Nachhaltige Supermagnete aus dem 3D-Drucker

Presseaussendung der TU Graz vom 30.01.2020

Magnetwerkstoffe sind wichtiger Bestandteil elektrischer Produkte. Gefertigt werden sie meist mit herkömmlichen Produktionsverfahren unter Einsatz von seltenen Erden. Mehrere Forschungsteams der TU Graz arbeiten daran, sie umweltverträglicher herzustellen.

Ob in Windkraftanlagen, Elektromotoren, Sensoren oder magnetischen Schaltsystemen: Dauermagnete sind in vielen elektrischen Anwendungen verbaut. Gefertigt werden sie zumeist durch Sintern oder im Spritzguss-Verfahren. Durch die zunehmende Miniaturisierung der Elektronik und den damit einhergehenden geometrischen Anforderungen an Magnete stoßen diese herkömmlichen Produktionsmethoden immer öfters an ihre Grenzen. Additive Fertigungstechnologien hingegen bieten die notwendige Gestaltungsfreiheit, um Magnete herzustellen, die an die jeweiligen Anforderungen optimal angepasst sind.

Magnete nach Maß

Forschenden der TU Graz ist es nun gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen der Universitäten Wien und Erlangen-Nürnberg sowie mit einem Team von Joanneum Research gelungen, Supermagnete mittels laserbasiertem 3D-Druck herzustellen. Dabei wird Metallpulver des magnetischen Materials schichtweise aufgetragen, die Partikel werden durch Schmelzen miteinander verbunden. So entsteht ein Bauteil, das zur Gänze aus Metall besteht. Das Verfahren ist derart ausgereift, dass die Forschenden Magnete mit hoher relativer Dichte drucken und zugleich deren Mikrostruktur kontrollieren können. „Die Kombination dieser beiden Eigenschaften garantiert einen effizienten Materialeinsatz, weil wir damit die magnetischen Eigenschaften exakt auf die jeweilige Anwendung zuschneiden können“, so Siegfried Arneitz und Mateusz Skalon vom Institut für Werkstoffkunde, Fügetechnik und Umformtechnik der TU Graz.

Die Forschungsgruppe konzentrierte sich zunächst auf die Produktion von Neodym-Eisen-Bor-Magneten (NdFeB-Magneten). Neodym zählt zur Gruppe der sogenannten Seltenen Erden und bildet aufgrund seiner chemischen Eigenschaften die Basis für viele starke Dauermagnete, die in Computern, Smartphones und anderen wichtigen Anwendungen unersetzlich sind. Die Forschenden beschreiben ihre Arbeit ausführlich im Journal Materials. Es gibt jedoch auch Anwendungen wie beispielsweise elektrische Bremsen, Magnetschalter oder bestimmte Elektromotorsysteme, in denen die magnetische Stärke von NdFeB-Magneten nicht benötigt und auch nicht gewünscht ist.

Suche nach Alternativen zu Seltenerdmetallen

Siegfried Arneitz, Doktorand am Institut für Werkstoffkunde, Fügetechnik und Umformtechnik der TU Graz, setzt deshalb die Arbeit an 3D-gedruckten Magneten fort – aufbauend auf den bisherigen Forschungsergebnissen. In seiner Dissertation widmet sich Arneitz dem 3D-Druck von eisen- und kobaltbasierten Magneten (Fe-Co-Magnete). Dabei handelt es sich um vielversprechende Alternativen zu NdFeB-Magneten. In doppelter Hinsicht: Der Abbau von Seltenen Erden ist aufwendig und wenig nachhaltig, das Recycling dieser Metalle steckt noch in den Kinderschuhen. Fe-Co-basierte Magnete hingegen sind für die Umwelt weit weniger bedenklich.

Außerdem verlieren Seltenerdmetalle mit steigender Temperatur ihre magnetischen Eigenschaften, während spezielle Fe-Co basierte Legierungen selbst bei Temperaturen von 200 bis 400 Grad Celsius ihre magnetische Leistung behalten und sich durch eine gute Temperaturstabilität auszeichnen.

