Undichte Verpackungen vermeiden

Presseinformation (Forschung Kompakt) der Fraunhofer-Gesellschaft vom 28.04.2016

Ist die Verpackung von Lebensmitteln oder gar Medikamenten bereits beim Kauf undicht, nimmt das Image des Herstellers Schaden. Ein Dünnschicht-Temperatursensor erlaubt es Unternehmen künftig, potenziell undichte Verpackungen schnell und zuverlässig bereits im Herstellungsprozess zu entdecken und auszusortieren.

»Drei Cola-Fläschchen, eine Lakritzschnecke und zwei saure Zungen«, so bestellten Kinder früher mit ihrem Taschengeld am Kiosk. Heute kaufen Kinder Bonbons und Gummibärchen in Tüten verpackt im Supermarkt. Und nicht nur die: Weltweit produzieren Unternehmen pro Jahr rund eine Billion Folienverpackungen für Nahrungsmittel, Kosmetik-, Pharma- und Technikprodukte. 90 Prozent dieser Verpackungen werden mit Wärmekontaktverfahren hergestellt, sprich mit heißen Werkzeugen versiegelt. Dabei kann es vorkommen, dass Füllmaterial in die Siegelnaht gelangt und diese dann undicht ist. Bisher können Hersteller die Verpackungen meist nur stichprobenartig kontrollieren. Landen undichte Lebensmittelverpackungen im Supermarkt – oder unsauber verschlossene medizinische Produkte in Apotheken –, kann das die Produktqualität oder die -haltbarkeit beeinträchtigen und für die Hersteller zu einem Imageschaden führen.

Dünnschichtsensor überwacht Verpackungsprozess inline

Forscherinnen und Forscher der Fraunhofer-Institute für Werkstoffmechanik IWM in Freiburg und für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV, Dresden haben ein Verfahren entwickelt, mit dem sich undichte Verpackungen künftig deutlich reduzieren, wenn nicht sogar ganz vermeiden lassen: Ein Dünnschicht-Temperatursensor direkt auf der Siegelschiene erlaubt eine Inline-Überwachung des Verpackungsprozesses. »Statt den bisherigen stichprobenartigen Tests können Hersteller damit jede einzelne Verpackung überprüfen«, bestätigt Alexander Fromm, Projektleiter der Gruppe »Funktionale Schichtmaterialien« des IWM. »Sie haben somit eine deutlich höhere Sicherheit, dass alle Lebensmittel- oder Medikamentenverpackungen dicht verschlossen sind. Zudem entfallen aufwändige, nachgelagerte Prüfschritte.«

Beispiel Bonbonverpackungen: Bislang klemmen zwei beheizte Siegelschienen einen Folienschlauch ein, schmelzen den Kunststoffverbund teilweise auf und versiegeln auf diese Weise die Packung. Die Bonbons werden eingefüllt, der Schlauch an der passenden Stelle von den Werkzeugen geklemmt und auf die gleiche Weise per Heißsiegeln geschlossen. Danach schneidet ihn ein Messer ab. Wie gut die Siegelnaht hält, hängt vor allem von der Temperatur der Siegelschienenoberfläche ab: Ist sie zu heiß, verbrennt die Folie. Ist sie zu kalt, verschweißen die Folienbereiche nicht fest genug miteinander. Das Ergebnis ist in beiden Fällen gleich: Die Verpackung ist undicht. Die Hersteller betreiben daher einen enormen Aufwand, um solchen Fehlern auf die Schliche zu kommen. So werden einige Verpackungen stichprobenartig im Wasserbad überprüft, aufsteigende Luftblasen weisen dann auf eine Undichtigkeit hin.

Ende der Stichproben

Aber es geht auch anders. »Wir bringen die Temperatursensoren direkt auf der Siegelschiene auf und erhalten somit bei jedem Siegelvorgang eine unmittelbare Information zu jeder Packungseinheit«, erläutert Gregor Wendt, Wissenschaftler am IVV Dresden. Ist die Temperatur zu hoch oder zu niedrig, kann dies an der Maschine sofort nachgeregelt werden – noch bevor zahlreiche undichte Verpackungen vom Band gelaufen sind. Auch ein eingeklemmtes Produkt, etwa ein in die Naht gerutschtes Bonbon, erkennt die Inline-Qualitätsprüfung zuverlässig. Das Prinzip: Schweißen die Siegelschienen die Folien zusammen, nehmen diese einen Teil der Wärme der Schienen auf. Die Schiene kühlt also ein wenig ab. Wie weit die Temperatur sinkt, hängt von der eingeklemmten Masse ab: Hat sich ein Bonbon in die Nahtzone verirrt, nimmt dieses ebenfalls einen Teil der Wärme auf – die Schiene kühlt stärker ab als ohne eingeklemmtes Füllgut. Das System ist sehr sensitiv: Sogar Kaffeepulver in der Naht kann es erkennen  – schneller und empfindlicher als bisher im Siegelprozess genutzte Sensoren.

