Schnelle Gebäudeinspektion aus der Luft

Presseinformation (Forschung Kompakt) der Fraunhofer-Gesellschaft vom 01.07.2014

Viele Bauwerke in Deutschland sind sanierungsbedürftig. Gründe hierfür sind oftmals alternde Bausubstanzen und Umwelteinflüsse. Fliegende Prüfroboter könnten Inspektionen künftig beschleunigen, vereinfachen und somit das Sicherheitsrisiko senken.

Leise surrend schwebt der Flugroboter an dem Hochhaus empor. Langsam schraubt sich der mit acht Rotoren ausgerüstete Miniflieger nach oben, bis zum 11. Stock. Dort soll er die Fassade auf Schäden wie Risse, defekte Fugen, abgeplatzten und bröckelnden Beton untersuchen. Im Abstand von zwei Metern zum Gebäude scannt der Oktokopter das Mauerwerk ab. Mit an Bord ist eine hochauflösende Digitalkamera, die detailgenaue Aufnahmen macht – jedes Gebäudeteil wird erfasst. Zudem ist der Materialprüfer mit Sensoren bestückt, die Windböen ausgleichen, für stabile Fluglagen sorgen und Kollisionen mit dem Bauwerk verhindern. Während sich der ferngesteuerte Roboter meterweise vorarbeitet, wird er aufmerksam von Christian Eschmann beobachtet. Er ist Forscher am Fraunhofer-Institut für Zerstörungsfreie Prüfverfahren IZFP in Saarbrücken, der Mikrofluggeräte für Bauwerksinspektionen entwickelt und adaptiert.

Gebäude, Industrieanlagen und Brücken müssen hohe Lasten tragen, sie sind Wind und Wetter ausgesetzt. Viele Bauwerke in Deutschland wurden in den Nachkriegsjahren errichtet und weisen mittlerweile Alterungsschäden auf. »Um ihren Zustand zu kontrollieren und Gefährdungen für Menschen auszuschließen, muss derzeit bei schwer zugänglichen Bauwerken noch ein großer Aufwand betrieben werden«, sagt Eschmann. Bislang inspizieren Prüfingenieure den Beton bei den vorgeschriebenen Prüfungen mit dem bloßen Auge, eventuelle Risse tragen sie manuell in 2D-Karten ein – eine fehlerträchtige Vorgehensweise. Hinzu kommt, dass sich schwer zugängliche oder einsehbare Stellen oftmals nur mit Helikoptern, Kränen, Steigerfahrzeugen, Industriekletterern und Gerüsten erreichen lassen.

3D-Modellbilder geben Aufschluss über Zustand der Bausubstanz

Im Vergleich zu vielen konventionellen Verfahren ist die Inspektion mithilfe eines Flugroboters günstig und kann in zeitlich kürzeren Intervallen erfolgen. Zudem lässt sich die Inspektionsdauer deutlich verkürzen, meist ohne dass es zu Einschränkungen bei der Nutzung der Bauwerke kommt. »Für eine 20 mal 80 Meter große Fassade benötigt ein Prüfingenieur etwa zwei bis drei Tage. Unser Oktokopter braucht dafür drei bis vier Stunden«, sagt der Forscher. Risse und andere Mängel können nun hochauflösend digital fotografiert werden. Schnelle Rückschlüsse auf den Zustand der Bausubstanz sind so möglich. Falls erforderlich lässt sich der Oktokopter zusätzlich mit einer Thermographiekamera ausstatten, um beispielsweise die Isolierung von Gebäuden zu prüfen.

Die Bilderausbeute ist hoch: Bereits nach einem 15-minütigen Flug fallen bis zu 1200 Fotos an. Am Computer werden die Einzelaufnahmen zu einem Gesamtbild zusammengesetzt, die entstehenden 2D- und 3D-Datenmodelle stellen den visuell abbildbaren Zustand der Bausubstanz dar. Nicht benötigte, überschüssige Aufnahmen soll eine Software künftig automatisiert löschen. Geplant ist zukünftig eine komplette Software-Suite inklusive Schadenserkennung, Bildverarbeitung, Datenbank und Dokumentation sowie die Automatisierung aller Vorgänge – dies umfasst unter anderem das Zusammenfügen der Einzelbilder und das Ermitteln der Rissmuster.