Erste Ergebnisse stimmen Arneitz zuversichtlich: „Bisherige theoretische Berechnungen haben gezeigt, dass die magnetischen Eigenschaften dieser Materialien sogar um das Doppelte bis Dreifache gesteigert werden können. Mit der Gestaltungsfreiheit, die der 3D-Druck bietet, sind wir zuversichtlich, diesem Ziel näher kommen zu können. In Kooperation mit verschiedenen Instituten werden wir weiter an diesem Thema arbeiten, um zukünftig für jene Bereiche alternative Magnetwerkstoffe anbieten zu können, in denen Neodym-Eisen-Bor-Magneten nicht notwendig sind.“ (Christoph Pelzl)

Originalpublikation:
„Influence of Melt-Pool Stability in 3D Printing of NdFeB Magnets on Density and Magnetic Properties”
in Materials 2020, 13, 139; doi:10.3390/ma13010139

Externer Link: www.tugraz.at

Schnellster hochpräziser 3D-Drucker

Presseinformation des KIT (Karlsruher Institut für Technologie) vom 28.01.2020

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des KIT entwickeln neues 3D-Drucksystem für submikrometergenaue Strukturen in Rekordgeschwindigkeit – Publikation in Advanced Functional Materials

3D-Drucker, die im Millimeterbereich und größer drucken, finden derzeit Eingang in die unterschiedlichsten industriellen Produktionsprozesse. Viele Anwendungen benötigen jedoch einen präzisen Druck im Mikrometermaßstab und eine deutlich höhere Druckgeschwindigkeit. Forscherinnen und Forscher des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) haben ein System entwickelt, mit dem sich in bisher noch nicht erreichter Geschwindigkeit hochpräzise, zentimetergroße Objekte mit submikrometergroßen Details drucken lassen. Dieses System präsentieren sie in einem Sonderband der Zeitschrift Advanced Functional Materials. (DOI: 10.1002/adfm.201907795).

Um nicht nur die Geschwindigkeit, sondern auch die Zuverlässigkeit ihres Aufbaus zu demonstrieren, haben die Forscherinnen und Forscher eine 60 Kubikmillimeter große Gitterstruktur mit Details bis in den Mikrometermaßstab gedruckt, die mehr als 300 Milliarden Voxel enthält. (Ein Voxel ist das dreidimensionale Analogon des Pixels im 2D-Druck). „Mit dem Druck dieses Metamaterials schlagen wir den Rekord, der bei 3D-gedruckten Flugzeugflügeln erreicht wurde, um Längen – ein neuer Weltrekord“, erklärt Professor Martin Wegener, Sprecher des Exzellenzclusters „3D Matter Made to Order“ (3DMM2O), in dessen Rahmen das System entwickelt wurde.

Bei dieser Art von 3D-Druck durchfährt der Lichtfleck eines Lasers computergesteuert einen flüssigen Fotolack. Nur das Material im Brennpunkt des Lasers wird dabei belichtet und ausgehärtet. „Die Brennpunkte entsprechen den Düsen beim Tintenstrahldrucker, mit dem Unterschied, dass sie dreidimensional arbeiten“, sagt Vincent Hahn, Erstautor der Publikation. So entstehen hochpräzise filigrane Strukturen für verschiedene Einsatzbereiche wie Optik und Photonik, Materialwissenschaften, Biotechnologie oder Sicherheitstechnik. Typischerweise konnte man bisher mit einem einzigen Laserlichtfleck einige Hundert Tausend Voxel pro Sekunde erzeugen. Er war damit fast hundertmal langsamer als grafische Tintenstrahldrucker. Dieser Umstand hat bislang viele Anwendungen behindert. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des KIT und der Queensland University of Technology (QUT) in Brisbane/Australien haben nun innerhalb des Exzellenzclusters 3DMM2O ein neues System entwickelt. Mit einer speziellen Optik wird der Laserstrahl in neun Teilstrahlen aufgeteilt, die jeweils in einen Brennpunkt gebündelt werden. Alle neun Teilstrahlen können parallel verwendet und inzwischen, dank verbesserter elektronischer Ansteuerung, auch deutlich schneller als zuvor präzise verfahren werden. Mit einigen weiteren technischen Verbesserungen kommen die Forscher im 3D-Druck so auf Druckgeschwindigkeiten von etwa zehn Millionen Voxel pro Sekunde und sind damit nun gleichauf mit grafischen 2D-Tintenstrahldruckern. Dennoch geht die Forschung und Entwicklung am KIT mit Hochdruck weiter. „Schließlich will man mit 3D-Druckern nicht nur das Pendant eines Blattes, sondern dicke Bücher ausdrucken“, so Hahn. Hierzu seien insbesondere auch Fortschritte in der Chemie erforderlich, beispielsweise müssten empfindlichere Fotolacke entwickelt werden, um mit der gleichen Laserleistung noch mehr Brennpunkte erzeugen zu können. (rl)

