Zuckerketten nach Maß

Presseinformation der Max-Planck-Gesellschaft vom 25.03.2009

Kohlenhydrate lassen sich nun vollautomatisch und viel schneller herstellen

Kohlenhydrate machen nicht nur satt, sie dienen auch als Grundlage für neue Impfstoffe. Die Stoffe herzustellen und als Impfstoffe zu testen wird nun deutlich leichter – dank eines automatischen Synthesizers, den Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Kolloid- und Grenzflächenforschung entwickelt haben. Das neue Gerät haben die Forscher gerade auf der 237. nationalen Tagung der American Chemical Society vorgestellt. Es stellt beliebige Kohlenhydrate aus einzelnen Zucker-Molekülen her. Da Kohlenhydrate auf den Hüllen von Krankheitserregern sitzen, bieten sie dem Immunsystem einen Angriffspunkt und eignen sich als Impfstoffe, um das Immunsystem auf die Mikroben abzurichten. Fast ein Dutzend Impfstoff-Kandidaten unter anderem gegen den Malaria-Erreger haben die Forscher bereits identifiziert und mit der neuen Apparatur hergestellt.

Kartoffeln, Reis und Nudeln verdanken ihren Nährwert der Stärke, einem Kohlenhydrat aus vielen aneinanderhängenden Zucker-Molekülen. Weitverzweigte Kohlenhydrate können aber auch die Basis für neue Impfstoffe und Medikamente gegen Malaria, HIV und eine Reihe anderer Krankheiten bilden. Auf der 237. Tagung der American Chemical Society in Salt Lake City hat Peter H. Seeberger, Direktor am Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung, einen vollautomatischen Kohlenhydrat-Synthesizer, eine Synthese-Anlage für Kohlenhydrate, vorgestellt und erhielt dafür den Claude S. Hudson-Preis für Kohlenhydratchemie der American Chemical Society. Mit diesem Gerät lassen sich auch komplexe Moleküle aus vernetzten Zuckermolekülen gezielt in wenigen Stunden herstellen. Mit der bislang gebräuchlichen Technik dauerte das Monate oder gar Jahre.

„Unsere automatische Synthese-Anlage bietet derzeit die konkurrenzlos schnellste Methode, um komplexe Kohlenhydrate herzustellen“, sagt Peter Seeberger, der die Entwicklung leitet. „Da es bislang keine effizienten Verfahren dafür gab, hatten Biologen und Mediziner mit Kohlenhydraten ein Problem.“ Oft hätten sie die Arbeit daran sogar aufgeben müssen, weil sie keine Geräte kaufen konnten, um die Stoffe zu produzieren. „Es war entnervend“, klagt Seeberger – und hat Abhilfe geschaffen.

Ein ähnliches Problem hatten Wissenschaftler, die DNA-Moleküle oder Proteine herstellen wollten, vor Jahrzehnten – ehe automatische DNA- und Protein-Synthesizer erfunden wurden. Diese Geräte revolutionierten die Genetik und die Proteomik. Dieselbe Wirkung könnte der Kohlenhydrat-Synthesizer auf den Gebieten der Glykochemie und Glykobiologie haben, die nach Glykanen oder Zuckern, den Bausteinen der Kohlenhydrate, benannt sind. Die beiden Forschungsfelder ziehen derzeit das Interesse von immer mehr Forschern auf sich.

Wie Perlen auf einer Kette

Bereits 2001 präsentierte Seeberger, der seit Beginn des Jahres am Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung in Potsdam arbeitet, einen Prototypen, den er am Massachusetts Institute of Technology entwickelt hatte. An der ETH Zürich entwickelte sein Team das Gerät weiter. Nun warten die Wissenschaftler mit einer Version auf, die vollautomatisch und daher sehr schnell brauchbare Mengen auch von bislang kaum zugänglichen Kohlenhydraten produziert. Wer das neue Gerät betreiben will, muss außerdem kein Experte in der Kohlenhydrat-Synthese mehr sein.

