Weltweit erster Chip mit österreichischer Quantenarchitektur im Einsatz

Medieninformation der Universität Innsbruck vom 06.07.2023

Der japanische IT-Konzern NEC hat den ersten Quantenprozessor basierend auf der ParityQC Architektur gebaut. Die Parity-Technologie wurde an der Universität Innsbruck erfunden und wird vom Spin-off ParityQC weiterentwickelt und vermarktet. NEC macht den auf Optimierungsprobleme spezialisierten Quantencomputer nun über die Cloud für die Wissenschaft zugänglich.

In aller Welt arbeiten Wissenschaft und Unternehmen fieberhaft am Bau von Quantencomputern. Diese neuen Rechenmaschinen werden viele Probleme rascher und effizienter lösen als bisherige Technologien. Gerade bei der Suche nach optimalen Lösungen für komplexe Fragestellungen versprechen Quantentechnologie sehr bald schon praxistaugliche Anwendungen. Basis dafür sind Quantum-Annealing-Systeme oder adiabatische Quantencomputer, die nicht wie klassische Computer mit Gatteroperationen arbeiten. Sie nutzen die Quanteneigenschaft vielmehr zur Suche eines optimalen Zustands in einem physikalischen System. In entsprechende Algorithmen verpackt, lassen sich diese Systeme nutzen, um optimale Lösungen für viele Fragestellungen zu finden.

Japanischer Quanten-Chip mit österreichischem Know-how

Nun hat der IT-Konzern NEC einen 8-Bit-Quanten-Annealer gebaut, der auf der Architektur des Innsbrucker Spin-offs ParityQC basiert. Der erste Parity-Quantenchip besteht aus supraleitenden Parametron-Qubits und wird von NEC nun über die Cloud der Wissenschaft zugänglich gemacht. „Das ist eine eindrucksvolle Bestätigung der eigentlichen Vorteile, die der ParityQC-Ansatz bietet: Unempfindlichkeit gegen Rauschen und Skalierbarkeit zu einem vollständig verschalteten Quantencomputer unter Beibehaltung langer Kohärenzzeiten“, zeigt sich Hermann Hauser, Mitbegründer von Amadeus Capital und Acorn Computers, begeistert. „Die Übernahme der ParityQC-Architektur durch NEC, einem der weltweit führenden Supercomputer-Unternehmen, ist ein außergewöhnlicher Erfolg für das vier Jahre alte Spin-off der Universität Innsbruck. Es macht ParityQC zum weltweit ersten Unternehmen für QC-Architekturen mit einer erprobten, funktionierenden Anwendung. Die Vorteile dieses Ansatzes werden dazu führen, dass das ParityQC-Design von vielen anderen Hardware-Herstellern übernommen wird. Eine Reihe von kürzlich erfolgten Ankündigungen von QC-Konsortien in Europa belegen dies bereits“, so Hauser weiter. „NEC war das erste Unternehmen, das in den 90er-Jahren ein supraleitendes Qubit vorstellte. Wir sind sehr stolz darauf, dass ihr Quantenprozessor, der nun erstmals für die externe Nutzung verfügbar sein wird, auf unserer Architektur basiert“, freuen sich Wolfgang Lechner und Magdalena Hauser, Co-Geschäftsführer von ParityQC.

Österreichische Erfolgsgeschichte

ParityQC wurde 2020 in Innsbruck gegründet und vermarktet eine Technologie, die auf einer inzwischen patentierten Idee beruht, die Quantenphysiker Wolfgang Lechner in den 2010-er Jahren gemeinsam mit Peter Zoller und Philipp Hauke an der Universität Innsbruck und dem Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften entwickelt hat. Die Ausgründung erfolgte über die Transferstelle Wissenschaft – Wirtschaft – Gesellschaft der Universität Innsbruck. „Es zeigt sich nun immer mehr, dass unsere Ersteinschätzung dieser Technologie im Zuge der Erfindungsmeldung 2015 richtig war und die Basiserfindung das Potential hat, zum Standard in der Quantencomputer-Technologie zu werden. Die Verwertung dieser Forschungsergebnisse über die Gründung eines Spin-offs ermöglicht es, die Technologie in Europa weiterzuentwickeln und somit maximalen Einfluss auf die Entwicklung dieser Branche zu nehmen und dabei gleichzeitig die Wertschöpfung in Europa zu halten. Ein großes Kompliment an die beiden Geschäftsführer dafür, wie vorausschauend und umsichtig sie ihre Entwicklungspartner auswählen“, sagt Transferstellen-Leiterin Sara Matt.

