Die Glasfaser, in der das Licht stehenbleibt

Presseaussendung der TU Wien vom 09.04.2015

Ein wichtiger Schritt für die Quanten-Datenübertragung gelang an der TU Wien: Photonen in einer Glasfaser können durch Atome auf die Geschwindigkeit eines Schnellzugs abgebremst und für kurze Zeit sogar gestoppt werden.

Licht ist ein sehr nützliches Instrument für die Quantenkommunikation, doch es hat einen entscheidenden Nachteil: Es bewegt sich normalerweise mit Lichtgeschwindigkeit und kann nicht festgehalten werden. Ein Forschungsteam der TU Wien hat nun gezeigt, dass sich dieses Problem beheben lässt – und zwar nicht bloß in exotischen Quantensystemen, sondern in den bereits existierenden Glasfasernetzwerken.

Durch die geschickte Kopplung von Atomen an die Glasfaser konnte das Licht auf 180 km/h verlangsamt werden. Es gelang sogar, das Licht für kurze Zeit komplett anzuhalten und dann wieder abzurufen. Diese Technik ist eine wichtige Voraussetzung für ein zukünftiges Glasfaser-basiertes Quanten-Internet, in dem man Quanten-Information über große Distanzen teleportieren kann.

Lichtpulse, langsamer als ein Schnellzug

Im freien Raum ist die Lichtgeschwindigkeit immer gleich groß – ungefähr 300 Millionen Meter pro Sekunde. Schickt man Licht durch ein Medium wie Glas oder Wasser, wird es durch seine Wechselwirkung mit dem Medium allerdings ein bisschen abgebremst. „Bei unserem System ist dieser Effekt extrem, weil wir gezielt eine äußerst starke Wechselwirkung zwischen Licht und Materie erzeugen“, sagt Prof. Arno Rauschenbeutel (Atominstitut der TU Wien / Vienna Center for Quantum Science and Technology). „Die Geschwindigkeit des Lichts in unserer atombesetzten Glasfaser beträgt bloß 180 km/h – der Railjet der Österreichischen Bundesbahn ist schneller.“

Quantenkommunikation im bestehenden Glasfaser-Netz

„Es gibt heute verschiedene Ansätze, Information quantenphysikalisch zu übertragen“, sagt Dr. Clément Sayrin (ebenfalls TU Wien). „Glasfasern sind eine technologisch besonders interessante Variante – schließlich gibt es bereits ein weltweites Glasfasernetz, über das wir täglich Daten austauschen.“ An der TU Wien wurden Cäsium-Atome an eine ultradünne Glasfaser gekoppelt. Wenn das Atom das Licht eines Lasers absorbiert, kann es von einem Zustand niedriger Energie in einen Zustand höherer Energie übergehen – vorausgesetzt, die Energie des absorbierten Photons entspricht der Energiedifferenz zwischen den beiden Zuständen. Das Problem ist dabei allerdings, dass auf diese Weise „gespeichertes“ Licht nicht kontrolliert wieder abgerufen werden kann.

Im Experiment wurde deswegen zusätzlich noch ein Kontroll-Laser verwendet, der den Zustand höherer Energie an einen dritten Atomzustand koppelt. „Durch das Zusammenspiel dieser drei Zustände kann man erreichen, dass ein Photon nicht mehr wie sonst einfach absorbiert und dann später zufällig wieder ausgesandt wird. Stattdessen wird die Information des Photons kontrolliert auf ein Ensemble von Atomen übertragen und für definierte Zeit festgehalten.“ Aus dem Lichtteilchen wird so eine kollektive Anregung von Atomen.

Nach zwei Mikrosekunden, einer Zeitspanne in der das Licht sonst bereits ungefähr einen halben Kilometer zurückgelegt hätte, wurden im Experiment die Atome mit Hilfe des Kontroll-Lasers dazu gebracht, das gespeicherte Licht wieder zurück in die Glasfaser zu senden. Die Eigenschaften der Photonen bleiben bei diesem Verfahren erhalten – eine wichtige Voraussetzung für die Quantenkommunikation.

Information von Lichtteilchen zu speichern ist ein wichtiger technologischer Schritt auf dem Weg zur Quanten-Kommunikation über große Distanzen. „Quantenphysikalisch kann man eine Verbindung zwischen Sender und Empfänger herstellen, die von außen nicht abgehört werden kann“, erklärt Arno Rauschenbeutel. „Die grundlegenden Gesetze der Quantenphysik verhindern, dass irgendjemand in diese Verbindung eingreift, ohne dass die beiden beteiligten Personen das bemerken.“ (Florian Aigner)

Publikation:
C. Sayrin, C. Clausen, B. Albrecht, P. Schneeweiss, A. Rauschenbeutel, Storage of fiber-guided light in a nanofiber-trapped ensemble of cold atoms, Optica.