Die Ketten oder Netze aus Zuckermolekülen sind wegen ihrer komplizierten, verzweigten Struktur schwierig herzustellen. Daher arbeiten Wissenschaftler heute mit Molekülen, die sie aus der Natur isoliert haben, statt die Moleküle mühevoll Schritt für Schritt zu synthetisieren. „Wir stellen die Stoffe jetzt chemisch her“, erklärt Seeberger: „Der automatische Synthesizer reiht einzelne Zucker, die Bausteine der Kohlenhydrate, wie Perlen einer Kette aneinander.“

Kohlenhydrate spielen eine entscheidende Rolle im Immunsystem, vor allem in der körpereigenen Abwehr gegen krankheitserregende Viren und Bakterien. Die meisten dieser Mikroben tragen charakteristische Kohlenhydrat-Marker auf ihrer Oberfläche. Diese Kohlenhydrate erkennt das Immunsystem als fremde Stoffe und erzeugt mit Antikörpern eine Immun-Antwort, um die Infektion zu bekämpfen. Oft dauert es jedoch recht lange, manchmal zu lange, ehe diese Immun-Antwort erfolgt.

2010: klinische Studien mit Malaria-Impfstoff

„Impfstoffe trainieren das Immun-System, spezielle Moleküle auf der Oberfläche eines infektiösen Organismus zu erkennen und schneller zu reagieren“, erklärt Seeberger: „Mit dem Synthesizer können wir nicht nur eine, sondern gleich viele dieser Kohlenhydrat-Strukturen eines bestimmten Organismus herstellen.“ Diese werden dann darauf getestet, ob sie gegen die Mikrobe schützen können. Synthetische Kohlenhydrate, die einen Schutz versprechen, kommen als Grundlage neuer Impfstoffe in Frage.

Erst kürzlich entdeckte Seebergers Team auf diese Weise auf der Hülle des Malaria-Erregers P. falciparum ein Kohlenhydrat, mit dem sich der Parasit Zugang zu menschlichen roten Blutkörperchen verschafft. Mit dieser Entdeckung klärte das Team das Geheimnis auf, wie die Infektion erfolgt. Mit dem Kohlenhydrat-Synthesizer hat die Gruppe nun einen Impfstoff entwickelt, der in ersten klinischen Studien ab 2010 getestet werden soll.

„Nach meinem Wissen ist unser Impfstoff der erste, der eine Malaria-Erkrankung verhindern könnte“, sagt Seeberger. Denn er arbeitet nach einem anderen Mechanismus als bislang verfolgte Ansätze. Der Kohlenhydrat-Impfstoff tötet den Malaria-Parasiten nicht, sondern unterbindet seine krankmachende Wirkung. Die Antikörper blockieren die Zucker-Strukturen auf der Oberfläche des Erregers, sodass dieser nicht mehr in die roten Blutkörperchen eindringen und eine Anämie hervorrufen kann.

Fast ein Dutzend neue Impfstoffe

Diesen Kohlenhydrat-Impfstoff wird Seebergers Gruppe mit einem herkömmlichen, protein-basierten Impfstoff kombinieren und so einen konjugierten Impfstoff schaffen. Dieser sollte sich auch am besten eignen, um Kinder unter zwei Jahren zu immunisieren, die unter einer Malaria-Infektion besonders leiden.

Neben dem Malaria-Impfstoff haben Peter Seeberger und seine Mitarbeiter bereits fast ein Dutzend anderer Substanzen identifiziert, die das Immunsystem stimulieren und sich nun in klinischen Studien beweisen sollen. Darunter auch Impfstoffe gegen den Aids-Erreger HIV oder Bakterien, die gegen Antibiotika resistent sind.

Den Kohlenhydrat-Synthesizer, der dies erst möglich macht, wird Seeberger mit dem Start-up-Unternehmen Ancora Pharmaceuticals auf den Markt bringen, das seinen Sitz in Medford, Massachusetts hat. Das neue Gerät löst jedoch nur eines der beiden großen Probleme, die Peter Seeberger in der Glykobiologie sieht: den Bau der komplexen Moleküle. „Das andere Problem ist wie in der Genomik, etwa beim Human-Genom-Projekt, oder der Proteomik die Sequenzierung“, sagt Seeberger. Denn schließlich müssen die Glykobiologen dem Synthesizer vorgeben, zu welcher Struktur er die einzelnen Zucker-Moleküle verknüpfen soll. Und diese Strukturen lassen sich bislang nur mit relativ großem Aufwand bestimmen.

