Digitalisierung in der Automobilproduktion

Presseinformation (Forschung Kompakt) der Fraunhofer-Gesellschaft vom 02.01.2018

Der Optimierungsdruck in den Hallen der Automobilhersteller ist groß: Die Varianz nimmt stetig zu, die Kosten müssen im Rahmen bleiben. Fraunhofer- Forscher bringen via RFID-Technologie nun mehr Transparenz in die Logistik und Produktionsprozesse bei Automobilherstellern. Das heißt: Der Aufwand wird geringer, die Wirtschaftlichkeit steigt.

Wer schon mal einen Neuwagen bestellt hat, weiß: Die Liste der Extras ist lang, die Variantenvielfalt wird immer größer. Für die Autohersteller geht diese Individualität mit großen Herausforderungen einher. Denn viele Bauteile sind rein äußerlich für die Werker kaum zu unterscheiden – so sieht ein Sicherheitsgurt für deutsche Autos dem für non-EU-Autos zum Verwechseln ähnlich. Sicherheitsrelevante Bauteile werden daher mit einem Barcode versehen, der manuell gescannt werden muss. Im Zuge der Digitalisierung entlastet RFID die Mitarbeiter von dieser Routineaufgabe und gibt ihnen gleichzeitig durch automatische Prüfung die Sicherheit, die richtigen Teile verbaut zu haben.

Prozesssicherheit und Transparenz steigern

Forscher vom Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF in Magdeburg rüsten die Produktions- und Logistikprozesse nun für die Digitalisierung respektive für Industrie 4.0. »RFID-Tags an den Bauteilen, kurz für Radio Frequency Identification, können die Prozesssicherheit und die Effizienz deutlich erhöhen«, sagt Marc Kujath, Wissenschaftler am IFF. »Dies haben wir sowohl durch Machbarkeitsstudien als auch durch Funktests belegt, die wir gemeinsam mit Mercedes-Benz Vans im Werk Ludwigsfelde bei Berlin durchgeführt haben.« Solche RFID-Systeme bestehen zum einen aus dem RFID-Tag am Bauteil sowie einem Scanner, der die Informationen berührungslos ausliest. In einem ersten Schritt haben die Forscher untersucht, welche der zahlreichen Bauteile eines Fahrzeugs am besten geeignet sind – und bis zu 40 Teile identifiziert. Für die weiteren Entwicklungen haben sich die Experten zunächst einmal auf Spiegel und Sitze fokussiert.

Automatische Überprüfung während der Montage

Die RFID-Tags werden dabei an jedem einzelnen sicherheitskritischen Bauteil angebracht – also etwa den einzelnen Spiegeln. Auf den Tags ist eine Seriennummer gespeichert, ähnlich wie beim Barcode auch. Die großen Unterschiede: Während beim Barcode lediglich die Information hinterlegt ist, um welchen Spiegeltyp es sich handelt, liefert die Nummer des RFID-Tags zahlreiche Informationen, etwa in welches Fahrzeug der Spiegel eingebaut werden soll. Während die Barcodes einer nach dem anderen manuell mit einem Handscanner ausgelesen werden müssen, lassen sich die RFID-Tags über einen Scanner alle gleichzeitig automatisiert und berührungslos erfassen – und zwar auch noch dann, wenn die Teile bereits verbaut sind. Das heißt: Über die RFID-Tags lassen sich die Informationen jederzeit in Sekundenschnelle abrufen. Für die Produktion ist dies ein entscheidender Vorteil. So kann etwa bei der Montage von Vorder- oder Hinterachse zwischendurch bereits überprüft werden, ob alle benötigten Bauteile verbaut sind. Bisher wurde dies erst in der Endkontrolle erfasst – von Mitarbeitern per Sichtkontrolle und Papierliste. »Über die RFID-Tags können wir die Transparenz erhöhen«, erläutert Kujath.

Von der Technologie über das Betriebskonzept bis hin zur Systemintegration

Die Forscher vom IFF haben sich dabei sowohl um die Technologie gekümmert als auch um das Betriebskonzept. »Dazu waren mehrere Schritte nötig, die wir gemeinsam mit unserem Partner Mercedes-Benz Vans angegangen sind. So haben wir beispielsweise die blinden Flecken in der Produktionsplanung reduziert. Das heißt: Die Projektleiter wissen nun, wo die Tücken des Prozesses liegen – und können zur richtigen Zeit die richtigen Fragen stellen. Zudem haben wir die verschiedenen Rollen durchdacht, schließlich braucht der Projektleiter andere Informationen als der Techniker«, ergänzt Kujath. In einem weiteren Schritt sollen nun Serientests bei Daimler folgen.

Externer Link: www.fraunhofer.de

technologiewerte.de – MOOCblick Januar 2018

Spannende Themen, herausragende Dozenten und flexible Lernmöglichkeiten tragen zum wachsenden Erfolg der Massively Open Online Courses (MOOCs) bei – offene, internetgestützte Kurse mit einer Vielzahl an Teilnehmern rund um den Globus.

