Beben auf mikroskopischer Skala

Presseaussendung der TU Wien vom 07.06.2022

Winzige Vibrationen verwendet man heute oft in der Sensortechnik. An der TU Wien wurde nun gezeigt: Auf besonders kleinen Größenskalen dominiert ein unerwarteter Effekt.

Eine Stimmgabel besteht aus zwei Armen, die in Schwingung versetzt werden und unten miteinander gekoppelt sind. So ähnlich kann man sich auch Sensoren vorstellen, die auf mikromechanischen Schwingungen beruhen – nur eben viel kleiner. Je nach Größenskala spricht man dann von MEMS (von mikroelektromechanischen Systemen) oder, wenn sie noch kleiner sind, von NEMS (von nanoelektromechanischen Systemen).

Die Kopplung zwischen den schwingenden Strukturen spielt dabei eine zentrale Rolle. Wie sich nun zeigte, verhält sich diese Kopplung auf winzigen, mikroskopischen Größenskalen aber ganz anders als man das von größeren Objekten gewohnt ist: Ausschlaggebend sind dann akustische Wellen, die sich nur an der Oberfläche des Sensorchips ausbreiten. Hendrik Kähler von der TU Wien gelang es nun, diese Wellen-Kopplung mathematisch zu beschreiben. Seine Arbeit soll nun die Grundlage für neuartige Mikro-Sensortechnik werden.

Schwingungen als vielseitige Messmethode

Viele wichtige Größen kann man mit schwingenden Mikrosystemen messen – etwa die Masse von Partikeln. „Wenn eine Mikrostruktur in Schwingung versetzt wird und sich dann ein Partikel auf dieser Struktur anlagert, dann ändert sich ihre Schwingungsfrequenz“, erklärt Hendrik Kähler vom Institut für Sensor- und Aktuatorsysteme der TU Wien, der derzeit im Forschungsteam von Prof. Silvan Schmid an seiner Dissertation arbeitet. Eine Änderung der Schwingungsfrequenz lässt sich sehr präzise messen – und daraus kann man dann beispielsweise auf die angelagerte Masse zurückschließen.

„Die Technik ist sehr vielseitig anwendbar, und in den letzten Jahren zeigte sich ein anhaltender Trend zur Miniaturisierung hin zu Strukturen mit Dimensionen deutlich kleiner als ein Mikrometer“, sagt Hendrik Kähler.

Die Folge ist, dass man das Verhalten der Strukturen auf andere Weise beschreiben muss als bisher. Wenn mehrere schwingende Strukturen auf demselben Sensorchip befestigt sind, dann beeinflussen sie einander. Wenn sie groß sind, dann kann man sich die Kopplung zwischen ihnen vorstellen, als wären sie durch eine dehnbare Feder miteinander verbunden. Doch bei extrem hohen Frequenzen tritt eine andere Art der Kopplung auf: Die Kopplung durch akustische Oberflächenwellen.

Oberflächlich aber folgenschwer

Akustische Oberflächenwellen sind ein Phänomen, das man aus anderen Forschungsbereichen kennt – etwa aus der Erdbebenforschung. Sie breiten sich rasch aus, dringen nicht ins Innere eines Körpers ein, sondern pflanzen sich nur an der Oberfläche fort.

Ein schwingender Resonator auf einem Sensorchip verursacht ebenfalls solche Oberflächenwellen. Diese können sich auf der Oberfläche des Chips ausbreiten und erreichen den anderen Resonator. Somit wird von der Schwingung des einen Resonators eine Kraft auf den anderen Resonator ausgeübt – so entsteht eine spezielle Art von Kopplung, die nicht wie bisher durch die Mathematik dehnbarer Federn erklärt werden kann, sondern bloß durch die Mathematik von akustischen Oberflächenwellen.

