Energiewende mit Wasserstoff vom Dach

Presseinformation des KIT (Karlsruher Institut für Technologie) vom 21.06.2023

Forschende des KIT optimieren künstliche Fotosynthese für die Massenanwendung

Wasserstoff, Kraftstoffe und sogar Trinkwasser effizient auf Dachflächen oder in Solarparks produzieren – das wollen Forschende des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) und ihre kanadischen Partner mit kostengünstigen Fotoreaktormodulen ermöglichen. Dabei sind ihnen jetzt wichtige Fortschritte gelungen. Über ihre Ergebnisse berichten sie in der Fachzeitschrift Joule.

Bei der künstlichen Fotosynthese werden chemische Reaktionen mithilfe von Sonnenlicht durchgeführt. Wie beim natürlichen Vorbild werden Photonen dabei von einem fotokatalytisch aktiven Material so absorbiert, dass ihre Energie direkt eine chemische Reaktion antreibt. „Inzwischen sind unterschiedliche Fotokatalysatoren bekannt. Mit ihnen lässt sich zum Beispiel Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff spalten, es lassen sich aber auch klimaneutrale Kraftstoffe aus Wasser und Kohlendioxid herstellen“, sagt Paul Kant vom Institut für Mikroverfahrenstechnik (IMVT) des KIT. Bislang war die Technologie allerdings vor allem im Labor zu finden, weil die Kosten einer Produktion von solarem Wasserstoff schlicht zu hoch waren. Mit einem Konzept für hocheffiziente Fotoreaktorpaneele, die in kostengünstigen Modulen verbaut werden können, ist der Forschungsgruppe nun aber ein entscheidender Schritt in Richtung Praxis gelungen. Den großflächigen Einsatz solcher neuartiger Fotoreaktormodule auf Hausdächern oder in Solarfarmen zur Herstellung von Wasserstoff oder Kraftstoffen hält Kant für eine der großen technologischen Chancen der Menschheit im Kampf gegen die Klimakrise: „Das könnte den Einsatz fossiler Energieträger schlichtweg überflüssig machen.“ Kant leitete die Forschungsarbeiten federführend während seiner Promotion bei Professor Roland Dittmeyer am IMVT. Sie sind Teil des Helmholtz-Programms Materials and Technologies for the Energy Transition.

Optimiertes Reaktorkonzept für den Massenmarkt

Ein effizientes Fotoreaktormodul für die praktische Anwendung muss im Wesentlichen zwei Komponenten aufweisen: Zum einen muss ein geeigneter Fotokatalysator zur Verfügung stehen, der die eigentliche chemische Reaktion antreibt. Zum anderen muss ein Fotoreaktor vorhanden sein, also ein „Behältnis“ für den Fotokatalysator sowie die Ausgangsstoffe der chemischen Reaktion. „Der Fotoreaktor sollte einfallendes Sonnenlicht idealerweise verlustarm zum Fotokatalysator leiten, egal aus welcher Richtung es einfällt, beziehungsweise egal wo am Himmel die Sonne steht“, erklärt Kant. „Wichtig ist außerdem, dass der Fotoreaktor durch seine Struktur und das verwendete Material optimale Betriebsbedingungen für den Fotokatalysator gewährleistet, etwa die richtige Temperatur oder die passende Intensität bei der Absorption von Licht am Fotokatalysator.“ Das von dem Forschungsteam vorgestellte Fotoreaktorkonzept adressiert genau diese doppelte Herausforderung: Es besteht aus mikrostrukturierten Polymerpaneelen, die für eine hohe Reflektivität mit Aluminium beschichtet werden und ermöglicht sowohl optimale Betriebsbedingungen als auch einen effizienten Transport von Licht zum Fotokatalysator über den gesamten Tagesverlauf. Die Forschenden haben das System mithilfe computergestützter Geometrieoptimierung sowie einem fotokatalytischen Modellsystem entwickelt und konnten es bereits im Labormaßstab demonstrieren.

