Krebserkrankungen über die Atemluft erkennen

Presseinformation (Forschung Kompakt) der Fraunhofer-Gesellschaft vom 01.12.2020

Unsere Atemluft enthält Informationen, die sich für die Diagnostik von Krankheiten nutzen lassen. Forscherinnen und Forscher am Fraunhofer-Projektzentrum für Mikroelektronische und Optische Systeme für die Biomedizin MEOS entwickeln Lösungen, die künftig die Analyse der Atemluft ermöglichen. Bei ihren Forschungsarbeiten fokussieren sie sich auf das frühzeitige Erkennen von Krebserkrankungen. Aber auch die Unterscheidung zwischen COVID-19 und anderen Atemwegsinfektionen ist denkbar.

Manche Krankheiten kann man riechen. Ein leicht süßlich-fruchtiger Acetongeruch etwa deutet auf Diabetes hin. Bereits im antiken Griechenland berichteten Ärzte, Krankheiten im ausgeatmeten Atem zu erkennen. Die charakteristischen Gerüche entstehen durch spezifische flüchtige organische Verbindungen (VOC). Diese werden durch die erkrankten Gewebe oder die Krankheitserreger selbst freigesetzt, noch bevor Symptome auftreten.

Die Ausatemluft – Fingerabdruck des menschlichen Stoffwechsels

»Bei einer Vielzahl von Erkrankungen verändert sich die Zusammensetzung der flüchtigen organischen Spurengase in der Atemluft, die als Biomarker verwendet werden können. Oftmals sind es Kombinationen aus mehreren Spurengasen in einer deutlich erhöhten oder deutlich erniedrigten Konzentration, die charakteristisch für eine bestimme Krankheit sind. Man spricht hier auch von einem VOC-Fingerprint oder einem Muster an VOCs«, erläutert Dr. Jessy Schönfelder, Wissenschaftlerin am Fraunhofer MEOS. Am Projektzentrum in Erfurt arbeiten die Fraunhofer-Institute für Zelltherapie und Immunologie IZI, für Photonische Mikrosysteme IPMS und für Angewandte Optik und Feinmechanik IOF interdisziplinär zusammen.

Solche Marker-Kombinationen gibt es für sehr viel mehr Krankheiten als bisher bekannt. Sie müssen Stück für Stück entschlüsselt werden. Darin bestehe auch die Herausforderung für die Chemikerin und ihr Team. Sie entwickeln ein spezielles Ionenmobilitätspektrometer (IMS), um solche Muster an VOCs zu erkennen. Keine leichte Aufgabe, bedenkt man, dass jeder Mensch etwa 200 VOCs in der Atemluft hat. Im Mittelpunkt der Forschung stehen Krebsleiden, insbesondere Lungenkrebs.

Ziel des Forscherteams am Fraunhofer MEOS ist es, mit der neuen Technologie eine große Bandbreite an Biomarkern zu detektieren. Künftig wollen die Forscher das Messsystem auch zum Unterscheiden von COVID-19 und anderen Atemwegsinfektionen nutzen. Es kommt auch im Fraunhofer Clusterprojekt M3Infekt zum Einsatz, das die Entwicklung eines modularen, multimodalen und mobilen Monitoringsystems zum schnellen Eingreifen bei plötzlichen Zustandsverschlechterungen von COVID-19 Patienten zum Inhalt hat. Des weiteren soll die Atemanalytik künftig erste Hinweise auf neurodegenerative Erkrankungen wie Alzheimer liefern – und zwar früher und angenehmer als bisherige Methoden wie die Blutabnahme – schließlich muss der Patient nur in ein Röhrchen pusten.

»Das Potenzial der Atemluftsensorik ist groß. Die nicht invasive IMS-Technologie ist sensitiv und selektiv, schnell, kostengünstig und zudem klein und mobil, sodass sie problemlos in Arztpraxen und Krankenhäusern eingesetzt werden kann. Das fertige System wird die Größe eines Schuhkartons haben«, sagt Schönfelder.

