Schwachpunkte im Stromnetz erkennen

Pressemitteilung der Hochschule Coburg vom 01.08.2016

Die Hochschule Coburg beteiligt sich an einem Forschungsprojekt mit dem Nürnberger Stromanbieter N-ERGIE und dem Energie Campus Nürnberg. Das Team unter Leitung von Prof. Dr. Christian Weindl entwickelt Methoden, die Auskunft über den Zustand von Stromkabeln geben können.

Wann hat ein Stromkabel seine maximale Lebensdauer erreicht und muss ausgetauscht werden? Diese Frage ist für Netzbetreiber bedeutsam. Denn idealerweise könnten die Kabel ersetzt werden, bevor sie kaputt gehen.

Die Forscher um Prof. Dr.-Ing. habil. Christian Weindl, Fakultät Elektrotechnik und Informatik, wollen herausfinden, wie man den Zustand und die Restlebensdauer von Mittelspannungskabeln am besten bestimmen kann. Sie untersuchen insbesondere sogenannte Papier-Massekabel, also Kabel, die mit öl- bzw. massegetränkten Papierschichten isoliert sind.

In einem vorgelagerten Langzeitversuch untersuchte das Forschungsteam die Kabelalterung bereits erfolgreich unter Laborbedingungen. Dabei ließ es Mittelspannungskabel in einem beschleunigten Prozess künstlich altern, um Parameter ableiten zu können, die auf das baldige Lebensende eines Kabels hindeuten.

Gemeinsam mit der Firma Baur Prüf- und Messtechnik GmbH entwickelte das Forschungsteam jetzt einen Kabeldiagnosewagen, den Mitarbeiter der N-ERGIE Service GmbH für erste Untersuchungen nutzen. Bis 2018 werden sie rund 250 Kabelstrecken im Mittelspannungsnetz analysieren. Besonderes Interesse gilt dabei den zahlreichen Mischkabelstrecken, also Kabelstrecken, die in Teilen aus Papier-Massekabeln sowie in Teilen aus neueren Kabeln mit einer Isolierung aus vernetztem Polyethylen (VPE) bestehen. Der Straßenbelag muss für die Feldmessungen an den Erdkabeln nicht aufgerissen werden. Mit dem Diagnosefahrzeug können die Untersuchungen direkt an einem Umspannwerk oder an einer Trafostation durchgeführt werden.

„Die Feldmessungen laufen sehr gut an. Das hochgenaue Messsystem, das wir entwickelt haben, bewährt sich im praktischen Einsatz. Die Ergebnisse liegen in einem Bereich, der die Erkenntnisse unseres Laborversuchs bestätigt“, resümiert Prof. Dr. Weindl.

Das Messsystem besteht aus zahlreichen Komponenten, die im Zuge des Forschungsprojekts entwickelt wurden. Bei Frequenzen von 0,1 und 50 Hertz werden damit die Verlustfaktoren ermittelt, die Aufschluss über den Zustand der Kabelstrecken geben. Die Ergebnisse der Messungen ergänzen die bereits bestehende Datenbank, die mit ihrer großen Zahl an Vergleichswerten den Entscheidungsprozess für einen möglichen Austausch maßgeblich unterstützen wird.

„Die Messungen, die wir derzeit vornehmen, sind ein weiterer Schritt hin zu einem Datenbanksystem, das uns zukünftig die Wahrscheinlichkeit eines Ausfalls besser abschätzen lässt“, sagt Stefan Link, der bei der Main-Donau Netzgesellschaft für das Netzmanagement in der Region Nürnberg zuständig ist.

Das Forschungsprojekt war zunächst an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg angesiedelt und ging nach dem Wechsel von Prof. Weindl an die Hochschule Coburg über.

Externer Link: www.hs-coburg.de

Lichtgesteuerte Mittler

Presseinformation der LMU München vom 26.07.2016

LMU- und EMBL-Forscher haben lebenswichtige zelluläre Botenstoffe mit einem optischen Schalter ausgestattet. Das ermöglicht ihnen detaillierte Einblicke in die komplexen Kommunikationsnetzwerke des Stoffwechsels.