Externer Link: www.tuwien.ac.at

technologiewerte.de – MOOCblick April 2015

Spannende Themen, herausragende Dozenten und flexible Lernmöglichkeiten tragen zum wachsenden Erfolg der Massively Open Online Courses (MOOCs) bei – offene, internetgestützte Kurse mit einer Vielzahl an Teilnehmern rund um den Globus.

Folgender Kurs – zu finden auf der MOOC-Plattform edX – sollte einen Blick wert sein:

eHealth – Opportunities and Challenges
Sabine Koch (Karolinska Institutet)
Start: 22.04.2015 / Arbeitsaufwand: 30-36 Stunden

Externer Link: www.edx.org

Zuverlässig Strom tanken

Presseinformation (Forschung Kompakt) der Fraunhofer-Gesellschaft vom 01.04.2015

Für den Erfolg der Elektromobilität sind wirtschaftliche Fahrzeuge erforderlich – und leistungsfähige Stromnetze. Die aktuellen Leitungen sind für die kommenden Lasten nicht ausgelegt. Fraunhofer-Forscher haben den Prototyp einer Software entwickelt, die Netzbetreibern künftig anzeigen soll, wie viele E-Mobile sich an ihr Ortsnetz anschließen lassen.

Die zunehmende Zahl an Elektrofahrzeugen bringt Netzbetreiber in Bedrängnis: Die Niederspannungsnetze der Haushalte sind nicht für Lasten ausgelegt, die entstehen, wenn E-Mobile zuhause mit Strom aufgeladen werden. »Ein Fahrzeug benötigt bis zu 22 Kilowatt (KW). Falls mehrere Autos gleichzeitig laden, erreichen aktuelle Netze schnell die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit«, sagt Dr. Michael Agsten vom Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung IOSB, Institutsteil Angewandte Systemtechnik AST in Ilmenau. Der Wissenschaftler hat zusammen mit seinem Team eine Software entwickelt, die Netzbetreibern anzeigt, wie viel Ladelast ihr Niederspannungsnetz verträgt. Das lässt Rückschlüsse darauf zu, wie viele Elektrofahrzeuge angeschlossen werden können, ohne dass Grenzwerte verletzt werden. Netzbetreiber können vorausschauend planen und finden Antworten auf Fragen wie: Wie ändert ein weiteres Fahrzeug die Lastverteilung? Ab welchem Zeitpunkt muss ich in die Netze investieren, um die nötige Netzkapazität bereit zu stellen? Soll ich Geld lieber in neue Kupferleitungen oder besser in intelligente Ladestationen stecken? Ein Prototyp ist während des Projekts »Gesteuertes Laden 3.0« entstanden, das vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) gefördert wird. »Die IT-Plattform funktioniert mit Testdaten im Labor bereits sehr gut. Im nächsten Schritt wollen wir reale Verteilernetze analysieren«, so Agsten.

Schnelle Stichprobenanalyse

Die Software bildet nach, wie viele Ladevorgänge sich realisieren lassen, ohne dass die vorgeschriebenen normativen oder betrieblichen Grenzwerte verletzt werden. Üblicherweise werden 150 und mehr Haushalte von einer Ortsnetzstation versorgt. Unter der Annahme, dass ein Teil der Haushalte zukünftig ein E-Mobil besitzen wird und dieses zu einer beliebigen Zeit lädt, entsteht eine unvorstellbar hohe Zahl an Ladeszenarien. Der Grund: Es ist schlicht nicht vorsehbar, welcher Haushalt zu welchem Zeitpunkt ein Elektrofahrzeug laden wird. »Es ist unmöglich, das in adäquater Zeit auszurechnen«, so Agsten. Die Forscher simulierten ihr Modell deshalb mit der »Monte-Carlo-Methode«, einem Verfahren aus der Stochastik. Dabei wird versucht, eine möglichst heterogene Gruppe von Kombinationen zu erzeugen. Deren Anzahl ist wesentlich kleiner, als die Gesamtzahl aller möglichen Kombinationen. »1000 bis 10 000 Fälle lassen sich schneller analysieren und ergeben trotzdem einen sehr guten Näherungswert«, sagt Agsten. Innerhalb weniger Sekunden zeigt die Software an, wie hoch das Überlastungsrisiko ist und wie viel E-Mobile in einem Ortsnetz gleichzeitig geladen werden können.

