Zuckerhirse: Süßes Versprechen für die Umwelt

Presseinformation des KIT (Karlsruher Institut für Technologie) vom 10.06.2021

Am KIT entwickelte neue Sorghumsorte akkumuliert besonders viel Zucker und lässt sich energetisch und stofflich nutzen – Forschende berichten in Industrial Crops & Products

Zuckerhirse lässt sich zur Herstellung von Biogas, Biokraftstoffen und neuen Polymeren nutzen. Zudem kann sie dazu beitragen, Phosphatdünger zu ersetzen. Eine am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) entwickelte neue Zuckerhirsesorte akkumuliert besonders viel Zucker und gedeiht unter heimischen Bedingungen. Wie die Forschenden in der Zeitschrift Industrial Crops & Products berichten, hängen der Zuckertransport und die Zuckerakkumulation mit dem Bau der Leitungsbahnen der Pflanzen zusammen. Dies ergab ein Vergleich zwischen Zucker- und Körnerhirse. (DOI: 10.1016/j.indcrop.2021.113550)

Mit der Weltbevölkerung wächst der Bedarf an Nahrungsmitteln, Rohstoffen und Energie. Dadurch nehmen die Belastungen für die Umwelt und das Klima zu. Eine Strategie, den Treibhausgasausstoß zu verringern, besteht darin, sogenannte C4-Pflanzen anzubauen. Diese betreiben besonders effizient Photosynthese, binden daher Kohlendioxid (CO2) besser und bauen mehr Biomasse auf als andere Pflanzen. Gewöhnlich sind sie an sonnige und warme Standorte gebunden. Zu den C4-Pflanzen gehört die Sorghumhirse, auch Mohrenhirse genannt, eine Hirseart aus der Gattung Sorghum in der Familie der Süßgräser. Die besonders zuckerhaltigen Sorten heißen Zuckerhirse. Zu den weiteren Sorten gehört die als Futtermittel eingesetzte Körnerhirse. Sorghumhirse lässt sich auf schwer zu bewirtschaftenden sogenannten Grenzertragsflächen anbauen, sodass sie nicht mit sonstigen Nahrungs- oder Futterpflanzen in Konkurrenz tritt.

Eine neue Zuckerhirsesorte namens KIT1 hat Dr. Adnan Kanbar in der Arbeitsgruppe Molekulare Zellbiologie unter Leitung von Professor Peter Nick am Botanischen Institut des KIT entwickelt. KIT1 akkumuliert besonders viel Zucker und gedeiht besonders gut unter gemäßigten Klimabedingungen. Sie lässt sich sowohl energetisch zur Herstellung von Biogas und Biokraftstoffen als auch stofflich zur Produktion neuer Polymere nutzen. Der geschätzte Zuckerertrag je Hektar liegt bei über 4,4 Tonnen, was knapp 3 000 Litern Bioethanol entspräche. Darüber hinaus lassen sich die bei der Biogasherstellung anfallenden Gärreste als Dünger nutzen, der den knapp werdenden Phosphatdünger ersetzen kann.

Auf die Anatomie des Pflanzenstängels kommt es an

Forschende im Nick-Labor am Institut für Angewandte Biowissenschaften und am Institut für Technische Chemie des KIT sowie bei der ARCUS Greencycling Technology in Ludwigsburg haben nun die Zuckerhirsesorte KIT1 und die Körnerhirsesorte Razinieh miteinander verglichen, um die unterschiedliche Zuckerakkumulation im Pflanzenstängel zu untersuchen. Für die in der Zeitschrift Industrial Crops & Products publizierte Studie betrachtete das Team die Stängelanatomie. Dazu zählen die verdickten Bereiche oder Knoten (Nodien) und die schmalen Bereiche oder Abstände zwischen den Knoten (Internodien), aber auch Transkripte wichtiger Saccharose-Transporter-Gene sowie Stressreaktionen der Pflanzen bei hoher Salzkonzentration im Boden. Sowohl bei KIT1 als auch bei Razinieh war die Zuckerakkumulation in den mittleren Internodien am höchsten. Allerdings zeigte sich ein Zusammenhang zwischen der Zuckerakkumulation und dem Bau der Leitungsbahnen, die dem Transport von Wasser, gelösten Stoffen und organischen Substanzen dienen. Die Leitungsbahnen sind zu Leitbündeln gruppiert. Diese bestehen aus dem Phloem (Bastteil) und dem Xylem (Holzteil). Im Phloem werden vor allem Zucker und Aminosäuren, im Xylem vor allem Wasser und anorganische Salze transportiert; zudem übernimmt das Xylem eine stützende Funktion. Die Untersuchung ergab, dass bei KIT1 und fünf weiteren Zuckerhirsesorten im Stängel die Phloem-Querschnittsfläche wesentlich größer als die Xylem-Querschnittsfläche ist – der Unterschied ist viel ausgeprägter als bei der Körnerhirsesorte Razinieh. „Untere Studie ist die erste, die sich mit dem Zusammenhang zwischen dem Bau der Leitbündel und der Zuckerakkumulation im Stängel befasst“, sagt Nick.

