Nervenstimulation mithilfe implantierbarer Mini-Solarzellen

Pressemeldung der TU Graz vom 07.04.2022

Ein internationales Forschungsteam entwickelte und testete erfolgreich ein Konzept, bei dem Nerven mit Lichtpulsen stimuliert werden. Die Methode liefert erhebliche Vorteile für die Medizin und eröffnet eine Vielzahl an Anwendungsmöglichkeiten.

Die Technologie ermöglicht vollkommen neue Arten von Implantaten, die zum Anregen von Nervenzellen eingesetzt werden können und wurde in einer Gemeinschaftsleistung von Forschenden der TU Graz, der Med Uni Graz, der Universität Zagreb und dem CEITEC (Central European Institute of Technology) entwickelt. Basis dafür sind Farbpigmente aus der Lebensmittelindustrie, wie sie beispielsweise auch in organischen Solarzellen verwendet werden. Die Pigmente werden zu einer nur wenige Nanometer dünnen Schicht aufgedampft und wandeln dort – gleich wie in organischen Solarzellen – Licht in elektrische Ladung. Nervenzellen, die an der Folie anhaften (sie werden zunächst auf die Folie pipettiert und „wandern“ darauf, Anm.), reagieren auf diese Aufladung und feuern ihrerseits elektrische Impulse, mit denen sie andere Nervenzellen anregen.

In zellbiologischen Experimenten konnten die Forschenden diesen Prozess nun erstmals nachweisen. Gezüchtete Nervenzellen, die direkt auf der Folie wuchsen, wurden durch mehrere jeweils wenige Millisekunden kurze Lichtblitze mit einer Wellenlänge von 660 Nanometern (rotes Licht) angeregt und reagierten wie erhofft: Sie erzeugten sogenannte Aktionspotenziale, die wesentlich sind für die Kommunikation zwischen Nervenzellen. Die Ergebnisse ihrer elektrophysiologischen Messungen und Computersimulationen haben die Forschenden im Fachjournal „Advanced Materials Technologies“ veröffentlicht.

Paradigmenwechsel von Metallelektroden hin zu flexiblen Folien

Korrespondierende Autorin Theresa Rienmüller vom Institut für Health Care Engineering der TU Graz spricht von einem Paradigmenwechsel: „Im Gegensatz zur derzeit gängigen Elektrostimulation mittels Metallelektroden stellen unsere Pigmentfolien eine vollkommen neue Möglichkeit dar, Nervenzellen anzuregen.“ Die Folien sind so dünn, dass sie leicht implantiert werden können. Während der Behandlung würde die Nervenzellen dann mit rotem Licht bestrahlt werden, das ohne Schaden tief in den Körper dringen kann. „Wir denken, dass kurzfristige Behandlungen zu therapeutischen Langzeiteffekten führen können. Diese Experimente werden jetzt gerade erforscht“, gibt Rainer Schindl, Elektrophysiologe am Lehrstuhl für Biophysik der Med Uni Graz und Supervisor im Projekt einen Ausblick.

Zukünftig bräuchte es also keine aufwendige Verkabelung mehr, was nach invasiven Eingriffen wiederum die Infektionsgefahr reduziert, weil keine Schläuche oder Kabel mehr aus dem Körper nach außen führen müssen. Dank ihrer organischen Beschaffenheit sind die Pigmentfolien ausgesprochen gut verträglich, sowohl für menschliche als auch für tierische Zellen.

Vielfältige Einsatzgebiete

Anwendungsmöglichkeiten sehen die Forschenden bei schweren Hirnverletzungen. Hier kann die Stimulation von Nervenzellen den Heilungsprozess beschleunigen und Komplikationen vorbeugen, indem sie „ein Absterben der Nervenzellen verhindert“, so Erstautor Tony Schmidt vom Lehrstuhl für Biophysik der Med Uni Graz. Potenzial sehen die Forschenden auch bei anderen neurologischen Verletzungen oder in der Schmerztherapie. Außerdem könne die Technologie eingesetzt werden, um neuartige Netzhaut-Implantate zu erzeugen.

Bis die Pigmentfolie den Weg in die klinische Anwendung findet, ist noch weitere Forschung nötig. Diese erfolgt unter anderem im Rahmen eines derzeit laufenden und vom FWF geförderten Zukunftskollegs (Titel: LOGOS-TBI: Light-controlled OrGanic semicOnductor implantS for improved regeneration after Traumatic Brain Injury). Rienmüller, Schindl und Schmidt geben sich zuversichtlich, dass „schon in den nächsten beiden Jahren erste Pigmentfolien implantiert werden könnten.“ (Christoph Pelzl)

Originalpublikation:
Schmidt, T., Jakešová, M., Đerek, V., Kornmueller, K., Tiapko, O., Bischof, H., Burgstaller, S., Waldherr, L., Nowakowska, M., Baumgartner, C., M. Üçal, , Leitinger, G., Scheruebel, S., Patz, S., Malli, R., Głowacki, E. D., Rienmüller, T., Schindl, R., Light Stimulation of Neurons on Organic Photocapacitors Induces Action Potentials with Millisecond Precision. Adv. Mater. Technol. 2022, 2101159.

