Mobiler Unkraut-Killer in der Baumschule

Presseinformation (Forschung Kompakt) der Fraunhofer-Gesellschaft vom 01.12.2021

Fraunhofer-Forschende haben mit Partnern eine Plattform zur vollautomatischen Entfernung von Unkraut entwickelt. Das mobile Robotersystem AMU-Bot navigiert mit optischen Sensoren und entfernt Unkraut mechanisch, also ohne Einsatz von Chemie. Daneben arbeiten die Forschenden bereits an einem umfassenden, datengestützten Ökosystem für eine ressourcenschonende und umweltfreundliche Automatisierung der Landwirtschaft.

Unkraut ist auch in Baumschulen, Gemüsegärten oder Obstplantagen eine echte Plage. Gerade in den frühen Phasen des Wachstums der Nutzpflanzen nehmen die Unkräuter Licht, Wasser und Nährstoffe weg. Die Entfernung durch manuelles Hacken ist arbeitsintensiv und der Einsatz umweltschädlicher Herbizide nicht erwünscht. Nun hat das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA in Stuttgart gemeinsam mit Partnern ein mobiles, mechanisches System entwickelt, das Unkraut zuverlässig, kostengünstig und umweltfreundlich entfernt. Das autonome Raupenfahrzeug AMU-Bot (AMU, autonome mechanische Unkrautbekämpfung) fährt in der Baumschule zwischen den Reihen an den Gehölzen entlang und entfernt das Unkraut – auch Beikraut genannt – mit Kreiseleggen. Die rotierenden Messer sind an einem höhenverstellbaren Manipulator befestigt. Am Ende der Baumreihe wendet das Raupenfahrzeug und biegt selbstständig in die nächste Baumreihe ein.

Navigation mit LiDAR-Scannern

Zur Navigation setzt das Projektteam um Kevin Bregler, Fachthemenleiter Agrarrobotik der Abteilung Roboter und Assistenzsysteme, gemeinsam mit den Partnern Bosch und KommTek optische Sensoren ein. Die darin verbauten LiDAR-Scanner (Light Detection and Ranging) senden während der Fahrt kontinuierlich Laserimpulse aus, die von den Objekten in der Umgebung reflektiert werden. Aus den unterschiedlichen Laufzeiten berechnen sich die Entfernungen. So entsteht eine 3D-Punkte-Wolke der Umgebung. Das Robotersystem nutzt diese, um seinen Weg zu finden und die Position von Pflanzen oder Bäumen zu erkennen. Kevin Bregler erklärt: »Der Roboter AMU-Bot ist noch nicht in der Lage, sämtliche Pflanzen zu klassifizieren, sondern erkennt Nutzpflanzen wie Bäume und Büsche in den Reihen der Baumschulkulturen. Außerdem werden die Abstände zwischen den einzelnen Nutzpflanzen ermittelt, um auf Basis dieser Informationen die Beikräuter entfernen zu können. Der Roboter nutzt diese Daten, um durch die Reihen zu navigieren, während der Manipulator das Beikraut entfernt.«

Auch dem Beikraut in den Zwischenräumen der Pflanzen oder Bäume wird zuverlässig der Garaus gemacht. Dazu fährt der Manipulator in die Pflanzenzwischenräume ein. Das Unkraut muss nicht extra eingesammelt werden, es bleibt auf dem Boden liegen und vertrocknet. Der fahrende Unkrautkiller bewegt sich dank Raupenantrieb sehr stabil und sicher über den Boden. Auch Löcher im Boden, die entstehen, wenn in der Baumschule eine Pflanze entnommen wurde, stören ihn nicht. Die AMU-Bot-Plattform ist wirtschaftlich, robust, einfach zu bedienen und gleichzeitig hocheffizient. Die Kreiseleggen beispielsweise haben sich bereits in der Landwirtschaft bewährt. Dort dienen sie häufig zur Auflockerung des Bodens vor dem Aussäen.