Zuckerhirse wird mit Salzstress besser fertig

Wie die Studie weiter ergab, führte Salzstress zu höherer Zuckerakkumulation in KIT1 als in Razinieh. Die Expression von Saccharose-Transporter-Genen ist in den Blättern von KIT1 unter normalen Bedingungen höher und steigt unter Salzstress deutlich an. „Neben den anatomischen Faktoren könnten auch molekulare Faktoren die Zuckerakkumulation im Stängel regulieren“, erläutert Kanbar. „Auf jeden Fall kommt KIT1 mit Salzstress besser zurecht.“ (or)

Originalpublikation:
Adnan Kanbar, Ehsan Shakeri, Dema Alhajturki, Michael Riemann, Mirko Bunzel, Marco Tomasi Morgano, Dieter Stapf, Peter Nick: Sweet versus grain sorghum: Differential sugar transport and accumulation are linked with vascular bundle architecture. Industrial Crops & Products, 2021. DOI: 10.1016/j.indcrop.2021.113550

Externer Link: www.kit.edu

Isolatoren bringen Quantenbits zum Schwitzen

Presseaussendung der Universität Innsbruck vom 14.06.2021

Schwachleitende oder nichtleitende Materialien haben Innsbrucker Physiker um Tracy Northup als wichtige Quelle für Störungen in Ionenfallen-Quantencomputern identifiziert. Sie haben eine neue Methode entwickelt, mit der diese Fehlerquelle erstmals quantifiziert werden kann. Um Quantencomputer mit sehr vielen Quantenbits betreiben zu können, müssen solche Störquellen schon in der Entwicklung möglichst vermieden werden.

Quantentechnologien basieren auf den quantenmechanischen Eigenschaften von Licht, Elektronen und Atomen. In den vergangenen Jahrzehnten hat die Wissenschaft gelernt, diese Phänomene zu beherrschen und in Anwendungen auszunutzen. So rückt auch der Bau eines Quantencomputers für kommerzielle Anwendungen in greifbare Nähe. Eine der Technologien, die derzeit sehr erfolgreich vorantrieben wird, sind Ionenfallen-Quantencomputer. Hier werden geladene Teilchen mit elektromagnetischen Feldern in einer Vakuumkammer gefangen und so präpariert, dass sie als Träger für Information dienen und mit ihnen gerechnet werden kann. Die quantenmechanischen Eigenschaften, die man sich dabei zunutze macht, sind allerdings sehr störungsanfällig. Schon kleinste Unzulänglichkeiten können die stark gekühlten Teilchen aufheizen und so zu Fehlern bei der Verarbeitung der Quanteninformation führen. Eine mögliche Quelle für solche Störungen sind schwach- oder nichtleitende Materialien, die zum Beispiel als Isolatoren in den metallischen Ionenfallen zum Einsatz kommen, oder etwa Optiken, die für die Kopplung mit Laserlicht notwendig sind. „Selbst bei Ionenfallen, die ausschließlich aus Metall bestehen, würden Oxidschichten auf den Metallen solche Störungen verursachen“, erläutert Tracy Northup vom Institut für Experimentalphysik der Universität Innsbruck. Northups Team hat zusammen mit Kooperationspartnern in Innsbruck und in den USA einen Weg gefunden, wie der Einfluss dielektrischer Materialien auf die geladenen Teilchen in Ionenfallen bestimmt werden kann.

Experimentell bestätigt

Gelungen ist den Innsbrucker Quantenphysikern dies, weil sie über eine Ionenfalle verfügen, in der sie den Abstand zwischen den Ionen und dielektrischen Optiken genau einstellen können. Basierend auf einem früheren Vorschlag der Arbeitsgruppe um Rainer Blatt haben die Physiker den Umfang des durch das dielektrische Material verursachten Rauschens für diese Ionenfalle rechnerisch ermittelt und mit Daten aus dem Experiment verglichen. „Theorie und Experiment stimmen sehr gut überein und bestätigen, dass diese Methode gut dafür geeignet ist, den Einfluss von dielektrischen Materialien auf die Ionen zu bestimmen“, erklärt Markus Teller aus dem Innsbrucker Team. Bei der Berechnung des Rauschens kam das sogenannte Fluktuations-Dissipations-Theorem aus der Statistischen Physik zur Anwendung, das die Reaktion eines Systems im thermischen Gleichgewicht auf eine kleine äußere Störung mathematisch beschreibt.

