Drahtlose Fensterkontakte – wartungsfrei und energieautark

Mediendienst der Fraunhofer-Gesellschaft vom September 2011

Fensterkontakte melden uns, welche Fenster im Haus offen oder geschlossen sind. Forscher haben jetzt ein besonders komfortables und ausfallsicheres System entwickelt, das ohne Kabel oder Batterien auskommt. Ihre Betriebsenergie gewinnen die Sensoren aus Funkstrahlung in der Umgebung.

07:30 Uhr morgens: Höchste Zeit, das Haus zu verlassen, um 08:00 Uhr steht ein wichtiger Termin an. Trotzdem will sich die junge Frau noch schnell vergewissern, dass alle Fenster geschlossen sind, denn für den Nachmittag sind Gewitter angekündigt. Später im Auto fällt ihr ein, dass sie einen Raum bei ihrem Kontrollgang vergessen hat. Fensterkontakte sorgen in solchen Situationen für mehr Komfort und Sicherheit: Die elektronischen Helfer werden an den Fenstergriffen platziert. Anhand der Griffstellung erkennen sie, ob ein Fenster geöffnet, gekippt oder geschlossen ist und übermitteln diese Information zu einer Basisstation. So sieht der Hausbesitzer auf einen Blick, welche Fenster offen stehen.

Forscher am Fraunhofer-Institut für Mikroelektronische Schaltungen und Systeme IMS haben jetzt eine besonders komfortable und zuverlässige Variante entwickelt, die ohne Kabel oder Batterie auskommt. »Unsere drahtlosen Fensterkontakte beziehen ihre gesamte Energie aus Funkstrahlen in der Umgebung«, erklärt Dr. Gerd vom Bögel, Wissenschaftler am IMS. Bislang waren drahtlose Modelle entweder auf Batterien oder Solarzellen angewiesen. Nachteile hat beides: Batterien müssen regelmäßig ausgetauscht werden, sonst funktioniert der Fensterkontakt nicht mehr. Dieses Problem haben solarbetriebene Systeme zwar nicht, doch auch sie sind fehleranfällig. Wird die Solarzelle unbemerkt abgeschattet, fehlt der Energienachschub. Darüber hinaus leidet die Ästhetik, da ein Modell mit Solarzelle nicht versteckt am Fenster platziert werden kann. Bleibt noch die klassische Variante: Kabelgebundene Fensterkontakte, die seit Jahren auf dem Markt erhältlich sind. Deren Manko ist jedoch der enorme Installationsaufwand – und ein Nachrüsten bei Bestandsbauten ist oftmals gar nicht möglich.

Das neue System lässt sich dagegen ohne großen Aufwand und zudem fürs Auge kaum sichtbar einbauen. Neben den Fensterkontakten wird dazu in jedem Zimmer ein Raumcontroller installiert. Dieses aktiv funkende Modul empfängt nicht nur die Daten der einzelnen Fensterkontakte, sondern versorgt die Sensoren durch seine Funkstrahlung auch mit Energie. Darüber hinaus übermittelt der Raumcontroller die empfangenen Daten an eine zentrale Basisstation im Gebäude, über die der Nutzer den Status aller Fenster abrufen kann. Das funktioniert bei entsprechender Konfiguration auch als Fernabfrage – beispielsweise auf das Smartphone des Nutzers. Voraussetzung ist lediglich ein DSL-Anschluss, mit dem die Basisstation verbunden wird.

Knackpunkt bei der Entwicklung war das Energiemanagement: »Auch die Raumcontroller unterliegen ja bestimmten Grenzwerten hinsichtlich ihrer Funkabstrahlung. Gerade in großen Räumen ist es daher gar nicht so einfach, alle Fensterkontakte ausreichend mit Energie zu versorgen«, gibt vom Bögel zu bedenken. »Wir haben aber alle Sensormodule, Antennen und Komponenten zur Energieaufbereitung so exakt aufeinander abgestimmt, dass das System auch über größere Reichweiten zuverlässig funktioniert«.

