwertig ersetzen, sondern auch eine bessere Umweltverträglichkeit und CO2-Bilanz aufweisen. Besonders interessant sind dabei Rohstoffe, die nicht in Konkurrenz zur Herstellung von Nahrungsmitteln oder Biobrennstoffen stehen und gleichzeitig in großen Mengen vorhanden sind. Wie beispielsweise Lignin, dem neben der Zellulose am häufigsten vorkommenden Naturstoff. Lignin ist unter anderem ein Nebenprodukt bei der Papierherstellung. Aber auch in Bioraffinerien fallen große Menge davon als Abfallprodukt bei der Herstellung von Bioethanol an. Für die Fraunhofer-Wissenschaftler lag daher der Gedanke nahe, durch die Verarbeitung von Lignin, das nahezu unbegrenzt zur Verfügung steht, nachwächst und umweltfreundlich ist, eine Alternative zu petrochemischen Stoffen zu schaffen.

Bio-Bindemittel für Primer-Formulierung

Bei der Entwicklung von Alternativen zu petrochemischen Substanzen rückte Lignin schon häufig in den Fokus von Wissenschaftlern. Aufgrund seiner herausfordernden Eigenschaften konnte sich der Holzstoff bisher allerdings nicht durchsetzen. So ist die genaue chemische Zusammensetzung der Lignin-Masse zum Beispiel davon abhängig, ob sie aus der Papierproduktion stammt und mit anderen Stoffen versetzt ist oder, ob sie bei der Herstellung von Biokraftstoff angefallen ist. Dementsprechend komplex ist die Produktion eines stets gleich reagierenden Stoffes. »Die meisten bisherigen Ansätze basierten darauf, aus dem Lignin monomere Ausgangsstoffe herzustellen, die stets dieselben Eigenschaften aufweisen. Aufgrund der unterschiedlichen Zusammensetzung der Ausgangsmasse ist dies recht komplex«, erklärt Yvonne Wilke am Fraunhofer IFAM. »Wir haben einen anderen Ansatz gewählt und das Ganze standardisiert und modifiziert. So erhalten wir einen Grundstoff, von dem wir sagen können, dass er sich innerhalb bestimmter Grenzen immer gleich verhält.« Die Experten des Fraunhofer IFAM transformierten das Standardisierte-Gemenge weiter und konnten es so als Rohstoff für Bindemittel für Primer-Formulierungen einsetzen. Das Resultat ist ein Primer, der Schlüsseleigenschaften wie Korrosionsschutz, Haftung oder Applizierbarkeit aufweist, die mit Grundierungen, die auf petrochemischen Rohstoffen basieren, vergleichbar sind.

Grundierung aus Pflanzenresten

Gerade in Zeiten, in denen der Ruf – sowohl bei Herstellern als auch bei Endkunden – nach nachhaltigen Produkten immer lauter wird, sind solche biobasierten Lösungen besonders interessant. Beispielsweise in der Automobil-Industrie ist die CO2-Bilanz ein wichtiges Verkaufsargument. Durch den Einsatz von biobasierten Primern und Lacken kann diese deutlich verbessert werden. Und da die Grundierung auf Ligninbasis des Fraunhofer IFAM mit herkömmlichen Primern vergleichbare Eigenschaften aufweist, müssten auch hinsichtlich der Qualität keine Abstriche hingenommen werden.

»Die Unabhängigkeit von fossilen Rohstoffen ist ein großes Ziel. Vor allem, wenn man die Vielzahl von Produkten bedenkt, die noch auf fossilen Rohstoffen basieren«, sagt Wilke. »Mit unserem Projekt konnten wir ein paar Schritte vorankommen und zeigen, dass Lignin bei der Herstellung von Grundierungen oder Klebstoffen eine echte Alternative ist und uns der Unabhängigkeit von petrochemischen Stoffen näher bringt.«

Externer Link: www.fraunhofer.de

technologiewerte.de – MOOCblick Februar 2018

Spannende Themen, herausragende Dozenten und flexible Lernmöglichkeiten tragen zum wachsenden Erfolg der Massively Open Online Courses (MOOCs) bei – offene, internetgestützte Kurse mit einer Vielzahl an Teilnehmern rund um den Globus.

