IT-basierte Verfahren zum optimalen Einsatz von Rettungskräften im Katastrophenfall

Pressemitteilung der Universität Regensburg vom 01.06.2015

Forscher entwickeln Modelle zur Entscheidungsunterstützung

Eine effektive Koordination von Rettungsaufgaben nach Naturkatastrophen, technischen Unfällen oder von Menschenhand verursachten Notlagen ist sehr wichtig. Katastrophenmanagement ist aber eine komplexe Aufgabe, die unter hohem Zeitdruck und bei unsicherer Informationslage zu bewältigen ist. Forscher der Universität Regensburg haben nun IT-basierte Verfahren entwickelt, um Entscheidungsträger dabei zu unterstützen, den optimalen Einsatz der zur Verfügung stehenden Rettungskräfte sicherzustellen. Die Verfahren konnten in mehreren Computerexperimenten überzeugen.

Insbesondere Naturkatastrophen wie Erdbeben, Tsunamis, Überschwemmungen oder Vulkanausbrüche fordern jedes Jahr Tausende von Menschenleben und verursachen enorme infrastrukturelle und damit auch wirtschaftliche Schäden. So schätzt man die weltweit durch Naturkatastrophen verursachten Schäden in den Jahren von 2000 bis 2009 auf fast eine Million Menschenleben und 1.000 Milliarden US-Dollar. Erschreckend kommt hinzu, dass dabei den betroffenen – oft ohnehin schon wirtschaftlich schwachen Bevölkerungsschichten – eine weitere Verschlechterung der Lebens- und Arbeitsverhältnisse bis hin zur Armut droht. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie ein systematisches Katastrophenmanagement künftig verbessert werden kann. Denn die bisherigen – meist immer noch manuell durchgeführten – Verfahren erwiesen sich in der Vergangenheit nicht selten als ineffektiv.

Ein Regensburger Forscherteam um Prof. Dr. Guido Schryen vom Institut für Wirtschaftsinformatik hat deshalb untersucht, ob der Einsatz von IT-basierten Systemen zur Entscheidungsunterstützung zu einem effektiveren Katastrophenmanagement führt und auf diese Weise Schäden vermieden oder reduziert werden können. Den Wissenschaftlern ging es vor allen Dingen darum, Entscheidungsvorschläge für den effektiven Einsatz von Rettungskräften im Katastrophenfall automatisiert erstellen zu können. Vergleichbare Ansätze sind bislang kaum zu finden.

Im Katastrophenfall richten Hilfsorganisationen normalerweise – speziell für das jeweilige Unglück – ein Emergency Operations Center (EOC) ein, das auch für die Koordination der zur Verfügung stehenden Rettungskräfte zuständig ist. Für die Entwicklung ihrer IT-basierten Verfahren haben die Regensburger Forscher deshalb Interviews mit den entsprechenden Experten des Technischen Hilfswerks (THW) durchgeführt. Zudem werteten sie die vorhandene Literatur zum Katastrophenmanagement und zum Operations Research aus. Auf dieser Grundlage konnten die Wissenschaftler die zentralen Charakteristika des Koordinierungsproblems im Katastrophenfall erfassen.

Im Anschluss ging es darum, formale Modelle zu entwickeln, die die elementaren Charakteristika der praktischen Probleme am Computer abbilden. Zudem mussten Lösungsmethoden in Form von Algorithmen konzipiert und auf dem Rechner implementiert werden. Kernziel war neben dem optimalen Einsatz der zur Verfügung stehenden Rettungskräfte eine exakte Terminplanung für das Katastrophenmanagement – auch bezogen auf eventuelle Ereignisse und Störfälle im Rahmen der Zusammenarbeit der einzelnen Akteure, die unter unterschiedlichen Bedingungen eintreten könnten.

Die neuen IT-gestützten Verfahren wurden schließlich in mehreren Computerexperimenten mit Best-Practice-Beispielen verglichen und bewertet. Die Ergebnisse des Regensburger Forscherteams zeigen, dass Entscheidungsträger im Katastrophenfall maßgeblich von IT-basierten Methoden profitieren können. Gerade der Einsatz solcher Entscheidungsunterstützungsverfahren und -systeme für Emergency Operations Center ist demnach lohnenswert, um Rettungsaktionen effektiver zu organisieren sowie Personen rascher bergen und humanitär versorgen zu können.