FAIMS-Chip mit alternierender Spannung

Herzstück des neuartigen Ionenmobilitätsspektrometers ist ein miniaturisierter FAIMS-Chip (High Field Asymmetric Ion Mobility Spectrometry). Das MEMS-Bauelement umfasst einen Ionenfilter und einen Detektor. Eine UV-Lampe komplettiert das Gerät. Zunächst werden die VOCs in einem Trägergasstrom in das Spektrometer gepumpt, wo sie im nächsten Schritt mit Hilfe des UV-Lichts ionisiert werden. Das heißt, sie werden zu geladenen Molekülen. »Diese leiten wir an den FAIMS-Chip weiter, der am Fraunhofer IPMS entwickelt wurde. Anschließend legen wir an die Filterelektroden eine alternierende Spannung an. Durch das Einstellen der Spannung am Filter kann man auswählen, welche VOCs zum Detektor gelangen. Auf diese Weise erhalten wir unser VOC-Fingerprint, anhand dessen wir die Erkrankung erkennen können«, erklärt Schönfelder das Verfahren.

Derzeit arbeitet das Forscherteam an einer optimierten elektronischen Steuerung und einer verbesserten Probenentnahme und -Probenführung. Referenzmessungen an Zellkulturen wurden erfolgreich durchgeführt, weitere Untersuchungen mit humanen Proben aus der Klinik sind geplant. Am Fraunhofer IZI konnten in einem abgeschlossenen Projekt bereits sieben verschiedene Bakterienstämme mit einer ähnlichen Technologie unterschieden werden.

Darüber hinaus sollen eigens entwickelte KI-Algorithmen die Auswertung der VOC-Fingerprints erleichtern. »Pro Messung erhalten wir eine halbe Million Messwerte. Diese hohe Datenmenge wollen wir per Machine Learning auswerten«, so die Forscherin. Der Algorithmus wird mit Proben von gesunden Probanden und Krebspatienten trainiert. Das Messergebnis liegt innerhalb weniger Minuten vor. »Wir können uns auch vorstellen, dass unser Ionenmobilitätspektrometer in Zukunft zum Screening von Fluggästen eingesetzt wird, um zu prüfen, ob sie mit dem Coronavirus infiziert sind«, so die Chemikerin.

Externer Link: www.fraunhofer.de

Schneller und umweltfreundlicher Bauen mit Holz-Beton-Verbundelementen

Pressemitteilung der Universität Kassel vom 19.11.2020

Wissenschaftler der Universität Kassel haben gemeinsam mit Projektpartnern eine neuartige Schnellklebtechnik für Holz und Stahlbetonfertigteile entwickelt. Dadurch kann beim Bau von Deckensystemen von Wohn- und Bürogebäuden Bauzeit eingespart und unabhängig von der Außentemperatur geklebt werden.

Decken von Wohn- oder Bürogebäuden werden üblicherweise aus frischem Stahlbeton gegossen. Dieser ist sehr günstig, aber schlecht für die Umwelt. Die Betonherstellung verursacht Milliarden Tonnen CO2‑Emissionen jährlich. Zudem ist der nasse Beton nicht optimal zu verbauen: Durch den Frischbeton wird unter anderem unerwünschte Feuchtigkeit in die Konstruktion getragen. Wie es durch eine Klebtechnik effizienter geht, haben Forscher der Uni Kassel gemeinsam mit Partnern im Projekt SpeedTeCC herausgefunden.

Holz kann die Lösung sein

Bei der neu entwickelten Schnellklebtechnik werden Holzbalken mit Betonfertigteilen verbunden. Die Betonplatte liegt dabei flächig auf den Balken. Durch das eingearbeitete Holz braucht es bis zu 70 Prozent weniger Beton für eine Gebäudedecke. Neu ist die Verbundmethode: Dafür verwenden die Forscher ein Metallgitter, das zwischen die Klebefugen von Holz und Betonfertigteil gelegt wird. An beiden Enden des Metallgitters wird Strom angeschlossen, sodass die Verbundfuge gezielt erhitzt und verklebt wird.

