Sichere Häfen durch Mobilfunk-Radar

Presseinformation (Forschung Kompakt) der Fraunhofer-Gesellschaft vom 01.12.2014

Viele Küstengebiete und Häfen sind kaum gegen Terrorangriffe gesichert. Mit einem neuen Sensorsystem, das Echos von Mobilfunkmasten nutzt, lassen sich künftig selbst kleine Boote von Angreifern schnell aufspüren. Dieses Mobilfunk-Radar schützt auch Flugzeuge vor Kollisionen mit Windrädern.

Flughäfen werden heute streng überwacht, anders als viele Küsten- und Hafenstädte. Denn nicht überall gibt es Radaranlagen, die kleine Boote erfassen können. Für Terroristen wäre es ein Leichtes, sich den Küsten mit Speedbooten zu nähern, um Sprengstoff an Land zu bringen. Forscher vom Bonner Fraunhofer-Institut für Kommunikation, Informationsverarbeitung und Ergonomie FKIE entwickelten ein Antennensystem, mit dem sich küstennahe Meeresgebiete überwachen lassen: die Passive Coherent Location (PCL). Dabei nutzen sie die kontinuierlich ausgestrahlten Funksignale von Mobilfunksendemasten, um verdächtige Boote zu entdecken und durch Fusion mit elektrooptischen oder Infrarot-Systemen zu klassifizieren. Dazu gehören auch Schnellboote, mit denen sich Piraten Frachtschiffen nähern.

Die Funktionsweise des neuen Verfahrens ähnelt der von Radaranlagen. Diese senden elektromagnetische Signale und fangen das von Objekten zurückgestrahlte Echo auf. Entsprechend fängt die PCL-Antenne die von Objekten reflektierte Mobilfunkstrahlung auf, um Boote zu detektieren. Doch im Vergleich zu einer Radaranlage ist die Verwertung von Mobilfunksignalen deutlich komplexer. Eine Radarantenne sendet eigene wohl definierte Signale in einem begrenzten Sektor aus. Echos lassen sich leicht deuten. Der neue Sensor hingegen nutzt Mobilfunksignale, die aus verschiedenen Richtungen von verschiedenen Basisstationen ausgesendet werden. Er empfängt einen chaotischen Echomix, aus dem Objekte mühsam herausgerechnet werden müssen. »Ein Problem besteht darin, dass unser Sensorsystem zunächst die starken Signale der Mobilfunkstationen wahrnimmt«, sagt Reda Zemmari, Projektleiter am FKIE. »Die von Booten auf dem Wasser zurückgestrahlten Echos sind sehr viel schwächer.«

Mobiles System ist flexibel einsetzbar

Die Forscher mussten daher Algorithmen entwickeln, die diese Schwächen ausgleichen. So ist die Software unter anderem in der Lage, die starken, direkt von den Mobilfunkmasten eintreffenden Funksignale zu unterdrücken. »Von Vorteil ist«, sagt Zemmari, »dass verschiedene Mobilfunkmasten mit unterschiedlichen Frequenzen senden«. Damit kann die Software die verschiedenen Signale und Echos besser voneinander unterscheiden. Darüber hinaus erkennt das System fahrende Boote anhand ihrer Bewegung und der dadurch bewirkten Frequenzverschiebungen. »Unser System überprüft dabei permanent, ob es die Signale richtig zuordnet und die Bewegung des Objekts richtig interpretiert«, sagt Zemmari. Bei Versuchen vor Eckernförde und vor Fehmarn ist es den Forschern bereits gelungen, nur wenige Meter lange Speedboote in einer Entfernung von vier Kilometern zu verfolgen. »Unsere Anlage kann auf einem kleinen Anhänger transportiert werden und ist damit flexibel einsetzbar«, sagt Zemmari. Einzige Voraussetzung: Die Gebiete müssen von Mobilfunkstationen abgedeckt sein. Der Wissenschaftler betont, dass das PCL-System keineswegs Daten von Mobilfunknutzern ausliest. »Wir verwenden ausschließlich das Betriebssignal der Sendestation, das keine Datenpakete von Kunden enthält.«

Die Technologie eignet sich nicht nur für die Terrorabwehr. Derzeit arbeiten die Forscher an einer Variante für Windräder. Hohe Windmasten müssen nachts mit Blinklichtern befeuert werden, damit Hubschrauber- und Flugzeugpiloten gewarnt sind. Das Blinken aber stört viele Menschen. Windräder sollen daher mit Flugzeugdetektoren ausgestattet werden, die die Lichter nur dann einschalten, wenn sich ein Flugzeug nähert. Zwar gibt es bereits Detektoren, die auf die Funksignale von Flugzeugen ansprechen. »Aber für den Fall, dass diese ausfallen, brauchen wir ein redundantes System – und dafür eignet sich die PCL-Technik sehr gut«, sagt Zemmari.