Originalpublikation:
Vincent Hahn, Pascal Kiefer, Tobias Frenzel, Jingyuan Qu, Eva Blasco, Christopher Barner-Kowollik and Martin Wegener: „Rapid assembly of small materials building blocks (voxels) into large func-tional 3D metamaterials“. Advanced Functional Materials, 10.1002/adfm.201907795.

Externer Link: www.kit.edu

Nanocontainer in den Kern von lebenden Zellen eingeschleust

Medienmitteilung der Universität Basel vom 27.01.2020

Einem interdisziplinären Team der Universität Basel ist es gelungen, künstlichen Nanocontainern einen direkten Weg in den Kern von lebenden Zellen zu bahnen. Sie stellten dafür biokompatible Bläschen her, welche die Poren in der Hülle des Zellkerns passieren können. In Zukunft könnten Wirkstoffe so direkt in die Schaltzentrale von Zellen transportiert werden. Die Forschenden haben diese Ergebnisse in der Zeitschrift «Proceedings of the National Academy of Sciences» veröffentlicht.

Zur Bekämpfung von Krankheiten versuchen verschiedene Therapien in Vorgänge einzugreifen, die sich im Zellkern abspielen. Chemotherapien nehmen etwa biochemische Reaktionen ins Visier, die an der Vermehrung von Krebszellen beteiligt sind, während Gentherapien darauf abzielen, beispielsweise ein erwünschtes Gen in den Kern einzubauen. In der Nanomedizin ist es daher eine grosse Herausforderung, ein verlässliches Verfahren zu entwickeln, mit dem sich Wirkstoffe spezifisch in den Zellkern einschleusen lassen.

Forschende der Universität Basel haben nun winzige Nanocontainer entwickelt, die genau dieses in lebenden Zellen leisten. Sie können die Kernporenkomplexe passieren, die den Transport von Molekülen in den und aus dem Zellkern kontrollieren. An der Entwicklung dieser sogenannten Polymersome waren ein interdisziplinäres Team mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Swiss Nanoscience Institute, des Biozentrums und des Departements Chemie beteiligt.

Eintrittskarte in den Kern

Um die künstlichen Containern durch die Kernporenkomplexe zu führen, verwendeten die Forschenden einen Trick: «Die etwa 60 Nanometer grossen Polymersome sind von einer flexiblen Polymermembran umgeben, die in ihrem Aufbau natürlichen Membranen ähnelt», erklärt die Chemikerin Prof. Dr. Cornelia Palivan. «Sie sind jedoch robuster als Bläschen aus Lipiden und lassen sich je nach Wunsch funktionalisieren.»

Zudem konstruierten die Forschenden die Polymersomen mit daran gebundenen Kernlokalisationssignalen – quasi mit einer Eintrittskarte in den Kern. Zellen nutzen diese Signale, um zwischen Molekülen zu unterscheiden, die in den Kern transportiert werden sollen und denen, die im Kern unerwünscht sind. Durch die Signale werden die künstlichen Nanocontainer als zulässige Fracht getarnt.