Das macht das Verfahren besonders praxistauglich. „Auf der Baustelle ist es oft kalt, Bauteile können so nicht gut verklebt werden. Unser Ziel war ein einfaches, handhabbares Verfahren für die Praxis. Durch das SpeedTeCC-Verfahren sind wir nicht mehr abhängig von der Außentemperatur. Damit ist das Verkleben von Holz und Betonfertigteil auch bei niedrigen Temperaturen möglich“, erklärt Jens Frohnmüller vom Fachgebiet Bauwerkserhaltung und Holzbau. Er hat das Projekt gemeinsam mit Fachgebietsleiter Prof. Dr.-Ing. Werner Seim an der Uni Kassel betreut.

In der Praxis anwendbar

Das Verfahren kann auf der Baustelle viel Zeit sparen. Durch die Arbeit mit Betonfertigteilen kann ein Haus in kurzer Zeit gebaut werden. Stahlbeton muss dagegen erst einmal aushärten und trocknen.

Die Forscher begannen mit kleinen Proben für die statistische Auswertung, die bei jedem Versuch einen Maßstab größer wurden, um die Tragfähigkeit und die Dauerhaftigkeit des Klebeverbunds zu prüfen. Durch diese Versuche kann sichergestellt werden, dass der Klebeverbund zwischen Holz und Beton nicht nur kurzfristig, sondern über die gesamte Lebensdauer des späteren Gebäudes beständig bleibt. „Das i‑Tüpfelchen sind unsere 1:1‑Deckenversuche. Wir haben zwölf Deckenelemente mit unserer neuen Methode hergestellt“, sagt Frohnmüller. Diese Bauteile sind 6 Meter lang und 1,30 Meter breit. Der Versuch gelang. Die Bauteile überzeugten bei den Tests zu Trag-, Verformungs- und Schwingungsverhalten. Damit ist die Schnellklebtechnik für den mehrgeschossigen Holzbau geeignet.

Die neue Schnellklebtechnik für Holz-Beton-Verbundelemente soll möglichst schnell Eingang in die Praxis finden. „Mit dem Folgeprojekt möchten wir das Verfahren weiter in Richtung Marktreife und in die Serienproduktion bringen“, sagt Frohnmüller. Hierbei soll der Fokus auf einer möglichst einfachen und robusten Herstellungsmethode liegen.

An SpeedTeCC hat die Universität Kassel gemeinsam mit der Technischen Universität Braunschweig, dem Institut für Füge- und Schweißtechnik (IFS) und dem Fraunhofer-Institut für Holzforschung, Wilhelm-Klauditz-Institut (WKI) geforscht. Derzeit arbeiten die Kooperationspartner an einem Leitfaden, um die Methode der Industrie zur Verfügung zu stellen. Diese Dokumentation wird in den nächsten Monaten auf der Homepage des Internationalen Vereins für technische Holzfragen (iVTH) in Braunschweig, welcher das von der Industriellen Gemeinschaftsforschung IGF, AiF e. V. und BMWi geförderte Projekt betreut hat, verfügbar sein.

Externer Link: www.uni-kassel.de

Aerobuster jagt herumfliegende Corona-Viren

Presseinformation des KIT (Karlsruher Institut für Technologie) vom 12.11.2020

Forschende des KIT bauen preiswerten und leistungsstarken Apparat, der Krankheitserreger aus der Raumluft holen und inaktivieren kann

Aerosole spielen eine wichtige Rolle bei der Verbreitung von Covid 19. Beim Atmen, Sprechen oder Husten verbreiten sich die winzigen mit Corona-Viren beladenen Tröpfchen in Innenräumen. Besonders betroffen sind Einrichtungen wie Schulen, Kindergärten, Uni-Hörsäle, Arztpraxen oder Restaurants. Eine effektive, sichere und vor allem schnell verfügbare Lösung haben jetzt Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) entwickelt. Der Aerobuster ist einfach, kompakt, und kann sehr effektiv Viren und andere Krankheitserreger aus der Raumluft inaktivieren.