Die Herausforderung besteht jetzt nach Ansicht von Prof. Schryen darin, die Entscheidungsunterstützungsverfahren in der Praxis zu etablieren und mögliche Anwender von deren Nützlichkeit zu überzeugen. Darüber hinaus müssen sich die Systeme auch im realen Einsatz beweisen und in einem Erfahrungs- und Lernprozess ständig angepasst und verbessert werden.

Die Ergebnisse der Regensburger Forscher erscheinen in den internationalen Fachzeitschriften „European Journal of Operational Research“ und „Business & Information Systems Engineering“. Vorab-Versionen sind online verfügbar. (Alexander Schlaak)

Externer Link: www.uni-regensburg.de

Basler Physiker entwickeln Methode zur effizienten Signalübertragung aus Nanobauteilen

Medienmitteilung der Universität Basel vom 22.05.2015

Physiker haben eine innovative Methode entwickelt, die den effizienten Einsatz von Nanobauteilen in elektronische Schaltkreisen ermöglichen könnte. Sie entwickelten dazu eine Anordnung, bei der ein Nanobauteil mit zwei elektrischen Leitern verbunden ist. Diese bewirken eine hocheffiziente Auskopplung des elektrischen Signals. Die Wissenschaftler vom Departement Physik und dem Swiss Nanoscience Institute der Universität Basel haben ihre Ergebnisse zusammen mit Kollegen der ETH Zürich in der Fachzeitschrift «Nature Communications» publiziert.

Elektronische Bauteile werden immer kleiner. In Forschungslabors werden bereits Bauelemente von wenigen Nanometern hergestellt, was ungefähr der Grösse von zehn Atomen entspricht. Dank der Miniaturisierung lassen sich zahlreiche elektronische Komponenten auf kleinstem Raum unterbringen, womit sich die Leistungsfähigkeit der Elektronik in Zukunft weiter steigern lassen wird.

Wissenschaftlerteams untersuchen weltweit, wie sich solche Nanobauteile mithilfe von Kohlenstoff-Nanoröhrchen herstellen lassen. Diese Röhrchen besitzen einzigartige Eigenschaften – sie leiten hervorragend Wärme, können mit hohen Stromstärken belastet werden und eignen sich als Leiter oder Halbleiter. Allerdings ist die Signalübertragung zwischen einem Kohlenstoff-Nanoröhrchen und einem sehr viel grösseren elektrischen Leiter noch immer problematisch, da grosse Teile des elektrischen Signals durch die sogenannte Reflexion verlorengehen. Dabei wird ein Teil des Signals zurückgeworfen.

Antireflex erhöht die Effizienz

Ein ähnliches Problem stellt sich bei Lichtquellen in einem Glasobjekt. Da sehr viel Licht von den Wänden reflektiert wird, dringt nur ein kleiner Teil des Lichts nach aussen. Dagegen kann eine Antireflexbeschichtung an den Wänden dienen.

Ganz analog sind die Basler Wissenschaftler um Prof. Christian Schönenberger nun in der Nanoelektronik vorgegangen. Sie entwickelten eine Antireflexeinheit für elektrische Signale, um die Reflexion, die beim Übergang von Nanobauteilen in grössere Schaltkreise stattfindet, zu reduzieren. Dazu schufen sie eine spezielle Anordnung von elektrischen Leitern bestimmter Länge, die mit einem Kohlenstoff-Nanoröhrchen gekoppelt sind. Die Forscher konnten somit ein hochfrequentes Signal aus dem Nanobauteil effizient auszukoppeln.

Unterschiedliche Scheinwiderstände sind das Problem

Die Kopplung von Nanostrukturen mit wesentlich grösseren Leitern gestaltet sich schwierig, da sie sehr unterschiedliche Scheinwiderstände, sogenannte Impedanzen, aufweisen. Je grösser der Unterschied der Impedanzen zwischen zwei leitenden Strukturen ist, desto grösser ist der Verlust beim Übergang. Zwischen Nanobauteilen und makroskopischen Leitern ist der Unterschied so gross, dass ohne Gegenmassnahmen kein Signal übertragen wird. Die Antireflexeinheit vermindert diesen Effekt und passt die Scheinwiderstände einander an, was zu einer effizienten Kopplung führt. Damit sind die Wissenschaftler dem Ziel, Nanobauteile zur Signalübertragung in elektronischen Bauelementen zu gebrauchen, einen entscheidenden Schritt näher gekommen.