Ein erster Prototyp existiert bereits. Für die Zukunft haben die Duisburger Forscher weitere Entwicklungen im Blick: So wollen sie auch andere Sensoren nach dem gleichen Prinzip in das System integrieren – etwa zur Wärmeregulierung. Bislang sind die Thermostate meist am Rand eines Raumes angebracht. Steht nun etwa die Tür offen, herrschen dort niedrigere Temperaturen als im Inneren des Zimmers. Der Thermostat regelt dann die Temperatur nach oben, obwohl das gar nicht nötig wäre. Mit dem neuen System ließe sich ein Temperatursensor unauffällig exakt dort platzieren, wo eine bestimmte Temperatur tatsächlich erreicht werden soll – beispielsweise an der Vitrine neben dem Esstisch.

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Bauteile – der Natur nachempfunden

Mediendienst der Fraunhofer-Gesellschaft vom September 2011

Leicht und trotzdem stabil: Grashalme, Bambusstangen, Knochen oder Zähne erreichen eine hohe Belastbarkeit bei geringem Gewicht durch raffinierte innere Strukturen und einen ausgeklügelten Materialmix. Auf dieselbe Art lassen sich auch Kunststoffprodukte leichter und haltbarer gestalten.

Vor allem ihrer Struktur verdanken biologische Konstrukte ihre hohe Belastbarkeit – Röhrenknochen etwa sind durch die schwammartige Substanz im Inneren ihrer kompakten Außenhülle besonders stabil. Um Produkte mit ähnlich idealen inneren Strukturen leicht, materialsparend und solide zu gestalten, arbeiten die Fraunhofer- Institute für Werkstoffmechanik IWM und für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT im Projekt »Bionic Manufacturing« zusammen. Die Wissenschaftler am IWM in Freiburg suchen ideale Innenstrukturen für Bauteile. »Unser Ziel ist es, so effizient wie die Natur zu arbeiten: Das fertige Bauteil soll nicht mehr wiegen als nötig und dabei trotzdem mechanisch zuverlässig funktionieren«, betont Dr. Raimund Jaeger vom IWM. Ein großer Pluspunkt dabei seien die gestalterischen Freiheiten: »Es ist möglich, sehr ästhetische Gebrauchsgegenstände wie einen Designerstuhl herzustellen«, erklärt Jaeger. Und sollte ein so ausgelegtes Stück durch eine Überbeanspruchung doch einmal versagen, dann auf »gutmütige« Weise – es zerbricht nicht in scharfe Splitter, sondern knickt weich zusammen.

Während sich die Natur über Generationen an optimale Konstruktionen herantastet, müssen Konstrukteure und Produktentwickler wesentlich schneller arbeiten. Die Freiburger Forscher haben darum eine neue Vorgehensweise entwickelt: Sie bauen im PC das komplette Werkstück entlang seiner Konturen zunächst aus nahezu identischen, quaderförmigen Elementarzellen auf. Stellt sich in der numerischen Simulation heraus, dass die Gitterstruktur nicht den Anforderungen entspricht, werden die betroffenen Zellwände oder Trabekel gezielt angepasst: »Wir gestalten sie dicker, wenn sie zu schwach sind, schlanker, wenn sie sich besser biegen sollen oder lassen ihre Wände entlang der Kraftlinien verlaufen, die bei einer Beanspruchung entstehen«, sagt Jaeger. Auf diese Weise lassen sich viele Formen mit einer Zellinnenstruktur auslegen, in der Simulation bewerten und optimieren. Begleitet werden die Simulationen durch »reale« Versuche, mit denen die Forscher die Strukturen mechanisch testen.