Zellen reagieren auf Reize von außen und geben die Signale im Inneren weiter. Eine zentrale Schaltstellen nehmen dabei sogenannte sekundäre Botenstoffe wie die Diacylglyceride (DAG) ein: Indem die Zelle ihre Konzentration verändert, setzt sie damit intrazelluläre Signalketten in Gang. Auf diese Weise sind die Diacylglycerole (DAG) an der Regulation einer ganzen Reihe lebenswichtiger Stoffwechselprozesse wie zum Beispiel der Insulinsekretion beteiligt. Um das komplexe Signalnetzwerk der Botenstoffe en detail untersuchen zu können, geht ein Team um Dirk Trauner, Professor für Chemische Biologie und Genetik an der LMU, und Carsten Schultz vom European Molecular Biology Laboratory (EMBL) in Heidelberg nun einen neuen Weg: Sie konnten drei der Diacylglycerole mit einem molekularen Schalter koppeln, der auf Licht reagiert. Mit dieser Konstruktion ist es nun möglich, die entsprechenden Signalwege im Experiment mit UV-Licht präzise zu steuern.

Diacylglycerole sind im Organismus weit verbreitet. Mehr als 50 Varianten davon gibt es in menschlichen Zellen. Die Moleküle interagieren sowohl mit der Zellmembran als auch mit löslichen Proteinen innerhalb der Zelle. Die in die Diacylglyceride eingebauten Fotoschalter „ändern ihre Struktur je nach Wellenlänge des Lichts, dem sie ausgesetzt sind“, sagt James Frank, Mitarbeiter in Trauners Team und Erstautor des Papers. Die lichtsensitiven Hybridmoleküle sind im Dunkeln inaktiv und werden erst durch die Bestrahlung mit UV-Licht aktiviert. Bestrahlung mit Blaulicht macht den Effekt wieder rückgängig. „Interessanterweise konnten wir auch Eiweiße, die Diacylglycerin binden, mit Licht von einem Ort in der Zelle zu einem anderen steuern – einfach durch einen Lichtblitz“ ergänzt Carsten Schultz. Die drei Diacylyglyceride, die Trauners Team umgestaltet hat, greifen in wichtige Stoffwechselprozesse ein, unter anderem in die Hormonausschüttung der Bauchspeicheldrüse und in die Signalübertragung zwischen Nervenzellen. Diese Prozesse konnten die Forscher im Experiment nun mit Licht steuern. „Im Modellorganismus Caenorhabditis elegans, einem kleinen Fadenwurm, konnten wir die Reizübertragung an neuromuskulären Synapsen sogar in vivo durch UV-Licht steigern“, sagt Trauner.

Publikation:
Nature Chemical Biology 2016

Externer Link: www.uni-muenchen.de

Doppelschlag gegen Bakterien und Viren: Wirkstoff hemmt Aids-Erreger und resistente MRSA-Bakterien zugleich

Pressemitteilung der Universität des Saarlandes vom 11.07.2016

Eine neuartige Substanzklasse wirkt sowohl gegen den AIDS-Erreger HIV als auch gegen antibiotikaresistente MRSA-Bakterien. Diese beiden Krankheitserreger treten häufig gemeinsam auf. Künftig – so die Hoffnung der Entdecker – könnten sie mit einem einzigen Medikament bekämpft werden. Wissenschaftler des Helmholtz-Instituts für Pharmazeutische Forschung Saarland (HIPS) haben sogenannte duale Wirkstoffe entwickelt, die das Wachstum beider Erreger hemmen. Ihre Erkenntnisse darüber beschreiben sie in der Fachzeitschrift Journal of Medicinal Chemistry. Das HIPS ist der Saarbrücker Standort des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) mit Hauptsitz in Braunschweig. Es wurde im Jahr 2009 gemeinsam vom HZI und der Universität des Saarlands gegründet.

Das Humane Immundefizienz-Virus HIV gehört zu den gefährlichsten und verbreitetsten Krankheitserregern weltweit. 37 Millionen Menschen tragen HIV in sich; im Jahr 2014 starben 1,2 Millionen daran. Mittlerweile lassen sich die Vermehrung des Erregers und das Fortschreiten der Krankheit zwar durch eine Kombinationstherapie aufhalten, doch zunehmend entwickeln die Viren Resistenzen und sprechen nicht mehr auf die eingesetzten Medikamente an.