An die Natur angelehnt

«Die Kernlokalisationssignale ermöglichen es den Polymersomen, die zelluläre Transportmaschinerie zu kapern, welche die Ladung durch die Poren in den Kern liefert», erklärt Prof. Dr. Roderick Lim. Auch diese Eigenschaft orientiert sich an der Natur: «Diese Strategie wird auch von einige Viren verwendet», so der Biophysiker.

Den Weg der Polymersome in den Zellkern konnten die Forschenden verfolgen, indem sie sie mit zwei verschiedenen Farbstoffen füllten und mithilfe mikroskopischer Techniken untersuchten. Rutheniumrot diente dabei nicht nur als Farbstoff, sondern auch als Fracht der Nanocontainer.

Der erfolgreiche Transport der Polymersomen in den Zellkern konnten in vitro wie auch in vivo mit lebenden Zellkulturen bestätigt werden. Geplant ist, diese Farbstoffe in kommenden Untersuchungen durch therapeutische Wirkstoffe zu ersetzen.

«Die Untersuchungen zeigen, dass die von uns entwickelten Nanocontainer mit Lokalisationssignalen ermöglichen, eine künstliche Fracht ganz spezifisch in den Zellkern zu transportieren. Vesikel ohne Kernlokalisationssignale waren im Zellkern nicht nachzuweisen», fasst Erstautorin Christina Zelmer die Studie zusammen.

Originalbeitrag:
Christina Zelmer, Ludovit P. Zweifel, Larisa E. Kapinos, Ioana Craciun, Zekiye P. Güven, Cornelia G. Palivan and Roderick Y.H. Lim
Organelle-specific targeting of polymersomes into the cell nucleus
PNAS (2020), doi: 10.1073/pnas.1916395117

Externer Link: www.unibas.ch

Terahertz-Strahl bricht Rekorde

Presseaussendung der TU Wien vom 20.01.2020

An der TU Wien wurde eine neue, extrem effiziente Quelle von Terahertz-Strahlung entwickelt: Laser machen die Luft zum Plasma, dabei entsteht Strahlung mit vielen Einsatzmöglichkeiten.

Terahertz-Strahlen verwendet man bei den Sicherheitschecks am Flughafen, für medizinische Untersuchungen oder auch für Qualitätskontrollen in der Industrie. Allerdings ist Strahlung im Terahertz-Bereich extrem schwer zu erzeugen. An der TU Wien ist es nun gelungen, eine Terahertz-Strahlungsquelle zu entwickeln, die gleich mehrere Rekorde bricht: Sie ist extrem effizient, ihr Spektrum ist sehr breit – sie erzeugt unterschiedliche Wellenlängen aus dem gesamten Terahertz-Bereich. Dadurch ermöglicht sie auch die Herstellung kurzer Strahlungspulse mit sehr hoher Strahlungsintensität. Die neue Terahertz-Technologie wurde nun im Fachjournal Nature Communications präsentiert.

Die „Terahertz-Lücke“ zwischen gewöhnlichen Lasern und Antennen

„Terahertz-Strahlung hat sehr nützliche Eigenschaften“, sagt Claudia Gollner vom Institut für Photonik (Fakultät für Elektrotechnik und Informationstechnik der TU Wien). „Sie kann viele Materialien problemlos durchdringen, ist aber im Gegensatz zur Röntgenstrahlung unbedenklich, weil es sich nicht um ionisierende Strahlung handelt.“

Technisch gesehen befindet sich die Terahertz-Strahlung allerdings gerade im schwer zugänglichen Niemandsland zwischen zwei wohlbekannten Gebieten: Strahlung mit höherer Frequenz kann man mit Hilfe von gewöhnlichen Festkörper-Lasern erzeugen. Strahlung mit niedriger Frequenz, wie wir sie etwa für den Mobilfunk verwenden, wird von Antennen abgestrahlt. Genau dazwischen, im Terahertz-Bereich, liegen die größten Herausforderungen.