Folgender Kurs – zu finden auf der MOOC-Plattform edX – sollte einen Blick wert sein:

Software Engineering: Introduction
Reid Holmes (University of British Columbia)
Start: 09.01.2018 / Arbeitsaufwand: 48-60 Stunden

Externer Link: www.edx.org

Mit nachgebauten Naturstoffen gegen Bakterien

Medieninformation der Universität Innsbruck vom 20.12.2017

Mit chemisch nachgebauten Naturstoffen will Thomas Magauer von der Universität Innsbruck Mittel gegen die weltweit zunehmenden Antibiotikaresistenzen finden. Biologische Analysen einer Gruppe von erstmals systematisch hergestellten Molekülen zeigen eine vielversprechende Wirkung zum Beispiel gegen multiresistente MRSA-Keime. Die synthetisch erzeugten Wirkstoffe lassen sich zudem chemisch weiter optimieren.

Durch den ungehemmten Einsatz von Antibiotika entwickeln Krankheitskeime immer häufiger Resistenzen. Seit der Entdeckung von Penicillin haben Antibiotika die Therapie von bakteriellen Erkrankungen revolutioniert, doch diese medizinischen Waffen könnte bald stumpf werden. Die Wissenschaft ist deshalb schon seit Jahren auf der Suche nach neuen Wirkstoffen. Thomas Magauer vom Institut für Organische Chemie der Universität Innsbruck orientiert sich dabei an Naturstoffen, für die es bereits Hinweise auf eine mögliche Wirkung gegen Bakterien gibt. Diese Moleküle setzt er im Labor neu zusammen und optimiert ihre Wirkung durch künstliche Anpassungen. In einer aktuellen Studie im Fachmagazin Nature Communications präsentiert Magauers Arbeitsgruppe nun einen modularen Ansatz zur chemischen Synthese einer ganzen Gruppe von Naturstoffen, denen antibakterielle, antivirale Eigenschaften sowie eine krebshemmende Wirkung nachgesagt wird. Trotz ihrer Ähnlichkeit gab es bisher nur vereinzelte Versuche, diese Naturstoffe zu synthetisieren und zu untersuchen. „Mit dem neuen Ansatz steht nun ein Werkzeug zur Verfügung, um diese faszinierenden Familie von Naturstoffen genauer zu untersuchen“, freut sich Thomas Magauer, der seit August dieses Jahres eine Professur für Organische Chemie an der Universität Innsbruck innehat.

Wirkung gegen MRSA-Keime

Bisher wurden diese Stoffe aus Pilzen oder Meerespflanzen extrahiert. Dabei können allerdings oft nicht die notwendigen Mengen gewonnen werden. Mit dem neuartigen chemischen Baukasten der Innsbrucker Wissenschaftler lassen sich sechs dieser Naturstoffe sowie 15 davon abgeleitete künstliche Moleküle in wenigen Schritten erzeugen.

Gemeinsam mit der Forschungsgruppe um Mark Brönstrup am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig untersuchten die Forscher auch die biologische Wirkung der Moleküle. Für grampositive Bakterien konnte dabei eine sehr gute biologische Aktivität einiger dieser Moleküle nachgewiesen werden. Zwei dieser Moleküle, Strongylin A und ein vollsynthetisches Derivat, zeigen eine bedeutende antibiotische Wirkung gegen MRSA. Diese multiresistenten Keime aus der Gruppe der Staphylokokken spielen heute in Kliniken und Pflegeeinrichtungen als Verursacher von Infektionen eine wichtige Rolle. Inzwischen treten MRSA-Varianten auch in der normalen Umgebung auf. „Durch gezielte Modifikationen an den künstlich erzeugten Molekülen soll deren Wirkung noch weiter verstärkt werden“, blickt Thomas Magauer bereits in die Zukunft. „Wir wollen auch Wege finden, um gramnegative Bakterien zu bekämpfen.“ Finanziell unterstützt wird er dabei vom Europäischen Forschungsrat ERC und der Deutschen Forschungsgemeinschaft DFG.

Publikation:
A modular synthesis of tetracyclic meroterpenoid antibiotics. Raphael Wildermuth, Klaus Speck, Franz-Lucas Haut, Peter Mayer, Bianka Karge, Mark Brönstrup, and Thomas Magauer. Nature Communications 8: 2083 DOI: 10.1038/s41467-017-02061-7

Externer Link: www.uibk.ac.at

Die aufblasbare Brücke

Presseaussendung der TU Wien vom 18.12.2017

Mit einer neuen, an der TU Wien entwickelten Baumethode hat die ÖBB-Infrastruktur AG nun eine Wildbrücke an der zukünftigen Koralmbahn errichtet. Statt stützender Gerüste kam ein Luftkissen zum Einsatz.