»Bei allen Werkstücken, die sich im Computer aus zweidimensionalen Grundstrukturen heraus in die gewünschte Form ziehen lassen, funktioniert diese Vorgehensweise bereits sehr gut«, berichtet Jaeger, »ebenso bei Teilen, die relativ regelmäßig geformt sind.« Alle Bauteile sind trotz ihrer Leichtbauweise sehr stabil und können auch härtere Stöße dämpfen. Anwendungsmöglichkeiten sieht der Wissenschaftler überall dort, wo mechanisch hochwertige und ästhetisch ansprechende Produkte gefragt sind, die leicht sein müssen – beispielsweise medizinische Orthesen oder individuell angepasste Schutzstrukturen für Sportler wie Rückenprotektoren für Schifahrer. Für die technische Umsetzung der biologischen Konstruktionsprinzipien ist das UMSICHT zuständig. Die Oberhausener Projektleiter setzen hierbei auf generative Fertigungsverfahren – in diesem Fall auf das selektive Lasersintern von Kunststoffen.  Das Verfahren ermöglicht, ein Werkstück Schicht um Schicht aus einem feinen Polyamidpulver wachsen zu lassen, das ein dünner Laserstrahl in Form schmilzt. So können komplexe innere Strukturen und zukünftig auch Bauteile mit räumlich variierenden Werkstoffeigenschaften – Experten nennen sie Gradientenwerkstoffe – hergestellt werden, also mit ähnlich optimalen Strukturen, wie man sie in der Natur beobachten kann.

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Massivholz ohne Makel

Mediendienst der Fraunhofer-Gesellschaft vom August 2011

Hat der Eichentisch einen Haarriss? Ist der Fensterrahmen fehlerhaft verklebt? Die Ultraschall-Thermographie entdeckt Materialfehler im Holz bereits im Produktionsprozess zuverlässig. Ausschuss lässt sich so frühzeitig erkennen und aussondern, defekte Ware rechtzeitig reparieren.

Wer sich einen teuren Massivholztisch oder -schrank kauft, möchte sichergehen, dass das Möbel keinen noch so kleinen Riss aufweist. Auch Klaviere und Flügel klingen nur gut, wenn Resonanzboden, Stege und Klaviatur aus hochwertigem Material gefertigt wurden. Wichtig ist makelloses Holz ebenso für den Haus- und Fensterbau, ein tragender Holzbalken etwa muss von einwandfreier Qualität sein – schließlich können selbst kleinste Risse zum Bruch führen.

Forscher vom Fraunhofer-Institut für Holzforschung WKI in Braunschweig machen Fehler im Holz sichtbar, die sich mit bloßem Auge nicht entdecken lassen. Mit der Leistungsultraschall-Thermographie (LUS-Thermographie) spüren sie Längs- und Querrisse, Fehlverklebungen, Delaminationen und Schwarzäste auf. Hierfür versetzen sie die Holzplatte mit einer Sonotrode, sprich einem Ultraschallanreger, in Schwingung. Mit 20 KHz – also 20 000 Mal pro Sekunde – wird das Bauteil bewegt. Im Bereich von Defekten reiben die Teile des Materials aneinander und produzieren so Wärme. Eine Wärmebildkamera macht diese an den Enden der Fehlstellen sichtbar, bei Haarrissen ist die Reibungswärme auch entlang der Risse zu erkennen. Sogar nicht verklebte Dübel unter der Oberfläche oder Defekte unter Beschichtungen können die Forscher mit der LUS-Thermographie entdecken. Mit bisherigen Methoden wie der mechanischen Werkstoffprüfung und mit elektrischen Messverfahren war das nicht möglich, sie arbeiten weit weniger zuverlässig.