Externer Link: www.tugraz.at

Detektion von Wasserstoff durch Glasfasersensoren

Presseinformation (Forschung Kompakt) der Fraunhofer-Gesellschaft vom 01.04.2022

Wasserstoff spielt in der deutschen Energie- und Klimapolitik eine zentrale Rolle. Kommt er zum Einsatz, sind Sicherheitsmaßnahmen von entscheidender Bedeutung. Denn im Unterschied zu anderen gasförmigen oder flüssigen Energieträgern besteht bei Wasserstoff neben einer erhöhten Brandgefahr durch Leckagen unter bestimmten Bedingungen auch Explosionsgefahr. Um die Sicherheit im Umgang mit Wasserstoff noch weiter zu erhöhen, arbeiten Forschende am Fraunhofer-Institut für Nachrichtentechnik, Heinrich-Hertz-Institut, HHI an Glasfaser-basierten Sensoren zu dessen Detektion, die herkömmlichen Sensoren in vielerlei Hinsicht überlegen sind.

Um die gesetzten Klimaziele zu erreichen und die globale Erwärmung einzudämmen, müssen alle Staaten den Anteil an fossilen Energieträgern schnellstmöglich auf ein Minimum reduzieren. Als nachhaltige Alternative wird verstärkt auf Wasserstofftechnologien gesetzt – vor allem im Produktions- und Mobilitätssektor. Überall wo mit Wasserstoff gearbeitet wird, er gelagert, transportiert und weitergeleitet wird, dürfen entsprechende Sicherheitsvorkehrungen nicht fehlen. Denn obwohl Wasserstoff nicht giftig ist, er weniger wiegt als Luft und somit nach oben steigt, kann es zu gefährlichen Situationen kommen: Überschreitet nämlich die Wasserstoffkonzentration in der Luft einen Schwellenwert von vier Prozent, was bei ausreichend Druck in einem Wasserstofftank oder bei mangelnder Belüftung eines Raumes schnell erreicht werden kann, genügt eine kleine Zündquelle, ein einzelner Funken, um eine Explosion auszulösen.

Klein, gut integrierbar und ohne immanentes Sicherheitsrisiko

Dies gilt es vorausschauend zu verhindern und Dr. Günter Flachenecker, Senior Scientist am Fraunhofer HHI, weiß, wie. An der Außenstelle Abteilung Faseroptische Sensorsysteme des Fraunhofer HHI in Goslar forscht der promovierte Physiker zusammen mit seinem Team an Möglichkeiten zur Wasserstoffdetektion mithilfe von Sensoren aus Glasfasern: »Herkömmliche Sicherheitssensoren, die zur Erfassung von Wasserstoff derzeit kommerziell verfügbar sind – das sind in der Regel katalytische Wärmetönungssensoren oder elektrochemische Zellen –, benötigen eine elektrische Stromversorgung. Beide Varianten könnten so, wenn das Gerät oder die elektrischen Zuleitungen einen Defekt aufweisen, im schlimmsten Fall selbst als Zündquelle die Explosion auslösen, die sie eigentlich verhindern sollten«, erklärt Flachenecker. »Bei unseren Glasfasersensoren besteht diese Gefahr nicht. Gleichzeitig müssen sie nicht aufwändig verkabelt werden, sind klein und lassen sich gut in verschiedenste Strukturen der zu überwachenden Anlage oder des Fahrzeugs integrieren.«

Lichtleitende Glasfasern sind aufgrund ihres geringen Durchmessers von etwa einem Viertel Millimeter und ihrer Robustheit geradezu prädestiniert für sensorische Applikationen in einer sicherheitsrelevanten Umgebung. Damit eine Glasfaser zum Wasserstoffsensor wird, muss sie an verschiedenen Stellen modifiziert werden. Hierfür werden zunächst mit einem Laser bestimmte Strukturen in den Glasfaserkern eingeprägt, sodass ein sogenanntes Faser-Bragg-Gitter entsteht – eine periodische Brechungsindexmodulation, die dafür sorgt, dass Licht bei einer bestimmten Wellenlänge reflektiert wird.