Zu seiner ersten Inspektion ging der Oktokopter bereits 2011 in die Luft. Seither hat er zahlreiche Test-Messflüge absolviert. Bislang muss er noch manuell gesteuert werden. Eschmann und seine Kollegen arbeiten aktuell an Navigationssensoren, die künftig den Flugroboter steuern. Nach einem vorgegebenen Muster sollen sie den Oktokopter an Fassaden entlang lotsen – Etage für Etage, von einer Seite zur anderen. »Das ist ein bisschen wie Fliegen auf Schienen«, sagt der Ingenieur. Dieser Automatisierungsprozess werde aber sicherlich noch ein Jahr Entwicklungsarbeit beanspruchen, so der Forscher. Umstehende und Passanten seien durch den Einsatz des Flugroboters nicht gefährdet. Das Gerät ist mit acht Elektromotoren ausgerüstet. Sollte einer ausfallen, kann es jederzeit sicher heruntergeholt werden.

»Sachverständige und eine handnahe Prüfung können durch unser Mikroflugzeug nicht ersetzt werden. Der Oktokopter beschleunigt aber das Prüfverfahren und ermöglicht ein permanentes Monitoring und eine Dokumentation von Anfang an. Ausführungsmängel und Gewährleistungsansprüche lassen sich frühzeitig erkennen, erforderliche Maßnahmen zur Instandsetzung rechtzeitig einleiten. Das heißt mehr Sicherheit für Gebäude und Menschen«, resümiert Eschmann.

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Solarmodule in Glas gebettet

Presseinformation (Forschung Kompakt) der Fraunhofer-Gesellschaft vom 02.06.2014

Organische Solarmodule haben gegenüber Silizium-Solarzellen Vorzüge. Ein Knackpunkt sind jedoch ihre kürzere Lebendauer. Forscher arbeiten an einer viel versprechenden Lösung: Sie nutzen flexibles Glas als Trägersubstrat, wodurch die empfindlichen Bauteile besser geschützt sind.

In elektronischen Geräten kommen sie heute teilweise schon zum Einsatz: organische Solarmodule (OPVs), die in eine Folie eingebettet sind. Solche OPVs sind eine vielversprechende Alternative zu siliziumbasierten Solarzellen: So lassen sich die Materialien auch unter Atmosphärendruck verarbeiten. Vor allem aber können die Module mittels Drucktechniken hergestellt werden – das ist schneller und effizienter als die aufwändigen Prozesse, die zur Fertigung von anorganischen Bauteilen nötig sind. Voraussetzung für eine Fertigung im Druckverfahren ist ein flexibles substratartiges Trägermaterial. Bislang kommen Polymerfolien zum Einsatz, die jedoch folgenden entscheidenden Nachteile haben: Die Folien sind bis zu einem gewissen Grad durchlässig für Wasserdampf und Sauerstoff. Beide greifen die empfindlichen Solarmodule an und vermindern deren Lebensdauer beträchtlich. In Abhängigkeit von den Anwendungen haben bisher Substrate mit Barriereschichten die OPV-Module geschützt. Für höhere Prozesstemperaturen und eine längere Lebensdauer muss man andere Trägersubstrate verwenden.