„Wir hoffen aber, dass unser Synthesizer in der Kohlenhydrat-Forschung eine ähnliche Entwicklung anstoßen wird wie der erste automatische DNA-Synthesizer in der Genetik und Biotechnologie“, sagt Seeberger. Nachdem sich DNA nämlich effizient aufbauen ließ, wurden auch die Methoden der DNA-Sequenzierung immer leistungsfähiger. [PH]

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Wachsame Fensterscheiben

Mediendienst der Fraunhofer-Gesellschaft vom März 2009

Schleicht jemand vor dem Fenster herum und versucht einzubrechen? Fenster und Glastüren werden jetzt sensibel für verdächtige Bewegungen: Sie erkennen, ob und wie schnell sich etwas bewegt. Bei einem Menschen ertönt ein Alarm, fliegt nur ein Vogel vorbei, bleibt alles still.

18 Uhr, das Museum schließt die Pforten. Die Alarmanlage am Ge-bäude wird eingeschaltet, hin und wieder dreht der Sicherheitsdienst seine Runde. Ein neuartiger Bewegungssensor der Fraunhofer-Institute für Angewandte Polymerforschung IAP in Potsdam-Golm und für Rechnerarchitektur und Softwaretechnik FIRST in Berlin kann künftig für noch mehr Sicherheit sorgen: Fensterscheiben oder Glas-türen erkennen über eine spezielle Beschichtung Bewegungen. Verändert sich vor der Scheibe etwas? Schleicht sich jemand heran? In diesem Fall gibt das Fenster einen Warnhinweis an den Sichterheitsdienst.

»Das Glas ist mit einem fluoreszierenden Material beschichtet«, erklärt Dr. Burkhard Elling, Gruppenleiter am IAP. »In der Schicht sind Nanoteilchen enthalten, die Licht in Fluoreszenzstrahlung wandeln.« Das Prinzip: Unsichtbares Licht einer UV-Lampe »beleuchtet« die Fensterscheiben und erzeugt in der Schicht Fluoreszenzstrahlung. Diese wird zu den Kanten des Fensters geleitet, wo Sensoren sie detektieren. Für einfache Anwendungen reicht ein einzelner Sensor: Tritt jemand in das Licht der Lampe – ähnlich wie bei einer Lichtschranke – gelangt weniger Licht auf die Schicht, es entsteht weniger Fluoreszenzstrahlung. Bringt man an allen vier Seiten des Rahmens mehrere Sensoren an, erlauben die Daten Rückschlüsse darauf, wie schnell und in welche Richtung sich ein Objekt bewegt. Auch die Größe lässt sich über die Sensoren abschätzen: Handelt es sich um ein kleines Wesen wie einen Vogel oder um einen Menschen? Die Schwelle für den Alarm kann man einstellen: Etwa so, dass bewegte Objekte in der Größe von Vögeln keinen Alarm auslösen.

Ebenso wenig reagieren die Sensoren auf das Licht vorbeifahrender Autos: Die Forscher vom FIRST haben eine Software entwickelt, die verschiedene Lichtsignale interpretieren kann. Dadurch kann das System problemlos zwischen der Frequenz der UV-Lampe und der langsamen Änderung eines vorbeiziehenden Scheinwerferlichts unterscheiden. Weitere Vorteile: Das Persönlichkeitsrecht von Personen bleibt gewahrt, denn das System erkennt nur die Strahlungsänderung, nicht aber, durch welche Person sie ausgelöst wird. Zudem ist es kostengünstig: Die Schicht kann mittels Air-Brush-Technik auf die Fenster gesprüht oder als Folie aufgeklebt werden. Einen Demonstrator gibt es bereits. Nun wollen die Forscher die Farbstoffe und deren Konzentration in der Schicht optimieren.