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Lecks in Biogasanlagen per Laser aufspüren

Presseinformation (Forschung Kompakt) der Fraunhofer-Gesellschaft vom 03.11.2014

Biogasanlagen zu warten ist anspruchsvoll. Besonders problematisch sind Lecks, aus denen Methan austritt – sowohl sicherheitstechnisch, wirtschaftlich als auch aus Sicht des Klimaschutzes. Forscher arbeiten an einer Technik, die hilft, Lecks besser aufzuspüren. Ein Laser entdeckt dabei die undichten Stellen aus mehreren Metern Entfernung.

Fast 8000 Biogasanlagen existieren heute in Deutschland. Sie nutzen aus Biomasse gewonnenes Gas, um elektrischen Strom und Wärme zu erzeugen. 2013 haben die Betreiber insgesamt 26,42 Terawattstunden (TWh) Strom produziert. Das entspricht etwa 17 Prozent der Bruttostromerzeugung aus erneuerbaren Energien. In Deutschland werden so mittlerweile 7,5 Millionen Haushalte mit Strom versorgt. Die Anforderungen für den Betrieb und die Instandhaltung der Gasanlagen sind hoch. Besonders problematisch sind Leckagen. Schon kleine undichte Stellen an den Verbindungsstücken der Gasleitungen oder Fermenter können Folgen haben: Durch ausströmendes Methan drohen Brände, wirtschaftlicher Schaden und eine Verschlechterung der Klimabilanz des erzeugten Stroms.

Noch fehlt eine Technologie, die es Betreibern erlaubt, Lecks an allen Anlagenteilen schnell, günstig und sicher aufzuspüren. In einem vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) geförderten Projekt haben sich Forscher und ein Messtechnikhersteller jetzt diesem Problem angenommen. Innerhalb von eineinhalb Jahren entwickelten die Experten einen Demonstrator, der aus Lecks entweichendes Bio- oder Erdgas berührungslos via Laser entdeckt. Schneller und genauer, als das bisher möglich war. Beteiligt waren das Fraunhofer-Institut für Physikalische Messtechnik IPM in Freiburg, das Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT in Oberhausen sowie die Schütz GmbH Messtechnik aus Lahr.

Methan eindeutig identifiziert

Die am Fraunhofer IPM entwickelte Technologie basiert auf der optischen Emissions-und Rückstreuspektroskopie. Dabei nimmt austretendes Methan das Licht eines starken Laserstrahls auf. Gleichzeitig strahlt das Gas einen Teil des Lichts wieder ab. Die Wissenschaftler analysieren diesen Anteil und ermitteln aus dem Absorptionsspektrum der austretenden Substanz die Gaskonzentration. Da das Gasspektrum eindeutig ist, wird sehr selektiv nur Methan gemessen und keine anderen Gase. Die Technik findet in einem kastenförmigen Demonstrator Platz. Er steht auf einem dreifüßigen Stativ und ist auf das zu untersuchende Anlagenteil gerichtet. Der optische Teil des Messsystems umfasst den Laser, den Detektor, die Kamera und den Entfernungsmesser. Ein angeschlossener Tablet-PC sammelt die Daten und wertet sie aus. Auf dem Bildschirm sind die graphisch aufbereiteten Informationen zum ausströmenden Methan und die exakte Position des Lecks zu sehen. Messungen aus maximal 15 Metern Entfernung sind möglich.

Mit dem System können die Forscher besonders genau messen: Sie passten die Wellenlänge des Lasers optimal an. Eine übliche Flanschgröße der Verbindungsstücke von etwa 15 Zentimetern ist mit drei bis vier Messgängen vermessen. Zusätzlich erkennt die Technologie zu hohe Gaskonzentrationen in Räumen und wann diese für den Menschen gefährlich sind. Die Forscher berechnen die Konzentration mit Hilfe der Daten des eingebauten Entfernungsmessers. Der Betreiber weiß damit auch, wieviel Gas bereits ausgetreten ist. Das ist ein weiteres Alleinstellungsmerkmal des neuen Systems.