Ähnlich hartnäckig zeigen sich die berüchtigten MRSA-Bakterien, methicillinresistente Staphylococcus aureus-Stämme, gegen die mittlerweile viele gängige Antibiotika unwirksam sind. Gerade HIV-Patienten, deren Immunsystem durch ihre Krankheit geschwächt ist, werden vielfach noch zusätzlich von MRSA-Keimen befallen. Solche sogenannten Koinfektionen sind äußerst problematisch und schwierig zu behandeln. „Sowohl bei den Viren als auch bei den MRSA-Bakterien sind Resistenzen gegen die gängigen Therapien verbreitet – das macht es besonders kompliziert, die Koinfektion in den Griff zu bekommen“, erklärt der Prof. Rolf Hartmann, Leiter der Abteilung Wirkstoffdesign und Optimierung am Helmholtz-Institut für Pharmazeutische Forschung Saarland (HIPS). „Zudem muss man genau auf die Wechselwirkungen zwischen den verabreichten Medikamenten achten.“

Hier könnten die Ureidothiophen-Carbonsäuren Abhilfe schaffen. Hinter diesem komplizierten Namen verbirgt sich eine Klasse von Molekülen, die Chemiker und Biowissenschaftler am HIPS jetzt um einige neue Varianten erweitert haben. Darunter finden sich neuartige Wirkstoffe, die die Vermehrung sowohl von HIV als auch von MRSA effektiv blockieren. Das Interessanteste daran: „Bisher bekannte resistente Stämme – sowohl bei den Viren als auch bei den Bakterien – sind empfindlich gegen unsere dualen Wirkstoffe“, erklärt Walid Elgaher vom HIPS. „Eine schädliche Wirkung auf menschliche Zellen konnten wir bislang nicht feststellen.“

Viren und Bakterien sind zwar biochemisch sehr unterschiedlich, dennoch lässt sich der Effekt, dass ihr Wachstum durch einen einzigen Wirkstoff gehemmt werden kann, schlüssig erklären. Sowohl die HI-Viren als auch die Bakterien benutzen für Wachstum und Vermehrung bestimmte spezialisierte Enzyme, um ihre Erbinformation „umzucodieren“ und gewissermaßen von einer Schreibweise in eine andere zu übertragen. Die entsprechenden Enzyme – Eiweißmoleküle mit katalytischer Wirkung – sind sich in Funktion und Aufbau ähnlich.

Bei den Bakterien übersetzt das Enzym RNA-Polymerase die Erbinformation von Desoxyribonucleinsäure (DNA) in Ribonucleinsäure (RNA), die dann wiederum den Bauplan für die wichtigsten Bestandteile ihrer Zelle enthält. Der AIDS-Erreger HIV benötigt für seinen Lebenszyklus das Enzym Reverse Transkriptase, das den umgekehrten Prozess auslösen und RNA in DNA umwandeln kann.

Dass die RNA-Polymerase bestimmter Bakterien und die Reverse Transkriptase des AIDS-Erregers ähnliche chemische Bindungsstellen aufweisen – und damit möglicherweise auch gemeinsam blockiert und lahmgelegt werden könnten – war Wissenschaftlern bereits vor einigen Jahren aufgefallen. Am HIPS in Saarbrücken nutzte man diese Erkenntnis: „Wir haben mehrere Substanzen entwickelt, die die RNA-Polymerase von Bakterien wie den MRSA hemmen können“, erklärt der Forscher Dr. Jörg Haupenthal. „Diese haben wir dann weiter optimiert, sodass sie auch an die sehr ähnlichen Bindungsstellen der HI-Viren andocken und sie dadurch blockieren.“

Die Wissenschaftler hoffen, dass sich ihre Entdeckung künftig einmal für die klinische Anwendung nutzen lässt. „Dazu muss allerdings sorgfältig geklärt werden, ob die Substanzen auch in der Zelle und letztlich im menschlichen Patienten wirksam sind und ob sie nicht doch unerwünschte Nebenwirkungen haben“, erklärt Rolf Hartmann. „Das erfordert umfangreiche Studien und Entwicklungsarbeiten.“

Originalpublikation:
Walid A. M. Elgaher, Kamal Kant Sharma, Jörg Haupenthal, Francesco Saladini, Manuel Pires, Eleonore Real, Yves Mély, and Rolf W. Hartmann: Discovery and Structure-Based Optimization of 2 Ureidothiophene-3-Carboxylic Acids as Dual Bacterial RNA Polymerase and Viral Reverse Transcriptase Inhibitors. J. Med. Chem. DOI: 10.1021/acs.jmedchem.6b00730

Externer Link: www.uni-saarland.de

Achtung, der Roboter braucht Hilfe!

Presseaussendung der TU Wien vom 19.07.2016

Menschen sind bereit, einem Roboter zu helfen, wenn er sein Anliegen verständlich kommuniziert. Ein Forschungsprojekt der TU Wien untersucht die Kooperation zwischen Mensch und Maschine.