Extrem stark und bruchfest

Forscher des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Polymerforschung IAP in Potsdam arbeiten derzeit mit einem neuen Trägermaterial: Sie betten die Solarmodule in hauchdünnes Glas ein. »Glas ist nicht nur ein ideales Verkapselungsmaterial, sondern hält auch Bearbeitungstemperaturen bis zu 400 Grad aus«, erklärt Danny Krautz, Projektleiter in der Abteilung Funktionsmaterialien und Bauelemente am IAP. Bei den Forschungsarbeiten kommt ein Spezialglas der Corning Inc. zum Einsatz. Dank seiner speziellen physikalischen Eigenschaften lassen sich Lagen von nur 100 Mikrometer Dicke realisieren. Das entspricht ungefähr einem Blatt Papier und hat nicht viel mit den Gläsern zu tun, aus denen wir täglich unser Wasser trinken. Das Spezialglas ist nicht nur extrem stark und bruchfest, sondern sogar in festem Zustand noch so flexibel, dass es leicht gewölbt werden kann. Mit diesem Material konnten die Potsdamer Forscher gemeinsam mit dem Kooperationspartner Corning in Sheet-to-Sheet-Prozessen schon erste funktionsfähige OPVs realisieren. Die Verarbeitung funktioniert dabei in Stapeln.

Fertigung im Rolle-zu-Rolle-Verfahren

Ziel ist es, diese Module auch im Rolle-zu-Rolle-Verfahren zu fertigen: Ähnlich wie beim Zeitungsdruck wird dabei das Trägersubstrat auf einer Rolle aufgewickelt. Gegenüber befindet sich eine leere Rolle. Zwischen beiden Rollen werden in mehreren Prozessen die photoaktiven Schichten und Elektroden aufgedruckt. Mit dieser Fertigungstechnologie lassen sich große Flächen effektiv in Serie herstellen. Einen ersten Test, das flexible Glas auf diese Weise zu bearbeiten, hat das IAP-Team bereits unternommen: »Uns ist es gleich im ersten Anlauf gelungen, mit kleineren Substratgrößen homogene Schichten herzustellen«, so der Wissenschaftler. Damit das Verfahren industriellen Ansprüchen genügt, muss die Prozesstechnologie an vielen Stellen angepasst werden – doch daran arbeiten die Potsdamer bereits. Mit der Technologie ließen sich langfristig robuste und leistungsstarke OPVs für unterschiedlichste Anwendungen realisieren – von winzigen Solarzellen im Mobiltelefon bis hin zu großflächigen Photovoltaikmodulen.

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Schaltungen und Sensoren aus dem Drucker

Presseinformation (Forschung Kompakt) der Fraunhofer-Gesellschaft vom 30.04.2014

Drucker mausern sich zu Multitalenten. Sogar Sensoren und elektronische Bauteile können inzwischen auf 2D- und 3D-Oberflächen gedruckt werden. Eine neue, robotergestützte Fertigungsstraße automatisiert den Prozess.

Drucker sind heute in jedem Büro unersetzlich. Aber auch in der Mikroelektronik, Mikrosystemtechnik und Sensorik spielen digitale Drucktechnologien eine wichtige Rolle: Am Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung IFAM in Bremen stellen Forscher mit unterschiedlichen Druckverfahren elektronische Bauteile und Sensoren her. Winzige Widerstände, Transistoren, Leiterbahnen und Kondensatoren werden zunächst am Bildschirm entworfen und anschließend direkt auf zwei- und dreidimensionale Oberflächen, beispielsweise auf Platinen, aufgebracht. Anstelle von Druckfarben verwenden die Wissenschaftler »funktionelle Tinten« – elektronische Materialien in flüssiger und pastöser Form. Das Potenzial für gedruckte Elektronik ist groß – es reicht vom Digitalthermometer mit elektronischen Schaltkreisen über Solarzellen von der Rolle bis hin zu intelligenten Verpackungen mit eingebauten Sensoren.

Um flache und dreidimensionale Bauteile mit gedruckter Elektronik automatisiert herstellen zu können, haben die Wissenschaftler am IFAM eine robotergestützte Fertigungsstraße in Betrieb genommen, die gleich mehrere Druckverfahren kombiniert: Sieb-, Inkjet-, Dispens- und Aerosol-Jet-Druck sind modular in der Produktionseinheit integriert. Die Fertigungsstraße mit zentraler Robotereinheit, Bauteilzuführung, Drucksystemen und Wärmebehandlungsöfen versetzt die Forscher in die Lage, Oberflächen seriennah zu funktionalisieren.