„In Quantencomputern gibt es viele mögliche Quellen für Störungen, und es ist sehr schwierig die genauen Ursachen auseinander zu halten“, sagt Tracy Northup. „Mit unserer Methode gelingt es erstmals, den Einfluss dielektrischer Materialien auf die in Ionenfallen gefangenen Teilchen zu quantifizieren. Die Entwickler von Ionenfallen-Quantencomputern werden in Zukunft diesen Einfluss viel besser einschätzen können und ihre Geräte so konstruieren, dass diese Störungen minimiert werden.“ Nachdem die Innsbrucker Physiker die Methode an ihrer eigenen Ionenfallen erprobt haben, wollen sie nun deren Einsatz an Ionenfallen befreundeter Forschungsgruppen in den USA und der Schweiz erproben.

Finanziell unterstützt wurden die Forschungen unter anderem vom österreichischen Wissenschaftsfonds FWF und der Europäischen Union. Veröffentlicht wurde die neue Methode in der Fachzeitschrift Physical Review Letters.

Originalpublikation:
Heating of a trapped ion induced by dielectric materials. Markus Teller, Dario A. Fioretto, Philip C. Holz, Philipp Schindler, Viktor Messerer, Klemens Schüppert, Yueyang Zou, Rainer Blatt, John Chiaverini, Jeremy Sage, and Tracy E. Northup. Phys. Rev. Lett. 126, 230505

Externer Link: www.uibk.ac.at

Das Metallgebiss des Borstenwurms

Presseaussendung der TU Wien vom 09.06.2021

Metallatome sind für die bemerkenswerte Stabilität von Borstenwurm-Kiefern verantwortlich, zeigen Experimente der TU Wien. Das könnte der Schlüssel für neue Hochleistungsmaterialien sein.

Borstenwürmer finden sich fast überall wo es Meerwasser gibt, und das schon seit hunderten Millionen Jahren. Trotzdem haben sie Besonderheiten, die erst jetzt entschlüsselt werden konnten: Ihre Kiefer sind aus bemerkenswert stabilem Material aufgebaut, und das Geheimnis dieser Stabilität kann man nun durch Experimente an der TU Wien in Kooperation mit den Max Perutz Labs erklären.

Eine entscheidende Rolle spielen Metallatome, die vom Wurm in die Proteinstruktur des Materials eingebaut werden. Sie machen das Material hart und gleichzeitig biegsam – ganz ähnlich wie man das von gewöhnlichen Metallen kennt. Nun soll an dieser Materialklasse weitergeforscht werden, mit dem Ziel, neuartige, industriell nutzbare Materialien auf natürliche Weise herzustellen.

Einzelne Metallatome

„Die Materialien, aus denen Wirbeltiere bestehen, sind mittlerweile gut erforscht“, sagt Prof. Christian Hellmich vom Institut für Mechanik der Werkstoffe und Strukturen der TU Wien. „Knochen etwa sind sehr hierarchisch aufgebaut: Es gibt organische und mineralische Anteile, winzige Strukturen ergeben größere Strukturen, die sich zu noch größeren Strukturen zusammenfügen.“

Bei Borstenwürmern ist das anders. Ihre Kiefer sind zwar äußerst stabil und unzerbrechlich, doch sie enthalten keine mineralischen Körnchen, wie man das von Wirbeltierknochen kennt. Stattdessen enthalten sie Metalle. Mit reinen Metallobjekten wie Goldzähnen oder künstlichen Hüften aus Titan hat das freilich nichts zu tun: Der Borstenwurm verwendet Metalle wie etwa Magnesium oder Zink in Form einzelner Atome, die in eine Proteinstruktur integriert sind.

„Dass im Borstenwurm-Kiefer Metallatome vorkommen, erklärt noch nicht seine ausgezeichneten Materialeigenschaften“, sagt Christian Hellmich. Die typischen Eigenschaften, die man von alltäglichen Metallen kennt – neben ihrer Härte und Elastizität vor allem ihre Zähigkeit – entstehen schließlich erst durch das Zusammenspiel vieler Atome. Es bilden sich Gleitflächen, entlang derer sich die Atome gegeneinander verschieben. Untersuchen kann man das mit sogenannten Nanoindentationsversuchen: Man belastet das Material auf eine genau definierte Weise und studiert dann, welche Verformungen sich daraus ergeben. Überraschenderweise zeigte sich, dass sich das Material des Borstenwurm-Kiefers dabei ganz ähnlich verhält wie Metall.

