Denkende Fußgängerampeln: Neues System der TU Graz erkennt Kreuzungswunsch automatisch

Presseaussendung der TU Graz vom 27.05.2019

Das innovative Kamerasystem erkennt die Absicht von Menschen, die Straße zu queren und schaltet automatisch auf Grün. Damit reduziert es unangenehme Wartezeiten und verflüssigt den motorisierten Stadtverkehr.

In Wien gibt es rund 200 Druckknopfampeln. Diese ermöglichen Fußgängerinnen und Fußgängern eine sichere Straßenquerung. Allerdings erst nach einer Wartezeit, die vielen Menschen lästig ist. Die Folge: Fußgängerinnen und Fußgänger warten oftmals nicht auf die Grünphase, sondern gehen in eine andere Richtung weiter oder queren die Straße bei Rot. Für manche wiederum sind Druckknopfampeln eine Einladung, die Grünphase im Vorbeigehen einfach nur aus Spaß auszulösen. All diese Handlungen sorgen auch bei Autofahrerinnen und Autofahrern für Ärger – nämlich dann, wenn diese an der Kreuzung halten müssen, obwohl niemand die Straße quert.

Mehr Komfort – weniger Wartezeiten

Im Auftrag der Magistratsabteilung 33 der Stadt Wien – zuständig für die städtische Beleuchtung sowie für Ampeln, Uhren und öffentliche WLAN-Stationen – haben Forschende des Instituts für Maschinelles Sehen und Darstellen der TU Graz in den letzten drei Jahren ein neues Ampelsystem entwickelt, das mehr Komfort bietet und die Druckknopfampeln auf lange Sicht ersetzen soll. Das innovative kamerabasierte System erkennt die Absicht von Fußgängerinnen und Fußgängern die Straße überqueren zu wollen und leitet die Grünphase automatisch ein. Darüber hinaus bereitet es die Straße für weitere Verkehrsoptimierungen vor, wie Horst Possegger vom Institut für Maschinelles Sehen und Darstellen anhand zweier Beispiele erklärt: „Bei größeren Personengruppen kann die Grünphase automatisch verlängert werden, da diese mehr Zeit benötigen, um die Straße zu queren. Und wenn Personen den Wartebereich vorzeitig verlassen, wird das an die Ampel gemeldet. Diese leitet folglich keine Grünphase ein und es kommt zu keinen unnötigen Wartezeiten für den motorisierten Verkehr.“

Kamera-Tracking als Basis

Zentrales Element ist eine an der Ampel montierte Kamera. Während Standard-Industrielösungen nur ein zwei mal drei Meter großes Sichtfeld abdecken, nimmt dieses System alle Personen innerhalb eines acht mal fünf Meter großen Bereiches wahr. In Sekundenschnelle erkennt es, wer die Straße queren möchte. „Für eine erste Intentionsschätzung benötigt das System eine Sekunde – verlässlich ist die Schätzung schon nach zwei Sekunden“, erklärt Possegger. Anschließend meldet das System den Kreuzungswunsch an den Ampel-Controller. Dieser entscheidet – genau wie beim herkömmlichen Drucktastersystem – wann die Ampelschaltung erfolgt. „Mit der derzeitigen Konfiguration meldet unser System den Kreuzungswunsch drei bis vier Sekunden bevor der Druckknopf betätigt wird“, so Possegger.

Horst Possegger weiß, dass das simpel klingt, doch „es waren zwei Jahre intensive Forschungsarbeit nötig, zumal die Anforderungen vielfältig waren“. Die Hardware musste groß genug sein für einen leistungsstarken lokalen Rechner, gleichzeitig aber so klein wie möglich gebaut werden, um im Schaltkasten der Ampel Platz zu haben. Bei der Software waren Genauigkeit und Effizienz gefragt. Außerdem wurde das Programm zusätzlich mit einer Systemüberwachung ausgestattet, die Ausfälle rechtzeitig meldet. „Das ist eine doppelte Absicherung. Das System wurde so entwickelt, dass es selbst in rauer Umgebung rund um die Uhr funktioniert und auch mit Spannungsspitzen und Spannungsabfällen fertig wird“, erklärt Possegger.