Dank der unterschiedlichen Technologien lassen sich sowohl flächige als auch dicke und feine Strukturen auf die Substrate drucken. Mit dem Aerosol-Jet-Verfahren etwa können die Forscher feinste Strukturen mit Breiten von nur 10 Mikrometern kontaktfrei auf das Bauteil aufbringen. Hierbei wird die leitfähige Tinte pneumatisch zerstäubt und das entstehende Aerosol über einen Schlauch zum Druckkopf geführt. Dieser fokussiert den Strahl auf die Substratoberfläche, die uneben sein kann – sogar gekrümmte Oberflächen lassen sich auf diese Weise bedrucken. Auch unterschiedliche Schichtdicken und mehrlagige Strukturen sind möglich. »Eine Platine kann beispielsweise nicht nur mit Schaltkreisen, sondern auch gleich mit einer Schicht, die sie vor Korrosion schützt, ausgestattet werden«, sagt Dr. Volker Zöllmer, Abteilungsleiter am IFAM.

Doch wie funktioniert ein »Druckvorgang« im Detail? Nachdem per Steuerungssoftware je nach gewünschtem Endprodukt die Reihenfolge und Art der Drucker festgelegt wurde, greift der Roboter den Probenträger, also beispielsweise eine Platine, und befördert diese zur ersten Druckstation. Um 200 Mikrometer breite Leiterbahnen in die Oberfläche zu integrieren, wird zunächst der Dispenser, ein Dosiersystem mit Piezoantrieb, angesteuert. Über ein Ventil lässt sich das Volumen und die Tropfengröße der viskosen Medien – etwa eines elektrisch leitfähigen Klebstoffs – exakt dosieren. Soll die Leiterbahn zu einem Sensor führen, wird die Platine im nächsten Schritt an den Aerosoldrucker weitergeleitet. Dieses Spezialgerät für feinste Strukturen druckt den Sensor auf. Je nach Anwendung werden weitere Drucker angesteuert. Abschließend erfolgt eine thermische Nachbehandlung im Ofen, um die gewünschten Eigenschaften zu erhalten. Die bedruckbaren Substrate können die Größe eines DIN-A3-Blatts haben, die Höhe der Bauteile kann mehrere Zentimeter betragen.

Oberflächen maßgeschneidert funktionalisieren

Bei der Wahl der zu be- und verdruckenden Materialien sind den Experten vom IFAM kaum Grenzen gesetzt: Als verdruckbare Tinten kommen Metalle, Keramiken, elektrisch leitfähige Polymere, aber auch Biomaterialien wie Proteine und Enzyme in Frage. Diese Medien applizieren die Wissenschaftler je nach Anforderung auf Glas, Textilien, Metalle, keramische Platten und viele andere Werkstoffe. »Mit der neuen Fertigungsstraße können wir verschiedenste Materialien kombinieren und Produkte nach Kundenwunsch fertigen. Im Prinzip erhalten Bauteile völlig neue Funktionen – so kann eine Glasscheibe mit integriertem Temperatursensor Wärme messen. Gedruckte Sensorik eignet sich auch zur Bauteilüberwachung, um frühzeitig Risse und Schädigungen zu erkennen. Zum Beispiel können aerosolgedruckte Dehnungsmessstreifen auf einer Aluminiumoberfläche rechtzeitig auf Materialermüdungen in Karosseriebauteilen hinweisen«, erläutert Zöllmer.