»Wir können die Fehlstellen schon im Rohholz ausfindig machen. Das ist wichtig, da der Ausschuss früh erkannt werden muss, bevor das Material teuer und zeitaufwändig weiterbearbeitet werden muss«, sagt Diplomphysiker Peter Meinlschmidt vom WKI. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um Eiche, Nussbaum oder Buche handelt. Dies gilt auch für die Beschaffenheit des Holzes – die mit einem Monitor verbundene Thermographiekamera zeigt Fehler auch in feuchten Bauteilen an. Wie weit die Wissenschaftler in das Material vordringen können, hängt von der Wärmeleitfähigkeit des Holzes ab, möglich sind bis zu 20 Millimeter. »Unser Verfahren eignet sich vor allem, um Defekte in hochwertigen Massivholzteilen und in Fensterkanteln für Fensterrahmen oder schlecht verklebte Leimfugen zu detektieren. Die Prüfmethode ist zerstörungsfrei. Lediglich beim Anlegen des Ultraschallanregers entstehen kleine Druckstellen, was beim Rohholz aber nicht von Bedeutung ist«, erläutert Meinlschmidt. Mit der LUS-Thermographie ist es den Forschern sogar gelungen, Risse in Keramiken und in Glas nachzuweisen. In Labortests konnten sie etwa Defekte an gebrannten Keramik-Fußbodenfliesen und aus Glas hergestellten Mundwasserflaschen sichtbar machen. »Bei Glas und Keramik können wir bis zu 30 Zentimeter weit von der Sonotrode entfernt liegende Fehler aufspüren«, so der Experte. Ein Demonstrator des Ultraschallgenerators inklusive Wärmebildkamera existiert bereits.

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Verschwundenes Erbgut lässt Tumorzellen wachsen

Presseinformation der Helmholtz-Gemeinschaft vom 02.08.2011

Verlust eines Gen-Regulators entscheidend für eine seltene Form von Hautkrebs

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch und der Charité – Universitätsmedizin Berlin, des Max-Planck Instituts für Molekulare Genetik Berlin sowie vier weiteren deutschen Institutionen ist es gelungen, einen spezifischen Genverlust bei einem bestimmten menschlichen Lymphom nachzuweisen, dessen Entstehung bisher weitgehend unklar ist. Sie untersuchten das sogenannte Sézary Syndrom. Dabei handelt es sich um eine aggressive Krebserkrankung aus der Gruppe der primären Hautlymphome, sogenannter „primär kutaner Lymphome“. Die Ergebnisse der Studie, die in der aktuellen Ausgabe des Journal of Experimental Medicine veröffentlicht sind, liefern grundlegend neue Einblicke in die Entstehung und Entwicklung des Sézary Syndroms und möglicherweise auch anderer menschlicher Lymphome.

Das bösartige Sézary Syndrom ist durch die Vermehrung einer speziellen Art von weißen Blutkörperchen in der Haut der Patientinnen und Patienten gekennzeichnet. Im Gegensatz zu den meisten anderen Hautlymphomen zeigen Patienten mit Sézary Syndrom schon zu Beginn der Erkrankung neben dem Hautbefall einen Befall des Blutes und der Lymphknoten durch die entgleisten T-Zellen. Die Forscherinnen und Forscher untersuchten hoch aufgereinigte Tumorzellen von Patienten mit Sézary Syndrom mit Hilfe moderner und hochauflösender genetischer Verfahren (der sogenannten array comparative genomic hybridization Technik) auf bisher unbekannte genetische Veränderungen. Dabei identifizierten sie Bereiche im Erbgut dieser Tumorzellen, die bei vielen der untersuchten Patienten verloren gegangen sind. Eine detaillierte Analyse dieser Bereiche zeigte, dass eines der am häufigsten betroffenen Gene für einen sogenannten Transkriptionsfaktor kodiert. Transkriptionsfaktoren haben zentrale Funktionen bei der Regulation der zellulären Genaktivität.

„Der teilweise Verlust des Gens für den Transkriptionsfaktor E2A scheint dabei eine ganz zentrale Rolle zu spielen, denn dieses Gen ist normalerweise von wichtiger Bedeutung für die natürliche Lymphozyten-Entwicklung“, erklärt Chalid Assaf von der Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie der Charité. Bei Mäusen führt ein Verlust dieses Gens zur Entstehung aggressiver T-Zell-Lymphome. Ein Genverlust in einer der verschiedenen humanen Lymphomklassen war bisher jedoch noch nicht gefunden worden.