Kostensenkung durch preiswerte Module

Auf Grundlage einer allgemeingültigen Richtlinie, die von den Forschenden auf Basis einer detaillierten Analyse ihres Reaktorkonzepts erarbeitet wurden, können zukünftige Fotoreaktormodule nun für unterschiedliche Einsatzzwecke verhältnismäßig einfach auf maximale Effizienz ausgelegt werden. Eine hohe Effizienz bei der chemischen Reaktion ist allerdings nur ein Teil der Herausforderung, um die künstliche Fotosynthese als eine wirtschaftliche Technologie zu etablieren. Für relevante Produktmengen müssen extrem große Flächen mit Fotoreaktorpaneelen bedeckt werden. „Um die Kosten zu senken verwenden wir kostengünstige Materialien sowie Geometrien, die in etablierten Massenfertigungsverfahren hergestellt werden können“, sagt Kant. Nach ersten Berechnungen schätzen die Forschenden den Preis auf ungefähr 22 US-Dollar pro Quadratmeter Fotoreaktormodul.

In weiterführenden Arbeiten unter der Federführung von Anselm Dreher wird in den nächsten Schritten nun am IMVT in Karlsruhe und in der Arbeitsgruppe um Professor Geoffrey Ozin in Toronto ein geeigneter Fotokatalysator entwickelt, der effizient Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff spaltet. Der Fotokatalysator wird anschließend in die vorgestellten Fotoreaktoren integriert. Ferner umfassen aktuelle Arbeiten Untersuchungen zur Massenproduktion der vorgestellten Paneele. (mhe)

Originalpublikation:
Paul Kant, Shengzhi Liang, Michael Rubin, Geoffrey Alan Ozin, Roland Dittmeyer: Low-cost photoreactors for highly photon/energy-efficient solar-driven synthesis. Joule, 2023.

Externer Link: www.kit.edu

Chemiker entwickeln Methode, um gefährliche Substanzen nachhaltig aus dem Wasser zu entfernen

Pressemitteilung der Universität des Saarlandes vom 23.06.2023

PFAS – Per- und polyfluorierte Chemikalien – sind wahre Alleskönner. Die fett-, wasser- und schmutzabweisenden Chemikalien kommen in tausenden Varianten vor, zum Beispiel in Kochgeschirr, in Funktionskleidung, in Kosmetika und als Feuerlöschmittel. Leider sind sie auch ein massives Problem für die Umwelt. Denn sie können nicht auf natürlichem Weg abgebaut werden. Polymerchemiker aus dem Saarland und den USA haben nun eine Methode gefunden, wie man PFAS nachhaltig aus dem Wasser entfernen kann.

Ihre Methode haben sie im Fachjournal ACS Applied Materials & Interfaces veröffentlicht.

PFAS sind unglaublich vielfältige Stoffe. Die fluorhaltigen organischen Moleküle sorgen unter anderem dafür, dass Regen von Outdoor-Jacken abperlt, sie stecken in Pappschachteln, in denen Essen verpackt wird, oder sie sind Bestandteil von Löschmitteln und Feuerschutzkleidung. In den 1940er Jahren erstmals eingesetzt, traten die Alleskönner ihren Siegeszug an und durchdringen inzwischen unser gesamtes Leben.

Das ist praktisch. Und belastend für die Natur und den Menschen. Denn die fluorierten Chemikalien sind in der Natur nicht abbaubar. Nachgewiesen sind sie inzwischen überall auf der gesamten Erde – im Wasser, im Boden, in der Luft, in Pflanzen, Tieren und, am Ende der Nahrungskette, im Menschen. Wie schädlich sie sind, ist bisher noch nicht genau klar. Erste Studien in Tierversuchen zeigen aber eine Fortpflanzungsgefährdung. Fest steht jedoch, dass diese Verbindungen in der Natur und in Organismen nichts zu suchen haben, so dass es sinnvoll ist, ihre Dosis möglichst gering zu halten.

Aber los wird man die organischen Moleküle nur mit großem Aufwand, der darüber hinaus die Umwelt und das Klima belastet. Weiterhin muss man diese cleveren Moleküle erst einmal nachweisen. Schon sehr geringe Konzentrationen können in Anwendungen (z.B. als Beschichtung) eine sehr große Wirkung haben. Aus dem Wasser beispielsweise kann man PFAS bisher nur mit speziellen Membranen oder mit der deutlich günstigeren Aktivkohle effektiv herausfiltern. Diese muss man dann allerdings verbrennen oder relativ harschen Bedingungen aussetzen, um die Stoffe endgültig zu vernichten, da man die PFAS nicht mehr aus den Filtern herauslösen kann.