Aerosole und damit Viren verteilen sich in Windeseile im Raum und schweben über Stunden in der Luft. Werden sie von Menschen eingeatmet, können sich diese leicht mit Corona infizieren. „Erste Ergebnisse zeigen, dass mit unserem Aerobuster luftgetragene Modell-Viren zu fast 100 Prozent inaktiviert werden können. Dabei ist der Aerobuster mit einem hohen Luftdurchsatz extrem leistungsstark und hat deutlich niedrigere Anschaffungskosten als handelsübliche Luftreinigungsgeräte“, sagt Professor Horst Hahn, Leiter des Instituts für Nanotechnologie des KIT und einer der Erfinder des Aerobusters. Simulationen der Aerosolbewegungen in einem durchschnittlichen Klassenzimmer mit 20 Schülern belegen, dass durch den Aerobuster die Konzentration aktiver Viren in der Raumluft drastisch gesenkt und so die Ansteckungsgefahr dauerhaft erheblich vermindert werden kann.

Flexible Einsetzbarkeit und einfache Bauweise

„Das gilt natürlich auch für alle anderen Bereiche mit viel Publikumsverkehr, wie Krankenhäuser, Pflege- und Altenheime, Restaurants, Büros, Werkshallen oder öffentliche Verkehrsmittel sowie deren Wartebereiche“, sagt Hahn. Überall dort könne der Aerobuster eingesetzt werden, denn die Apparatur von der Größe einer Stehlampe sei leicht und könne platzsparend sowohl auf einem Ständer, an der Decke oder an der Wand montiert werden. „Die Vorrichtung besteht aus einem einfachen Metallrohr, einem Lüfter, wie er zur Kühlung von PCs eingesetzt wird, einem Heizmodul und einem Strahler, der ultraviolettes Licht einer bestimmten Wellenlänge aussendet“, so der Experte. „Durch das Rohr wird die Luft mittels eines Lüfters angesaugt, dann werden die Aerosole getrocknet und die Viren mit UV-C-Strahlung inaktiviert – eine lang bewährte Technik zur Desinfektion“, erläutert Dr. Jochen Kriegseis vom Institut für Strömungsmechanik. Der Luftdurchsatz des Geräts könne je nach Anwendungsbereich, Raumgröße und Zahl der Geräte im Raum angepasst werden und liege im Bereich zwischen 30 bis 100 Kubikmeter pro Stunde, je nach Leistungsfähigkeit des Lüfters. So können mit vier Aerobustern die typischen Luftmengen von kommerziellen Luftreinigern erreicht werden. Durch die Verteilung der Aerobuster im Raum sei die Wirkung sogar noch effektiver. „Die Abwärme kann zudem zum Heizen der Räume genutzt werden“, ergänzt Dr. Thomas Blank vom Institut für Prozessdatenverarbeitung und Elektronik. Der Aerobuster sei außerdem eine Investition in die Zukunft, denn er könne langfristig im Kampf gegen zukünftige Pandemien oder bei der jährlichen Grippewelle eingesetzt werden, so die drei Co-Erfinder des Geräts einhellig.

Große Stückzahlen könnten schnell verfügbar sein

Als nächsten Schritt wollen Hahn und seine Mitstreiter aus zahlreichen anderen Instituten des KIT 100 Prototypen bauen und diese selbst vor Ort weiter testen und optimieren. „Mit einem geeigneten Partner aus der Industrie könnten binnen weniger Wochen 10 000 Stück verfügbar sein“, schätzt Hahn, der auch auf Interesse und verstärkten Rückenwind aus der Politik hofft. Bei den Beschaffungskosten für die Materialien, aus denen der Aerobuster zusammengesetzt wird, rechnen die Experten mit rund 50 Euro. (mex)

Externer Link: www.kit.edu