Folgender Kurs – zu finden auf der MOOC-Plattform edX – sollte einen Blick wert sein:

Innovation Leadership
Bill George (The Georgia Institute of Technology)
Start: 12.02.2018 / Arbeitsaufwand: 24-36 Stunden

Externer Link: www.edx.org

Blinker und Bremslicht fürs Fahrrad

Pressemitteilung der HAW Landshut vom 31.01.2018

Ein Projekt der Hochschule Landshut könnte das Radfahren im Stadtverkehr sicherer machen.

Im Projekt „Smart Foil Display“ entwickelten Studierende der Hochschule Landshut ein System, über das Fahrradfahrer blinken können. Auch an ein Bremslicht haben die Studierenden gedacht. „Die Entwicklung eignet sich besonders für die Dämmerung, wenn Handzeichen nicht gut zu sehen sind“, erklärt Prof. Dr. Artem Ivanov von der Fakultät Elektrotechnik und Wirtschaftsingenieurwesen, der die Arbeiten betreut hat.

Die Steuerelektronik ist in den Fahrradlenker eingebaut. Die beiden Elektrotechnik-Studenten Markus Brandl und Markus Kollmansberger haben sie entwickelt und zusammengebaut. Über einen kleinen Schalter, ähnlich wie an einem Roller, kann der Fahrradfahrer den Blinker nach links oder rechts setzen. Auf seinem Rucksack leuchtet dann ein blauer Pfeil auf: „Im Rucksack ist ein Elektrolumineszenz-Display, kurz ELD, integriert“, erklärt Ivanov. Die Elektronik in der Lenkerstange gibt Signale via Bluetooth an das ELD weiter. Ist der Blinker gesetzt, zeigt ein blauer Pfeil auf dem Rucksack an, in welche Richtung der Fahrradfahrer abbiegen wird. Und wenn er bremst, leuchtet auf dem Rucksack der Schriftzug „BRAKE“ auf.

Elektronik im Lenker, Display auf dem Rucksack

Die Steuerung funktioniert auch über das Smartphone: Carmen Ströber, die Elektro- und Informationstechnik an der Hochschule Landshut studiert, hat dafür eine App entwickelt. Darin lässt sich zusätzlich zu Verkehrssignalen auch ein beliebiger Text eingeben, der dann über das Display läuft. „Über die App könnten auch Skater blinken und Bremslicht zeigen“, erklärt Prof. Dr. Petra Tippmann-Krayer, die diesen Teil der Arbeit betreut hat.

Das Display selbst besteht aus einer biegsamen Trägerfolie, auf die elektrische und isolierende Schichten im Siebdruckverfahren aufgedruckt sind. Maximilian Ott, der Internationales Wirtschaftsingenieurwesen studiert, hat die Folien-Displays gemeinsam mit dem Labormeister Gerhard Sattelberger hergestellt. Elektrische Spannung sorgt dafür, dass Pfeile und Schriften auf den Folien leuchten. Dafür wird eine elektrische Schalterplatte auf die Rückseite des Displays befestigt und angeschlossen – ebenfalls eigens in den Landshuter Laboren hergestellt. „Die Rückseite haben wir noch mit Polyurethan vergossen“, erklärt Ivanov. „Das schützt die Elektronik vor Wasser und mechanischen Belastungen.“

Eine Serienproduktion ist derzeit nicht geplant. Doch Ivanov und Tippmann-Krayer haben die Entwicklungen beim Wettbewerb der Organic and Printed Electronic Association eingereicht.

Externer Link: www.haw-landshut.de

Maschinelles Lernen im Quantenlabor

Medieninformation der Universität Innsbruck vom 19.01.2018

Auf dem Weg zum intelligenten Labor präsentieren Physiker der Universitäten Innsbruck und Wien ein lernfähiges Programm, das eigenständig Quantenexperimente entwirft. In ersten Versuchen hat das System selbständig experimentelle Techniken (wieder)entdeckt, die heute in modernen quantenoptischen Labors Standard sind. Dies zeigt, dass Maschinen in Zukunft auch eine kreativ unterstützende Rolle in der Forschung einnehmen könnten.