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Datenspeicher gehen ins Netz

Presseinformation der Max-Planck-Gesellschaft vom 16.03.2009

Die Magnetisierung von Eisenatomen in einem metallorganischen Netz lässt sich mit Sauerstoff beeinflussen – so werden extrem dichte Datenspeicher möglich

Dichter ließe sich ein Datenspeicher kaum packen: Ein internationales Forscher-Team, an dem auch Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Festkörperforschung in Stuttgart beteiligt waren, hat die Grundlagen geschaffen, um Bits jeweils in einzelnen Eisenatomen zu speichern. Nach einer Methode, die am Stuttgarter Max-Planck-Institut entwickelt wurde, haben die Forscher auf einer Kupferoberfläche ein Netz aus Eisenatomen und Terephthalsäuremolekülen geknüpft. Die Eisenatome bilden dabei die Knoten des Netzes, die durch die organischen Moleküle verbunden sind. Jedes Eisenatom könnte in seinem magnetischen Moment ein Datenbit speichern. Gewöhnlich liegt das Moment nämlich wie ein winziger Stabmagnet in der Ebene des Netzes. Fügen die Wissenschaftler Sauerstoff hinzu, setzt dieser sich auf das Eisen und klappt den Stabmagneten aus der Ebene heraus. Die beiden magnetischen Orientierungen können für die Null oder Eins eines Bits stehen. (Nature Materials, März 2009)

Die größten Festplatten speichern derzeit rund 400 Gigabits pro Quadratzoll, auf jedem Quadratzentimeter also etwa 60 Gigabits. Das ist viel, aber es geht noch mehr. In dem Netz aus Eisenatomen und organischen Molekülen, das die Wissenschaftler nun geknüpft haben, fänden im Prinzip 700-mal mehr Datenpunkte Platz, nämlich knapp 50 Billionen pro Quadratzentimeter.

Nur 1,5 Nanometer Abstand trennen die Eisenatome in dem Netz, einem zweidimensionalen quadratischen Gitter. Zu diesem Gitter verbinden sich Eisen und Terephthalsäure von selbst auf einer Kupferoberfläche, wie auch Kochsalz ein regelmäßiges Gitter und keinen wilden Haufen bildet. Die Forscher müssen sie nur im richtigen Mischungsverhältnis und bei geeigneter Temperatur in einer Vakuumkammer verdampfen. „Metall und Säure vernetzen sich dann dank der besonderen Eigenschaften der Stoffe und dank der Kupferoberfläche, die als Ordnungshilfe wirkt“, sagt Sebastian Stepanow, der an der Arbeit maßgeblich beteiligt war.

An die Kupferoberfläche heften sich sowohl die Moleküle der organischen Säure als auch die Eisenatome, da sie ungern einsam im luftleeren Raum schweben. Die Säuremoleküle formen an zwei Enden Zangen, die begierig nach Metallatomen greifen. Die auf der Kupferoberfläche sitzenden Eisenatome bieten ihrerseits genügend Platz, um sich an vier Seiten von den Säurezangen packen zu lassen. Auf diese Weise entstehen propellerartige Komplexe. Durch die Bindungen der Moleküle untereinander wächst peu à peu das metallorganische Netz.

Schaltung zwischen Null und Eins

Als Datenspeicher taugt dieses Netz aber nur, wenn die Eisenatome sich zwischen zwei Einstellungen hin und her schalten lassen. Nur dann können sie Bits codieren. Eine Einstellung steht für die Null, die andere für die Eins, die beiden Buchstaben des digitalen Alphabets. Eine Eigenschaft, die sich zwischen zwei Zuständen hin und her schalten lässt, ist das magnetische Moment eines Atoms – wenn man es clever angeht.

Das magnetische Moment eines Eisenatoms wird vom Spin bestimmter Elektronen erzeugt und macht es zu einem winzigen Stabmagneten. Der Spin eines Elektrons gibt, anschaulich ausgedrückt, wieder wie sich ein Elektron um sich selbst dreht. Gewöhnlich liegen die Spins wahllos im Raum, es sei denn sie spüren ein äußeres Magnetfeld – deshalb wird ein Stück Eisen an einem Permanentmagneten selbst magnetisch. Oder die chemische Umgebung des Eisens zwingt die Spins in eine bestimmte Richtung. Den zugrundeliegenden Effekt nennen Physiker Spin-Bahn-Kopplung. Dabei orientieren sich die Spins nach der Richtung des Magnetfeldes respektive an ihrer chemischen Umgebung. Die Elektronen laufen auf räumlich gerichteten Bahnen, das heißt im Prinzip nicht auf einem Kreis, um den Atomkern. So wird ein Eisenatom zu einem Stabmagneten.