Will man Brücken oder Kuppeln in gewöhnlicher Schalenbauweise errichten, dann muss man normalerweise ein teures Gerüst aufstellen. An der TU Wien wurde nun allerdings eine deutlich ressourcenschonendere und billigere Bautechnik entwickelt: Der Beton wird während des Bauprozesses nicht von einer Stützkonstruktion getragen, sondern von einem Luftkissen, das langsam aufgeblasen wird.

Erste Großversuche fanden bereits vor drei Jahren auf einem Testgelände der TU Wien statt, nun wurde die neue Methode erstmals in der Praxis eingesetzt. Die ÖBB-Infrastruktur AG wandte mit TU-Unterstützung das Bauverfahren erfolgreich an, um eine Wildbrücke über einen neugebauten Streckenabschnitt der Koralmbahn zu errichten.

Erst Platte, dann Kuppel, dann Brücke

Die Grundidee ist einfach: Wenn man eine Orangenschale regelmäßig einschneidet, kann man sie flach auf dem Tisch ausbreiten. Die an der TU Wien entwickelte „Pneumatic Forming of Hardened Concrete“ Baumethode funktioniert genau umgekehrt. Man beginnt mit einer ebenen Betonfläche, mit keilförmigen Aussparungen, die zu einer runden Kuppel wird. Unter der Betonplatte befindet sich ein riesengroßes Luftkissen aus Kunststoff, das langsam aufgeblasen wird, wenn der Beton ausgehärtet ist. Hydraulisch gespannte Stahlkabel sorgen dafür, dass der Beton während dieses Vorgangs die richtige Form annimmt.

„Der Aufblasvorgang dauerte ungefähr fünf Stunden, danach hatten wir eine längliche Betonkuppel mit einer Innenhöhe von 7.60m“, sagt Benjamin Kromoser vom Institut für Tragkonstruktionen der TU Wien. Er hat die Baumethode im Rahmen seiner Dissertation bei Prof. Johann Kollegger entwickelt und beim aktuellen Projekt eng mit den ÖBB zusammengearbeitet. Um aus der Kuppel eine Brücke zu machen, wurde die Betonschale dann an beiden Enden abgeschnitten und mit einem Torbogen-Abschluss versehen. Die neue Koralmbahnstrecke wird unter der Brücke hindurchgebaut, außen an der Betonkonstruktion wird noch Erde angeschüttet, sodass Tiere in Zukunft problemlos über die Brücke auf die andere Seite der Bahnstrecke gelangen können.

Energie, Geld und Ressourcen sparen

Die Methode hat große Vorteile, verglichen mit herkömmlichen Brückenbautechniken: „Man benötigt ein kleines bisschen mehr Beton, aber dafür 40% weniger Stahl“, erklärt Benjamin Kromoser. Außerdem ist unsere Methode energieeffizienter, 40% der anfallenden CO2-Äquivalente können eingespart werden, und insgesamt ist die TU-Methode auch noch deutlich billiger. „Der Preis wird noch weiter sinken, wenn Baufirmen mehr Erfahrung mit der neuen Technik haben. Wir rechnen damit, dass unsere Methode schließlich Einsparungen in der Größenordnung von 15-30% bringt“, sagt Kromoser.

Die Idee, eine Betonkonstruktion ohne Gerüst, sondern durch kontinuierliche Verformung zu errichten, hatte Prof. Johann Kollegger schon vor mehreren Jahren. Seither arbeitet er mit seinem Team daran, alle technischen Hürden auf dem Weg zur Anwendung Schritt für Schritt zu beseitigen.

Dass eine wissenschaftliche Entwicklung innerhalb weniger Jahre den Weg in die Anwendung findet, ist im Baubereich nicht unbedingt üblich. „Wir sind wirklich froh, dass die ÖBB den Mut hatte, ein innovatives Verfahren auszuprobieren. Für die weitere Verbreitung der Methode ist es sehr wichtig, dass nun ein echter Prototyp fertiggestellt werden konnte“, sagt Johann Kollegger. „Besonders freut uns auch, dass sich unsere Berechnungen über die Ressourceneffizienz der Methode als richtig herausgestellt haben. Manchmal werden solche Ideen nur auf akademischem Niveau ausgearbeitet – aber wenn man eine neue Methode dann tatsächlich in der Praxis anwendet, stößt man auf viele Details, die es noch zu optimieren gilt. Daher war es für uns so spannend, das Projekt wirklich bis zur Fertigstellung begleiten zu können.“, sagt Benjamin Kromoser.

Die innovative Wildbrücke ist im Kärntner Abschnitt der Koralmbahn, einem Schlüsselprojekt der neuen Südstrecke der ÖBB-Infrastruktur AG situiert. Nach der Fertigstellung der Konstruktion und der Geländemodellierung werden nun hier die Erdbauarbeiten fortgesetzt, bevor in weiterer Folge die bahntechnische Ausrüstung für die Hochleistungs-Eisenbahnstrecke installiert wird. (Florian Aigner)

Externer Link: www.tuwien.ac.at