In den Laserlabors der TU Wien muss daher einiges an Aufwand betrieben werden, um die gewünschten hochintensiven Terahertz-Strahlungspulse zu erzeugen. „Unser Ausgangspunkt ist die Strahlung eines Infrarot-Lasersystems. Es wurde bei uns am Institut für Photonik entwickelt und ist in seiner Form einzigartig auf der Welt“, sagt Claudia Gollner. Zunächst wird das Laserlicht durch ein sogenanntes „nichtlineares Medium“ geschickt. In diesem Material wird die Infrarot-Strahlung verändert, ein Teil davon wird in Strahlung mit doppelt so hoher Frequenz umgewandelt.

„Nun haben wir also zwei verschiedene Arten von Infrarot-Strahlung. Diese beiden Strahlungsanteile werden dann miteinander überlagert. So entsteht eine Welle, deren elektrisches Feld eine ganz bestimmte asymmetrische Form aufweist“, erklärt Gollner.

Ein Plasma aus heißer Luft

Diese elektromagnetische Welle ist intensiv genug, um Elektronen aus den Molekülen der Luft herauszureißen. Die Luft verwandelt sich in ein glühendes Plasma. Durch die spezielle Form der Infrarot-Welle werden die Elektronen dann so beschleunigt, dass dabei die gewünschte Terahertz-Strahlung entsteht.

„Unsere Methode ist extrem effizient: 2,3 % der zugeführten Energie wird in Terahertz-Strahlung umgewandelt – das ist um Größenordnungen mehr als man mit anderen Methoden erreicht. Das  führt zu außergewöhnlich hohen Terahertz-Energien von beinahe 200 µJ“, sagt Claudia Gollner. Ein weiterer wichtiger Vorteil der neuen Methode ist, dass ein sehr breites Spektrum an Terahertz-Strahlung erzeugt wird. Ganz unterschiedliche Wellenlängen aus dem Terahertz-Bereich werden gleichzeitig emittiert. Dadurch entstehen extrem intensive kurze Strahlungspulse. Je größer das Spektrum unterschiedlicher Terahertz-Wellenlängen, umso kürzere und intensivere Pulse lassen sich generieren.

Große Hoffnung auf zahlreiche Anwendungen

„Damit steht nun erstmals eine Terahertz-Quelle für extrem hohe Strahlungsintensitäten zur Verfügung“, sagt Andrius Baltuska, der Leiter der Forschungsgruppe an der TU Wien. „Erste Experimente mit Zink-Tellurid-Kristallen zeigen bereits, dass sich die Terahertz-Strahlung ausgezeichnet eignet, um materialwissenschaftliche Fragen auf ganz neue Weise zu untersuchen. Wir sind überzeugt davon, dass diese Methode eine große Zukunft hat.“ (Florian Aigner)

Originalpublikation:
Koulouklidis et al., Observation of extremely efficient terahertz generation from mid-infrared two-color laser filaments, Nature Communications 11, 292 (2020).

Externer Link: www.tuwien.ac.at

Agrarroboter mit Künstlicher Intelligenz

Pressemitteilung der OTH Regensburg vom 07.01.2020

An der OTH Regensburg schrauben Studierende an einem intelligenten Roboter, der ohne Glyphosat und für den Preis eines neuen Handys, Bio-Felder von Unkraut befreien soll.

Die Sonne brennt auf die schattenlose Weite, ein scharfer Wind schneidet über die Hügel. Unermüdlich surrt und knattert ein kleiner Roboter zwischen jungen Feldpflanzen umher und scannt mit zwei kleinen Kameraaugen die Umgebung. Immer, wenn die Künstliche Intelligenz (KI) in seiner Platine Unkraut erkennt, fährt ein Stecharm in den Boden und rupft wucherndes Unkraut aus der Erde. Keine tausend Kilogramm wiegt er und keinen Tropfen Glyphosat muss er dabei verteilen. Es ist eine Vision von smarter Landwirtschaft, die weit entfernt wirkt. Doch an der Ostbayerischen Technischen Hochschule Regensburg (OTH Regensburg) gibt es einen Idealisten, der seit einem Jahr an genau dieser Vision bastelt. Prof. Dr. Hermann Ketterl, Fakultät Maschinenbau, entwickelt mit seinen Studierenden einen kleinen Agrarroboter mit künstlicher Intelligenz, der nicht nur Biobauern eine Freude sein soll, sondern auch flexibel und vor allem erschwinglich.