„Genau das passiert in unserem metallorganischen Netz auf der Kupferoberfläche, so dass die Stabmagnete alle waagerecht in dem Netz liegen“, sagt Sebastian Stepanow. Der Grund: In dem metallorganischen Netz bewegen sich die Elektronen, die das magnetische Moment erzeugen, auf anderen Bahnen als in einem massiven Eisenstück. Und die räumliche Lage der Elektronen-Bahn gibt dem magnetischen Moment eine bevorzugte Lage.

Sauerstoff im metallorganischen Netz

Gibt es eine derart bevorzugte Richtung sprechen Physiker von einer Anisotropie. „Wir können diese Anisotropie nun gezielt beeinflussen“, sagt Klaus Kern. Zu diesem Zweck fangen die Forscher Sauerstoff mit dem eisenhaltigen Netz, indem sie diesen wohldosiert in die Kammer einströmen lassen. Auf einige Eisenatome setzen sich dann Sauerstoffmoleküle. In einem Eisenatom mit solch einer Krone ändert sich die Richtung, in der sich der Stabmagnet orientiert: Bildlich gesprochen, richtet er sich auf und ragt nun senkrecht aus dem Netz.

Ob der Stabmagnet waagerecht im Netz liegt oder senkrecht darin steht, bestimmen die Physiker am Max-Planck-Institut für Festkörperforschung mit einer ausgeklügelten Methode, die mit polarisiertem Röntgenlicht einen sogenannten magnetischen Zirkulardichroismus ermittelt: Sie leuchten mit einem Synchrotronstrahl gewisser Energie auf das Material. Mal ist das Licht links und mal rechts polarisiert. Das heißt bildlich gesprochen, die Lichtwelle dreht sich mal links und mal rechts um seine Laufrichtung. Die Elektronen im Eisenatom absorbieren diese Energie. Die Absorption von rechts oder links zirkular polarisiertem Licht hängt nun jeweils davon ab, wie stark das Eisen in die Richtung des Röntgenstrahles magnetisiert ist. Die Differenz gibt den Zirkulardichroismus wieder. Bestimmt man dessen Stärke für verschiedene Richtungen, so erfährt man in welche Richtung der Stabmagnet weist.

„Da sich die Eisenatome gegenseitig nicht spüren, beeinflusst der Sauerstoff das magnetische Moment selektiv“, sagt Stepanow. Der Stabmagnet kippt also nur bei den EIsenatomen, die eine Sauerstoffkrone tragen. Bislang haben die Physiker aber keinen Einfluss darauf, auf welche Metallatome sich ein Sauerstoffmolekül setzt. „Prinzipiell ließe sich das mit einem Rastersondenmikroskop steuern“, so Stepanow. Ein Rastersondenmikroskop besitzt eine feine Spitze, die ein Sauerstoffmolekül aufnehmen und gezielt zu einem Eisenatom manövrieren könnte.

Maßnahmen gegen magnetischen Schwund

Daran arbeiten die Forscher derzeit aber noch nicht. Sie suchen zunächst eine Möglichkeit, mehrere Eisenatome zu einem magnetischen Kollektiv zu verbinden. Denn ein Eisenatom pro Bit ermöglicht zwar den dichtesten Speicher, reicht aber vielleicht nicht für eine zuverlässige Datenspeicherung. Also wollen die Physiker den Eisenatomen ein Gespür füreinander geben. Das würden die Metallatome entwickeln, wenn sie näher zueinander rückten, wenn sie also durch kürzere Molekülen vernetzt wären. Moleküle, die das so zuverlässig tun wie Terephthalsäure, sind jedoch schwer zu finden.

„Daher versuchen wir das metallorganische Netz mit einer Isolationsschicht von der Kupferoberfläche zu trennen“, sagt Stepanow. Die Elektronen des Kupfers treten in mehr oder weniger starken Kontakt mit jenen des metallorganischen Netzes, das auf seiner Oberfläche liegt. So zieht Kupfer einiges von der magnetischen Kraft ab, die jedes Eisenatom auf seine Umgebung ausübt. Ohne den Schwund könnte die Kraft bis zu den nächsten Nachbaratomen reichen.