Bis jetzt. Denn Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um Markus Gallei, Professor für Polymerchemie an der Universität des Saarlandes, und Xiao Su aus Illinois sowie ihren Doktoranden Frank Hartmann (Uni Saar) und Paola Baldaguez (Illinois) haben eine Methode gefunden, wie man PFAS aus dem Wasser entfernen kann und sie im Anschluss gleich wieder freisetzen kann. So können die fluorierten Substanzen nicht nur gesammelt, sondern auch gezielt untersucht und vernichtet werden, und zwar, ohne gleich den Filter verbrennen zu müssen.

Das Geheimnis dahinter ist eine elektrochemische Methode, in der eine bestimmte Gruppe metallhaltiger Polymere, so genannte Metallocene, die Hauptrolle spielen. Die älteste dieser Verbindungen, Ferrocen auf Eisenbasis, wurde 1951 entdeckt, im Anschluss folgten viele weitere Varianten. Frank Hartmann, Markus Gallei und ihr internationales Team haben nun herausfinden können, dass Elektroden aus Ferrocen und – noch viel effektiver – aus einem Cobaltocen, das Frank Hartmann hergestellt hat, die PFAS-Moleküle selbst in winzigsten Mengen aus dem Wasser herausfiltern können.

Der Clou dabei ist jedoch ein anderer: Wenn man Ferro- oder Cobaltocen „schaltet“, also eine elektrische Spannung anlegt, geben sie die PFAS-Moleküle wieder effizient ab. „Und das kann Cobalt deutlich besser als Eisen“, konnte Frank Hartmann beobachten. „Das bedeutet nichts anderes, als dass wir eine Methode gefunden haben, wie man PFAS zum einen aus dem Wasser entfernen kann und darüber hinaus, wie man sie wieder freisetzen kann, so dass man die Elektrode vielfach nutzen kann. Anders als den Aktivkohlefilter, den ich vernichten muss, nachdem die PFAS-Moleküle in ihm hängengeblieben sind, kann ich die Metallocene tausendmal schalten, wenn ich will“, fasst Markus Gallei die Bedeutung der Forschungsarbeit zusammen.

Frank Hartmann, Markus Gallei und ihre Kolleginnen und Kollegen der University of Illinois in den USA könnten damit die Grundlage für weitere Entwicklungen in größerem Maßstab gelegt haben, um die unerwünschten Chemikalien effizient aus dem Wasser der Flüsse und Ozeane herausfiltern zu können.

Originalpublikation:
Investigating the Electrochemically Driven Capture and Release of Long-Chain PFAS by Redox Metallopolymer Sorbents
Paola Baldaguez Medina, Valentina Ardila Contreras, Frank Hartmann, Deborah Schmitt, Angelique Klimek, Johannes Elbert, Markus Gallei, and Xiao Su
ACS Applied Materials & Interfaces 2023 15 (18), 22112-22122

Externer Link: www.uni-saarland.de

Laser erkennt Krebsgewebe

Pressemitteilung der Universität Kassel vom 14.06.2023

Kasseler Forscherinnen und Forscher haben eine Methode entwickelt, die mit ultrakurzen Lichtblitzen Krebsoperationen schneller und schonender machen kann.

Die wichtigste Methode, um Krebs im Frühstadium zu beseitigen, ist das Herausschneiden. Um zu gewährleisten, dass der Tumor vollständig entfernt wurde, ist jedoch der richtige Sicherheitsabstand entscheidend, d.h. es muss rings um das befallene Gewebe eine minimale Hülle gesunden Gewebes mitentfernt werden. Ein zu kleiner Sicherheitsabstand kann zu Rückfällen führen, während ein zu großer die Funktion des betroffenen Organs einschränken kann.

Um zu entscheiden, ob das bösartige Gewebe vollständig entfernt wurde, wird häufig eine sogenannte Schnellschnittuntersuchung durchgeführt. Ein Laborarzt untersucht dabei das entnommene Gewebe noch während der laufenden Operation, indem er es außerhalb des OPs schockgefriert, schneidet und einfärbt. Dabei kann er feststellen, ob bei der Entnahme der richtige Sicherheitsabstand eingehalten wurde. Vom Ergebnis dieses zeitaufwendigen Prozesses hängt das weitere Vorgehen der Operation ab.

Wünschenswert wäre eine alternative oder ergänzende Technik, mit der die Art des operierten Gewebes schnell und präzise bestimmt werden kann, um die Operationszeit zu verringern und die Belastung des Patienten zu reduzieren.