Mit der robotergestützten Fertigungsstraße verkürzen sich auch die  Entwicklungzeiten. Um Bauteile mit Sensorstrukturen auszurüsten, werden die Sensoren häufig nachträglich in die Bauteile integriert – ein zeitaufwändiger Prozess. Die IFAM-Forscher benötigen – je nach Anwendung – nur wenige Sekunden bis Minuten, um ein Bauteil zu bedrucken. Von den kurzen Entwicklungszeiten könnten viele Branchen profitieren, wie die Automobil- und Luftfahrtbranche, aber auch die Mikrosystemtechnik. »Wir können die Industrie bei der Produktentwicklung unterstützen, Klein- und Nullserien lassen sich mit der Fertigungsstraße herstellen«, sagt Zöllmer. Dabei hat der Kunde auch die Möglichkeit, die modulare Fertigungsstraße mit eigenen Prozessen zu erweitern.

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Diamanten mit Röntgentechnik aufspüren

Presseinformation (Forschung Kompakt) der Fraunhofer-Gesellschaft vom 01.04.2014

Röntgenstrahlen durchdringen Objekte und geben Informationen über deren Inneres preis. Mit zwei Röntgenspektren lassen sich unterschiedliche Materialien identifizieren. Ein neuer Algorithmus ermöglicht es, Diamanten in Gestein zu finden.

Das Entwicklungszentrum Röntgentechnik EZRT in Fürth hat einen Demonstrator entwickelt, der Diamanten in Gestein vulkanischen Ursprungs aufspürt. Das EZRT ist ein Bereich des Fraunhofer-Instituts für Integrierte Schaltungen IIS, der eng mit dem Fraunhofer-Institut für Zerstörungsfreie Prüfverfahren IZFP in Saarbrücken kooperiert. Die Schwerpunkte liegen bei den Themen Röntgensensorik, Computertomographie, Bildverarbeitung und optischen 3D-Prüfsystemen sowie -Applikationen.

Das Verfahren basiert auf dem Dual-Energy-Röntgen. Dabei werden zwei Bilder desselben Objekts mit zwei unterschiedlichen Röntgenspektren erzeugt. Ein am EZRT entwickelter Algorithmus filtert aus den beiden Aufnahmen die jeweiligen Materialinformationen heraus. Die neue Technologie ist in der Lage, wenige Millimeter große Diamanten in Kimberlitgestein mit Korngrößen bis 50 Millimeter zu entdecken. Zusammen mit den Kollegen des Fraunhofer-Instituts für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung IOSB in Karlsruhe arbeiten die Forscher gerade daran, den Demonstrator weiterzuentwickeln. Ziel ist ein Prototyp, der das Gestein vollautomatisch an einem sortiertypischen Bandgerät prüft.

Die Diamantenindustrie nutzt bereits heute Röntgenstrahlen, um die begehrten Edelsteine zu finden. Die aktuellen Verfahren können die Diamanten jedoch nur an der Oberfläche des Gesteins aufspüren. Die mit Röntgenlicht bestrahlten und angeregten Diamanten leuchten im optischen Bereich. »Bei besonders reinen Exemplaren funktioniert die Technik aber nicht, denn gerade diese weisen die Leuchteigenschaft unter Röntgenstrahlung nicht auf«, erklärt der Physiker Jörg Mühlbauer vom EZRT. Um die Edelsteine dennoch zu finden, ist es bislang notwendig, das Vulkangestein in sehr kleine Stücke zu zerbrechen. Das verschlingt große Mengen an Wasser und Energie. »Außerdem besteht die Gefahr, dass dabei größere und damit wertvollere Diamanten beschädigt werden«, sagt Mühlbauer.

Durchleuchten statt Zerkleinern

Beim Demonstrator des EZRT wandert das abgebaute Geröll mit einer Geschwindigkeit von drei Metern pro Sekunde durch einen Röntgenapparat hindurch. Die beiden dabei erzeugten Röntgenbilder geben Informationen über die chemische Ordnungszahl der Materialien, der Anzahl der Protonen in deren Atomkern. Diamant ist reiner Kohlenstoff, ein relativ leichtes Element mit der Ordnungszahl 6. In Kimberlit kommen üblicherweise Silikate und Aluminate vor. Je nach Abbaugebiet und Mine pendeln die Ordnungszahlen zwischen 12 und 14. Der neue Algorithmus nutzt diese Informationen. Er verknüpft sie mit den Daten aus den beiden Röntgenbildern, separiert die Diamanten vom Kimberlit und zeigt die Ergebnisse auf zwei getrennten Bildern an.