Mit der Marktreife der Technologie rechnet Dr. Johannes Herbst, Messtechnikexperte vom Fraunhofer IPM, in den nächsten drei bis fünf Jahren. Aktuell feilen die Forscher im Labor bereits an weiteren Funktionen. Es ist ihnen zum Beispiel gelungen, Methan auch ohne das zurückgestreute Licht zu erkennen. Dazu wird das Gas mit Hilfe eines starken Lasers selbst zum Leuchten gebracht. »Zukünftig kann dann das Messteam die gesamte Anlage bequem vom Boden aus überprüfen. Bisher war es nötig, auf Leitern zu steigen und die Lecks an Ort und Stelle zu identifizieren«, so Herbst.

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Miniaturkamera verspricht weniger Unfälle

Presseinformation (Forschung Kompakt) der Fraunhofer-Gesellschaft vom 01.10.2014

Nur wenige Kubikmillimeter misst ein neuartiges Mikrokameramodul, das bald in künftige Fahrerassistenzsysteme integriert werden könnte, um Autofahrer in kritischen Situationen zu unterstützen. Der Winzling lässt sich platzsparend ins Fahrzeug einbauen. Dank einer speziellen Verkapselung arbeitet er besonders zuverlässig.

Oft sind es nur Bruchteile von Sekunden, die über Autounfälle entscheiden: Ein kurzer Moment des Abgelenktseins, Übermüdung oder Unaufmerksamkeit – es gibt viele Gründe, warum die Zahl der Unfälle in Deutschland vor allem auf Autobahnen hoch ist. Laut Angaben des Statistischen Bundesamts stieg die Zahl der Todesopfer auf deutschen Autobahnen 2013 im Vergleich zum Vorjahr um mehr als acht Prozent. Fahrerassistenzsysteme könnten viele dieser Unglücke vermeiden helfen oder zumindest reduzieren. Mikrokameras sind unverzichtbare Helfer: Sie registrieren mögliche Gefahren bereits dann, wenn der Fahrer sie noch gar nicht wahrgenommen hat, und können ihn so frühzeitig warnen.

Forscher des Fraunhofer-Instituts für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM in Berlin entwickelten ein Mikrokameramodul, das dies leisten soll. Die Kamera erkennt beispielsweise Verkehrsschilder, die gerade auf der Autobahn leicht übersehen werden und so zu schwerwiegenden Unfällen führen können. Eine Besonderheit des Systems: Im Gegensatz zu auf dem Markt üblichen Fahrerassistenzsystemen erfolgt die Verarbeitung des Bildmaterials und somit die Interpretation der Verkehrsschilder direkt in der Kamera, da sie mit einem integrierten Prozessor zur Bildverarbeitung ausgestattet ist. Nachdem der eingebaute Imagesensor die Bilder aufgenommen hat, wertet der Prozessor die Frames aus. »Das Video selbst muss nicht mehr, wie bisher üblich, ausgelesen und durch ein zwischengeschaltetes System analysiert werden. Stattdessen werden nur noch die entsprechenden Signale übertragen«, sagt Andreas Ostmann, Diplomphysiker und Gruppenleiter am IZM. Der Vorteil für die Verkehrszeichenerkennung: Das zu übertragende und zu verarbeitende Datenvolumen fällt um ein Vielfaches kleiner aus. Da sich die Erkennung der Zeichen an alle landestypischen Verkehrsschilder anpassen lässt, gibt es hinsichtlich des Einsatzgebietes keinerlei Beschränkungen: Stopp-Schilder erkennt die Mikrokamera ebenso wie Geschwindigkeitsbegrenzungen, Überholverbote oder Einbahnstraßenschilder. Beispielsweise durch eine Anzeige im Armaturenbrett könnte sie den Fahrer informieren und dadurch den Fahrkomfort und die Sicherheit verbessern.