Dass die Glasfaser nun speziell auf Wasserstoff reagiert, wird erreicht, indem rund um den Glasfasermantel eine spezifische funktionelle Beschichtung aufgetragen wird: »Wir arbeiten mit katalytischen Schichten, zum Beispiel Palladium oder Palladiumlegierungen«, so Flachenecker. »Palladium hat die Eigenschaft, dass es Wasserstoff aufsaugt, ähnlich wie ein Schwamm. Sobald die beiden Stoffe aufeinandertreffen, zerfällt der Wasserstoff in seine atomaren Fragmente und die freigesetzten Wasserstoffatome dringen in das Kristallgerüst des Palladiums ein. Dies führt zu einer Dehnung in der Glasfaser, die sich über das eingebaute Faser-Bragg-Gitter augenblicklich als Veränderung in den rückgemeldeten Lichtimpulsen messen lässt. Sobald die Wasserstoffkonzentration in der Luft dann wieder abnimmt, löst sich der Wasserstoff auch wieder aus dem Palladium.« Die Beschichtung trägt dadurch also keinen Schaden davon und der Sensor kann wiederverwendet werden. Gleichzeitig funktioniere der beschriebene Vorgang nur, weil Wasserstoffatome sehr klein sind, betont Flachenecker. Andere Stoffe können auf diesem Wege nicht in die Palladiumschicht eindringen.

Potenzial in vielen verschiedenen Anwendungskontexten

Doch das ist nicht die einzige Methode, die von den Forschenden getestet wurde. So ist eine Wasserstoffdetektion auch mit Glasfasern möglich, deren Mantel weggeätzt wurde, oder mit einer sehr dünnen Schicht aus Nanopartikeln, die auf den Glasfasermantel aufgetragen werden. »Das ist eine große Spielwiese und es gibt einiges, was wir noch ausprobieren wollen«, sagt Flachenecker. »Entscheidend ist es für uns, Möglichkeiten zur Wasserstoffdetektion zu finden, die schnell genug sind, um Unfälle zu verhindern, und die zuverlässig im benötigten Empfindlichkeitsbereich reagieren. Und da sind wir aktuell auf einem sehr guten Weg.«

In der Praxis könnten die neuen Glasfasersensoren zum Beispiel integraler Bestanteil von Fahrzeugen mit Wasserstoffantrieb werden und zur Überwachung von Wasserstofftankstellen, Autowerkstätten oder Elektrolyseuren eingesetzt werden. Auch der Aufbau eines größeren Sensornetzwerks, das eine Wasserstoff-Infrastruktur an vielen Stellen gleichzeitig überwacht, ließe sich leicht umsetzen. Die Elektronik für die Messdatenaufnahme, also zum Beispiel ein Spektrometer für die optische Auswertung der Glasfasersensoren, kann räumlich beliebig weit entfernt an einem sicheren Ort installiert sein. Wird eine bestimmte Wasserstoffkonzentration überschritten und der Sensor schlägt an, so wird das je nach konkretem Anwendungsfall angebundene Alarmmanagement ausgelöst und spezifische Maßnahmen, zum Beispiel ein akustisches Warnsignal, das Schließen von Ventilen oder das Öffnen von Fenstern können in Sekundenschnelle eingeleitet werden.

Das derzeitige Forschungsprojekt unter der Leitung von Günter Flachenecker wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz gefördert und findet in Kooperation mit einem lokalen Brandschutzunternehmen statt. Es startete vor zwei Jahren und endet nach einem derzeit noch nicht abgeschlossenen Praxistest, bei dem die Glasfasersensoren in LKWs eingebaut werden, im Sommer. Anschließend ist ein Folgeprojekt geplant, in dem die neuen Sensoren noch ausführlicher getestet und weitere vorbereitende Schritte in Richtung Zertifizierung und Kommerzialisierung unternommen werden sollen. Das Ziel ist klar: Ein noch sichereres und unfallfreies Arbeiten mit Wasserstoff.

Externer Link: www.fraunhofer.de

technologiewerte.de – MOOCblick April 2022

Spannende Themen, herausragende Dozenten und flexible Lernmöglichkeiten tragen zum wachsenden Erfolg der Massively Open Online Courses (MOOCs) bei – offene, internetgestützte Kurse mit einer Vielzahl an Teilnehmern rund um den Globus.