Hier setzen die Arbeiten der Kassler Forscherinnen und Forscher an. An Leberkrebs- und Brustkrebsproben aus dem Archiv des Instituts für Pathologie Nordhessen erzielten sie mit einem Laserverfahren eine Genauigkeit in der Unterscheidung von gesundem zu krankem Gewebe von 95 bis nahezu 100 Prozent. Dazu werden ultrakurze Laserblitze von einigen billiardstel Sekunden Dauer auf das Gewebe geschickt, wobei ein geringer Abtrag des Gewebes stattfindet. Dabei entsteht Licht, das die chemische Zusammensetzung des Gewebes anzeigt.

Dieses Verfahren wurde am Nanostrukturzentrum der Universität Kassel vor zwanzig Jahren erstmals an pflanzlichem Gewebe gezeigt und nun auf diese Fragestellung angewendet. Zur Unterscheidung zwischen gesundem und krankem Gewebe verwendeten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Auswertungsmethoden, die auf maschinellem Lernen beruhen. Entwickelt wurde das neue Verfahren von den Kasseler Experimentalphysikern/innen Prof. Dr. Thomas Baumert, Arne Senftleben, Cristian Sarpe, Elena Ramela Ciobotea, Christoph Burghard Morscher, Bastian Zielinski und Hendrike Braun in Kooperation mit dem Mediziner Prof. Dr. Josef Rüschoff (Institut für Pathologie Nordhessen).

Die Forscherinnen und Forscher gehen davon aus, dass diese Methode zur raschen Gewebebestimmung nach weiterer Forschungs- und Entwicklungsarbeit in den Operationssaal Einzug finden wird. Wenn Ultrakurzpulslaser als Schneidewerkzeuge während der Operation eingesetzt werden sollten, kann diese Methode sogar gesundes von krankem Gewebe direkt während des Schnittes unterscheiden.

Baumert: „Dieses Verfahren kann Krebs nicht heilen. Aber es kann die Behandlung schneller, sicherer und schonender machen.“

Originalpublikation:
Nature Scientific Reports, “Identification of Tumor Tissue in Thin Pathological Samples via Femtosecond Laser-Induced Breakdown Spectroscopy and Machine Learning”, DOI: 10.1038/s41598-023-36155-8

Externer Link: www.uni-kassel.de

High-Tech Schmierstoff bildet sich bei Bedarf von selbst

Presseaussendung der TU Wien vom 14.06.2023

Genau dort, wo die Reibung hoch ist, entstehen Schmierstoffe, die für geringere Reibung sorgen: An der TU Wien gelang das mit speziellen 2D-Materialien. Wichtig ist das für die Weltraumtechnik.

Unser Körper hat mit Maschinen einiges gemeinsam: Wir haben bewegliche Gelenke, es kommt zu Reibung und Verschleiß, man braucht daher geeignete Schmierstoffe. Der Körper produziert sie auf natürliche Weise ganz von selbst – etwas Ähnliches ist nun auch bei Maschinen möglich.

Durch die Wahl passender Materialien kann man erreichen, dass sich bei mechanischer Beanspruchung spezielle 2D-Materialien bilden, die höchst effektiv die Reibung verringern – hohe Reibung führt also ganz von selbst zu einer Verringerung der Reibung, das System reguliert sich selbst. Speziell für Anwendungen im Weltraum, wo flüssige Schmierstoffe versagen und keine Wartung möglich ist, birgt diese neue Technik große Vorteile.

Dünne Schichten, die übereinander gleiten

Die Tribologie, die Wissenschaft von Reibung und Verschleiß, befasst sich seit Jahren intensiv mit sogenannten 2D-Materialien – mit Partikeln, die nur aus einer oder aus wenigen Atomschichten bestehen. Zu dieser Materialklasse zählen etwa Molybdändisulfid oder Molybdändiselenid – in der Mitte befindet sich eine Schicht aus Molybdän-Atomen, darüber und darunter sind Schwefel- oder Selen-Atome angekoppelt.

„Solche ultradünnen Plättchen können mit sehr wenig Widerstand übereinander gleiten“, sagt Dr. Philipp Grützmacher vom Institut für Konstruktionswissenschaften und Produktentwicklung der TU Wien. „Daher sind diese Materialien ein hervorragender Schmierstoff.“ Philipp Grützmacher forscht im Team von Prof. Carsten Gachot, der den Forschungsbereich für Tribologie an der TU Wien leitet.