Orginalbeitrag:
V. Ranjan, G. Puebla-Hellmann, M. Jung, T. Hasler, A. Nunnenkamp, M. Muoth, C. Hierold, A. Wallraff & C. Schönenberger
Clean carbon nanotubes coupled to superconducting impedance-matching circuits
Nature Communications (2015), doi: 10.1038/ncomms8165

Externer Link: www.unibas.ch

Schmerz lass nach

Presseinformation der LMU München vom 26.05.2015

LMU-Wissenschaftlern ist es gelungen, eine Serie von Molekülen zu entwickeln, mit denen Schmerzempfindungen lichtabhängig gesteuert werden können.

Sei es der Griff auf die heiße Herdplatte oder der Biss in eine Chilischote: Der Rezeptor TRPV-1 spielt bei der anschließenden Schmerzempfindung eine wichtige Rolle. Er wird hauptsächlich in schmerzwahrnehmenden Nervenzellen gebildet und von mehreren chemischen und physikalischen Reizen aktiviert – neben Chilischärfe und Hitze unter anderem auch durch elektrische Spannung, Spinnengifte und Säuren. „Auf Licht reagiert er von Natur aus allerdings nicht“, sagt Dirk Trauner, Professor für Chemische Biologie und Genetik, dem es nun mit seinem Team trotzdem gelang, diesen Schmerzrezeptor mithilfe lichtsensitiver Moleküle präzise steuerbar zu machen.

Der Neurorezeptor TRPV-1 ist in die Zellmembran eingebaut und schleust als Kationenkanal positiv geladene Ionen in das Zellinnere, wenn er aktiviert wird. Damit verschiebt sich die Ladungsverteilung zwischen Innen und Außen und es entsteht ein elektrischer Reiz, durch den das Schmerzsignal weitergeleitet wird. „TRPV-1 wird auch von zahlreichen Lipiden aktiviert, insbesondere von Fettsäuren mit einem bestimmten Strukturelement, einer sogenannten Vanilloid-Kopfgruppe“, sagt Trauner, „der Grad der Aktivierung ist dabei von Länge und Sättigungsgrad der Fettsäuren abhängig und sehr variabel“. Diese Eigenschaft macht die Fettsäuren zu einem idealen Ausgangsstoff, um Fotoschalter zu entwickeln, die TRPV-1 mithilfe von Licht unterschiedlich stark stimulieren.

Bibliothek für Fotoschalter

Trauners Team gelang es, einen Fotoschalter in die Fettsäurekette einzubauen, der seine Struktur je nach Wellenlänge des Lichts, dem er ausgesetzt ist, ändert. „Dadurch designten wir eine ganze Bibliothek verschiedener lichtsensitiver Fettsäuren die als Bausteine für komplexe fotoschaltbare Fette dienten“, sagt Trauner. „Durch die Modifizierung dieser Bausteine mit einer Vanilloid-Kopfgruppe synthetisierten wir eine Serie aus sechs Verbindungen, die wir AzCAs nannten und die eine abgestufte lichtgesteuerte Kontrolle des Schmerzrezeptors möglich machten“.

Die neuen Moleküle können die von schmerzregulierenden Neuronen weitergeleiteten Signale mit bisher unerreichter Präzision steuern. Möglicherweise eröffnen sie daher neue Chancen in der Schmerztherapie, etwa um den Ionenkanal für Lokalanästhetika zu öffnen, oder um Nervenzellen durch einen Dauerreiz abzustumpfen und unempfindlicher zu machen. Dass die Reizweiterleitung auch in komplexen Geweben beeinflusst werden kann, konnten die Forscher in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe von Gary Lewin (Max-Delbrück Centrum, Berlin) im Tiermodell bereits zeigen. „Zusätzlich zur Präzision beeindruckte uns besonders auch die Geschwindigkeit der Reaktion“, sagt Trauner. Die Substanz Capsaicin, die der Chilischote ihre Schärfe gibt, etwa aktiviert TRPV-1 ebenfalls, baut aber im Vergleich zu den AzCas ihre Wirkung nur langsam auf und muss wieder ausgeschieden werden, bevor TRPV-1 zum Ausgangszustand zurückkehren kann. Im Gegensatz dazu können die AzCAs in ihrem deaktivierten Zustand eingebracht und dann mit ultraviolettem Licht aktiviert werden. Ein blauer Lichtblitz schaltet das Molekül wieder aus, sodass die Schmerzempfindung wie mit einem Lichtschalter an- und ausgeschalten werden kann.