Roboter sind da um uns zu helfen, aber manchmal sind sie auch auf unsere Hilfe angewiesen. Wenn etwa der Weg des Roboters von einem unerwarteten Hindernis blockiert ist, bleibt ihm nichts anderes übrig, als einen Menschen um Unterstützung zu bitten. An der TU Wien wird untersucht, wie die Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine am besten funktioniert. Experimente zeigen, dass die meisten Menschen sogar wiederholte Roboterfehler problemlos verzeihen – vorausgesetzt der Roboter sagt klar, was er braucht, und die Störung ist leicht zu beheben. Allerdings gibt es Unterschiede je nach kultureller Herkunft der Versuchspersonen.

Wichtig sind klare Fehlermeldungen

Wie wir mit Menschen kooperieren, haben wir gelernt. Ganz automatisch können wir uns in die Situation des anderen hineinversetzen, um seine Handlungen zu verstehen. Bei Maschinen fällt uns das viel schwerer – genau deshalb entwickelt man Aggressionen, wenn der Computer aus unerkennbarer Ursache zum dritten Mal abstürzt. Wenn wir nicht wissen, was da vor sich geht, dann ärgern wir uns.

„Wesentlich ist, dass der Roboter seinen Systemstatus klar und verständlich kommuniziert, dann akzeptieren wir auch Fehler“, sagt Astrid Weiss. Sie ist Soziologin, ausgezeichnet mit einem Hertha-Firnberg Stipendium, und forscht am Institut für Automatisierungs- und Regelungstechnik der TU Wien in der Arbeitsgruppe Vision4Robotics unter der Leitung von Prof. Markus Vincze. In ihrer Forschung überträgt sie Konzepte aus der Soziologie auf die Interaktion zwischen Mensch und Maschine, um die Zusammenarbeit zu verbessern und bestehende Kommunikationsprobleme zwischen Menschen und Robotern genauer zu verstehen.

Simulierte Fehler

In einer Reihe von Experimenten, die Astrid Weiss gemeinsam mit dem Doktoranden Markus Banjones durchführte, mussten Versuchspersonen mit Hilfe eines Roboters Aufgaben lösen. Verwendet wurde dafür Hobbit, ein Haushalts-Hilfsroboter, der an der TU Wien entwickelt wurde und sich durch eine Kamera und ausgeklügelte Bildverarbeitungssoftware selbstständig im Raum orientieren kann. Die Versuchspersonen wussten allerdings nicht, dass immer wieder ein Mensch aus dem Nebenzimmer das Kommando über den Roboter übernahm und gezielt Fehler produzierte. Der Roboter wandte sich dann mit der Bitte um Hilfe an die Menschen: „Ich stecke fest“, hieß es dann, oder „ich habe die Orientierung verloren – bitte schieben Sie mich in die richtige Richtung.“

Die Versuchspersonen halfen bereitwillig. Meistens war es die Person, die dem Roboter zuletzt einen Befehl erteilt hatte, die sich zuständig fühlte, den Roboter wieder auf die richtige Bahn zu lenken. „Solche Beobachtungen können wir nutzen, um Algorithmen zu entwickeln, mit denen der Roboter in Zukunft entscheidet, wen er um Hilfe bittet“, sagt Astrid Weiss.

Nach den Experimenten wurden die Versuchspersonen darüber befragt, wie sie die Zusammenarbeit mit dem Roboter empfunden haben, ob sie den Roboter als hilfreich oder sogar als liebenswert einstufen würden. Erstaunlicherweise gaben manche Versuchspersonen an, es habe überhaupt keine Probleme gegeben. Ein leicht behebbarer Fehler des Roboters wird gar nicht erst als Funktionsstörung betrachtet, sondern als normaler Teil der Zusammenarbeit hingenommen. Auch wiederholte Störungen wurden verziehen, wenn die Versuchspersonen das Gefühl hatten, vom Roboter klar und verständlich über die Probleme informiert worden zu sein.

Kulturelle Unterschiede

Untersucht wurde auch, ob es Unterschiede zwischen Versuchspersonen aus Österreich, den USA und Japan gibt – mit erstaunlichen Ergebnissen: Während amerikanische und österreichische Testpersonen ähnliches, fehlertolerantes Verhalten zeigten, waren die Versuchspersonen aus Japan kritischer. „In Japan wird eher der Standpunkt vertreten, dass eine Maschine einwandfrei funktionieren soll – und wenn nicht, dann erwartet man, dass eine Fachkraft die Sache in Ordnung bringt“, sagt Astrid Weiss. „Das Konzept, dass Endnutzer den Roboter unterstützen sollen, ist dann weniger naheliegend.“ (Florian Aigner)

Externer Link: www.tuwien.ac.at