Mit den Grenzwerten schützen die Verteilnetzbetreiber ihre elektrischen Netze vor langfristigen Schäden und akuten Ausfällen. In Deutschland gibt es etwa 560.000 Ortsnetze, die auf circa 800 Verteilernetzbetreiber aufgeteilt sind. Jeder Betreiber ist für den zuverlässigen und stabilen Betrieb seines Verteiler- und Ortsnetzes verantwortlich und muss im Bedarfsfall durch Maßnahmen wie den Ausbau und intelligente Steuerung die notwendigen Kapazitäten bereitstellen. Um manuell auszurechnen, wie viel E-Mobile jedes einzelne Netz verträgt, haben die Unternehmen nicht genug Personal. Das wäre darüber hinaus auch mit einem hohen wirtschaftlichen Aufwand verbunden. Wie oft und wie viele Haushaltsgeräte wie Waschmaschinen, Herde, Fernseher oder Computer gleichzeitig angeschaltet sein dürfen, war schnell berechnet. Nur in Ausnahmefällen wurden die üblichen Obergrenzen – je Hausanschluss bis zu 44 KW/63A – erreicht. Das Laden der Elektrofahrzeuge war jedoch bisher nicht eingeplant. »Das führt zu signifikant höheren Lasten bei den betreffenden Haushalten und das Problem verschärft sich, wenn mehrere E-Mobile zu unterschiedlichen Zeiten zuhause geladen werden«, so Agsten. Die Kennwerte Spannungshaltung, thermische Belastung der Betriebsmittel und Unsymmetrie der Spannung verändern sich in Abhängigkeit der zeitlich und räumlich verteilten, volatilen Last durch Elektrofahrzeuge. Mit jedem weiteren Elektrofahrzeug vergrößert sich die Anzahl möglicher Kombinationen zeitlich und räumlich verteilter gleichzeitiger Ladesituationen. Die aktuellen Abläufe der Prüfung und Installation können nicht alle Randbedingungen vor Ort berücksichtigen. »Bei einem stetigen Wachstum ist es für die Netzbetreiber zukünftig wichtig, frühzeitig zu wissen, wie viel Spielraum noch zur Verfügung steht. Andernfalls werden sie es nur dann erfahren, wenn sich ihre Kunden bei Problemen direkt melden«, sagt Agsten.

Die Plattform des IOSB setzt am Niederspannungsnetz an, der untersten Ebene des elektrischen Übertragungs- und Verteilernetzes. Es verbindet die Steckdosen der Haushalte über mehrere Netzstufen mit den Hoch- und Höchstspannungsnetzen, in welchen ein weiter steigender Anteil an fluktuierenden Erneuerbaren Energien zu erwarten ist. E-Mobile könnten diese Schwankungen ausgleichen, denn sie lassen sich auch als Stromspeicher nutzen. »Aber nur, wenn das Stromnetz ihren Anschluss zulässt«, so Agsten.

Externer Link: www.fraunhofer.de

Mit Blaulicht gegen Männersorgen

Medienmitteilung der ETH Zürich vom 20.03.2015

Männerproblem ernst genommen: ETH-Wissenschaftler entwickeln eine Biotech-Lösung gegen Erektionsstörungen. Diese besteht aus einem Genkonstrukt und blauem Licht.

Unter Männern sind Erektionsstörungen ein Tabuthema. Keiner spricht gerne darüber. Fakt ist: Mit zunehmenden Alter leiden immer mehr Männer unter der sogenannten erektilen Dysfunktion. Ab dem 30. Lebensjahr nimmt die Zahl derer, die keine oder unvollständige Erektionen haben, stetig zu. Bei den über 60-jährigen sind bereits über die Hälfte aller Männer von Erektionsstörungen betroffen.

Als Hauptursachen für erektile Dysfunktion gelten Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, Hormonstörungen, Nervenerkrankungen und Nebenwirkungen von Medikamenten. Aber auch eine Querschnittlähmung führt dazu, dass Patienten keine Erektionen mehr haben.

Manch einer greift daher zur «blauen Pille», um die erektile Dysfunktion zu beheben. Doch Viagra hilft nur, die Erektion zu verlängern, nicht aber, diese auszulösen. Damit «er» steht, haben Forscher um Martin Fussenegger, Professor für Biotechnologie und Bioingenieurwissenschaften am Departement Biosysteme (D-BSSE) in Basel, nun eine neuartige biotechnische Lösung entwickelt: eine Gentherapie, die zuverlässig Erektionen auslöst.