Als nächsten Schritt wollen die Wissenschaftler ihre neuen fotoschaltbaren Moleküle in noch komplexeren neuronalen Systemen sowie in vivo testen. „Außerdem arbeiten wir an der Entwicklung von Fotoschaltern, die auf Rotlicht reagieren und uns so ermöglichen würden, tieferliegende Gewebeschichten zu erreichen“, sagt Trauner, „ein weiteres Projekt ist es, unsere lichtsensitiven Fettsäure-Bausteine auch in komplexere Lipide einzubauen und so möglicherweise auch andere Proteine und Zellfunktionen optisch zu kontrollieren“. (göd)

Publikation:
Nature Communications 2015

Externer Link: www.uni-muenchen.de

Neues Druckverfahren bringt dreidimensionale Objekte zum Leuchten

Presseinformation des KIT (Karlsruher Institut für Technologie) vom 12.05.2015

Ingenieuren des KIT und der Franz Binder GmbH ist es erstmals gelungen, Elektrolumineszenz-Leuchtschichten per Tampondruckverfahren auf gekrümmte Flächen aufzubringen.

Herkömmliche Leuchtfolien – Elektrolumineszenz(EL)-Folien – sind nur bis zu einem gewissen Grad biegbar und lassen sich leicht auf ebene Flächen aufbringen. Das am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) in Zusammenarbeit mit der Firma Franz Binder GmbH & Co. entwickelte neue Verfahren ermöglicht es, dreidimensionale Bauteile direkt mit elektrolumineszenten Schichten zu bedrucken. EL-Bauelemente könnten beispielsweise bei Stromausfällen die Sicherheit in Gebäuden erhöhen. Weitere Anwendungsmöglichkeiten sind Displays und Armbanduhren oder die effektvolle Gestaltung von Räumen. Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt hat das Entwicklungsprojekt mit 125.000 Euro gefördert.

„Durch den innovativen Herstellungsprozess, den wir mit unserem Industriepartner gemeinsam entwickelt haben, lässt sich jede Art von dreidimensionalem Untergrund preiswert mit elektrolumineszenten Leuchtschichten versehen“, sagt Dr.-Ing. Rainer Kling vom Lichttechnischen Institut des KIT. Während sich bei EL-Trägerfolien das lumineszente Material zwischen zwei Kunststoffschichten befindet, ermöglicht es das neue Druckverfahren, Elektrolumineszenz ohne einen Zwischenträger direkt auf den Gegenstand aufzubringen. So lassen sich konvexe und konkave Flächen unterschiedlichster Materialien vom Papier bis zu Kunststoffen zum Leuchten bringen.

Die verschiedenen Komponenten der Beschichtung – darunter das elektrolumineszente Material und das elektrisch leitfähige Material – werden in dem neuen Verfahren mittels Tampondruckverfahren aufgebracht. Die herkömmlicherweise in der Druckindustrie eingesetzte Maschine hat einen elastischen Tampon aus Kautschuk, der sich gut verformen lässt und sich deshalb hervorragend zum Beschichten gewölbter Flächen eignet.

„Auf diese Weise lassen sich preiswert und einfach über die ganze Oberfläche homogene Schichten auftragen, sogar auf einer Kugel“, betont die an dem Forschungsprojekt beteiligte Diplom-Ingenieurin Elodie Chardin. „Das Erreichen der Homogenität der etwa einen Zehntel Millimeter dicken Schicht war eine der Herausforderungen des Vorhabens“, erläutert die leitende Diplom-Ingenieurin des Industriepartners Elisabeth Warsitz. Das Verfahren erfordert nur wenige Produktionsschritte und ist dadurch ressourcenschonend. Durch das Verwenden verschiedener Leuchtstoffe lassen sich – auch auf derselben Fläche – unterschiedliche Farben aufbringen.

Die rund zwei Jahre dauernde Forschung und Entwicklung am KIT in Kooperation mit dem in Neckarsulm ansässigen Unternehmen Franz Binder Elektrische Bauelemente wurde durch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt mit 125.000 Euro unterstützt. Die Stiftung fördert Vorhaben zum Schutz der Umwelt unter besonderer Berücksichtigung der mittelständischen Wirtschaft. Nach der erfolgreichen Entwicklung des prototypischen Druckverfahrens für EL-Schichten sind am Lichttechnischen Institut der Fakultät für Elektrotechnik und Informationstechnik am KIT weitere Forschungsarbeiten zum Optimieren des innovativen Herstellungsprozesses für EL-Leuchtschichten geplant. (afr)

Externer Link: www.kit.edu