Mit einer Größe von nur 16x16x12 Kubikmillimetern inklusive Optik und 16x16x4,6 Kubikmillimetern ohne Optik ist das Mikrokameramodul kleiner als aktuell verbaute Assistenzsystemkameras mit Kantenlängen von 20x20x20 Kubikmillimetern (ohne Optik). Möglich wurde diese Miniaturisierung durch die Expertise der IZM-Forscher im Bereich der Aufbau- und Verbindungstechnik. Insgesamt 72 passive und 13 aktive Komponenten wie LEDs, Gleichspannungswandler, Speicherchip, Imagesensor und Imageprozessor mussten besonders platzsparend in dem Modul platziert werden. Dies ist den Forschern gelungen: Das Volumen der Kamera konnte auf gerade einmal 3 Kubikzentimeter mit Optik und auf 1,2 Kubikzentimeter ohne Optik reduziert werden.

Ein weiterer Vorteil des neu entwickelten Moduls: Alle Bauteile sind direkt in die Leiterplatte aus Glasfaser und Epoxidharz integriert. Experten nennen diese Aufbautechnik »Embedding«. Durch diese Verkapselung der elektronischen Komponenten ist die Mikrokamera unempfindlich gegenüber Rüttlern auf unebenen Straßen.

»Unser System lässt sich nicht nur einsetzen, um Verkehrszeichen zu detektieren. Wenn man die integrierte Software entsprechend programmiert, ist auch das Erkennen von Fahrbahnmarkierungen möglich. In dem Fall wird die Kamera mit einem Spurhalteassistenten kombiniert. Da sie auch die Bewegungserkennung beherrscht und Objekte wie Tiere, Personen und deren Position detektiert, ließe sie sich mit einem Bremsassistenten oder Fußgängerschutz koppeln«, führt Ostmann aus. Ein weiteres Szenario: Am Armaturenbrett montiert könnte das Miniatursystem den Innenraum von Fahrzeugen überwachen und vor Sekundenschlaf warnen. Stellt die Kamera fest, dass die Augen des Fahrers etwas länger als eine Sekunde geschlossen sind, wird Alarm ausgelöst. Weitere mögliche Anwendungen für die Miniaturkamera könnten Diebstahlschutz und Qualitätskontrolle sein. Hierfür müssen lediglich die Bildverarbeitungsalgorithmen entsprechend angepasst werden.

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Auf dem Weg zum sicheren Smart Home

Presseinformation (Forschung Kompakt) der Fraunhofer-Gesellschaft vom 01.09.2014

Immer mehr Funktionen in Häusern lassen sich über das Internet steuern. Das »Smart Home« verspricht effizientes Gebäudemanagement. Doch die Systeme sind in vielen Fällen nicht sicher und lassen sich nur mit großem Aufwand erneuern. Forscher arbeiten an einer Software, die Hackerangriffe abwehrt, bevor sie die Gebäude erreichen.

Botnet. Ein Begriff aus der Computerwelt schleicht sich langsam in die Welt der Gebäudeautomation. Mit diesem Angriffsszenario ist laut Dr. Steffen Wendzel von der Bonner Abteilung »Cyber Defense« des Fraunhofer-Instituts für Kommunikation, Informationsverarbeitung und Ergonomie FKIE in Wachtberg zu rechnen. Der Forscher aus der ist Experte für die Hackermethode und hat sie zusammen mit Viviane Zwanger und Prof. Dr. Michael Meier unter die Lupe genommen. Angreifer infiltrieren dabei mehrere Rechner – Bots (von engl. robots) – ohne die Kenntnis ihrer Eigentümer, schließen sie zu Netzen (engl. nets) zusammen und missbrauchen sie für Computerattacken. Die Forscher untersuchten, was es aktuell noch gar nicht gibt: Angriffe durch Botnets auf »Smart Homes«, mit dem Internet vernetzte Gebäude bzw. Gebäudefunktionen. Das Ergebnis: Die Bedrohung ist real, über das Internet gesteuerte Rollläden, Heizungen oder Schließsysteme können für derartige Attacken genutzt werden. »Unsere Experimente im Labor zeigten, dass Gebäude-IT nicht ausreichend gegenüber Angriffen aus dem Internet geschützt ist. Ihre Netzwerkkomponenten können als Botnet missbraucht werden«, so Wendzel. Der Hacker hat es dabei nicht wie bisher auf PCs abgesehen, sondern auf diejenigen Komponenten der Gebäudeautomation, die Häuser mit dem Internet verbinden. Das sind im Gebäude verbaute, kleine Kästchen, die ähnlich wie Router für den Heimcomputer aussehen und funktionieren. »Sie sind jedoch sehr einfach aufgebaut, können nur schwer aktualisiert werden und weisen Sicherheitslücken auf. Die Kommunikationsprotokolle, die sie nutzen, sind veraltet«, so Wendzel.