Externer Link: www.uibk.ac.at

Nanoplastik aufspüren – in Sekundenbruchteilen

Presseaussendung der TU Wien vom 18.07.2023

Winzige Plastikpartikel sind ein Umweltproblem. Sie können sogar in lebende Zellen eindringen. An der TU Wien wurde nun eine Methode entwickelt, solche Partikel präzise und schnell zu detektieren.

Dass Mikroplastik ein Problem ist, ist mittlerweile bekannt: Es handelt sich dabei um winzige, kaum sichtbare Plastikpartikel, die in die Umwelt gelangen und Schaden anrichten können, zum Beispiel, wenn sie von Tieren gefressen werden. Schwer abzuschätzen ist bisher aber der Effekt von noch kleineren Partikeln, die mit herkömmlichen Methoden kaum nachgewiesen werden können: Bei Plastikteilchen mit einem Durchmesser von weniger als einem Mikrometer spricht man von „Nanoplastik“. Solche winzigen Partikel können sogar in lebende Zellen eindringen.

An der TU Wien gelang es nun, eine Messmethode zu entwickeln, mit der sogar einzelne Nanoplastik-Partikel nachgewiesen werden können – und das um Größenordnungen schneller als mit bisherigen Techniken. Diese Resultate wurden nun im Fachjournal Scientific Reports publiziert. Die neue Methode soll nun zur Grundlage neuer Messgeräte für die Umweltanalytik werden.

Moleküle an der Wellenlänge erkennen

„Wir verwenden ein physikalisches Prinzip, das auch bisher schon oft in der chemischen Analytik verwendet wurde, nämlich die Raman-Streuung“, erklärt Sarah Skoff, Gruppenleiterin der Forschungsgruppe „Festkörperquantenoptik und Nanophotonik“ vom Atominstitut der TU Wien. Dabei werden Moleküle mit einem Laserstrahl beleuchtet und dadurch zum Vibrieren gebracht. Ein Teil der Energie des Laserlichts wird somit in Vibrationsenergie umgewandelt, der Rest der Energie wird wieder in Form von Licht abgestrahlt.

Wenn man dieses Licht misst und seine Energie mit dem ursprünglich eingestrahlten Laserlicht vergleicht, weiß man, mit welcher Energie das Molekül vibriert – und weil unterschiedliche Moleküle auf unterschiedliche Weise vibrieren, lässt sich auf diese Weise herausfinden, um welches Molekül es sich handelt.

„Gewöhnliche Raman-Spektroskopie wäre aber für den Nachweis von kleinstem Nanoplastik nicht geeignet“, sagt Sarah Skoff. „Das wäre viel zu wenig empfindlich und würde viel zu lange dauern.“ Das Forschungsteam musste sich daher auf die Suche nach komplizierteren physikalischen Effekten machen, mit denen sich diese Technik deutlich verbessern lässt.

Der Trick mit dem Goldgitter

Man adaptierte dafür ein Verfahren, das in ähnlicher Form schon zum Nachweis von Biomolekülen verwendet wurde. Das Laserlicht wird nicht direkt auf die Probe geschickt, sondern auf einem extrem feinen Gitter aus Gold platziert, welches mit einem Laser bestrahlt wird. Die einzelnen Golddrähte sind nur 40 Nanometer dick und rund 60 Nanometer voneinander entfernt. „Dieses Metallgitter wirkt wie eine Antenne“, sagt Sarah Skoff. „Durch das Gitter wird das Laserlicht an bestimmten Stellen verstärkt – dort kommt es daher zu einer viel intensiveren Wechselwirkung mit den gesuchten Molekülen. Außerdem kommt es zu einer Wechselwirkung zwischen dem Molekül und den Elektronen im Metallgitter, die dafür sorgt, dass das Lichtsignal der Moleküle zusätzlich verstärkt wird.“

Das Licht, das dann von den Molekülen ausgesandt wird, muss bei gewöhnlicher Raman-Spektroskopie normalerweise in all seine Wellenlängen zerlegt werden, um daraus ablesen zu können, um welches Molekül es sich handelt. Das Team der TU Wien konnte aber zeigen, dass es auch einfacher geht: „Wir wissen, was die charakteristischen Wellenlängen der Nanoplastik-Partikeln sind und suchen daher ganz gezielt nach Signalen bei genau diesen Wellenlängen“, erklärt Skoff. „Wir konnten zeigen, dass sich die Messgeschwindigkeit dadurch um mehrere Größenordnungen verbessern lässt: Bisher musste man zehn Sekunden messen, um einen einzigen Pixel des gesuchten Bildes zu erhalten – bei uns dauert es bloß einige Millisekunden.“ Versuche mit Polystyrol (Styropor) zeigten, dass auch bei dieser sehr hohen Geschwindigkeit die Nanoplastik-Partikel zuverlässig nachgewiesen werden können – und zwar auch bei extrem niedriger Konzentration. Im Gegensatz zu anderen Methoden erlaubt diese Technik sogar den Nachweis einzelner Partikel.