Die Methode ist nicht auf das Aufspüren von Diamanten begrenzt. Überall dort, wo es gilt, Materialen zu identifizieren und sauber zu trennen, ist ihr Einsatz denkbar. Ein weiteres Anwendungsbeispiel ist die Aufbereitung von Industriekohle. Dort müssen Steine aussortiert oder der Aschegehalt gering gehalten werden. Die Röntgenspürnase könnte außerdem die begehrten Seltenen Erden finden, die in alten Handys, Computern oder Fernsehern versteckt sind und diese nutzbar machen. »Auf die Diamanten kamen wir durch eine Anfrage aus der Branche. Erste Praxistests hat der Demonstrator in einer Diamantmine bereits bestanden. Jetzt wollen wir die Technologie zusammen mit den Kollegen vom IOSB zur Industriereife führen. Unser Ziel ist es, einen industriellen Prüfprozess zu entwickeln, bei dem mehrere Tonnen Gestein pro Stunde durch die Anlage laufen und analysiert werden«, so Mühlbauer.

Mehrere tausend Euro pro Karat

Diamanten gehören zu den teuersten Rohstoffen weltweit. Im Gegensatz zum Goldpreis hielt sich der Diamant-Index 2013 robust auf hohem Niveau. Brillanten, geschliffene und bearbeitete Rohdiamanten, erzielten Ende 2013 Preise von mehreren tausend Euro pro Karat – etwa 0,2 Gramm. Die Edelsteine entstehen unter hohem Druck und großen Temperaturen in Tiefen zwischen 150 bis 650 Kilometern. Gasreiche vulkanische Gesteine und magmahaltige Kimberlite transportieren die Diamanten bei ihren Eruptionen mit Bruchstücken des Erdmantels nach oben. Die größten Diamantenvorkommen befinden sich in Russland, Afrika, Australien, Kanada und Brasilien.

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Virtuelles Untertagelabor hilft bei der Endlager-Suche

Presseinformation (Forschung Kompakt) der Fraunhofer-Gesellschaft vom 04.03.2014

Ein Endlager muss den radioaktiven Abfall eine Million Jahre sicher einschließen – ein Zeitraum, in dem viele komplexe Prozesse ablaufen. Diese untersuchen Forscher derzeit in Untertagelaboren. Ein virtuelles Untertagelabor vereinfacht künftig solche Analysen.

Der Ausstieg aus der Atomenergie ist beschlossene Sache – spätestens im Jahr 2022 soll er in Deutschland beendet sein. Doch wohin mit den entstandenen radioaktiven Abfällen? Geeignete Orte für Endlager müssen schnellstmöglich gefunden werden – kein einfaches Unterfangen: Die Abfälle sollen für eine Million Jahre von der Biosphäre abgeschlossen werden, so die Forderung. Um zu untersuchen, ob ein möglicher Standort auch wirklich zum Endlager taugt, muss dort zunächst eine solche Lagerstätte samt den technischen Einrichtungen konzipiert, geplant und geprüft werden. In einem Endlager laufen verschiedene physikalische und chemische Prozesse ab, die sehr komplex sind und sich gegenseitig beeinflussen – so kann sich etwa das Gestein durch die eingelagerten Abfälle erwärmen und Gase können sich entwickeln. Bislang untersuchen Forscher diese Prozesse in Untertagelaboren, wie es sie momentan in Mont Terri in der Schweiz, in Äspö in Schweden, aber auch in Frankreich und Belgien gibt. Deutsche Wissenschaftler müssen für ihre Experimente also immer wieder ihre Koffer packen und zu den Bergwerken reisen, wo sie beispielsweise prüfen, wie gut Verschlusssysteme dicht halten. Der Untersuchungszeitraum ist jedoch begrenzt: Denn all diese Tests lassen sich nur einige Jahre lang durchführen.