Schutzsoftware schaltet sich zwischen Internet und Gebäude-IT

Damit die Heizung, die Beleuchtung oder die Lüftung von Gebäuden über das Internet gesteuert werden können, ist es notwendig, spezielle Technik zu installieren: Es handelt sich dabei um kleine Minicomputer, die Temperaturen, Licht oder Luftfeuchtigkeit messen und in Netzwerken zusammengeschlossen sind. »Sie sicherheitstechnisch auf dem neuesten Standard zu halten, ist teuer«, sagt Wendzel. Am FKIE entwickelte das Team eine Schutzsoftware, die sich einfach zwischen Internet und Gebäude-IT schalten lässt. Die Technologie filtert potentielle Angriffe aus den Kommunikationsprotokollen heraus, noch bevor sie die eigenen vier Wände oder das Bürohaus erreichen. Ganz egal, welche Technik innerhalb der Gebäude verwendet wird: Sie muss bei dieser Herangehensweise nicht ausgetauscht werden.

Die Forscher nahmen dazu den gängigen Kommunikationsstandard der Gebäudeautomation unter die Lupe und entwickelten darauf aufbauend Regeln für den Datenverkehr. Halten eintreffende Daten diese nicht ein, wird der Kommunikationsfluss angepasst. »Die Software funktioniert wie eine Firewall mit Normalisierungskomponente«, sagt Wendzel. Ein »Analyzer« prüft sämtliche Ereignisse auf Plausibilität, die auf den Weg zu den Systemen geschickt werden. Schlägt er Alarm, geht der Vorfall unmittelbar an den »Normalizer«. Dieser blockiert das Ereignis entweder ganz oder wandelt es passend um. »Die Grundlagenforschung ist erfolgreich abgeschlossen. Im nächsten Schritt wollen wir die Technologie zusammen mit einem Industrieunternehmen zur Produktreife bringen. In spätestens zwei Jahren sollte ein Produkt auf dem Markt sein«, sagt Wendzel.

Bei ihrer Analyse der Botnet-Angriffe skizzierten die Forscher konkrete Bedrohungsszenarien für Smart Homes. »Aus meiner Sicht ist das Thema ›Überwachung‹ das drängendste«, sagt der Cyber Defense-Forscher. Indem der Angreifer sich in die IT von Gebäudefunktionen hackt, erfährt er im schlimmsten Fall wo die Insassen sind und was sie machen. Das reicht dann bis zum Gang auf die Toilette. Einbrecher, zum Beispiel, könnten die Daten nutzen, um ihre Raubzüge vorzubereiten. Hier agiert der Hacker passiv, zapft Informationen an. Er wäre aber genauso gut in der Lage, aktiv in die Systeme einzugreifen. Zum Beispiel für einen Auftraggeber aus der Energiebranche. Der könnte von mehr verkauftem Öl oder Gas profitieren, wenn der Verbrauch mehrerer Heizungen künstlich erhöht wird. Wie real dieses Szenario ist, zeigt ein aktuelles Beispiel: Im vergangenen Jahr gab es eine Lücke im Sicherheitssystem einer an das Internet angeschlossenen Heizung. Angreifer hatten die Möglichkeit, die Heizkörper auszustellen oder zu beschädigen. Momentan rät Sicherheitsexperte Wendzel deshalb davon ab, Gebäudefunktionen in Eigenheimen allzu sorglos mit dem Internet zu verbinden.

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Simulationsmodelle optimieren Wasserkraft

Presseinformation (Forschung Kompakt) der Fraunhofer-Gesellschaft vom 30.07.2014

Das Columbia River-Delta im Nordwesten der USA bietet großes Potenzial für die Wasserkraft. Über 20 000 Megawatt produzieren die Kraftwerke dort. Ein Simulationsmodell soll helfen, den Betrieb des weiträumigen Staustufensystems zu optimieren.