Folgender Kurs – zu finden auf der MOOC-Plattform edX – sollte einen Blick wert sein:

Electric Cars: Technology
Pavol Bauer (TU Delft) et al.
Start: flexibel / Arbeitsaufwand: 16-20 Stunden

Externer Link: www.edx.org

Fehlender Baustein für Quantenoptimierung entwickelt

Medieninformation der Universität Innsbruck vom 25.03.2022

Optimierungsaufgaben in Logistik oder Finanzwesen gelten als erste mögliche Anwendungen von Quantenrechnern. Innsbrucker Physiker haben nun ein Verfahren entwickelt, mit dem Optimierungsprobleme auf heute bereits existierender Quanten-Hardware untersucht werden können. Sie haben dazu ein spezielles Quantengatter entwickelt.

Weltweit wird die Entwicklung von Quantencomputern vorangetrieben, und es gibt unterschiedliche Konzepte, wie das Rechnen mit den Möglichkeiten der Quantenwelt umgesetzt werden kann. Viele davon sind experimentell schon in Bereiche vorgestoßen, die auf klassischen Computern nicht mehr nachgeahmt werden können. Doch noch sind die Technologien nicht so weit, dass größere Rechenprobleme damit gelöst werden können. Die Wissenschaft sucht deshalb aktuell nach Anwendungen, die auf bereits existierenden Plattformen umgesetzt werden können. „Wir suchen nach Aufgaben, die wir auf der vorhandenen Hardware rechnen können”, sagt Rick van Bijnen vom Institut für Quantenoptik und Quanteninformation der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Innsbruck. Ein Team um Rick van Bijnen und Wolfgang Lechner schlägt nun ein Verfahren vor, mit dem Optimierungsaufgaben mit Hilfe von neutralen Atomen gelöst werden können.

Software-Lösung

Um in naher Zukunft wissenschaftlich und industriell relevante Anwendung für existierende Quanten-Hardware zu entwickeln, suchen Wissenschaftler nach speziellen Algorithmen, die strukturell mit den Stärken einer Quantenplattform übereinstimmen. „Durch dieses Co-Design von Algorithmen und experimentellen Plattformen funktionieren diese Systeme auch ohne die heute noch schwierige Fehlerkorrektur“, erläutert Wolfgang Lechner vom Institut für Theoretische Physik der Universität Innsbruck. Die Physiker setzen ihren Optimierungsalgorithmus auf neutralen Atomen um, die in optischen Pinzetten gefangen und angeordnet sind. Über die Wechselwirkung hoch angeregter Rydberg-Zustände können diese programmiert werden. Um die Grenzen bisheriger Ansätze zu vermeiden, implementieren die Physiker den Algorithmus nicht direkt, sondern verwenden die sogenannte Parity-Architektur, einen skalierbaren und problemunabhängigen Hardware-Entwurf für kombinatorische Optimierungsprobleme, den Wolfgang Lechner gemeinsam mit Philipp Hauke und Peter Zoller in Innsbruck entwickelt hat. Auf diese Weise sind für den Optimierungsalgorithmus nur problemabhängige Rechenoperationen auf einzelnen Quantenbits sowie problemunabhängige Operationen auf mehreren Quantenbits notwendig. Für diese Vier-Qubit-Operationen eine direkte und einfache Umsetzung zu finden, war die größte Herausforderung für die Innsbrucker Forscher. Sie haben dafür ein spezielles Quantengatter entwickelt. „Wir haben den Algorithmus direkt in der Sprache des Experiments umgesetzt”, erklärt Erstautor Clemens Dlaska. „So kann der Algorithmus auf aktueller Quanten-Hardware realisiert werden, indem einfach die Dauer von Laserpulsen in einer Rückkopplungsschleife optimiert wird“.

Beliebig erweiterbar

Mit dem vorgeschlagenen Konzept kann die Leistungsfähigkeit bestehender Quantenhardware bei der Lösung relevanter Optimierungsprobleme für Problemgrößen untersucht werden, die derzeit auf klassischen Supercomputern nicht simuliert werden können. Dass sowohl die Hardware-Plattform als auch die Software-Lösung ohne Modifikationen weitgehend beliebig erweitert werden kann, ist ein wichtiger Vorteil des neuen Verfahrens.

Das Innsbrucker Team hat sein neues Konzept nun in der Fachzeitschrift Physical Review Letters vorgestellt. Finanziert wurde die Forschung vom österreichischen Wissenschaftsfonds FWF, der Europäischen Union im Rahmen des PASQuanS-Projekts und der Hauser-Raspe-Stiftung.

Originalpublikation:
Quantum optimization via four-body Rydberg gates. Clemens Dlaska, Kilian Ender, Glen Bigan Mbeng, Andreas Kruckenhauser, Wolfgang Lechner, Rick van Bijnen. Phys. Rev. Lett. 128, 120503 – Published 24 March 2022

Externer Link: www.uibk.ac.at