Hendrik Kähler gelang es nun, diesen Kopplungseffekt theoretisch zu beschreiben. Er konnte dabei zeigen, dass sich durch die Kopplung der Energieverlust der Resonatoren stark reduzieren kann. Seine Theorie der akustischen Oberflächenwellen-Kopplung wurde nun im Fachjournal „Communications Physics“ veröffentlicht. Sie soll dazu dienen, das Verhalten besonders kleiner Nanosensoren zu verstehen und neue Sensoren zu entwickeln. (Florian Aigner)

Originalpublikation:
H. Kähler, D. Platz, S. Schmid: Surface acoustic wave coupling between micromechanical resonators; Communications Physics 5, 118 (2022).

Externer Link: www.tuwien.at

Schleim-Moleküle können Pilzinfektionen vereiteln

Medienmitteilung der Universität Basel vom 07.06.2022

Candida albicans ist ein Pilz, der die Schleimhäute der meisten gesunden Menschen besiedelt. Unter bestimmten Bedingungen kann er in eine schädliche Form übergehen und Infektionen verursachen. Forschende haben nun Moleküle im Sekret der Schleimhäute identifiziert, die den Erreger daran hindern, schädlich zu werden, und legen damit den Grundstein für eine neue Klasse von Medikamenten.

Die meisten Menschen bemerken gar nicht, dass sie einen potenziell schädlichen Erreger in sich tragen. Dass sich Candida albicans nicht bemerkbar macht, verdanken sie zum Teil einer Substanz, die normalerweise nicht hoch im Kurs steht: Schleim. Das Sekret, das alle Schleimhäute des Körpers bedeckt, hält diesen Hefepilz in Schach. Doch welche Bestandteile des Schleims genau für seine erregerhemmenden Eigenschaften verantwortlich sind, war bisher unklar.

Ein internationales Forschungsteam mit Beteiligung von Dr. Rachel Hevey von der Universität Basel und Prof. Dr. Katharina Ribbeck vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) hat diese Bestandteile identifiziert: spezialisierte Zuckermoleküle, Glykane genannt. Wie die Forschenden im Fachjournal Nature Chemical Biology berichten, können bestimmte Glykane die sogenannte Filamentierung von Candida albicans unterdrücken, also den Wechsel zur infektiösen Form.

Der Zucker im Schleim

Glykane sind ein Hauptbestandteil von Mucinen, den gel-bildenden Polymeren, aus denen Schleim besteht. Mucine enthalten viele verschiedene Glycane. Neuere Studien deuten darauf hin, dass diese spezialisierten Zuckermoleküle bestimmte Krankheitserreger im Zaum halten können.

Um zu testen, welche der mehreren hundert verschiedenen Glykane im Schleim mit Candida albicans interagieren, verglichen die Forschenden die molekulare Zusammensetzung verschiedener Schleimproben, die in Laborversuchen die Filamentbildung des Pilzes unterdrückten. Von den Glykanen, die in allen Proben am häufigsten vorkamen, synthetisierten Rachel Hevey und ihr Team am Fachbereich Pharmazeutische Wissenschaften sechs für die weitere Analyse.

«Es ist fast unmöglich, Glykane aus Schleimproben zu isolieren», sagt Hevey. «Die einzige Möglichkeit, ihre Eigenschaften zu untersuchen, besteht darin, sie zu synthetisieren. Aber das ist ein äusserst komplexes chemisches Verfahren.» Sie und ihre Kollegen gehören zu den wenigen Forschungsgruppen weltweit, die eine Methode zur Synthese dieser Moleküle entwickelt haben.

Ribbeck und ihr Team am MIT konnten anschliessend die Wirkung der synthetisierten Glykane auf Candida albicans bestätigen. In Verbindung mit Ribbecks früheren und laufenden Arbeiten an anderen Krankheitserregern sind die Forschenden überzeugt, dass Glykane der Schlüssel zu einer neuen Klasse von Medikamenten gegen Pilzinfektionen (Antimykotika) sein könnten. «Es zeichnet sich ab, dass Schleim eine umfangreiche Bibliothek kleiner Moleküle mit vielen Virulenzhemmstoffen gegen alle möglichen problematischen Erreger enthält, die nur darauf warten, entdeckt und genutzt zu werden», sagt Ribbeck.