Fraunhofer-Experte Bregler sagt: »Das Entfernen von Unkraut ist ein sehr aktuelles und durchaus komplexes Thema. Man kann es ausreißen, abschneiden, hacken, abflammen oder mit Herbiziden behandeln. Doch gerade in der ökologischen Landwirtschaft und in Baumschulen oder Obstplantagen sind Herbizide heute nicht mehr erwünscht. Unsere Methode verzichtet vollständig auf Chemie.«

Robust, zuverlässig und kostengünstig

Die Projektverantwortlichen haben sich bewusst für eine scheinbar einfache Lösung entschieden. »Ein System, das die verschiedenen Einzelpflanzen klassifiziert, müsste mit hochauflösenden Kameras, KI-gestützten Bilderkennungsalgorithmen und Pflanzenprofilen arbeiten, die in einer Datenbank hinterlegt sind. Solche Systeme sind aufwendiger und teurer, und sie können auch nicht ohne weiteres in neuen Kontexten arbeiten«, erläutert Bregler. Die AMU-Bot-Plattform dagegen setzt auf das ausgeklügelte Zusammenspiel dreier ausgereifter Module: Raupenfahrzeug, Navigations-System und Manipulator. AMU-Bot ist auch das Ergebnis einer funktionierenden Partnerschaft. Für Navigation und Sensorsystem ist Bosch verantwortlich, die Firma KommTek hat den Raupenantrieb entwickelt. Das Fraunhofer IPA hat den höhenverstellbaren Manipulator samt Kreiseleggen konstruiert und die Gesamtkoordination übernommen. Unterstützt wird das Projekt vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft. Projektträger ist die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung.

Die Fraunhofer-Expertinnen und -Experten planen bereits den nächsten Schritt. Gemeinsam mit sieben weiteren Fraunhofer-Instituten arbeiten IPA-Experte Kevin Bregler und sein Team an einem neuen, leistungsfähigen Ökosystem namens COGNAC (Cognitive Agriculture). COGNAC basiert auf der Vernetzung von digitalen Diensten und Daten, die auch die Wechselwirkungen zwischen Biosphäre und Produktion einbeziehen. Es kombiniert diese mit intelligenter Sensorik und Robotik. Ziel ist der Aufbau einer flexiblen und intelligenten Automatisierung einer nachhaltigen Landwirtschaft – inklusive Unkrautvernichtung.

Externer Link: www.fraunhofer.de

technologiewerte.de – MOOCblick Dezember 2021

Spannende Themen, herausragende Dozenten und flexible Lernmöglichkeiten tragen zum wachsenden Erfolg der Massively Open Online Courses (MOOCs) bei – offene, internetgestützte Kurse mit einer Vielzahl an Teilnehmern rund um den Globus.

Folgender Kurs – zu finden auf der MOOC-Plattform edX – sollte einen Blick wert sein:

UML Class Diagrams for Software Engineering
Monique Snoeck (KU Leuven)
Start: flexibel / Arbeitsaufwand: 12-15 Stunden

Externer Link: www.edx.org

Wenn die Zeit vorwärts und zugleich rückwärts fließt

Pressemeldung der Universität Wien vom 26.11.2021

Zeitumkehr in der Quantenmechanik: Systeme können sich simultan in zwei – auch entgegengesetzte – Richtungen entwickeln

Ein Team von Physiker*innen der Universität Wien und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften gemeinsam mit Wissenschafter*innen aus Bristol und von den Balearen hat gezeigt, wie sich Quantensysteme gleichzeitig entlang zweier entgegengesetzter Zeitpfeile (vorwärts und rückwärts in der Zeit) entwickeln können. Die Studie wurde in der neuesten Ausgabe der Zeitschrift Communications Physics veröffentlicht.