Beim Sensor selbst setzen die Beschichtungs-Spezialisten auf Thermoelemente, die sie über etablierte Dünnschicht-Verfahren herstellen: Sie dampfen dabei die verschiedenen Materialien des Thermoelements im Vakuum direkt auf die Siegelschiene auf. Der entstehende Sensor ist mit einigen hundert Nanometern Schichtdicke extrem dünn und besitzt eine sehr kurze Ansprechzeit. Am IWM entwickeln die Forscherinnen und Forscher angepasste Schutzschichten für spezifische industrielle Anwendungen. Ihre Kolleginnen und Kollegen vom IVV Dresden integrieren mit Sensoren bestückte Siegelschienen in die Verpackungsanlagen und kümmern sich um die Kontaktierung des Sensors.

An einem Laborsiegelgerät konnte das Forschungsteam bereits zeigen, dass der Siegelprozess mit integriertem Dünnschichtsensor funktioniert. In weiteren Schritten erarbeiten die Wissenschaftler derzeit Lösungen, um diese Technik für gängige Werkzeuge in der industriellen Fertigung und die damit verbundenen hohen Taktzahlen und unterschiedlichen Folienmaterialien anzupassen.

Externer Link: www.fraunhofer.de

Den Ring schließen

Presseinformation der LMU München vom 27.04.2016

Wie Bakterien sich teilen, ist bisher nicht vollständig klar. LMU-Physiker zeigen jetzt, dass sich Proteine bei hoher Dichte von selbst zu Ringen zusammenschließen können. Sie schnüren die Mutterzelle ein und teilen sie so in Tochterzellen.

Das Abschnüren besiegelt die Trennung: Bakterien vermehren sich mithilfe eines Proteinrings, der sich in der Zellmitte wie ein Gummiband zusammenzieht und die Mutterzelle in zwei Tochterzellen teilt. LMU-Physiker um Erwin Frey, Inhaber des Lehrstuhls für Biologische und Statistische Physik, haben nun mithilfe von mathematischen Modellierungen untersucht, welche Mechanismen die Entstehung dieses sogenannten Z-Rings steuern. Dabei haben die Forscher einen ganz neuen Mechanismus der Musterbildung entdeckt: Die Simulationen zeigen, dass sich die ringbildenden Proteine von einer gewissen Moleküldichte an von selbst organisieren und zu Ringen zusammenschließen. „Aus biologischer Sicht ist dies hoch interessant, weil es ein völlig neues Licht auf die bisher nicht verstandene Dynamik der bakteriellen Zellteilung wirft“, sagt Frey. Über ihre Ergebnisse berichten die Wissenschaftler im Fachmagazin Physical Review Letters.

Der Z-Ring besteht aus sogenannten FtsZ-Proteinen, die sich zu gekrümmten Polymeren zusammenschließen, wie Experimente auf künstlichen Membranen zeigten. Diese Polymere können ihre Position verändern, indem einzelne Proteinbausteine aktiv umverteilt werden: Am Anfang des Proteins werden neue Bausteine angebaut, während am Polymerende Proteine wieder entfernt werden. Durch diesen sogenannten „Tretmühleneffekt“ scheint das Polymer über die Membran zu kriechen. „Unter bestimmten Versuchsbedingungen bilden die Polymere nach einiger Zeit Cluster, die sich zu rotierenden Ringen zusammenschließen“, sagt Jonas Denk, gemeinsam mit Lorenz Huber Erstautor der Studie. „Interessanterweise haben diese Ringe in etwa den Durchmesser einer Bakterienzelle“.

Rotierende Cluster

Den Wissenschaftlern gelang es nun, diesen ungewöhnlichen Effekt mithilfe von mathematischen Modellen zu simulieren, die die Krümmung der Polymere und ihre damit verbundene Kreisbewegung berücksichtigen. Als weiterer Parameter ging in die Simulation ein, dass sich die Polymere gegenseitig abstoßen, es also kein „Übereinanderlaufen“ der Polymere gibt. „Unsere zentrale Frage war, welcher Mechanismus die Bildung der ringförmigen Muster antreibt“, sagt Huber. Die Simulationen haben nun gezeigt, dass die Dichte der Polymere – also die Teilchenzahl – der entscheidende Faktor ist: Sind nur wenige Teilchen vorhanden, gibt es kaum Wechselwirkungen und die einzelnen Polymere bleiben voneinander separiert. Steigt die Teilchenzahl jedoch, kollidieren die Polymere miteinander. Als Folge der Kollisionen und der Kreisbewegung der einzelnen gekrümmten Polymere gruppieren sich die Polymere dann zu Clustern zusammen, die einen dichten rotierenden Ring bilden.