Nicht nur für «Schleimigkeit»

In seiner schädlichen Form kann Candida Erkrankungen wie Mundsoor, vaginale Hefepilzinfektionen oder sogar eine lebensbedrohliche systemische Infektion verursachen, die das Blut, das Herz und andere Teile des Körpers angreift und in etwa 40 Prozent der Fälle tödlich verläuft. Es gibt nur wenige Antimykotika, die Behandlung dieser Infektionen bleibt also eine Herausforderung.

«Es besteht ein dringender Bedarf an neuen Antimykotika», sagt Hevey. «Lange Zeit dachte man, dass Glykane nur für die ‹Schleimigkeit› des Schleims verantwortlich sind. Jetzt sehen wir, dass sie tatsächlich den Weg für neue, dringend benötigte Medikamente gegen problematische Krankheitserreger ebnen könnten.» Das Team sucht derzeit nach Möglichkeiten, Glykane zu verschiedenen Bereichen im Körper zu bringen.

Die Erkenntnisse beruhen auf der Zusammenarbeit eines Netzwerks von Forschenden mit einzigartigem Fachwissen, darunter Prof. Dr. Micheal Tiemeyer (Complex Carbohydrate Research Center, University of Georgia), Prof. Dr. Clarissa Nobile (University of California in Merced), Prof. Dr. Richard Cummings (Harvard Medical School) und Prof. Dr. Daniel Wozniak (Ohio State University).

Die Forschung wurde vom Schweizerischen Nationalfonds, den National Institutes of Health, der National Science Foundation und dem U.S. Army Research Office über das Institute for Collaborative Biotechnologies finanziert.

Originalpublikation:
Julie Takagi et al.
Mucin O-glycans are natural inhibitors of C. albicans pathogenicity.
Nature Chemical Biology (2022), doi: 10.1038/s41589-022-01035-1

Externer Link: www.unibas.ch

Fraunhofer-Verfahren erhöht Methanausbeute von Biogasanlagen

Presseinformation (Forschung Kompakt) der Fraunhofer-Gesellschaft vom 01.06.2022

Biogasanlagen erzeugen Methan – und etwa 40 Prozent CO2, das bislang ungenutzt entweicht. Forschende des Fraunhofer-Instituts für Mikrotechnik und Mikrosysteme IMM wandeln dieses Abfallprodukt nun ebenfalls in Methan um und erhöhen die Methanausbeute von Biogasanlagen somit drastisch. Das Verfahren läuft, derzeit skaliert das Forscherteam die Demonstrationsanlage auf fünf Kubikmeter Methan pro Stunde hoch.

Deutschland ist auf dem Weg zur Klimaneutralität, bereits bis 2030 sollen die Emissionen von Kohlenstoffdioxid um 65 Prozent sinken – verglichen mit den Werten von 1990. Ein Element der Defossilisierung sind Biogasanlagen: In ihnen bauen Bakterien Biomasse unter Ausschluss von Sauerstoff zu Biogas ab, das durchschnittlich aus etwa 60 Prozent Methan und 40 Prozent CO2 besteht. Während das Biogas in Blockheizkraftwerken Strom und Wärme erzeugt oder aber auf Erdgasqualität aufbereitet ins Erdgasnetz eingespeist werden kann, entweicht das CO2 bislang ungenutzt in die Luft.