Im Gegensatz zu herkömmlichen Schmierstoffen wie Öl, die in flüssigem Zustand verwendet werden, können 2D-Materialien in Pulverform verwendet werden. Das ist besonders dann ein großer Vorteil, wenn eine Maschine bei hohen Temperaturen oder im Vakuum funktionieren soll, wo Flüssigkeiten rasch verdampfen würden. „Deshalb spielen solche Schmierstoffe ganz besonders in der Weltraumtechnik eine wichtige Rolle, sie wurden etwa beim James-Webb-Weltraumteleskop verwendet“, sagt Carsten Gachot.

Bei gewöhnlichen Bedingungen auf der Erde sind solche Materialien aber schwer zu handhaben. Durch Kontakt mit Sauerstoff oder Luftfeuchtigkeit können sie nämlich oxidieren und werden damit unbrauchbar. „Optimal ist also ein 2D-Material, das genau dort erst entsteht, wo es gebraucht wird“, sagt Philipp Grützmacher. „Und genau das haben wir nun entwickelt.“

Reibung erzeugt Schmierstoff

Man nimmt dazu einfach ein mechanisches Bauteil aus Stahl und überzieht es mit einer wenige Mikrometer dünnen Schicht aus Molybdän. In Pulverform wird dann Selen hinzugefügt. „Bei mechanischer Beanspruchung, etwa wenn zwei solche Bauteile aneinander reiben, kommt es zu einer tribochemischen Reaktion, Selen und Molybdän verbinden sich zu Molybdändiselenid-Flakes, die dann als Schmierstoff wirken“, erklärt Grützmacher. „Unsere Messungen zeigen: Sobald starke Reibung auftritt, wird der Schmierstoff produziert, die Reibung nimmt sofort drastisch ab und sinkt im Verlauf des Experiments weiter.“ Mit speziellen bildgebenden Verfahren konnte man nachweisen, dass dieser Effekt tatsächlich durch die Entstehung von ultradünnen Molybdänselenid-Schichten zustande kommt.

Im Gegensatz zu Beschichtungen aus vorab synthetisierten 2D Materialien (z.B. MoS2) zersetzen sich die Ausgangsmaterialien (Molybdän und Selenpulver) für den Prozess in Kontakt mit Sauerstoff oder Luftfeuchtigkeit nicht. Dadurch erweitert sich der Einsatzbereich dieses Schmierstoffsystems deutlich. Interessant ist diese Technologie nicht nur für Weltraum-Anwendungen, sondern für viele Einsatzbereiche, in denen flüssige Schmierstoffe Probleme verursachen – etwa, weil hohe Temperaturen auftreten, weil der Prozess im Vakuum stattfinden soll, oder weil es bei der Verwendung von Ölen zu Kontaminationen kommen könnte.

Ein weiterer wichtiger Vorteil: Der Schmierstoff wird immer genau dort gebildet, wo er benötigt wird, was durch einfaches Zuführen von Pulver auch jederzeit wiederholt werden kann. Somit wurde ein deutlich effizienteres Schmierstoffsystem mit längerer Lebensdauer geschaffen. (Florian Aigner)

Originalpublikation:
P. Grützmacher et al., Se Nano-Powder Conversion into Lubricious 2D Selenide Layers by Tribochemical Reactions, Advanced Materials (2023).

Externer Link: www.tuwien.at

Nanomaterialien: Glas sinterfrei in 3D gedruckt

Presseinformation des KIT (Karlsruher Institut für Technologie) vom 07.06.2023

Am KIT entwickeltes Verfahren kommt mit relativ niedrigen Temperaturen aus und ermöglicht hohe Auflösungen für Anwendungen in Optik und Halbleitertechnik – Publikation in Science

Nanometerfeine Strukturen aus Quarzglas, die sich direkt auf Halbleiterchips drucken lassen, erzeugt ein am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) entwickeltes Verfahren. Ein hybrides organisch-anorganisches Polymerharz dient als Ausgangsmaterial für den 3D-Druck von Siliziumdioxid. Da das Verfahren ohne Sintern auskommt, sind die dazu erforderlichen Temperaturen deutlich niedriger. Zugleich ermöglicht eine höhere Auflösung Nanophotonik mit sichtbarem Licht. Das Forschungsteam berichtet in der Zeitschrift Science.