Forscher des Fraunhofer-Instituts für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung IOSB entwickeln an ihrem Standort in Ilmenau Informationstechnologien, um Wasserkraftsysteme effizienter zu machen. Am Institutsteil Angewandte Systemtechnik AST erstellen sie Simulations- und Optimierungsmodelle, die sowohl externe Faktoren, wie Wetterdaten, Pegelstände und Marktpreise, als auch die Infrastruktur der Systeme zusammenführen und daraus Pläne für die zu betreibenden Anlagen errechnen. Hierzu gehören beispielsweise das Öffnen und Schließen der Schleusentore, die Regulierung der Pegel in den Stauseen und der Betrieb der Wasserturbinen. Die Betreiber können dadurch die Stromerzeugung ihrer Wasserkraftwerke an die aktuellen energiewirtschaftlichen Gegebenheiten anpassen und die erzeugte elektrische Energie mit höchstmöglichem Erlös vermarkten.

22 000 Megawatt im Delta des Columbia Rivers

Nach Projekten in Deutschland und China setzen die Ilmenauer ihr Fachwissen in Kooperation mit dem niederländisch-amerikanischen Unternehmen Deltares für einen der weltweit größten Wasserkraftbetreiber ein. Die Bonneville Power Adminstration (BPA) betreibt im Delta des Columbia Rivers im Nordwesten der USA ein komplexes, weiträumiges Staustufensystem, dessen Kraftwerke zusammen etwa 22 000 Megawatt (MW) Strom erzeugen. Das ist mehr als das Fünffache der in Deutschland verfügbaren Menge: Heute produzieren hierzulande rund 7500 Wasserkraftwerke an Flüssen und Seen eine Leistung von 4300 MW. Im Einzugsgebiet der BPA, zu dem die US-Bundesstaaten Idaho, Oregon, Washington, Montana, Kalifornien, Nevada, Utah und Wyoming gehören, leben über 12 Millionen Menschen. Zusammen mit Deltares entwickelten die Forscher im Projekt »HyPROM« ein funktionierendes Simulations- und Optimierungsmodell, das anhand vorgegebener Parameter den optimalen Betrieb des BPA-Staustufensystems gewährleistet.

»Es gibt sehr unterschiedliche Parameter, die das Erzeugen von Strom in Wasserkraftwerken beeinflussen: Niederschlagsstärke, Menge und Geschwindigkeit des Wassers sowie allgemeine Klimafaktoren gehören beispielsweise dazu. Gleichzeitig müssen Gesetze zum Fisch- und Hochwasserschutz oder Umweltvorgaben eingehalten werden«, so Dr. Divas Karimanzira, aus dem Projektteam am IOSB. »Nur wer alle Variablen im Blick hat, kann sein Wasserkraftwerk optimal betreiben. Bei ›HyPROM‹ kommt als zusätzliche Herausforderung die Komplexität des weiträumig verzweigten Staustufensystems im Delta des Columbia Rivers dazu: Es umfasst zwei verschiedene Flüsse mit durchschnittlich 7500 Kubikmetern Wasser pro Sekunde, zehn Kraftwerke, zehn Stauseen und einen Höhenunterschied von insgesamt 350 Metern.«

Aktuell arbeiten die Wissenschaftler daran, die Simulations- und Optimierungsmodelle um energiewirtschaftliche Aspekte zu erweitern. Sie berücksichtigen dabei die fluktuierende Verfügbarkeit von Wind- und Sonnenenergie ebenso wie sich stochastisch verändernde Marktpreise. »Wir sind dann in der Lage, noch mehr Informationen in die Berechnungen einfließen zu lassen. So entsteht ein Szenario, das der Realität sehr nahe kommt«, erklärt Karimanzira.

Die Projektpartner planen, die neu entwickelte Technologie in ein System zu integrieren, das den zuständigen Mitarbeitern hilft, die richtigen Entscheidungen beim Betrieb der Anlagen zu fällen. Ziel ist es, zukünftig die gesamte Kontroll- und Steuerungsanlage von BPA innerhalb einer Stunde an sich ändernde Rahmenbedingungen anzupassen. Damit wird es auch möglich sein, die Wasserkraft nur dann zu verkaufen, wenn der Preis stimmt. Andernfalls werden freie Speicher befüllt und zu einem späteren Zeitpunkt – wenn es wirtschaftlicher oder technisch notwendig ist – entleert. »Der Preis ist ein wichtiger Aspekt, gerade für Betreiber, die nicht nur Wasserkraft als schwankende Energiequelle verkaufen, sondern auch Sonnenenergie und Windkraft«, sagt Karimanzira.

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