Biogas in vollem Umfang nutzen

Forscherinnen und Forscher des Fraunhofer IMM wollen dies nun ändern. »Wir wandeln das CO2 mit Hilfe von grünem Wasserstoff in Methan um«, erläutert Dr. Christian Bidart, Wissenschaftler am Fraunhofer IMM, den Ansatz des neuen Verfahrens. Das entstehende Biogas kann also nicht nur wie bisher zu etwa 60 Prozent, sondern in vollem Umfang genutzt werden. Die zugrundeliegende Reaktion ist bereits seit etwa hundert Jahren bekannt, blieb allerdings bislang meist auf Laborniveau. Erst die anstehende Energiewende rückt mögliche Anwendungen in den Fokus, die Forschenden überführen die Reaktion daher erstmals in einen industriellen Prozess.

Eine Demonstrationsanlage entwickelte das Forscherteam bereits im Projekt ICOCAD I: Diese wandelt einen Kubikmeter Biogas pro Stunde in einen Kubikmeter Methan um, ihre thermische Leistung beträgt zehn Kilowatt. Im Folgeprojekt ICOCAD II skalieren die Forschenden diese Anlage derzeit auf die fünffache Größe, also auf eine thermische Leistung von 50 Kilowatt. Eine der Herausforderungen, die dabei auf der Agenda stehen: der hochdynamische Prozess. Denn die Strommenge, die aus Wind- und Photovoltaikanlagen erzeugt wird, schwankt stark – und damit auch die Menge des grünen Wasserstoffs, der mittels Strom in Elektrolyseuren aus Wasser gewonnen wird. Die Anlage muss also schnell auf schwankende Mengen an Wasserstoff reagieren können. Zwar wäre auch eine Speicherung von Wasserstoff möglich, jedoch aufwändig und teuer. »Wir arbeiten daher daran, die Anlage flexibel zu gestalten, um die Speicherung von Wasserstoff möglichst zu umgehen«, sagt Bidart. Dazu gehören unter anderem CO2-Speicher: Denn die Menge an CO2, das aus den Biogasanlagen strömt, ist gleichbleibend.

Entwicklung effizienter Katalysatoren

Eine weitere Herausforderung lag in der Entwicklung effizienter Katalysatoren für die Reaktion. Die Forschenden des Fraunhofer IMM haben dafür eine Mikrobeschichtung aus Edelmetallen verwendet. Das Prinzip: Wasserstoff und Kohlenstoffdioxid strömen durch zahlreiche Mikrokanäle, in denen sie miteinander reagieren können und deren Wände mit einer Beschichtung des Katalysators versehen sind. »Auf diese Weise können wir die Kontaktfläche der Gase mit dem Katalysatormaterial vergrößern und die benötigte Katalysatormenge reduzieren«, weiß Bidart. Im Reaktionsreaktor werden zahlreiche solcher Mikrostrukturen übereinandergestapelt.

Weitere Skalierungen geplant

Derzeit arbeiten die Forscherinnen und Forscher daran, die größere Anlage umzusetzen und den dynamischen Betrieb zu realisieren. 2023, so hofft das Team, könnte diese dann in Betrieb gehen und an einer Biogasanlage real getestet werden. Damit ist die Hochskalierung jedoch keineswegs abgeschlossen – schließlich sind die CO2-Mengen, die an den Biogasanlagen entstehen, groß. Bis zum Jahr 2025 planen die Forschenden daher eine Hochskalierung auf 500 Kilowatt, bis 2026 soll die Anlage gar ein bis zwei Megawatt Leistung erzeugen.

Externer Link: www.fraunhofer.de

technologiewerte.de – MOOCblick Juni 2022

Spannende Themen, herausragende Dozenten und flexible Lernmöglichkeiten tragen zum wachsenden Erfolg der Massively Open Online Courses (MOOCs) bei – offene, internetgestützte Kurse mit einer Vielzahl an Teilnehmern rund um den Globus.

Folgender Kurs – zu finden auf der MOOC-Plattform edX – sollte einen Blick wert sein:

Biorefinery: From Biomass to Building Blocks of Biobased Products
Costas Nikiforidis (Wageningen University & Research) et al.
Start: flexibel / Arbeitsaufwand: 84-140 Stunden

Externer Link: www.edx.org