Nach Ansicht der Wissenschaftler legen ihre Ergebnisse nahe, dass auch die Bildung des Z-Rings in Bakterienzellen auf dieser Selbstorganisation der FtsZ-Polymere beruht – dass also die Proteindichte auch in lebenden Zellen die treibende Kraft ist, über die die Zelle die Ringbildung steuert. Ein solches sich selbst antreibendes System wäre ein völlig neuartiger Mechanismus der Ringbildung, der sich grundlegend davon unterscheidet, wie etwa in eukaryotischen Zellen Zellwände abgeschnürt werden: „Dort sind für diesen Prozess bestimmte Motorproteine essenziell, die sich an die Zellwände anheften und richtig ziehen“, sagt Denk. Zusätzlich zu ihrer biologischen Bedeutung seien diese Ergebnisse auch aus mathematisch-physikalischer Sicht hoch interessant, erklärt Huber: „Die Phänomenologie unseres Modells unterscheidet sich stark von konventionellen Klassen angetriebener oder aktiver Teilchen. Seine mathematische Beschreibung führt zu einer verallgemeinerten Version einer komplexen Gleichung, die im Zusammenhang mit Phänomenen wie der bakteriellen Turbulenz und der Musterbildung in allgemeinen, nichtlinearen Systemen eine Rolle spielt.“

Publikation:
Physical Review Letters 2016

Externer Link: www.uni-muenchen.de

Ionenkanal-Forschung erhöht die Sicherheit von Arzneimitteln

Pressemeldung der Universität Wien vom 12.04.2016

Neue Aminosäure von Arzneistoffrezeptor an Kaliumkanal des Herzmuskels identifiziert

Am Department für Pharmakologie und Toxikologie der Universität Wien untersuchen WissenschafterInnen seit Jahren den Öffnungs- und Schließmechanismus von so genannten Ionenkanälen. Diese bestimmen u.a. die Kontraktion des Herzmuskels: Kalzium löst die Kontraktion aus, Kalium sorgt für die anschließende Entspannung. Ionenkanäle sind damit wichtige Angriffspunkte zahlreicher Medikamente: Die Erforschung dieser Proteine hilft festzustellen, ob Medikamente im Körper unerwünschte Störungen des Herzrhythmus‘ auslösen können. Nun konnten die ForscherInnen eine weitere wichtige Aminosäure identifizieren. Ihre Erkenntnisse publizieren sie in der renommierten Fachzeitschrift „Scientific Reports“.

Wenn das Herz schlägt, strömen zunächst depolarisierende Natrium- und Kalziumionen durch Ionenkanäle der Herzzellen. Der Einstrom von Kalzium löst eine Kontraktion aus und ein anschließender Kaliumausstrom sorgt dafür, dass sich das Potential an der Zellmembran wieder dem Ruhepotential annähert.

Der wichtigste Kaliumkanal für diese Repolarisation ist der sogenannte HERG-Kaliumkanal. Bekannt wurde dieser Kanal, weil er durch eine Vielzahl unterschiedlichster Arzneistoffe blockiert werden kann, was wiederum schwere Herzrhythmusstörungen auslöst. Wenn neue Wirkstoffe diesen Kanal hemmen, wird die Arzneistoffentwicklung häufig eingestellt, weswegen der HERG-Kanal auch als „drug killer“ bezeichnet wird. Bisher konnten WissenschafterInnen sechs Aminosäuren in der Kanalpore identifizieren, die wahrscheinlich den Rezeptor für diese unterschiedlichen Arzneistoffe bilden.

Priyanka Saxena, einer Studentin des Doktoratskollegs „Ionenkanäle und Transporter als molekulare Drug Targets (MolTag)“, ist es nun am Department für Pharmakologie und Toxikologie der Universität Wien gelungen, eine weitere wichtige Aminosäure zu identifizieren: Phenylalanin 557 ist eine neue Bindungsdeterminante, die eine wichtige Rolle bei der Hemmung von HERG-Kanälen durch Arzneistoffe spielt. Diese neuen Erkenntnisse beruhen auf einer theoretischen Vorhersage der Molecular Modelling Gruppe des Departments. Anna Weinzinger: „Die Hypothese, dass auch andere Aminosäuren an der Interaktion mit HERG-Blockern beteiligt sind, haben wir bereits vor einigen Jahren aufgestellt. Eine Kombination von molekularem Modeling, gerichteter Mutagenese und direkten Messungen von Ionenströmen durch mutierte HERG-Kanäle von Priyanka Saxena machte den Beweis möglich. Spannend ist, dass sich Phenylalanin in Position 557 nicht in der Kanalpore befindet, wo bisher der Rezeptor für Kanalblocker vermutet wird, sondern sozusagen in einer Seitentasche des Moleküls.“