Ein uraltes Hochleistungsmaterial

„Das Bauprinzip, das die Kiefer von Borstenwürmern so erfolgreich gemacht hat, ist offenbar vor etwa 500 Millionen Jahren entstanden“, sagt Florian Raible von den Max Perutz Labs, einem Joint Venture der Universität Wien und der Medizinischen Universität Wien. „Die Metallionen werden direkt in die Proteinketten eingebaut und sorgen dann dafür, dass unterschiedliche Proteinketten zusammengehalten werden.“ So kann der Borstenwurm dreidimensionale Formen aus einer besonders stabilen Protein-Matrix herstellen.

Gleichzeitig ermöglicht diese Struktur auch Verformungen: Wenn das Material durch eine äußere Kraft belastet wird, können die Proteinketten aneinander vorübergleiten. Das Material erlaubt elastoplastische Verformungen, daher ist es nicht spröde und zerbrechlich.

„Genau diese Kombination aus hoher Festigkeit und Verformbarkeit ist normalerweise für Metalle charakteristisch“, sagt Luis Zelaya-Lainez, der als Erstautor der Studie die winzigen Kiefer mit materialwissenschaftlichen Techniken untersuchte. „Hier haben wir es zwar mit einem völlig anderen Material zu tun, aber interessanterweise sorgen trotzdem auch dort die Metallatome für Festigkeit und Verformbarkeit, wie bei einem Werkstück aus Metall.“

Während man industriell gefertigte Metalle allerdings nur unter großem Energieaufwand produzieren kann, gelingt dem Borstenwurm ein ähnliches Kunststück auf viel effizientere Weise. „Die Biologie könnte hier als Inspiration dienen, für völlig neuartige Werkstoffe“, hofft Hellmich. „Vielleicht ist es sogar möglich, auf biologische Weise Hochleistungsmaterialien herzustellen – viel effizienter und umweltfreundlicher als uns das heute gelingt.“

Ermöglicht wurde die gemeinsame Studie zwischen den Arbeitsgruppen um Hellmich und Raible unter anderem durch Forschungsgelder aus dem Innovationsfond „Research, Science and Society“ der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, der neuartige Grundlagenforschung im Grenzbereich etablierter Forschungsfelder unterstützt. (Florian Aigner)

Originalpublikation:
L. Zelaya-Lainez et al., Jaws of Platynereis dumerilii: Miniature Biogenic Structures with Hardness Properties Similar to Those of Crystalline Metals, JOM (2021)

Externer Link: www.tuwien.at

Polypropylen-Recycling aus Teppichabfällen

Presseinformation (Forschung Kompakt) der Fraunhofer-Gesellschaft vom 01.06.2021

Teppichabfälle bestehen zu einem erheblichen Teil aus erdölbasiertem Polypropylen. Bislang sind sie jedoch nicht recycelbar; sie werden daher verbrannt oder deponiert. Über ein neuartiges Lösungsmittel lässt sich das Polypropylen aus Teppichabfällen in Primärqualität zurückgewinnen – ohne merkliche Qualitätseinbußen. Auch in punkto Kosten ist das Verfahren des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik IBP und seiner Partner durchaus konkurrenzfähig. Entwickelt wurde es im EU-Projekt »ISOPREP«.

Etwa 1,6 Millionen Tonnen Teppichabfälle fallen pro Jahr an – allein in der EU. Der Großteil davon wird deponiert oder verbrannt, denn Teppiche gehören zu den Verbundwerkstoffen, bei denen man mit einem rein mechanischen Recycling kaum weiterkommt. Doch damit gehen viele Ressourcen verloren, schließlich bestehen Teppichabfälle, die im Projekt ISOPREP behandelt werden, etwa zu einem Viertel aus dem erdölbasierten Kunststoff Polypropylen.

Teppich-Recycling: Neuartiges Verfahren macht´s möglich

Ein Forscherteam, dem auch das Fraunhofer IBP angehört, hat im EU-Projekt »ISOPREP« ein neuartiges Recycling-Verfahren entwickelt. »Mit diesem lässt sich erstmals Polypropylen aus Teppichabfällen zurückgewinnen – und zwar in Primärqualität«, sagt Maike Illner, Wissenschaftlerin am Fraunhofer IBP. Das wiedergewonnene Polypropylen kann also nicht nur für minderwertigere Produkte verwendet werden – man spricht dabei von »Down-Cycling« – sondern kommt mit seiner Qualität an die von neu hergestelltem Polypropylen heran. Es eignet sich somit auch für hochwertige Produkte.