Bergwerke virtuell anlegen und untersuchen

Die Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit GRS, die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe BGR und die DBE Technology GmbH als wichtigste Endlager-Forschungsinstitutionen benötigen daher eine Ergänzung zu den realen Untertagelaboren. In ihrem Auftrag entwickeln Forscher am Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF in Magdeburg das weltweit erste virtuelle Untertagelabor VIRTUS. Die VIRTUS-Softwareplattform ist die zentrale Komponente des virtuellen Untertagelabors. Alle Gegebenheiten sind dort realistisch dargestellt – seien es die Gesteinsarten des Untergrunds oder die physikalischen oder chemischen Prozesse, die im Bergwerk ablaufen. An seinem Schreibtisch sitzend, kann der Forscher in einem realistischen Szenario virtuelle Experimente durchführen und die Konzepte und Standorte für Endlager bis ins Kleinste überprüfen.

In einem ersten Schritt stellen die Wissenschaftler die geologischen Formationen am Standort nach. Da es bislang noch keine konkreten Standorte für die Endlager gibt, arbeiten sie mit einem generischen Modell – die Gesteinsformationen sind realistisch aufgebaut, stellen aber keinen wirklichen Standort nach. »Zunächst einmal geht es darum, die Leistungsfähigkeit von VIRTUS an Hand erster Rechnungen zu überprüfen«, sagt Steffen Masik, Ingenieur am IFF. In dieser Gesteinsformation kann der Nutzer das virtuelle Endlager anlegen. Er hat dabei vielfältige Freiheiten: So definiert er, in welcher Tiefe sich das Bergwerk befinden soll: wie groß, hoch und breit es ist. Ebenso kann er ein vorab erstelltes Grubengebäude – also die Gesamtheit aller unterirdischen Hohlräume – hochladen und bestimmen, wo sich die Bohrlöcher oder Strecken befinden sollen, in die die radioaktiven Abfälle eingelagert werden.

Haben sie ein Grubengebäude erstellt, können die Wissenschaftler ihre Untersuchungen starten und einen Bereich des Bergwerks auswählen. Eine spezielle Schnittstelle übermittelt die räumliche Auswahl und die Daten der Grube an einen Simulator. Dieser berechnet etwa, wie sich die Temperatur im Bergwerk durch die radioaktiven Abfälle erhöht. Die Ergebnisse werden in VIRTUS anschaulich dargestellt. Der Nutzer kann sich auch Schnitte durch das Gestein anzeigen lassen, samt der dort herrschenden Temperaturen. Ebenso lassen sich mechanische Spannungen errechnen und damit die Wahrscheinlichkeit für eine Rissbildung. Auch Durchlässigkeiten für Wasser oder andere Flüssigkeiten und Gase können die Forscher genau unter die Lupe nehmen. VIRTUS zeigt alle Berechnungen gemeinsam mit dem geologischen Modell an. »Die Software stellt die berechneten thermischen, hydraulischen und mechanischen Prozesse in einem Endlager visuell dar – ebenso wie ihre komplexen Wechselwirkungen untereinander«, sagt Klaus Wieczorek, der bei der GRS im Bereich der Endlagersicherheitsforschung arbeitet und das Projekt leitet.

Ende April soll ein erster Prototyp von VIRTUS verfügbar sein: Im 360-Grad-Großprojektionssystem des Virtual Development und Training Center VDTC in Magdeburg erhalten Besucher zukünftig Einblicke, was in einem Endlager geschieht und wie die Simulationsergebnisse aussehen. »Für uns ist dies eine gute Gelegenheit, um das Vertrauen der Bürger in unsere Arbeit zu gewinnen und das Verständnis für Entscheidungen zu wecken«, sagt Wieczorek.

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