Dass genau das Netz aus Eisen und Terephthalsäure einmal in Festplatten Daten speichern wird, ist auch deshalb unwahrscheinlich, weil die Stabmagnete nur bei knapp 270 Grad Celsius unter Null zuverlässig eine bevorzugte Richtung einnehmen. Bei höheren Temperaturen, reicht die Wärmeenergie, um die Stabmagnete von einer bevorzugten Richtung abzubringen. „Mit unserem Hybridmaterialien haben wir aber bewiesen, dass es prinzipiell Materialien gibt, die Bits in einzelnen Atomen speichern können“, sagt Klaus Kern. „Und wir lernen an ihnen mehr über die Grandlagen der Spintronic, die anders als die Elektronik mit den Spins der Elektronen und nicht ihrer elektrischen Ladung arbeitet.“ Jetzt geht es darum, mit diesem Verständnis Stoffe zu entwickeln, die sich auch für Festplatten im PC eignen. [PH]

Originalveröffentlichung:
Pietro Gambardella, Sebastian Stepanow, Alexandre Dmitriev, Jan Honolka, Frank de Groot, Magalí Lingenfelder, Subhra Sen Gupta, D.D. Sarma, Peter Bencok, Stefan Stanescu, Sylvain Clair, Stefan Pons, Nian Lin, Ari P. Seitsonen, Harald Brune, Johannes V. Barth, and Klaus Kern
Supramolecular control of the magnetic anisotropy in two-dimensional high-spin Fe arrays at a metal interface
Nature Materials 8, 189 (2009)

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Geregeltes Laserschweißen

Mediendienst der Fraunhofer-Gesellschaft vom März 2009

25 000 Prozessoren arbeiten im Gleichtakt: In den Pixeln einer Kamera untergebracht, werten sie die von der Kamera aufgenommenen Bilder sofort aus – mehr als zehnmal so schnell wie ein Computer. Die Laserleistung kann so erstmals während des Schweißens geregelt werden.

Autotüren sind meist Stückwerk: Die Mitarbeiter bauen sie aus mehreren Blechabschnitten zusammen, die sie üblicherweise mit einem Laser aneinanderschweißen. Der Laserstrahl fährt dabei über die Bleche, die sich ein Stück überlappen und schmilzt sie jeweils in einem Bereich von einigen zehntel Millimetern: Es entsteht ein Durchschweißloch, das sich wieder verschließt, wenn der Laserstrahl weiterwandert. Wichtigste Einstellung dabei ist die Laserleistung – ist sie zu gering, verbinden sich die Bleche nicht fest miteinander, ist sie zu hoch, schneidet der Laser die einzelnen Bleche durch. Bislang tasten sich die Mitarbeiter über Ausprobieren an die richtige Laserleistung heran und halten sie dann konstant. Dazu kommen Erfahrungswerte: So verschmutzt nach einiger Zeit das Schutzglas, es kommt weniger Laserlicht auf dem Metall an. Verdreckt das Glas früher als üblich, können Stunden vergehen, bis dies entdeckt wird – die Bleche werden unter Umständen währenddessen nicht ordentlich verschweißt. Zwar gibt es eine Kamera, die den Prozess überwacht, der Computer kann jedoch nur rund tausend Bilder in der Sekunde auswerten. Um das schnell wandernde Durchschweißloch zu verfolgen und die Leistung entsprechend zu regeln, sind abhängig vom Schweißprozess Bildraten von über 10 Kilohertz nötig – das entspricht 10 000 Bildern pro Sekunde.

Forscher am Fraunhofer-Institut für Physikalische Messtechnik IPM in Freiburg haben nun erstmals eine Regelung für Laserschweißprozesse entwickelt, die die Leistung an die Situation anpasst: »Unser System wertet 14 000 Bilder pro Sekunde aus und nutzt die gewonnenen Daten, um die Leistung zu steuern«, sagt Andreas Blug, Projektleiter am IPM. Doch wie schafft es das System, die Bilder mehr als zehnmal so schnell auszuwerten wie herkömmliche Software? »Wir verwenden spezielle Kameras, bei denen in jedes Pixel ein winziger Prozessor integriert wurde. Alle diese Prozessoren – insgesamt 25 000 – arbeiten gleichzeitig. In konventionellen Bildverarbeitungssystemen werden die Daten von wenigen Computerprozessoren der Reihe nach verarbeitet«, sagt Blug. Experten sprechen von »Cellular Neural Networks«, CNN. Wenige Mikrosekunden nach der Aufnahme liefert die Kamera ein bereits ausgewertetes Bild von der Kontur des Durchschweißloches. Für kleine Durchschweißlöcher erhöht das System die Leistung, für große reduziert es sie. »Mit diesem Regelungssystem konnten wir die erste industrienahe Anwendung der CNN-Technologie realisieren«, sagt Blug. Einen Prototypen gibt es bereits. Nun wollen die Forscher das System in der Produktion testen.