Vorwärts und rückwärts fließende Zeitflüsse

Bei der Betrachtung von Himmelsbewegungen entsteht oft ein Gefühl der Ewigkeit, das uns zu der Frage verleiten könnte, ob die Zeit wirklich existiert. Blicken wir hingegen auf unser tägliches Leben, werden alle Zweifel ausgeräumt: Die Zeit existiert und bewegt sich vorwärts. Diese scheinbare Gewissheit ergibt sich aus der Tatsache, dass die meisten makroskopischen physikalischen Phänomene immer nur in einer Richtung ablaufen können. Nehmen wir zum Beispiel die Abfolge unserer morgendlichen Routine: Würde man uns zeigen, wie unsere Zahnpasta von der Zahnbürste zurück in die Tube wandert, wüssten wir zweifelsfrei, dass man uns gerade eine Aufzeichnung unseres Tages im Rücklauf zeigt. In der Physik ist diese Neigung bestimmter Phänomene, sich nur in eine Richtung zu entwickeln, mit der Erzeugung von „Entropie“ verbunden, einer physikalischen Größe, die den Grad der Unordnung in einem System definiert. In der Natur neigen Prozesse dazu, sich spontan von Zuständen mit weniger Unordnung zu Zuständen mit mehr Unordnung zu entwickeln, und diese Tendenz kann zur Identifizierung eines Zeitpfeils verwendet werden. Wenn also ein Phänomen eine große Menge an Entropie erzeugt, ist die Beobachtung seiner zeitlichen Umkehrung so unwahrscheinlich, dass sie praktisch unmöglich ist. Wenn die erzeugte Entropie jedoch klein genug ist, besteht eine nicht zu vernachlässigende Wahrscheinlichkeit, dass die Zeitumkehr eines Phänomens auf natürliche Weise erfolgt. Denken wir an das Beispiel mit der Zahnpasta zurück: Wenn wir die Tube nur leicht zusammendrücken und nur ein sehr kleiner Teil der Zahnpasta herauskommt, wäre es gar nicht so unwahrscheinlich, dass diese durch die Dekompression der Tube wieder in diese zurück gesaugt wird. Wird die Tube hingegen stärker zusammengedrückt, breitet sich die Zahnpasta unumkehrbar aus, so dass man sich sehr viel mehr anstrengen muss, um die gesamte Zahnpasta wieder in die Tube zu bekommen.

Die Grenze zwischen „vorwärts“ und „rückwärts“ verschwimmt in der Quantenmechanik

Ein Team von Physiker*innen der Universität Wien und des Instituts für Quantenoptik und Quanteninformation der Österreichischen Akademie der Wissenschaften unter Leitung von Časlav Brukner sowie Kolleg*innen aus Bristol und den Balearen hat diese Idee auf den Quantenbereich angewandt. Die Forschenden versuchten, dadurch ein tieferes Verständnis dafür zu erlangen, wie Zeit in diesem Regime fließt. Eine der Besonderheiten der Quantenwelt ist das Prinzip der Quantensuperposition, das besagt, dass, wenn zwei Zustände eines Quantensystems möglich sind, dieses System auch in beiden Zuständen zugleich sein kann. Blickt man auf das System zurück, das sich in die eine oder andere zeitliche Richtung entwickelt (die Zahnpasta, die aus der Tube kommt oder wieder in die Tube zurückwandert), so folgt daraus, dass sich Quantensysteme auch zugleich in beide zeitliche Richtungen entwickeln können. Obwohl dieser Gedanke in Bezug auf unsere alltägliche Erfahrung eher unsinnig erscheint, beruhen die Gesetze des Universums auf ihrer grundlegendsten Ebene auf quantenmechanischen Prinzipien. Dies wirft die Frage auf, warum wir in der Natur nie auf solche Überlagerungen von Zeitflüssen stoßen. „In unserer Arbeit haben wir die Entropie quantifiziert, die von einem System erzeugt wird, das sich in Quantensuperposition von Prozessen mit entgegengesetzten Zeitpfeilen entwickelt. Wir fanden heraus, dass dies meist dazu führt, dass das System auf eine genau definierte Zeitrichtung projiziert wird, die dem wahrscheinlichsten Prozess der beiden Prozesse entspricht“, erklärt Gonzalo Manzano, ein Mitautor der Studie. Und doch kann man, wenn Entropie nur in geringem Ausmaß im Spiel ist (z. B. wenn so wenig Zahnpasta aus der Tube gedrückt wird, dass man sehen kann, wie sie wieder in die Tube zurückgesaugt wird), physikalisch beobachten, welche Folgen es hat, wenn sich das System gleichzeitig in der Vorwärts- und in der Rückwärtsrichtung der Zeit entwickelt. Wie Giulia Rubino, Hauptautorin der Veröffentlichung, betont, „wird die Zeit zwar oft als kontinuierlich zunehmender Parameter behandelt, doch unsere Studie zeigt, dass die Gesetze, die den Zeitfluss in quantenmechanischen Zusammenhängen regeln, viel komplexer sind. Dies könnte darauf hindeuten, dass wir die Art und Weise, wie wir diese Größe dort darstellen, wo Quantengesetze eine entscheidende Rolle spielen, überdenken müssen.“

Originalpublikation:
Communications Physics, Quantum superposition of thermodynamic evolutions with opposing time’s arrows, G. Rubino, G. Manzano and C. Brukner. Communications Physics (2021).