Die Forscherinnen und Forscher identifizierten zudem mehrere E2A-regulierte Gene und Signalwege in den Tumorzellen, deren Deregulation jeweils für sich alleine schon ausreichen kann, damit sich ein Tumor entwickelt. „Der Verlust von E2A beim Sézary Syndrom hat eine entscheidende Bedeutung für das aggressive Verhalten der Tumorzellen, indem er zu einem schnelleren und unkontrollierten Wachstum der Zellen beiträgt“, betont Stephan Mathas, Wissenschaftler an der Klinik für Hämatologie und Onkologie der Charité und am MDC. Damit gelang es das erste Mal direkt nachzuweisen, dass E2A im Menschen die Funktion eines Tumorsuppressors besitzt.

Die Forscher hoffen, dass diese Erkenntnisse in Zukunft möglicherweise Grundlage für die Entwicklung neuer Behandlungskonzepte sein könnten, um Patienten mit Sézary Syndrom neue und wirksamere Therapien anbieten zu können.

Veröffentlichung:
Journal of Experimental Medicine; Genomic loss of the putative tumor suppressor gene E2A in human lymphoma; Anne Steininger 1, Markus Möbs 2, Reinhard Ullmann 1, Karl Köchert 4, Stephan Kreher 4, Björn Lamprecht 4, Ioannis Anagnostopoulos 3, Michael Hummel 3, Julia Richter 5, Marc Beyer 2, Martin Janz 4, Claus-Detlev Klemke 6, Harald Stein 3, Bernd Dörken 4, Wolfram Sterry 2, Evelin Schrock 7, Stephan Mathas 4, and Chalid Assaf 2 8; 1 Max Planck Institute for Molecular Genetics, 14195 Berlin, Germany, 2 Department of Dermatology and Allergy, Skin Cancer Center Charité, 3 Institute of Pathology, Charité-Universitätsmedizin Berlin, 10117 Berlin, Germany, 4 Hematology, Oncology and Tumorimmunology, Charité-Universitätsmedizin Berlin and Max-Delbrück-Center for Molecular Medicine, 13125 Berlin, Germany, 5 Institute of Human Genetics, Christian-Albrechts-University Kiel and University Hospital Schleswig-Holstein, Campus Kiel, 24105 Kiel, Germany, 6 Department of Dermatology, University Medical Center Mannheim, Ruprecht-Karls-University of Heidelberg, 68167 Mannheim, Germany, 7 Institute for Clinical Genetics, Dresden University of Technology, 01307 Dresden, Germany, 8 HELIOS Klinikum Krefeld, 47805 Krefeld, Germany.

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Mobiler Lotse für Bus und Bahn

Mediendienst der Fraunhofer-Gesellschaft vom Juli 2011

Eine echte Navigation für öffentliche Verkehrsmittel könnte viele Autofahrer zum Umstieg auf S-Bahn, Bus und Tram bewegen. Auch Touristen würden von einem solchen »persönlichen Reiseleiter« profitieren. Forscher entwickeln jetzt eine Applikation fürs Handy, die den Fahrgast durch den öffentlichen Nahverkehr dirigiert.

Autofahrer sind schon seit Langem nicht mehr auf Stadtpläne angewiesen – das Navigationsgerät führt sie ans gewünschte Ziel, wenn sie die Route nicht kennen. Nutzer des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) müssen auf diesen Komfort derzeit noch verzichten. Dabei wäre ein persönlicher Begleiter, der wie die etablierten Pkw-Navis den Weg weist und auf Staus und Störungen reagiert, äußerst hilfreich. Pendler und Einheimische könnten bei Verspätungen auf Alternativen ausweichen, Touristen auf kürzestem Weg zum Hotel oder zur Sehenswürdigkeit finden. Und die Nutzer des ÖPNV dürfen hoffen: Einen solchen persönlichen Begleiter, der mehr als nur Fahrplanverbindungen bietet, entwickeln derzeit die Forscher des Fraunhofer-Instituts für Verkehrs- und Infrastruktursysteme IVI in Dresden gemeinsam mit acht Partnern aus Industrie und Forschung im Projekt »SMART-WAY«.