Die Basis für neue Messgeräte

Das Forschungsteam will nun die Einsatzmöglichkeiten der neuen Technik noch genauer untersuchen – etwa die Frage, wie man damit Nanoplastik in umweltrelevanten oder biologischen Proben nachweisen kann, beispielsweise in Blut. „Dass das physikalische Grundprinzip funktioniert, konnten wir nun jedenfalls zeigen“, sagt Sarah Skoff. „Damit ist prinzipiell das Fundament für die Entwicklung neuer Messgeräte gelegt, mit denen man in Zukunft auch außerhalb des Labors direkt in der Natur Proben untersuchen kann.“

Diese Forschungsarbeit wurde von der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG, PhoQus2D) und dem Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF, Quantoom) unterstützt. (Florian Aigner)

Originalpublikation:
Ambika Shorny, Fritz Steiner, Helmut Hörner and Sarah M. Skoff, Imaging and identification of single nanoplastic particles and agglomerates, Scientific Reports, 13, 10275 (2023)

Externer Link: www.tuwien.at

CuNex: Erfolgreiche Gründung mit THI-Beteiligung

Pressemitteilung der TH Ingolstadt vom 05.07.2023

Die Firma von Doktoranden Sri Krishna Bhogaraju und Prof. Gordon Elger entwickelt neuartige Kupfersinterpasten, die in einem breiten Spektrum von Anwendungen, insbesondere im Bereich der Elektromobilität, eingesetzt werden können.

Das Geschäftsmodell der CuNex GmbH beruht auf dem Verkauf von Kupfersinterpasten und der Beratung bei der Entwicklung von Sinterprozessen. Das Verbindungsmaterial wird in der Opto- und Hochleistungselektronik genutzt und ist unter anderem aufgrund des rasanten Wachstums der E-Mobilität äußerst gefragt. Die Kupfersinterpaste wurde innerhalb von verschiedenen öffentlich geförderten Forschungsprojekten in der Gruppe „Microelectronis Packaging“ am Institut für Innovative Mobilität entwickelt.

Die Idee zur Gründung wurde vor mehr als zwei Jahren geboren, als Industriepartner sehr positive Rückmeldungen bei der Evaluierung der Sinterpaste gaben. Als Sri Krishna Bhogaraju gemeinsam mit Maximilian Schmid 2021 den Rotary Forschungspreis Ingolstadt gewann, wurde die Gründungsidee schließlich Schritt für Schritt realisiert. In enger Abstimmung mit dem Center of Entreprenuership und THI-Präsidenten Prof. Walter Schober wurde der Vertrag zur Übernahme der in öffentlich geförderten Forschungsprojekten erarbeiteten Patente ausgehandelt.

Die THI selbst hält Anteile an der Firma. CuNex hat zudem bereits Kapital von der Schlenk SE eingeworben, einem Familienunternehmen mit einer 150-jährigen Geschichte im Bereich der Forschung und der Produktion von Kupferpartikeln und -folien. Die Zusammenarbeit mit dem in Roth-Barnsdorf ansässigen Unternehmen ermöglicht es, die weltweit erste Kupfersinterpaste „made in Germany“ bzw. „made in Bavaria“ anzubieten.

Das Center of Entrepreneurship unterstützt als erste Anlaufstelle Start-up-Aktivitäten von allen THI-Angehörigen, indem es den gesamten Gründungsprozess beratend begleitet.

Externer Link: www.thi.de

Online-Prozesse – wenn der Avatar verhandelt

Presseinformation (Forschung Kompakt) der Fraunhofer-Gesellschaft vom 03.07.2023

Seit der Corona-Pandemie gehören Videokonferenzen in vielen Berufen zum Alltag. Auch Online-Gerichtsverhandlungen gewinnen weltweit immer mehr an Bedeutung. In großflächigen Staaten wie Kanada und Australien machen virtuelle Gerichtstermine schon seit längerem weite Anreisen überflüssig. Ein Forscherteam von Fraunhofer Austria entwickelt derzeit eine Software, die die digitalen Gerichtsprozesse auf eine neue Stufe heben soll: Virtuelle Avatare repräsentieren künftig die Prozessbeteiligten im Online-Gerichtssaal. Mimik und Augenbewegungen der Verhandelnden werden per Webcam erfasst und auf die Avatare übertragen. Auf diese Weise können alle miteinander in Blickkontakt treten, was eine persönlichere Kommunikation ermöglicht.