Basis für das Verfahren ist ein besonderes Lösungsmittel, genauer gesagt ein ionisches Liquid. Besteht dieses aus den passenden Komponenten, löst es selektiv das Polypropylen aus den Teppichfasern heraus. Bevor das Expertenteam den Teppichabfällen mit dem Lösungsmittel zu Leibe rückt, werden diese gereinigt – dabei wird unter anderem möglichst viel des Teppichrückens abgetrennt– und zerkleinert. Die vorbehandelten Teppichabfälle kommen in einen Reaktor, in dem sie mit dem Lösungsmittel behandelt werden: Das Polypropylen wird selektiv im Lösungsmittel gelöst, was für eine effektive Abtrennung von Farbstoffen und anderen Additiven sorgt. Im größeren Labormaßstab mit mehreren Litern funktioniert das Verfahren bereits. Nun arbeitet das Konsortium daran, den Prozess auf eine Pilotanlage zu übertragen: Eine Tonne Teppichabfälle soll diese pro Tag recyclen können. Zum Projektende im März 2022 soll die Pilotanlage in Betrieb sein.

Kosten und Umweltwirkung

Doch ein Recyclingverfahren kommt nur dann zum großtechnischen Einsatz, wenn es kostenmäßig konkurrenzfähig ist. Das heißt in diesem Fall: Das recht teure ionische Liquid muss möglichst vollständig im Kreislauf geführt werden. »Liegen die Verlustraten bei einem Prozent oder darunter, hat der Prozess das Potenzial, hinsichtlich der Kosten mit der Neuherstellung von Polypropylen zu konkurrieren«, fasst Illner zusammen. »Das zeigt eine vorläufige ökonomische Analyse, die wir am Fraunhofer IBP durchgeführt haben.« Dazu untersuchten die Fraunhofer-Forscherinnen und -Forscher, welche Mengen an Material und Energie für den Prozess benötigt werden sowie was als Produkt wieder herauskommt, und errechneten die entsprechenden Kosten. Sie berücksichtigten in der ökonomischen Analyse zudem, wie sich die Kosten langfristig entwickeln könnten.

Die Ökologie des Teppich-Recyclings steht am Fraunhofer IBP im Fokus. Aufschluss gibt unter anderem die Lebenszyklusbetrachtung: Welche Emissionen beispielsweise entstehen beim Recyclingprozess? Auch hier gilt: Erreicht das Konsortium sein Ziel, die Verlustraten des Lösungsmittels auf ein Prozent und weniger zu senken, sind Primärenergiebedarf und Treibhausgasemissionen in einer ähnlichen Größenordnung wie die der Neuherstellung.

Auf andere Polypropylen-Abfallströme übertragbar

Zwar stehen Teppichabfälle im Blickpunkt des Projekts. Doch das entwickelte Verfahren kann deutlich mehr: Die Expertinnen und Experten gehen davon aus, dass es sich auf eine Vielzahl an Abfallströmen übertragen lässt, die Polypropylen enthalten und für das konventionelle Recycling ungeeignet sind. »Ein Beispiel sind Polypropylen-Produkte, die Farbstoffe und Additive enthalten«, konkretisiert Illner. »Bislang ist es schwierig, diese aus dem Kunststoff herauszulösen, so dass sich das recycelte Polypropylen nur für einen minderwertigeren Einsatz verwenden lässt.« Mit dem neuen Verfahren lässt sich das Polypropylen nicht nur von anderen Materialien, sondern auch von zugesetzten Farbstoffen und Additiven trennen und steht somit einer hochwertigen Anwendung zur Verfügung.

Dieses Projekt wird mit Mitteln aus dem Horizon 2020 Forschungs- und Innovationsprogramm der Europäischen Union unter Grant Agreement Nr. 820787 gefördert.

Externer Link: www.fraunhofer.de

technologiewerte.de – MOOCblick Juni 2021

Spannende Themen, herausragende Dozenten und flexible Lernmöglichkeiten tragen zum wachsenden Erfolg der Massively Open Online Courses (MOOCs) bei – offene, internetgestützte Kurse mit einer Vielzahl an Teilnehmern rund um den Globus.

Folgender Kurs – zu finden auf der MOOC-Plattform edX – sollte einen Blick wert sein:

Using Python for Research
Jukka-Pekka „JP“ Onnela (Harvard University)
Start: flexibel / Arbeitsaufwand: 24-48 Stunden

Externer Link: www.edx.org