Anhand globaler Bewegungsmodelle und aufgezeichneter Daten entwickelte das Forschungsteam lernende Algorithmen, die den Querungswunsch von Fußgängerinnen und Fußgängern erkennen. Sorgen hinsichtlich des Datenschutzes kann Possegger entkräften. Die Bilddaten sind zwar zwingend notwendig, um Fußgängerinnen und Fußgänger – darunter auch Kinder, sowie Personen mit Regenschirmen oder Kinderwägen – detektieren zu können. Die Bilder werden hierfür aber direkt lokal analysiert und verlassen die Kamera nicht. Das Ampelsystem arbeitet ausschließlich mit geometrischer Information, aus der es den Kreuzungswunsch ableitet.

Implementierung bis Ende 2020

Aktuell erfolgt der Wissenstransfer von den Forschenden zur Günther Pichler GmbH. Das Unternehmen zeichnet für die Installation im Wiener Stadtgebiet verantwortlich und wird Druckknopfampeln zur Evaluierung an ausgewählten Standorten durch das neue Kamerasystem bis Ende 2020 ersetzen. (Christoph Pelzl)

Externer Link: www.tugraz.at

technologiewerte.de – MOOCblick Juni 2019

Spannende Themen, herausragende Dozenten und flexible Lernmöglichkeiten tragen zum wachsenden Erfolg der Massively Open Online Courses (MOOCs) bei – offene, internetgestützte Kurse mit einer Vielzahl an Teilnehmern rund um den Globus.

Folgender Kurs – zu finden auf der MOOC-Plattform edX – sollte einen Blick wert sein:

Managing Disruptive Change
Malte Brettel (RWTH Aachen University)
Start: 12.06.2019 / Arbeitsaufwand: 36-48 Stunden

Externer Link: www.edx.org

Grünen Strom rentabel zwischenspeichern

Presseinformation (Forschung Kompakt) der Fraunhofer-Gesellschaft vom 03.06.2019

Regenerative Energiequellen liefern nicht immer gleich viel Strom – dieser muss daher in Batterien zwischengespeichert werden. Lithium-Ionen-Akkus haben eine kurze Lebensdauer, Redox-Flow-Batterien waren bislang zu teuer. Neuartige Redox-Flow-Systeme liegen nun im selben Preisbereich wie Lithium-Ionen-Batterien, halten jedoch mehr als doppelt so lange. Volterion, einem Spin-Off des Fraunhofer-Instituts für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT, ist es gelungen, die Herstellungskosten deutlich zu reduzieren.

Erneuerbare Energien nehmen einen immer größeren Stellenwert in unserer Stromerzeugung ein. Allerdings schwankt die erzeugte Strommenge stark – die elektrische Energie muss daher zwischengespeichert werden, bis sie benötigt wird. Auch für moderne Technologien wie die Elektromobilität sind leistungsfähige Batteriesysteme nötig: So ist das Stromnetz beispielsweise nicht für Schnellladestationen mit 350 Kilowatt ausgelegt. Zudem ist nicht überall dort, wo Schnellladestationen sinnvoll wären, ein Stromnetz vorhanden. Lithium-Ionen-Akkus eignen sich für solcherlei Anwendungen nur bedingt: Ihre Zyklenfestigkeit reicht nicht aus – würde man sie zwei- bis dreimal täglich be- und entladen, wären sie nach zwei bis drei Jahren kaputt. Anders dagegen Redox-Flow-Batterien: Sie bieten eine große Zyklenfestigkeit und sind zudem nicht brennbar, recycelfähig und ihre Kapazität und Leistung lässt sich gut anpassen. Sie eignen sich daher insbesondere für Anwendungen, bei denen die Batterie stark gefordert wird. Bisher waren sie jedoch schlichtweg zu teuer.