Bei dem mobilen Begleiter handelt es sich um eine Navigationsapplikation für Handys und Smartphones, die ab 2012 in europäischen Städten durch das Verkehrslabyrinth von Bahn, Bus und Tram führen soll. »Der Nutzer muss lediglich unsere SMART-WAY-App auf dem Handy starten und die gewünschte Zieladresse eingeben. Daraufhin navigiert SMART-WAY den Fahrgast zur nächsten Haltestelle und informiert ihn, ob und wo er umsteigen muss und mit welchem Verkehrsmittel er ans Ziel gelangt«, erläutert Andreas Küster, Projektkoordinator und Wissenschaftler am IVI. Dabei bietet die Anwendung mehrere optionale Verbindungen an. Die berechneten Routen werden inklusive aller Haltestellen, Umsteigepunkte, Verkehrsmittel, Richtungen, Abfahr- und Ankunftszeiten in einer Kartenansicht eingeblendet. Der Nutzer kann die Fahrt jederzeit unterbrechen, das Verkehrsmittel wechseln oder das Reiseziel ändern. SMART-WAY erkennt stets die aktuelle Position des Fahrgasts, reagiert in Echtzeit und berechnet sofort eine neue Route. Dies gilt auch für Staus, Verfrühungen oder Verspätungen – bei Störungen auf der Strecke schlägt die App alternative Strecken vor. Praktisch: Ein Vibrationssignal kündigt das Ziel ebenso an wie verpasste Stationen.

Doch wie kann die SMART-WAY-App die aktuelle Position des Fahrgasts erkennen und in Echtzeit reagieren? »Unser Navigationssystem unterstützt nicht nur die Satellitennavigation per GPS und zukünftig Galileo, sondern auch die Ortungsmöglichkeiten der Verkehrsbetriebe, die die Fahrzeuglokalisierung gewährleisten. Ergänzt wird die Ortung durch Inertialsensorik: Die Sensoren registrieren, ob ein Fahrzeug beschleunigt oder bremst. So lassen sich Rückschlüsse ziehen, ob es fährt oder an einer Haltestelle steht. Sämtliche Verbindungsinformationen, Fahrplanauskünfte und Störungsmeldungen werden von den Verkehrsbetrieben in Echtzeit geliefert und von der App eingelesen«, erklärt Küster. Ein Prototyp von SMART-WAY ist bereits fertiggestellt. Ab 2012 soll die Anwendung in der finalen Version vorliegen und europaweit angeboten werden können. Im September 2011 starten die ersten Feldtests in Dresden und Turin in Kooperation mit den ortsansässigen Verkehrsbetrieben.

Um die Funktionsweise von SMART-WAY demonstrieren zu können, haben Forscher am Fraunhofer-Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik ITWM in Kaiserslautern eine Software entwickelt, die eine virtuelle Stadt und ein virtuelles Verkehrsunternehmen inklusive aller Fahrplandaten simuliert. »Mit der Software können wir einen Livebetrieb nachempfinden. Auch Situationen, wie beispielsweise Störungen, die nur sporadisch auftreten, lassen sich so testen, aber auch die Demonstration der Echtzeitnavigation auf Messen und Konferenzen oder für interessierte Verkehrsbetriebe ist somit möglich«, sagt Dr. Michael Schröder vom ITWM.

SMART-WAY wurde für Android-Smartphones entwickelt, ob es künftig auch Versionen für andere mobile Plattformen geben wird, obliegt den Verkehrsbetrieben, die die Applikation anbieten werden. »Wir hoffen, dass ab 2012 möglichst viele Verkehrsunternehmen die Anwendung ihren Kunden zur Verfügung stellen«, sagt Küster.

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