Das Drucken von aus reinem Siliziumdioxid bestehendem Quarzglas in mikro- und nanometerfeinen Strukturen eröffnet neue Möglichkeiten für viele Anwendungen in Optik, Photonik und Halbleitertechnik. Doch bis jetzt dominieren dabei Techniken, die auf dem traditionellen Sintern basieren. Die für das Sintern von Siliziumdioxid-Nanopartikeln erforderlichen Temperaturen liegen über 1 100 Grad Celsius – viel zu heiß für das direkte Abscheiden auf Halbleiterchips. Ein Forschungsteam unter Leitung von Dr. Jens Bauer vom Institut für Nanotechnologie (INT) des KIT hat nun ein neues Verfahren entwickelt, transparentes Quarzglas mit hoher Auflösung und hervorragenden mechanischen Eigenschaften bei deutlich niedrigeren Temperaturen herzustellen.

Hybrides organisch-anorganisches Polymerharz dient als Ausgangsmaterial

Bauer, der am KIT die Emmy Noether-Nachwuchsgruppe „Nanoarchitected Metamaterials“ leitet, und seine Kolleginnen und Kollegen von der University of California Irvine und dem Medizintechnikunternehmen Edwards Lifesciences in Irvine stellen das Verfahren in der Zeitschrift Science vor. Als Ausgangsmaterial dient ein eigens entwickeltes hybrides organisch-anorganisches Polymerharz. Dieses flüssige Harz besteht aus sogenannten polyedrischen oligomeren Silsesquioxan-Molekülen (POSS): Winzige käfigartige Siliziumdioxidmoleküle sind mit organischen funktionellen Gruppen versehen.

Sobald die vollständig in 3D gedruckte und vernetzte Nanostruktur geformt ist, wird sie an der Luft auf eine Temperatur von 650 Grad Celsius erhitzt. Dabei werden die organischen Komponenten ausgetrieben, und gleichzeitig verbinden sich die anorganischen POSS-Käfige, sodass eine durchgehende Mikro- oder Nanostruktur aus Quarzglas entsteht. Die erforderliche Temperatur ist nur halb so hoch wie bei Verfahren, die auf dem Sintern von Nanopartikeln beruhen.

Strukturen halten auch schwierigen chemischen und thermischen Bedingungen stand

„Die niedrigere Temperatur erlaubt es, robuste, transparente und frei geformte optische Glasstrukturen direkt auf Halbleiterchips zu drucken, und zwar mit der für die Nanophotonik mit sichtbarem Licht erforderlichen Auflösung“, erklärt Bauer. Neben der ausgezeichneten optischen Qualität weist das so hergestellte Quarzglas hervorragende mechanische Eigenschaften auf und lässt sich leicht verarbeiten.

Das Team aus Karlsruhe und Irvine druckte mit dem POSS-Harz viele verschiedene Strukturen im Nanomaßstab, darunter photonische Kristalle aus freistehenden, 97 Nanometer starken Balken, parabolische Mikrolinsen und ein mehrlinsiges Mikroobjektiv mit nanostrukturierten Elementen. „Unser Verfahren ermöglicht Strukturen, die auch schwierigen chemischen oder thermischen Bedingungen standhalten“, erläutert Bauer.

„Die von Jens Bauer geleitete Gruppe am INT gehört zum Exzellenzcluster 3DMM2O“, sagt Professor Oliver Kraft, Vizepräsident Forschung des KIT. „Die nun in Science publizierten Forschungsergebnisse sind nur ein Beispiel dafür, wie hervorragend die konsequente Nachwuchsförderung innerhalb des Clusters funktioniert.“ Das Exzellenzcluster „3D Matter Made to Order“, kurz 3DMM2O, ein gemeinsames Cluster des KIT und der Universität Heidelberg, verfolgt in der Verbindung von Natur- und Ingenieurwissenschaften einen stark interdisziplinären Ansatz. Sein Ziel ist, additive 3D-Fertigungsverfahren auf die nächste Stufe zu bringen – von der Ebene der Moleküle bis hin zu makroskopischen Abmessungen. (or)

Originalpublikation:
J. Bauer, C. Crook, and T. Baldacchini: A sinterless, low-temperature route to 3D print nanoscale optical-grade glass. Science, 2023. DOI: 10.1126/science.abq3037

Externer Link: www.kit.edu