Neuartige Redox-Flow-Batterien werden erstmalig rentabel

Forscher des Fraunhofer UMSICHT in Oberhausen konnten die Kosten der Batterien nun deutlich senken. Hergestellt und vermarktet werden die neuartigen Redox-Flow-Batterien vom Fraunhofer-Spin-Off Volterion. Um zu verstehen, wie die Forscherinnen und Forscher Redox-Flow-Batterien optimiert haben, gilt es zunächst einmal einen Blick auf den Aufbau dieser Batterien zu werfen. Sie bestehen aus Stacks – Zellstapel, die den zu speichernden Strom in chemische Energie umwandeln, und Elektrolytflüssigkeit, die diese chemische Energie speichert. Für die hohen Kosten der Batterien sind vor allem die Stacks verantwortlich. »Wir konnten das Gewicht der Stacks auf zehn Prozent reduzieren und somit auch deren Kosten erheblich senken«, erläutert Dr. Thorsten Seipp, ehemals Wissenschaftler am Fraunhofer UMSICHT und nun Geschäftsführer bei Volterion. »Während herkömmliche Stacks oftmals pro einzelne Zelle acht bis zehn Millimeter dick sein müssen, kommen wir mit einer Stackdicke von zwei bis drei Millimetern aus.« Die neuartigen Redox-Flow-Batterien liegen durch diese Materialersparnis in der gleichen Preisklasse wie Lithium-Ionen-Akkus, halten aber mehr als doppelt so lange. Das heißt: Sie werden erstmalig für zahlreiche Anwendungen rentabel.

Der Clou liegt in der Materialentwicklung

Der Clou lag vor allem in der Materialentwicklung. Üblicherweise bestehen die Stacks aus einer Graphit-Kunststoff-Mischung. Durch die Verarbeitung büßen die Materialien ihre polymeren Eigenschaften allerdings ein. Sprich: Die langen Polymerketten werden zerstört, das Material verliert seine Flexibilität und auch einen Teil seiner Stabilität. Zudem lässt es sich nicht verschweißen, sondern muss mit Dichtringen versehen und verschraubt werden. »Wir haben das Material und den Herstellungsprozess am Fraunhofer UMSICHT so angepasst, dass die polymeren Eigenschaften erhalten bleiben. Das heißt: Das Material bleibt stabil und flexibel, kann somit erheblich dünner ausgelegt werden und die Stacks lassen sich miteinander verschweißen. Schnell verschleißende Dichtungsringe sind unnötig«, so Seipp. Das lässt die Stacks nicht nur kostengünstiger, sondern auch deutlich robuster werden.

Vom Klärwerk bis zu MRT-Untersuchungen

Eingesetzt werden die neuartigen Redox-Flow-Batterien unter anderem in einer Kläranlage. Dort wird Strom aus Methan produziert, künftig sollen auch Photovoltaikanlagen zur Energieerzeugung beitragen. Hier soll eine 100-Kilowatt-Batterie gleich zweierlei Schwankungen ausgleichen: Die der Stromerzeugung und die des Stromverbrauchs. Somit kann die Kläranlage künftig ihren gesamten Energiebedarf selbst decken.

Auch bei MRT-Scannern in Kliniken ist eine Redox-Flow-Batterie vielfach lohnenswert. »Jedes MRT-Gerät hat eine Leistung von 200 Kilowatt – sollen drei oder vier Geräte gleichzeitig laufen, ist die Leitung schnell überlastet. Eine neue Stromleitung zu legen ist jedoch mit 80.000 Euro pro Kilometer extrem teuer. Hier ist eine Redox-Flow-Batterie eine gute Alternative«, sagt Seipp. Denn die MRT-Geräte laufen jeweils einige Minuten, verbrauchen in dieser Zeit sehr viel Strom und werden dann bis zur nächsten Untersuchung wieder ausgeschaltet. Die Batterie durchläuft also zahlreiche Be- und Entladezyklen täglich. »Unsere optimierten Batterien sind wie geschaffen dafür – ebenso wie für andere Anwendungen, in denen kurzfristig viel Energie nötig ist, die das Netz nicht zuverlässig liefern kann«, fasst Seipp zusammen.