In unseren Taschen stecken Smartphones, auf den Straßen fahren intelligente Autos, Experimente im Forschungslabor aber werden immer noch ausschließlich von Menschen erdacht. Das könnte sich bald ändern. Innsbrucker Quantenphysiker um Hans Briegel beschäftigen sich unter anderem mit der grundsätzlichen Frage, inwieweit Maschinen selbstständig experimentieren können. Dazu nutzen die Physiker ein von der Gruppe entwickeltes Modell für künstliche Intelligenz, das einer Maschine einfache Formen kreativen Verhaltens ermöglichen soll. Das Gedächtnis dieser autonomen Maschine speichert viele einzelne Erfahrungsfragmente, die netzwerkartig miteinander verbunden sind. Ist die Maschine mit einem bestimmten Ereignis konfrontiert, werden in einer Zufallsbewegung damit zusammenhängende Erinnerungen abgerufen. Sowohl aus Erfolg als auch aus Misserfolg lernt die Maschine und passt ihr Netzwerk entsprechend an. Gleichzeitig kann sie selbst neue Szenarien erzeugen und diese ausprobieren.

Nun haben sich die Innsbrucker Physiker mit Wienern Kollegen um Anton Zeilinger zusammengetan. Diese haben zuvor schon die Nützlichkeit von automatisiertem Design von Quantenexperimenten zeigen können mithilfe des Algorithmus Melvin, wobei einige dieser computer-inspirierten Experimente auch schon in den Labors von Zeilinger umgesetzt wurden. Durch die Anwendung des Lernmodells der Projektiven Simulation konnten die Wissenschaftler nun gemeinsam zeigen, dass diese Umgebung ideal dafür geeignet ist, das Potential maschinellen Lernens in Quantenexperimenten zu untersuchen. In einer in den amerikanischen Proceedings of the National Academy of Sciences veröffentlichten Arbeit präsentieren die Forscher erste Ergebnisse.

Computer entwirft optimierte Quantenexperimente

Am Anfang steht ein leerer Labortisch für photonische Quantenexperimente. Der künstliche Agent versucht nun neue Experimente zu entwickeln, indem er Spiegel, Prismen oder Strahlteiler virtuell auf dem Tisch anbringt. Führen seine Aktionen zu einem sinnvollen Ergebnis, merkt der Agent sich das und greift bei späteren Versuchen wieder darauf zurück. „Dieses bestärkende Lernen unterscheidet unser Modell von einer automatischen Suche, die immer durch ein zufälliges Verhalten gesteuert ist“, erklärt Alexey Melnikov vom Institut für Theoretische Physik der Universität Innsbruck. „Der künstliche Agent führt auf dem virtuellen Labortisch Zehntausende von Experimenten durch. Wenn wir im Gedächtnis der Maschine die Ergebnisse analysieren, sehen wir, dass sich bestimmte Strukturen entwickelt haben“, erklärt sein Kollege Hendrik Poulsen Nautrup. Einige dieser Strukturen sind den Physikern bereits als nützliche Werkzeuge aus modernen quantenoptischen Labors bekannt. Andere sind völlig neu und könnten in Zukunft im Labor zum Einsatz kommen. „Während die automatische Suche mit jeder Lösung zufrieden ist, sucht die intelligente Maschine immer den besten Weg, wie etwas umgesetzt werden kann, und generiert so optimierte Experimente“, verdeutlicht Alexey Melnikov. „Und manchmal liefert sie auch Antworten auf Fragen, die wir gar nicht gestellt haben.“

Kreative Unterstützung im Labor

In Zukunft wollen die Wissenschaftler das lernfähige Programm noch weiter ausbauen. Zurzeit ist die Maschine noch darauf getrimmt, einzelne Probleme selbstständig zu lösen. Aber damit ist sie weiterhin nur ein Werkzeug, das von Wissenschaftlern gezielt eingesetzt werden muss. Kann eine Maschine aber auch mehr als nur ein Werkzeug sein? Wird die Maschine der Zukunft eine kreativere Rolle an der Seite des Wissenschaftlers spielen? Dies sind die Fragen, die sich die Wissenschaftler stellen und nur die Zukunft wird zeigen, welche Rolle die künstliche Intelligenz tatsächlich im Labor spielen wird.

Die Arbeit wurde unter anderem vom österreichischen Wissenschaftsfonds FWF und der Templeton World Charity Foundation finanziell unterstützt.

Publikation:
Active learning machine learns to create new quantum experiments. Alexey A. Melnikov, Hendrik Poulsen Nautrup, Mario Krenn, Vedran Dunjko, Markus Tiersch, Anton Zeilinger, and Hans J. Briegel. Proc. Natl. Acad. Sci. USA 2018 DOI: 10.1073/pnas.1714936115 (arXiv: 1706.00868)

Externer Link: www.uibk.ac.at