Erektion ohne sexuelle Stimulation

Dabei wird ein Genkonstrukt in den Schwellkörper des Penis gespritzt. Dieses Konstrukt reagiert auf blaues Licht. Sobald es diesem ausgesetzt wird, wird ein Vorläufermolekül (Guanosintriphosphat (GTP)) in den Botenstoff zyklisches Guanosinmonophosphat (cGMP) umgewandelt. Dieser kommt auch natürlicherweise in zahlreichen Organen des Menschen vor. Er sorgt dafür, dass sich spannungsabhängige Kalziumkanäle schliessen. Dadurch sinkt in den Zellen der Kalziumpegel, die Muskelzellen erschlaffen und der Blutfluss in den Schwellkörper nimmt zu. Der Penis wird steif. Danach baut ein Enzym cGMP langsam ab, sodass die Erektion mit der Zeit abklingt.

Dank dem Genkonstrukt wird die Produktion von cGMP nicht durch sexuelle Erregung stimuliert, sondern direkt durch die Bestrahlung des Schwellkörpers mit blauem Licht. «Dadurch umgehen wir die gewohnte sexuelle Stimulation, die eine ganze Kaskade von Signalen im Körper auslöst, und schliesslich zur Erektion führt», sagt Fussenegger. Bei erektiler Dysfunktion kommt es bei normaler sexueller Stimulierung nicht zu einer Erektion.

Tiertests erfolgreich

Getestet haben die Forscher ihre neue Entwicklung an Rattenmännchen, denen das Genkonstrukt in den Schwellkörper injiziert wurde. Mit gutem Erfolg. Das blaue Licht wirkte in den meisten Fällen wie ein Schalter, mit dem sich die Erektion der Ratten «anknipsen» liess. Bei einigen Tieren führte die Stimulation bis zur Ejakulation.

«Das System der Erektion ist bei allen Säugetieren sehr ähnlich», sagt Martin Fussenegger. Er ist deshalb davon überzeugt, dass das Genkonstrukt auch bei Menschen funktionieren wird. Offenbar sei dieses System sehr früh in der Stammesgeschichte entstanden und habe sich erhalten. «Auch Viagra funktioniert bei Ratten. Es verlängert wie beim Menschen die Intensität der Erektion»

Grosses Bedürfnis der Betroffenen

Nebenwirkungen dürfte diese Art von Gentherapie kaum haben, schätzt der ETH-Professor. «Das Injizieren des Genkonstrukts sollte kein Hemmnis für potenzielle Anwender sein, da bereits heute Injektionen in den Schwellkörper zur Standardtherapie bei erektiler Dysfunktion gehören», so Fussenegger. Der Schwellkörper sei ziemlich schmerzunempfindlich; zudem sei er vom normalen Blutkreislauf weitgehend abgekoppelt. Die Gefahr, dass das Genkonstrukt an andere Stellen im Körper gelangt, ist daher sehr gering. Überdies wird cGMP relativ rasch wieder abgebaut. Mit Viagra liesse sich zudem die Erektion verlängern, sodass eine allfällige Gentherapie mit diesem Medikament ergänzt werden könnte.

Eine Erektion künstlich auszulösen entspricht laut Fussenegger einem grossen Bedürfnis der Patienten, die an erektiler Dysfunktion leiden. «Dies haben mir verschiedene Ärzte bestätigt», sagt der ETH-Professor. Auch dürften nicht alle Betroffenen Viagra schlucken, um sexuell aktiv zu werden, zum Beispiel bei bekannter Herzschwäche.

An diesem Genkonstrukt haben die Basler ETH-Forscher vier Jahre lang gearbeitet. Vorderhand liegt es als Prototyp vor. Versuche an Menschen wurden bisher nicht unternommen. Fussenegger rechnet jedoch damit, dass sich das Prinzip dieses Genkonstrukts auch beim Menschen durchsetzen wird, da das System sehr einfach und kostengünstig in der Anwendung ist. «Bevor es zur Anwendung kommt, braucht es auf jeden Fall klinische Tests, die sehr aufwändig sind. Wir suchen aktiv nach Industriepartnern für die klinische Umsetzung unserer Technologie.»

Publikation:
Kim T, Folcher M, Douad-El Baba M, Fussenegger M. A synthetic erectile optogenetic stimulator (EROS) enabling blue-light-inducible penile erection. Angew. Chem. Int. Ed. Engl. Published online 19th March 2015. DOI: 10.1002/anie.201412204

Externer Link: www.ethz.ch