Momentan arbeiten die Forscherinnen und Forscher des Fraunhofer UMSICHT gemeinsam mit den Kollegen von Volterion daran, die Kosten für die Batterien noch weiter zu senken. Auch wollen sie die Größen der Anwendungen skalieren: Momentan sind die Batterien auf 100 bis 300 Kilowatt ausgelegt, künftig sollen sie auch im Megawattbereich nutzbar sein.

Externer Link: www.fraunhofer.de

TU Wien entwickelt verbesserte Tunnelröhren

Presseaussendung der TU Wien vom 28.05.2019

Ressourcenschonenderen Tunnelbau ermöglicht nun eine Erfindung der TU Wien: Durch spezielle Bewehrungen aus Metall wird die Stabilität der Röhrenelemente erhöht.

Eine Tunnelröhre muss stabil und belastbar sein, gleichzeitig möchte man mit möglichst wenig Material auskommen. Entscheidend ist, wie die Kraft von einem Betonelement auf das andere weitergegeben wird. An der TU Wien wurde nun eine neue Tunnelbau-Technik patentiert, die mehrere Probleme gleichzeitig lösen kann: Sie ermöglicht ressourcenschonenden Tunnelbau, sorgt für langfristig haltbare Strukturen, vermindert Schwierigkeiten mit Korrosion und möglichen Brandschäden.

Betonringe aus mehreren Einzelteilen

Eine Tunnelröhre besteht aus großen Betonringen, die ihrerseits wieder aus einzelnen gekrümmten Elementen aufgebaut ist. „Diese Elemente nennt man Tübbinge – jeweils sechs bis zehn Tübbinge bilden normalerweise einen Tübbingring“, erklärt Prof. Johann Kollegger vom Institut für Tragkonstruktionen der TU Wien.

Die Tübbinge sind an den Rändern abgeschrägt, um Abplatzungen an den Kanten zu vermeiden. Das verkleinert allerdings die Fläche, auf der die Tübbinge einander berühren. Wenn die Kräfte über eine kleinere Fläche abgeleitet werden, steigt die mechanische Spannung, die Bauelemente werden stärker belastet.

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, dieses Problem zu lösen: Man kann einfach den gesamten Tübbingring dicker und massiver gestalten, damit auch die verkleinerte Querschnittsfläche immer noch groß genug ist, doch dann wird die Gesamtkonstruktion schwerer und teurer. Oder man verstärkt die Fugen mit Metall. Das kostet allerdings viel Geld, das Metall befindet sich direkt an der Oberfläche der Konstruktion, wodurch es zu Korrosion kommen kann, und noch dazu ist eine solche Lösung nicht feuerbeständig: Im Brandfall verlieren solche Verstärkungskörper aus Metall rasch ihre Tragkraft.

Der Bewehrungsstab nimmt Kräfte auf

An der TU Wien entwickelte man nun eine ganz andere Methode: In den Beton der Tübbinge wird ein Bewehrungsstab aus Metall eingebaut. Er reicht bis zur Querschnittsfläche, wo der Tübbing auf dem Nachbartübbing aufliegt. So kommt jeder Bewehrungsstab in direkten Kontakt mit dem nächsten, ein Teil der Kräfte werden von den Metallstäben aufgenommen. Die Bewehrungsstäbe liegen vollständig innerhalb des Tübbingrings, daher besteht keine Korrosionsgefahr.

„Diese Entwicklung wird die Herstellung von Tunnelröhren mit schlankeren Tübbingen ermöglichen und damit einen wichtigen Beitrag zum nachhaltigen Bauen leisten“, sagt Johann Kollegger. „Schlanke Tübbinge bedeuten einen geringeren Betonverbrauch und damit eine Schonung der natürlichen Ressourcen.“

Die neue Technik wurde mit Unterstützung des Forschungs- und Transfersupports der TU Wien bereits patentiert. (Florian Aigner)

Externer Link: www.tuwien.ac.at