Externer Link: www.univie.ac.at

Neuer Sensor kann immer kleinere Nanoteilchen erkennen

Presseinformation des KIT (Karlsruher Institut für Technologie) vom 04.11.2021

Neuartiger optischer Resonator bietet erstmals die Möglichkeit, die Bewegung von Nanoteilchen im Raum zu verfolgen

Nanoteilchen sind in unserer Umgebung allgegenwärtig: Viren in der Raumluft, Proteine im Körper, als Bausteine neuer Materialien etwa für die Elektronik oder in Oberflächenbeschichtungen. Wer die winzigen Partikel sichtbar machen will, hat ein Problem: Sie sind so klein, dass man sie unter einem optischen Mikroskop meist nicht sieht. Forschende am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) haben einen Sensor entwickelt, mit dem sie Nanoteilchen nicht nur aufspüren, sondern auch ihre Beschaffenheit bestimmen und ihre räumliche Bewegung nachverfolgen können. Ihren extrem empfindlichen und sehr kompakten Detektor, einen neuartigen Fabry-Pérot Resonator, präsentieren sie jetzt in der Fachzeitschrift Nature Communications (DOI: 10.1038/s41467-021-26719-5).

Gängige Mikroskope erzeugen stark vergrößerte Bilder von kleinen Strukturen oder Objekten mit Hilfe von Licht. Weil die Nanoteilchen aufgrund ihrer Winzigkeit aber kaum Licht absorbieren oder streuen, bleiben sie unsichtbar. Optische Resonatoren hingegen verstärken die Wechselwirkung zwischen Licht und Nanoteilchen: Sie halten Licht auf kleinem Raum gefangen, indem es tausende Male zwischen zwei Spiegeln reflektiert wird. Befindet sich ein Nanoteilchen in dem gefangenen Lichtfeld, dann wechselwirkt das Nanoteilchen tausende Male mit dem Licht, so dass die Änderung der Lichtintensität messbar wird. „Weil das Lichtfeld an verschiedenen Stellen im Raum unterschiedliche Intensitäten hat, können wir Rückschlüsse auf die Position des Nanoteilchens im dreidimensionalen Raum ziehen“, sagt Dr. Larissa Kohler vom Physikalischen Institut am KIT.

Resonator macht Bewegungen der Nanoteilchen sichtbar

Und nicht nur das: „Wenn sich ein Nanoteilchen in Wasser befindet, stößt es mit den Wassermolekülen zusammen, welche sich aufgrund von thermischer Energie in willkürliche Richtungen bewegen. Durch die Stöße führt das Nanoteilchen eine Art Zitterbewegung aus. Auch diese Brownsche Bewegung können wir nun nachvollziehen“, so die Expertin. „Bislang konnte mit einem optischen Resonator nicht die räumliche Bewegung eines Nanoteilchens nachverfolgt werden, sondern man konnte nur sagen, dass sich das Teilchen im Lichtfeld befindet oder nicht“, erläutert Kohler. Obendrein eröffne der neuartige faserbasierte Fabry-Pérot Resonator, bei dem sich die hochreflektierenden Spiegel auf den Endflächen von Glasfasern befinden, die Möglichkeit, aus der dreidimensionalen Bewegung den hydrodynamischen Radius des Teilchens, also die Dicke der es umgebenden Hülle aus Wasser, abzuleiten. Das ist entscheidend, weil diese die Eigenschaften des Nanoteilchens verändert. „Zum Beispiel können aufgrund der Hydrathülle noch Nanoteilchen detektiert werden, die ohne diese Hülle zu klein wären“, sagt Kohler. Ebenso könnte die Hydrathülle um Proteine oder andere biologische Nanoteilchen einen Einfluss bei biologischen Vorgängen haben.

Sensor ermöglicht Einblicke in biologische Vorgänge

Einsatzmöglichkeiten für ihren Resonator sehen die Forschenden bei der zukünftigen Detektion der dreidimensionalen Bewegung mit hoher zeitlicher Auflösung und der Charakterisierung der optischen Eigenschaften von biologischen Nanoteilchen, wie zum Beispielen Proteinen, DNA-Origami oder Viren. Der Sensor könnte damit Einblicke in noch nicht verstandene biologische Vorgänge ermöglichen. (mex)

Originalpublikation:
Larissa Kohler, Matthias Mader, Christian Kern, Martin Wegener, David Hunger: Tracking Brownian motion in three dimensions and characterization of individual nanoparticles using a fiber-based high-finesse microcavity. Nature Communications, 2021. DOI: 10.1038/s41467-021-26719-5

Externer Link: www.kit.edu