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Bauteile aus nanostrukturierten Materialien

Mediendienst der Fraunhofer-Gesellschaft vom Februar 2009

Werkstoffe, die aus einem Gefüge von Nanoteilchen bestehen, sind fester und härter als Materialien aus größeren Teilchen. Ein neues Herstellungsverfahren sorgt dafür, dass solche feinkristallinen Strukturen auch bei der Weiterverarbeitung erhalten bleiben.

Aluminium ist leicht, verbiegt allerdings auch schnell. Hat es jedoch eine nanometerkleine Struktur, zeigt es andere Eigenschaften: Das Material ist wesentlich stabiler und fester. Daher ist es wie geschaffen für Aluschrauben in Motoren, die hohen Temperaturen standhalten müssen. Auch für Leichtbauteile eignet sich dieser Werkstoff hervorragend, denn je fester das Material, desto dünner kann das Blech für die Bauteile sein. Ausschlaggebend für die Eigenschaften ist die geringe Größe der Kristalle: Sie sind bedeutend kleiner als bei herkömmlichen Werkstoffen. Man spricht daher auch von feinkristallinen Gefügen.

Eine Herausforderung liegt in der Weiterverarbeitung solcher Nanowerkstoffe zu Werkzeugen oder Bauteilen: Beim Pressen oder Fügen muss das Material erwärmt werden. Die Kristalle wachsen, die Strukturen werden größer. Kurzum: Das Material verliert bei der Erwärmung die »Nanoeigenschaften«. Forscher des Fraunhofer-Instituts für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung IFAM in Dresden haben sich dieser Herausforderung angenommen. »Ziel ist es, die feinkristalline Struktur während des gesamten Herstellungsprozesses von Bauteilen zu erhalten«, erklärt Dr. Ronny Leuschner, Projektleiter am IFAM. Die Forscher haben dafür eine spezielle Technologiekette aufgebaut, zum Beispiel für die Herstellung von nanostrukturierten Aluminiumwerkstoffen. »Dafür stellen wir zunächst eine spezielle Aluminium-Legierung her«, sagt Leuschner. »Die metallische Schmelze müssen wir sehr rasch abkühlen. Wir frieren sie quasi ein.« Dafür verwenden die Forscher das »Melt Spinning«-Verfahren: Eine eigens entwickelte Spritzvorrichtung gießt die Schmelze auf eine wassergekühlte rotierende Rolle und erzeugt gleichmäßige, nur wenige Mikrometer dünne Bandstücke, Flakes genannt. Kaum auf der Rolle, sinkt die Temperatur der Schmelze rapide und das Band erstarrt in Hochgeschwindigkeit. Der Vorteil der Vorrichtung: Sie eignet sich für mehrere Kilogramm Material und hält Temperaturen von mehr als 1700 Grad Celsius aus. »Nach dem Erstarren müssen wir die Flakes kompaktieren und in die gewünschte Form pressen«, sagt Leuschner. Auch dabei dürfen die feinkristallinen Strukturen nicht verloren gehen. Die Forscher nutzen hier das Spark-Plasma-Sintern: Hochfrequente Strompulse innerhalb der Pressvorrichtung kompaktieren das Material in sehr kurzer Zeit, sodass die feinen Mikrostrukturen erhalten bleiben. Die Anwendungen der Nanowerkstoffe reichen von leichteren Alu-Bauteilen mit verbesserter Festigkeit, Verschleiß- oder Korrosionsbeständigkeit über die Speicherung von Wasserstoff und die Energiegewinnung mit thermoelektrischen Werkstoffen bis hin zur Elektrotechnik.

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