Online-Gerichtsverhandlungen gewinnen immer mehr an Bedeutung. Seit der Corona-Krise arbeiten Gerichte zunehmend an der Einführung digitaler Gerichtsprozesse. Die Vorteile: Gerichtsverfahren können zügiger durchgeführt werden und lange Anreisen der Beteiligten entfallen. Neben dem flüssigeren und effizienteren Gerichtsbetrieb sprechen Kosten- und Zeitersparnisse für die virtuellen Prozesse. Kritiker hingegen verweisen auf die noch nicht ausgereifte, notwendige Technik und auf verfahrensrelevante Fragen: Wie lassen sich einwandfreie Video-Übertragungen gewährleisten? Wie kann der Prozess mit seinen detaillierten Verhaltensregeln ins Digitale übertragen werden? Diesen Fragestellungen widmen sich Forschende der Fraunhofer Austria Research GmbH. Unterstützt werden sie dabei unter anderem von Prof. David Tait, Forscher an der Western Sydney University. Mit dem Virtual Court-System entwickeln sie eine Software, mit der sich der Einsatz von Videotechnik in der Ziviljustiz optimieren und ausbauen lassen soll. Vorgesehen ist das Setting in virtuellen Gerichtssälen zunächst für kleinere Delikte wie Nachbarschaftsstreitigkeiten.

Während viele Videokonferenz-Anwendungen den Nutzern mittels VR-Brillen das Gefühl vermitteln, am selben Ort zu sein, setzen die Fraunhofer-Forschenden in diesem Projekt nicht auf VR. Vielmehr erfolgt die Bildausgabe über den Monitor. Die Prozessbeteiligten kommunizieren mit Hilfe von Avataren – 3D-Grafikfiguren, die die reale Person repräsentieren – im virtuellen Raum. Vor dem Start der Verhandlung im virtuellen Gerichtssaal wählen die Beteiligten die für sie entsprechende Rollenspezifikation wie Richter, Verteidiger, Staatsanwalt, Zeuge oder Angeklagter. Eine Webcam nimmt das Gesicht auf. Mittels Eyetracking erfasst die Software, die auf einer 3D-Grafikengine aufsetzt, in welche Richtung der Anwender sieht. Dieser Blick wird in eine Kopfbewegung des Avatars umgesetzt – ein direkter Blickkontakt zwischen den Gesprächspartnern wird simuliert. Dieser Augenkontakt fehlt aktuell noch in Videokonferenzen via MS Teams oder Zoom.

Video-Konferenzen auf Augenhöhe

»Für die virtuellen Gerichtsverhandlungen mit unserem System ist keine komplizierte technische Ausrüstung erforderlich. Die Prozessbeteiligten setzen sich entweder in einem öffentlichen Gebäude, einer Polizeistation oder im Homeoffice vor den Laptop mit Webcam. Das ist ausreichend, um am Virtual Court teilzunehmen«, sagt Dr. Volker Settgast, Wissenschaftler im Geschäftsbereich Visual Computing bei Fraunhofer Austria in Graz. In der virtuellen Repräsentation des Gerichtssaals sehen sich alle Anwender und erkennen dank des Eyetrackings, wer sie gerade ansieht. Die Webcam erfasst nicht nur die Augenbewegungen, sondern auch die Mimik. »Da die Webcam Mundbewegung und Gesichtsausdruck aufnimmt, sind Rückschlüsse auf den Gemütszustand der Teilnehmenden möglich«, so Settgast. »Bei klassischen Videokonferenzen wird das Videobild übertragen, dies entfällt bei unserem System durch den Einsatz der Avatare. Lediglich der Audiostream und die aus dem Eyetracking und der Mimikerkennung resultierenden Daten werden übertragen. Der zu transferierende Datenstrom ist daher reduziert.«

Geplant ist, die virtuellen Gerichtssäle länderspezifisch anzupassen, auch die Avatar-Animation soll verbessert werden. Beispielsweise wollen Settgast und sein Team die Hände der Teilnehmenden in die Gestenerkennung integrieren. Künftig soll die Software auch im Browser laufen. Erste Workshops und Anwendertests der Betaversion fanden bereits am Visualization Research and Teaching Laboratory Harvard University, Department of Earth & Planetary Sciences und an der Université de Montréal’s Cyberjustice Laboratory statt. »Letztendlich wollen wir das Gerichtssetting komplett in den virtuellen Raum verlagern und Video-Konferenzen auf Augenhöhe für Zivilgerichte realisieren. Da Augenbewegungen, Mimik und Gestik erkennbar sind, können künftig Gerichtsprozesse mit persönlichem Charakter auch digital durchgeführt werden«, so der Forscher.

Diese Vorlaufforschung wurde im Rahmen einer Projektförderung des Österreichischen Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft gefördert.

Externer Link: www.fraunhofer.de