„Da die Interaktion von Arzneistoffkandidaten mit dem HERG-Kanal in industrieller Forschung häufig zunächst in silico, d.h. an Computermodellen des Kanals getestet wird, müssen diese Modelle weltweit durch die von uns vorhergesagte Aminosäure (Phenylalanin 557) ergänzt werden. Da es sich um einen sehr wichtigen Teil des Arzneistoffrezeptors handelt, können Aussagen an Computermodellen künftig mit höherer Präzision erfolgen. Diese Arbeit hat einen wesentlichen Beitrag zur Erhöhung der Sicherheit künftiger Arzneistoffe geleistet“, schließt Steffen Hering, Leiter des Doktoratskollegs.

Publikation:
New potential binding determinant for hERG channel inhibitors: P. Saxena, E.-M. Zangerl-Plessl, T. Linder, A. Windisch, A. Hohaus, E. Timin, S. Hering & A. Stary-Weinzinger;
Scientific Reports, April 2016;
DOI: 10.1038/srep24182

Externer Link: www.univie.ac.at

Motor aus einem Atom

Pressemeldung der Universität Kassel vom 15.04.2016

Physiker der Universität Kassel und der Universität Mainz bauen die kleinste Wärmekraftmaschine der Welt; sie arbeitet mit einem einzelnen Atom.

Das Wissenschaftsmagazin Science berichtet in seiner aktuellen Ausgabe über eine neuartige Wärmekraftmaschine, die mit nur einem einzelnen Atom funktioniert. Es handelt sich um Experimente, die unter Leitung von Univ.-Prof. Dr. Kilian Singer, Leiter des Fachgebiets Experimentalphysik I an der Universität Kassel, noch in seiner Zeit an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) aufgebaut und in Zusammenarbeit mit theoretischen Physikern der Universität Erlangen-Nürnberg durchgeführt wurden.

Seit der industriellen Revolution spielen Wärmekraftmaschinen in unserer Gesellschaft eine entscheidende Rolle. Sie wandeln thermische Energie in mechanische Arbeit um, wie zum Beispiel in Fahrzeugen, und sind aus unserem modernen Leben nicht mehr wegzudenken. Gleichzeitig führt die Miniaturisierung zu immer kleineren technischen Geräten.

Die Wissenschaftler um Prof Dr. Kilian Singer nutzen eine sogenannte Paul-Falle, um ein einzelnes, elektrisch geladenes Kalzium-Atom zu speichern. Das Atom kann durch elektrisches Rauschen geheizt und mittels Laserstrahlen gekühlt werden. Dadurch durchläuft es einen thermodynamischen Kreisprozess, vergleichbar mit den Abläufen im Zylinder eines klassischen Motors. Die erzeugte Leistung wird in eine Schwingung des Atoms umgesetzt. Somit spielt das Atom die Rolle des Motors und des Energie-speichers gleichermaßen.

In ausführlichen Messreihen konnten die Physiker das thermodynamische Verhalten des Motors charakterisieren. Wie die Forscher nun in ihrer Veröffentlichung zeigen, liefert der Ein-Atom-Motor eine Leistung von 10-22 Watt und hat eine Effizienz von 0,3 Prozent. Normiert man die Leistung der Einzelatommaschine auf die geringe Masse eines Atoms, ist ihre Leistung vergleichbar mit der eines Automotors. „Durch die Umkehr des Kreisprozesses können wir die Maschine als einatomigen Kühlschrank betreiben und damit gekoppelte Nanosysteme kühlen“, teilt Johannes Roßnagel, Erstautor der Studie, dazu mit.

Besonders wichtig an diesen Forschungen ist aber, dass die Realisierung eines solchen Nanomotors einen Einblick in die Thermodynamik einzelner Teilchen erlaubt, ein hochaktuelles Forschungsgebiet. In Zukunft ist geplant, die Arbeitstemperatur der Maschine weiter abzusenken und thermodynamische Quanteneffekte zu untersuchen. Theoretische Arbeiten haben vorgeschlagen, die Leistung einer Wärmekraftmaschine durch die Kopplung an ein Quantenbad zu steigern. So bieten sich vielfältige Möglichkeiten, über die Paradigmen der klassischen Thermodynamik hinauszugehen und neuartige Motoren zu bauen.

Das Projekt wurde gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft im Rahmen des Projektes „Einzelionenwärmekraftmaschine“ und durch die Volkswagenstiftung im Rahmen des Projektes „Atomarer Nanoassembler“.

Veröffentlichung:
Johannes Roßnagel et al.
A single-atom heat engine
Science, 15. 4. 2016
DOI: 10.1126/science.aad6320

Externer Link: www.uni-kassel.de