Noch ganz am Anfang

„Seit das mit Glyphosat ein Thema ist, sind viele motiviert, in diese Richtung zu gehen,“ erzählt Prof. Dr. Ketterl, während er zwischen dutzenden „wilden“ Erfindungen im Labor für Mess- und Steuerungstechnik steht. Erst vor einem Jahr startete das erste Agrartechnik-Projekt seines Labors überhaupt. Heute sind schon rund zehn Studierende dabei und einige Masterarbeiten in vollem Gange. Prof. Dr. Ketterl hatte schon Jahre zuvor das Thema angestoßen, hat er doch selbst ein paar Hektar Bioland mit zwei Kühen in Niederbayern. Mit dem Studenten Michael Engel startete es schließlich durch. Engel forscht an einem Konzept zur Reihenerkennung in Getreidefeldern. Im Sommersemester 2019 startete schließlich das Projekt „Agrarroboter“. Für den Anfang der großen Vision soll es erst einmal darum gehen, Futterrüben von Melden zu unterscheiden, einem hartnäckigen Fuchsschwanzgewächs, das vielen Bauern auf die Nerven geht.

Günstige Alternative

Ziel wäre eine kleine Maschine, die sich vor allem auch kleine Biobetriebe leisten können. Die Bauteile sind deshalb günstig, zwei Motoren für je 50 Euro und ein „Raspberry Pi“-Rechner für nochmal 50 Euro. Bislang liegt der Prototyp bei 300 Euro, am Ende sollte er inklusive GPS-Modul, Ladestation und einer schicken Hülle bei unter 1.000 Euro liegen. Auch im Stromverbrauch soll er sehr sparsam sein.

Damit ist die Maschine ein Gegenentwurf zu dem, was bislang auf dem Markt ist. Denn natürlich sind die Regensburger weit davon entfernt, die Ersten zu sein, mit der Idee eines intelligenten Unkraut-Vernichters. Viele technische Universitäten arbeiten bereits an dem Thema. Und auf den Feldern fahren bereits erste Hackgeräte herum. Diese sind jedoch für Großbauern angelegt, müssen noch von einem großen Diesel-Traktor gezogen werden und kosten einen sechsstelligen Betrag. An der OTH Regensburg forschen die Studierenden auf eigene Faust, ohne Zusammenarbeit mit Privatfirmen. „Industrielle Interessen sind da oft andere,“ weiß Prof. Dr. Ketterl, „die haben wenig Interesse an Low-Cost-Alternativen.“

Realistische Ziele

Außerdem, und das will der Professor noch ausdrücklich betonen, ist der Agrarroboter in erster Linie ein Lehrforschungsprojekt. Es geht um die Ausbildung künftiger Ingenieure, die vielleicht in der Zukunft die Agrarwirtschaft verändern werden. Und nicht um den Bau eines marktreifen Produkts innerhalb weniger Monate. Und schon gar nicht um den Bau eines perfekten Roboters, der 100 Prozent des Unkrauts erkennt und sich nie mal irgendwo festfährt. Das ist für den Preis auch nicht möglich. Dennoch geht die Arbeit an der Optimierung des Roboters stetig weiter. Der erste ferngesteuerte Prototyp fährt mit seinen wackeligen Test-Reifen seit wenigen Wochen und auch der mechanische Hackarm ist bereits montiert.

Im kommenden Semester arbeiten Studierende wie der Masterand Clemens Hölscher an der GPS-Positionierung. Masterand Michael Dier will bis dahin die Abstandsermittlung mittels Triangulation mit den beiden Kameras optimiert haben. Und noch in diesem Frühherbst soll ein 50 Quadratmeter großes Testfeld zwischen den Testanlagen für Erneuerbare Energien entstehen. „Dann kann man das mal richtig testen,“ freut sich Prof. Dr. Ketterl bereits, „wenn‘s mal geregnet hat und er verschlammt, wenn Dreckbatzen auf der Linse sind, dann wird‘s erst spannend.“

Externer Link: www.oth-regensburg.de